Polizeitechnisches Institut (PTI) der Polizei-Führungsakademie Münster, den 28. September 2005 Klarstellungen zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) Mit dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz - abgekürzt: ElektroG) vom 16. März 2005, bekannt gegeben im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 17 vom 23. März 2005, sind die EU-Richtlinien 2002/95/EG zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RoHS) und 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik- Altgeräte (WEEE) in nationales Recht umgesetzt worden. 1. Zielsetzungen des Gesetzes Das Gesetz bezweckt vorrangig die Vermeidung von Abfällen von Elektro- und Elektronikgeräten und darüber hinaus die Wiederverwendung und die stoffliche Verwertung von Altgeräten, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren. Damit dieses Ziel erreicht wird, soll der Hersteller seine Produktkonzeption so gestalten, dass die Demontage und die Verwertung von Altgeräten, ihren Bauteilen und Werkstoffen, berücksichtigt und erleichtert werden. Außerdem sind die Hersteller verpflichtet, für zu entsorgende Altgeräte Rücknahmesysteme einzurichten und zu betreiben sowie erstmals in Verkehr gebrachte Geräte mit einem sichtbar und dauerhaft angebrach-
2 ten Symbol (durchgestrichene Abfalltonne auf Rädern) zu kennzeichnen, welches auf die getrennte Sammlung der Altgeräte im Falle der Entsorgung hinweist. Des weiteren soll mit dem ElektroG der Eintrag von Schadstoffen aus Elektro- und Elektronikgeräten in Abfälle verringert werden. Zu diesem Zweck werden unter 5 Stoffverbote genannt. Bestimmte umweltschädigende bzw. gefährliche Stoffe - wie Blei, Quecksilber, Cadmium, sechswertiges Chrom, polybromiertes Biphenyl (PBB), polybromierten Diphenylether (PBDE) - dürfen in Elektro- und Elektronikgeräten, die im Europäischen Wirtschaftsraum ab dem Stichtag 01. Juli 2006 in Verkehr gebracht werden, nicht mehr oder nur noch in festgelegten sehr geringen Gewichtsprozenten vorhanden sein. 2. Auswirkungen des Gesetzes Allein die in dem Gesetz genannten Stoffverbote zwingen die Hersteller von Elektround Elektronikgeräten, ihre gesamte Gerätefertigung umzustellen, was eine nicht unerhebliche Herausforderung darstellt. So darf z.b. kein bleihaltiges Lötzinn mehr verwendet werden. Das bleihaltige Lötzinn kann aber nicht einfach durch bleifreie Lote ersetzt werden. Ersatzlote haben andere chemische Eigenschaften und erfordern höhere Löttemperaturen, was u.a. Auswirkungen auf die Leiterplattenausführung und die zu verwendenden Bauelemente hat, die zudem ebenfalls schadstoffarm sein müssen. Eine Umstellung der Gerätefertigung auf neue Lötprozesse ist daher nicht so ohne weiteres möglich. Die Konsequenz ist eine zumindest teilweise Neuentwicklung von Baugruppen, Modulen oder Leiterplatten und die Auswahl geeigneter Bauelemente unter Berücksichtigung der geänderten Anforderungen. Bei der Neuentwicklung von Geräten kann sich ein Hersteller von vorn herein auf die neuen Anforderungen einstellen, doch für die weitere Produktion solcher Geräte, deren Entwicklung schon viele Jahre zurück liegt - wie dies bei nahezu allen analogen Funkgeräten der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) der Fall ist, muss die Fertigung aufwändig umgestellt werden. Ein Hersteller wird die Umstellung einer Gerätefertigung aber nur dann vornehmen, wenn diese angesichts noch zu erwartender Stückzahlen wirtschaftlich zu vertreten ist. Andernfalls wird er die Fertigung der Geräte einstellen. Damit sind die BOS von den Auswirkungen der Stoffverbote im ElektroG indirekt auch betroffen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung des Digitalfunks und dem deshalb vermuteten nur noch geringen Ersatzbeschaffungsbedarf an analogen Funkgeräten besteht die konkrete Gefahr, dass die Produktion bestimmter Geräte eingestellt wird.
3 3. Ersatzbeschaffungsbedarf bei den BOS Selbst wenn mit dem Aufbau des geplanten digitalen Rumpfnetzes des Bundes in 2006 begonnen wird, werden solche Bundesländer, die erst später beim Digitalfunk einsteigen, auf absehbare Zeit noch Ersatzbeschaffungen für den Analogfunk tätigen müssen. Dieses gilt erst recht für viele Feuerwehren, Rettungs- und Hilfsdienste, die aus Kostengründen vermutlich noch auf Jahre hinaus beim Analogfunk bleiben werden. Dem Polizeitechnischen Institut (PTI) erscheint es daher notwendig, dass auch künftig noch analoge Funktechnik verfügbar ist. 4. Ausnahmeregelung für die BOS Die unkomplizierteste und kostenneutralste Lösung für alle Beteiligten (Hersteller und Bedarfsträger) wäre die Inanspruchnahme einer Ausnahmeregelung für die Funkgeräte der BOS nach 2 (Anwendungsbereich) Absatz (2) des ElektoG. Hiernach gilt das Gesetz nicht für Elektro- und Elektronikgeräte, die der Wahrung der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland dienen oder eigens für militärische Zwecke bestimmt sind. Allerdings stellt sich die Frage, welches denn die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland sind. Deshalb ist das Bundesministerium des Innern (BMI) um eine Klärung im Sinne der BOS gebeten worden. 5. Neue Erkenntnisse Nach aktuellen Informationen des Polizeitechnischen Instituts hat das für die Umsetzung der anfangs genannten EU-Richtlinien in das nationale Gesetz zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) inzwischen selbst für eine Klärung dieser Sachfrage gesorgt. Wegen bestehender Unsicherheiten bei der Auslegung des ElektroG hatte der Bundesrat bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens die Bundesregierung gebeten, eine präzisierende Handlungshilfe zur Abgrenzung des Geltungsbereichs des Gesetzes zu verabschieden. Dieser Bitte ist das BMU nachgekommen und hat mit Stand: 24. Juni 2005 "Hinweise zum Anwendungsbereich des ElektroG" formuliert und diese im Internet unter www.bmu.de für jedermann abrufbar zur Verfügung gestellt (siehe Anlage zu dieser Information).
