Vogt. Lösungsfokussierte Therapie mit Kindern und Jugendlichen

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Transkript:

Vogt Lösungsfokussierte Therapie mit Kindern und Jugendlichen

Mit welchen Bildern wird eine Galerie eröffnet, welche folgen und welche werden erst am Ende der Galerie gezeigt? Wie beziehen sie sich aufeinander? Ist für das Verständnis mancher Bilder das vorherige Betrachten anderer Bilder notwendig? Werden Bilder als Ursachen oder Folgen von etwas interpretiert? Die Art der dargebotenen Bilderfolge lädt zu Interpretationen über das Selbsterleben des Gegenübers ein. Zum Modellieren therapeutischer Prozesse bietet sich das Bild an, sich zu Beginn die Begegnung innerhalb einer therapeutischen Eröffnungsgalerie vorzustellen. In ihr werden uns mögliche Bilder zu beklagenswerten Themen gezeigt, die aus Sicht der Klienten in einer Problemgalerie gesammelt sind. Bild: Problemverhalten des Sohnes Holger Hier begegnen uns beispielsweise drei Bilder dreier beklagenswerter Verhaltensweisen eines Sohnes: " Rahmen 1: Sohn zeigt delinquentes Verhalten und stiehlt Kaugummi. " Rahmen 2: Sohn stört den Unterricht in der Schule. " Rahmen 3: Sohn verbreitet Lügen. Am meisten sorgen sich die Erwachsenen um das Stehlen und stellen dieses Bild ausführlich dar, indem sie detailliert das Bild ausmalen: Um das Bild zu rahmen bzw. zu deuten, können wir in unseren alltäglichen Deutungsweisen ein kausal-funktionalistisches Interpretationsschema anlegen, indem wir einzelne Ereignisse als Ursache für bestimmte Ereignisse deuten. Dazu verknüpfen wir Ereignisse mit dem Wort weil:holger stiehlt Kaugummis, weil er sich als langweilig erlebt und eine Mutprobe sucht. Oder wir deuten sie funktionalistisch, wenn sie mit dem Wort damit verbunden werden: Holger stiehlt Kaugummis, damit er in seiner Peergruppe anerkannt wird. Mit diesen Eindrücken verlassen wir die Problemgalerie und begeben uns in die Familiengalerie, wo das Verhalten des Sohnes eine andere Bedeutung haben kann. 1.2 Galerie: Rahmen, Bilder und Galerien in der Therapie 19

Bild: Familiengalerie In der Familiengalerie begegnen wir weiteren Bildern in ihren Rahmen. Rahmen 1: Sohn stiehlt Kaugummi. Rahmen 2: Mutter klagt über Migräne. Rahmen 3: Vater verbringt die meiste Zeit am PC. Kausale Interpretation. Je nachdem, in welcher Reihenfolge die Bilder vorgestellt, betrachtet und in Zusammenhang gestellt werden, bieten sich unterschiedliche kausale Deutungsmöglichkeiten: Weil der Vater die meiste Zeit am PC verbringt, klagt die Mutter über Migräne. Und weil die Mutter so viel klagt, zeigt der Sohn delinquentes Verhalten. 20 1 Flügel: Therapeutische Praxis als Improvisationskunst

