Zügelführung: 20 gr oder 10 kg - vom Hanteltraining in den Dressursattel???

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Transkript:

Zügelführung: 20 gr oder 10 kg - vom Hanteltraining in den Dressursattel??? Wenn man das Pferd in die Haltung bringt, die es selbst annimmt, wenn es sich das schönste Aussehen geben will, so erreicht man, dass das Pferd des Reitens froh und prächtig, stolz und sehenswert erscheint Xenophon (um 430-355 v.chr.) aus Über die Reitkunst Hier sei zuerst einmal vorausgeschickt, dass man es eigentlich gar nicht glauben möchte, dass es tatsächlich Reiter geben soll, die zur Führung ihres Pferdes tatsächlich Muskelaufbau in den Armen benötigen. Wo bleibt da die Harmonie? Wo bleibt die Leichtigkeit? Haben diese Reiter das nie angestrebt oder ist es auf dem Weg der Ausbildung durch falsch verstandenes Training und Ehrgeiz verloren gegangen? In jedem Fall ist es traurig, wie häufig man Reiter beobachten muß, die ziehen, zerren oder genauso schlimm riegeln! Ebenso bemerkenswert ist es auch, wie viele Reitlehrer ihre Schüler permanent ermahnen: Zügel kürzer fassen! und das, obwohl die Reiterhand schon einen mehr als deutlichen Kontakt zum Pferdemaul hat. Der unwissende Reitschüler tut brav, wie ihm geheißen und wundert sich oft, dass sein Pferd scheinbar immer fauler, nämlich unlustig wird, da es permanent im Maul gebremst wird und unwillig gegen den Zügel oder über den Zügel kommt. So manch arme Kreatur verkriecht sich weit hinter der Senkrechten, um so dem Druck zu entkommen. Beim Militär, von dessen Bedürfnissen die deutsche Reiterei auch heute noch weitgehend beeinflußt wird, brauchte man eine festere Anlehnung. Bei dem oft hektischen kavalleristischen Geschehen ist das auch kaum anders zu erwarten. Wir sind aber nicht beim Militär jedenfalls 99 % der Reiter 22

heutzutage nicht! Reitkunst sollte versuchen, mit möglichst feinen Einwirkungen zu arbeiten. Warum sehen wir also in unseren Reithallen ständig diese schlimmen Bilder der Mißhandlung von Pferdemäulern? Zunächst glaubt auch der blutigste Anfänger auf einem schlecht gerittenen Pferd, er müsse den Hals des Pferdes in die Form zerren, die er bei voll ausgebildeten S-Pferden gesehen hat (leider sieht man selbst bei Olympia-Siegern oft Pferde, deren Kopf sich weit hinter der Senkrechten befindet. Richter sollten das deutlicher in die Bewertung aufnehmen!). Oder er handelt so, weil es ein unfähiger Reitlehrer abverlangt. Der Zügel dient also nicht in erster Linie der Führung, sondern der Formung des Halses, anstatt die Formung des Halses der versammelnden Arbeit zu überlassen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber Reiten ist nun mal anspruchsvoll, wenn man Harmonie anstrebt. (Buchempfehlung: Paul Plinzner, Gustav Steinbrecht) Natürlich sind Einwirkungen mit den Zügeln oft unvollkommen und irrational. Der Grund dafür ist nicht nur, daß ein Reiter, der noch nicht gelernt hat, losgelassen und ausbalanciert zu sitzen, sich oft am Zügel festhält, sondern vielmehr die Tatsache, daß wir Menschen in praktisch allen Situationen gewöhnt sind, mit der Hand zu agieren und reagieren. Jeder glaubt außerdem von sich, daß er zumindest normal geschickt dabei ist. Bei Problemen, die beim Reiten auftreten, wird der Reiter also zunächst instinktiv versuchen, durch Zügeleinwirkung zu reagieren. Zügelhilfen dienen, wie andere Hilfen auch, der Verständigung zwischen Reiter und Pferd und wirken auf das Pferdemaul, den Unterkiefer, die Zunge und sollen vor allem eine Bewegung im Genick des Pferdes auslösen, d.h. die Stellung bestimmen. Das Pferd wird feinste Einwirkungen wahrnehmen und darauf reagieren, wenn es die Bedeutung der Hilfe gelernt hat. Wie aber