4 Nach den Auslegungshinweisen des BMU gibt es mehrere Prüfschritte, um festzustellen, ob ein Gerät in den Anwendungsbereich des ElektroG fällt oder nicht: 5.1 Auslegungshinweis für Fahrzeugfunkgeräte Für die BOS ist zunächst der Prüfschritt 5 interessant. Im Prüfschritt 5 wird festgestellt, ob ein Gerät Teil eines anderen Gerätes ist, welches nicht unter den Geltungsbereich des ElektroG fällt. Beispielhaft werden Autoradios genannt, die eigens für den Betrieb in Fahrzeugen in Verkehr gebracht und mit dem Einbau Teil eines Fahrzeugs werden. Da Transportmittel nicht in den Anwendungsbereich des ElektroG fallen (Prüfschritt 3), sind folglich auch die in Fahrzeugen eingebauten Autoradios hiervon ausgenommen. Als in PKW eingebaute Geräte fallen sie unter die "Verordnung über die Überlassung, Rücknahme und umweltverträgliche Entsorgung von Altfahrzeugen" (AltfahrzeugV). Analog dazu kann dieser Auslegungshinweis für die BOS nur bedeuten, dass auch Fahrzeugfunkgeräte vom ElektroG ausgenommen sind. 5.2 Auslegungshinweis für ortsfeste Funkanlagen Im Prüfschritt 5 wird weiterhin nachgefragt, ob ein Gerät eine "ortsfeste Anlage" darstellt, die vom ElektroG ebenfalls nicht betroffen ist. Eine "ortsfeste Anlage" ist eine Kombination mehrer Systeme, Endprodukte und/oder Bauteile, die von einem Assembler/Errichter an einem bestimmten Ort zusammengefügt und/oder installiert werden, um in einem zu erwartenden Umfeld zusammenzuarbeiten und eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Diese Kombination wird aber nicht als einzelne funktionale oder Handelseinheit in Verkehr gebracht. Nach Auffassung des PTI müsste dieser Auslegungshinweis für die BOS bedeuten, dass die zur Errichtung einer Relaisfunkstelle oder Gleichwellenfunkanlage erforderlichen ortsfesten Geräte (Relaisfunkstellengeräte, Funkzubringergeräte, Antennen, Anbindungen), die ja erst an einem bestimmten Ort zusammengefügt und installiert werden, ebenfalls vom ElektroG ausgenommen sind. 5.3 Explizite Ausnahme für Geräte, die der Wahrung der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland dienen Für die BOS besonders relevant und unzweifelhaft ist jedoch der Prüfschritt 6. Hier wird ausgesagt, dass das ElektroG nicht für solche Geräte gilt, die der Wahrung der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland dienen. Unter Sicherheitsinteressen in diesem Sinne sind sowohl Interessen der Äußeren als aus-
5 drücklich auch Interessen der Inneren Sicherheit zu verstehen. Es besteht zwar keine generelle Ausnahme für alle Geräte, die bei den BOS eingesetzt werden (z.b. Telefon, Drucker, Faxgerät, Kaffeemaschine), jedoch dürfte ein Gerät, das speziell für die besonderen Belange der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben konzipiert wurde, von der Ausnahme erfasst sein. Bei den verwendeten Funkgeräten nach den Technischen Richtlinien der BOS ist dies eindeutig der Fall. Es ist unbestrittene Tatsache, dass die von den BOS beschafften Richtliniengeräte eigens für die BOS konzipiert wurden und in dieser Ausführung auch nur für die BOS hergestellt werden. Die Funkgeräte werden beispielsweise nicht auch von Privatunternehmen genutzt. Somit ist zuverlässig geklärt, dass die Richtliniengeräte der BOS vom ElektroG nicht betroffen sind! 6. Ergebnis für die BOS Angesichts der dargestellten Sachlage scheint mit dem Vorliegen der präzisierenden Auslegungshinweise des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Anwendungsbereich des ElektroG eine weitergehende Prüfung durch das Bundesministerium des Innern nun entbehrlich. Unter Bezug auf die genannten Hinweise des BMU können nach Auffassung des Polizeitechnischen Instituts die gemäß den Technischen Richtlinien der BOS gefertigten analogen Funkgeräte auch nach dem 30. Juni 2006 ungeachtet der Stoffverbote im ElektroG unverändert in Verkehr gebracht werden. Das Polizeitechnische Institut hat die Innenministerien der Länder und des Bundes über die neue Sachlage bereits umfassend informiert. gez.: Horst Beckebanze