Oder: Weil Mutter über Migräne klagt, zieht sich der Vater an den PC zurück. Und weil sich der Vater oft zurückzieht, zeigt der Sohn delinquentes Verhalten. Oder: Weil der Sohn delinquentes Verhalten zeigt, zieht sich der Vater an den PC zurück. Und weil sich der Vater häufig zurückzieht, klagt die Mutter über Migräne. Oder Funktionalistische Interpretation. Funktionalistisch interpretiert bieten sich folgende Deutungen an: Der Vater verbringt die meiste Zeit am PC, damit die Mutter ihre Migräne lindern kann und beide Eltern vom delinquenten Verhalten des Sohnes abgelenkt sind. Oder: Die Mutter kümmert sich um ihre Migräne, damit der Vater die meiste Zeit am PC verbringen kann und beide Eltern vom delinquenten Verhalten des Sohnes abgelenkt sind. Oder: Der Sohn zeigt delinquentes Verhalten, damit die Mutter vom Rückzugsverhalten des Vaters und der Vater vom Rückzugsverhalten der Mutter abgelenkt ist. Oder Unterschiedliche Verknüpfungen können als subjektive Einbettungsmuster verstanden werden und ermöglichen verschiedene therapeutischer Interventionen. Keeney (1991) bezeichnet das Spielen mit unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten als therapeutische Improvisationskunst, die maßgeblich durch das therapeutische Interventionsverhalten beeinflusst wird. Bild: Therapeutische Flügel, Rahmen und Galerien Zu Beginn einer Therapie führen uns die Klienten in ihr inneres Haus. Aus therapeutischer Perspektive führen sie uns in ihre therapeutische»eröffnungsgalerie«. Dort präsentieren sie ihre Sorgen und ihre Themen, die zur Therapie geführt haben. Sie zeigen Bilder und erklären mögliche Zusammenhänge zum Therapieanlass. Als Therapeuten fragen wir zunächst nach der Ideengeschichte, wie es zum therapeutischen Kontakt gekommen ist und welche Hoffnungen die Klienten mit einer Therapie verbinden. Dabei suchen wir in der Zielgalerie nach Bildern, die den Klienten zeigen, 1.2 Galerie: Rahmen, Bilder und Galerien in der Therapie 21

dass therapeutische Interventionen hilfreich sind und woran dies von den einzelnen Beteiligten erkannt werden wird. Weiterführende Bedeutungen entstehen durch die Anordnungen einzelner Bilder zueinander durch die Klienten, sowohl innerhalb einer Galerie als auch in Bezug zu anderen Galerien. Von dort geht es dann in die therapeutische Galerie. Mit welchen Bildern wird diese eröffnet? Welche Bilder schließen sich an und welche werden am Ende der Galerie gezeigt? Setzen einzelne Bilder das Verstehen vorheriger Bilder voraus? Werden bestimmte Bilder vom Klienten als Ursachen oder Wirkungen von Ereignissen interpretiert? Wie ist das aktuelle Gesamtwerk arrangiert? Es ist nicht der Klient allein, der uns seine Sicht der Dinge in sprachlichen Bildern darbietet, sondern wir als Therapeuten explorieren und ordnen mit unserer Sicht der Dinge die Themen der Klienten und intervenieren entsprechend. Wir stellen Fragen und suchen nach therapeutisch relevanten Galerien und Bildern, nach unterschiedlichen Konnotationen in den Erzählungen der Klienten. Keeney (1991) bezeichnet diesen Prozess als ko-konstruktive Improvisation, indem wir therapeutische Galerien er-suchen und er-finden. In imaginativen Zwischengalerien schlagen wir möglicherweise eine Neu-Rahmung i. S. einer Neu-Deutung eines Bildes vor. Angenommen, eine bestimmte Erinnerung an eine geliebte Person war bislang mit Trauer verknüpft und schwarz gerahmt. Wie erscheint das Bild vor einem anderen Hintergrund? Wenn zum Beispiel ein schwarzer durch einen goldenen Rahmen ausgetauscht wird? Erscheint das Bild in neuem Licht? Wird aus der Trauer eine gute Erinnerung, aus der die Klienten Kraft schöpfen können? In den Bildern therapeutischer Zwischengalerien werden Deutungsgewohnheiten hinterfragt, indem vermeintlich schwierige Themen wie z. B.»Ich bin immer so misstrauisch!«als Lösungsversuche gedeutet werden:»gut, dass du gelernt hast, Neues zunächst anzuzweifeln, um die damit verbundenen Konsequenzen für dich zu prüfen!«ein beobachtetes störendes Verhalten wird in einer anderen Galerie mit anderer Rahmung neugedeutet. Bilder können auch umgehängt werden. Das Versagensgefühl»andere um Hilfe bitten«kann aus der Galerie der erlebten Hilflosigkeit in die Galerie der persönlichen Stärken überführt werden. Bilder aus der Galerie der persönlichen Stärken können in die Galerie der therapeutischen Themen und Fragen überführt werden, um sie dort zu nutzen. Therapeutische Zielgalerien haben häufig zum Inhalt, dass dort die Bilder der erlebten Schwierigkeiten 22 1 Flügel: Therapeutische Praxis als Improvisationskunst