soll es lernen, auf feinste Einwirkung zu reagieren, wenn permanent kiloweise Zug auf den Zügeln hängt? Das sollten Sie den Reitlehrer fragen, der Sie auffordert, die Zügel über Gebühr zu verkürzen, weil der Kopf noch nicht unten ist. Die tausendfach zitierte Reiterfloskel: Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, preist das Vergnügen des Reiters an und verschweigt die Mühsal des Pferdes unter unsensiblen und grob einwirkenden Reitern. Aber die Freude des Reiters kann schnell in Resignation und Enttäuschung umschlagen, wenn es ihm an reiterlichen Fähigkeiten, an Sachkenntnis über das Wesen Pferdes, an Ausbildung und Geduld mangelt. Ehrgeiz und Eitelkeit, Geltungsdrang und Herrschsucht sind falsche Motivationen, um den Fuß in den Steigbügel zu setzen. Ein sehr sensibler Bereich des Pferdekörpers - die Kopf-Hals-Rücken-Partie, die der Reiter durch Zügelführung beeinflusst wird bei falscher reiterlicher Motivation häufig vergessen. Der Kopf muß runter lautet bei vielen die Devise und hierfür scheint jedes Mittel recht. Allzu häufig werden diese armen Pferdeköpfe von unsensiblen und ignoranten Reiterhänden heruntergezogen. Auch Hilfszügel (Ausbinder, Schlaufzügel etc.) gehören nicht in die Sattelkammer, geschweige denn ans Pferd. Stattdessen empfehlen wir Ausund Weiterbildung vor allem um das Wissen, was man hier bei den Pferden auch gesundheitlich anrichtet. Im freien Lauf, ohne Reiter, nutzt das Pferd die weit über die Standbeine hinaus ragende Kopf-Hals-Partie als Balancierstange, die Schwankungen im Bewegungsablauf ausgleicht, damit es das Gleichgewicht nicht verliert. Jetzt muß das Pferd plötzlich nicht nur das eigene Gleichgewicht halten, sondern Wie lang oder kurz soll ich die Zügel aufnehmen? In der klassischen Reitweise soll das Pferd am Zügel stehen, das heißt es soll die Anlehnung am Zügel suchen und auf Hilfen des Reiters sofort reagieren. Man unterscheidet hier drei Arten der Zügelführung: Der lange Zügel: Der Zügel wird gerade soweit aufgenommen, dass ein freundlicher Kontakt zum Pferdemaul hergestellt wird. Das Pferd spürt die Reiterhand leicht und weiß er ist da. Der Reiter hat eine leichte Verbindung zum Pferdemaul. Diese Form der Zügelführung wird beim Aufwärmen und in kurzen Verschnaufpausen zwischen Arbeitsphasen angewandt. Der kurze Zügel: Der Zügel wird soweit aufgenommen, dass das Pferd in Anlehnung an den Zügel geht. Der Reiter geht hierbei weich und federnd alle Bewegungen des Pferdes mit, ohne es im Maul zu stören. Die Haltung des Pferdes hängt dabei von seinem Ausbildungsstand ab. Der hingegebene Zügel: Der Zügel wird, ohne Kontakt zum Pferdemaul herzustellen, lang gelassen. Diese Zügelführung wird beim Trockenreiten und in den ersten Runden beim Aufwärmen angewandt. Nach einer schwierigen Lektion kann das Pferd auch mit einem hingegebenen Zügel belohnt werden. 23

Voraussetzung für korrekte Hilfengebung...... ist ein korrekter, losgelassener und ausbalancierter Sitz. Das Ziel ist eine feine und unauffällige Hilfengebung, die von außen kaum wahrgenommen werden kann. Zügelhilfen werden NUR in Verbindung mit Schenkelhilfen gegeben. Zügelhilfen können nur bei durchlässigen Pferden über Maul, Genick, Hals und Rücken auf die Hinterhand einwirken. Das sei einmal vorweg geschickt. Welche Zügelhilfen gibt es? sehr eng geschnallter Sperrriehmen, hochgezogene Maulspalten, aufgerissene Augen... Das ist kein feines Reiten mit leichter Hand Annehmend: je nach notwendiger Intensität wird die Zügelfaust für einen kurzen Moment vermehrt geschlossen bzw. die Zügelhand zum Stellen des Pferdes vom Pferdehals weg geführt. Keinesfalls wirkt die Zügelhand in Richtung Reiterkörper (Hand in den Bauch ziehen) oder