verschwunden sein sollen. Die Wände der Zielgalerie sind häufig leer, solange kein»stattdessen«etabliert wurde. Klient: Therapeut: Klient: Therapeut: Eswäre schön, wenn die plagenden Gedanken einfach weg wären! Welche Gedanken können dann an ihre Stelle treten? Keine Ahnung! Kann das unser erstes gemeinsames Ziel sein, nämlich herauszufinden, welche Gedanken du dir stattdessen wünschst? Dabei betreten wir die Galerie der Sehnsucht. Wonach sehnt sich der Klient? Wonach und was sucht er? Durch die handlungs- und aktivierende Perspektive lösungsfokussierter Therapie gehen wir in weitere therapeutische Galerien der Lösungsimaginationen. Wir erfinden Bilder, in denen das So-tun-als-ob (eine Lösung bereits gefunden ist) als imaginäres Probehandeln, als inneres Planspiel mit seinen Konsequenzen reflektiert werden kann. 1.3 Galerie: Lösungsfokussierte Therapie als Improvisationskunst In der Pragmatik der lösungsfokussierten Therapie werden die Interventionen nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip improvisiert. Es werden Lösungsbilder entworfen, Lösungsperspektiven reflektiert und nächste Handlungsschritte er-funden.wie Klienten auf die therapeutischen Interventionen reagieren, zeigt, welche konstruktiven Effekte mit einzelnen Handlungsschritten verbunden werden. In der Improvisation entsteht die Partitur bzw. das Skript erst nach der Vorstellung, d. h. nach unseren Explorationen, Beobachtungen und Interventionen und nicht vorher. Die Bedeutung einer Frage lässt sich im Nachhinein in der Antwort darauf finden, die jedoch unvorhersehbar ist. Unsere Intuition, unser klinisches Erfahrungswissen und unsere subjektive Hintergrund- und Erkenntnistheorie bestimmen, wie wir unsere Beobachtungen verarbeiten und nutzen. Für Steve de Shazer und Insoo Kim Berg stand vor der Antwort des Klienten nie fest,»was die Bedeutung dessen gewesen sei, das sie gefragt hatten«(varga von Kibed im Vorwort zu de Shazer &Dolan, 2008). Die Kunst der Therapie besteht im Improvisieren und spielerisch-rhetorischem Jonglieren eigener Neugier im Zusammenspiel mit den Re-Aktionen des Klienten, die wiederum Re-Aktionen des Therapeuten mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für weiterführende Interventionen bedingen. Dieser Prozess der ko-konstruktiven Improvisation folgt einer polykontexturalen Logik (Goldammer, 1999), die im lösungsfokussierten Konversationsstil bereits angelegt ist:»ein weiterer überraschender Zug des lösungsfokussierten Ansatzes, der auch von erfahrenen Praktikern manchmal unterschätzt wird, ist, wie sehr lösungsfokussierte Fragen eigentlich ausschließlich der Generierung relevanter Unterschiede bei den Klientinnen dienen, nicht aber der inhaltlichen Information der Therapeutinnen«(Varga von Kibed, 2008). 1.3 Galerie: Lösungsfokussierte Therapie als Improvisationskunst 23