nach hinten! Nachgebend nach der annehmenden Zügelhilfe: zurückgehen der Hände in die Grundstellung bzw. wieder Öffnen der Zügelfaust. Annehmende und nachgebende Zügelhilfe werden immer im Zusammenhang gegeben - einer annehmenden Zügelhilfe folgt immer eine nachgebende. Verwahrend: ergänzt bei jedem Stellen oder Biegen des Pferdes den annehmenden (stellenden) inneren Zügel. In der Biegung verhindert der verwahrte äußere Zügel in Kombination mit dem inneren treibenden Schenkel ein über die Schulter schieben des Pferdes. Der verwahrende Zügel begrenzt die Biegung. Seitwärts öffnen : weist dem Pferd die Richtung. Die richtungsweisende Hand wird etwas vom Hals des Pferdes in die Richtung geführt, in die das Pferd gehen soll, in der Regel verbunden mit annehmender Zügelhilfe, der eine nachgebende Hilfe folgen muß. Das hilft besonders jungen Pferden beim Verständnis der Zügelhilfen. auch noch mit dem Reitergewicht zurecht kommen. Das braucht seine Zeit, Tag für Tag. Daraus ergibt sich, dass der Reiter die Balance des Pferdes durch Zügelzwang nicht einengen darf, damit die Gleichgewichtssuche des Pferdes nicht behindert wird. Der Pferdehals muss innerhalb der Zügelführung stets lang und entspannt bleiben und die Profillinie des Pferdekopfes vor der Senkrechten sein! - Das Pferdemaul, die empfindlichste Körperstelle des Pferdes, muss die Zügelhand äußerst schonend behandeln, um Zügelzwang und Schmerz und daraus resultierende Verletzungen zu vermeiden. Im Prinzip fragt die Reiterhand sanft an und das Pferdemaul antwortet spielerisch kauend. In der klassischen Reitweise soll das Pferd am Zügel stehen, das heißt, es soll die Anlehnung am Zügel selbst aktiv suchen, um dann auf die Hilfen des Reiters sofort reagieren zu können. Historie und Nachdenkliches Im Verlauf der Reitgeschichte stellte sich für den Reiter das vordringliche Problem, das Pferd in kriegerischen Auseinandersetzungen und auf der Lanzenjagd zum Gehorsam zu veranlassen, um dem Gegner gewachsen zu sein und heil davonzukommen. In der Regel wurden brachiale Mittel angewandt, um den Widerstand des Pferdes zu brechen und es dem reiterlichen Willen zu unterwerfen. Zwar mahnte schon in der Antike der griechische Reiterführer Xenophon, in seiner bis heute weitgehend gültigen Reitlehre, eine weitgehend zwangfreie Behandlung des Pferdes an, jedoch ist nicht überliefert, ob seine Erkenntnisse Früchte trugen. Erst in der Barockreiterei entwickelte sich ein weniger gewaltsamer Umgang mit dem Pferd, der sich bis in die Gegenwart auf ein grundlegend zwangfreies Reitverständnis steigerte, das im Sinne des Tierschutzes Gesundheit und psychisches Wohlergehen des Pferdes berücksichtigt. Allerdings stellt sich die Frage, ob mit der Kommerzialisierung des Reitsports der Tierschutzgedanke in der Praxis nicht nur graue Theorie bleibt, sondern seine reale Entsprechung findet? Mittlerweile hat der Reitsport in der Bundesrepublik nicht nur in der Anzahl aktiver Reiter, sondern auch in der Vielfalt der Reitweisen und Reitdisziplinen ein beträchtliches Ausmaß angenommen. Derzeit schätzt man die Gesamtzahl reitender Pferdefreunde auf etwa 1,5 Millionen, professionelle Turnierteilnehmer und Ausbilder, Amateure und Freizeitreiter jedweder Reitweise eingeschlossen. Da tummeln sich Dressur- und Springreiter, Western- und Töltreiter in mannigfachen Disziplinen, die einen finden Erfüllung im Reiten um des Reitens willen, die anderen begeistern sich für den Wettbewerb. Nicht immer freilich sind die notwendigen reiterlichen Grundlagen für eine gekonnte Reitausübung gegeben, die das Pferd vor Schmerzen und Gesundheitsschäden bewahrt und dem Reiter eine weitgehend zwangfreie Hilfengebung ermöglicht. Mangelhaftes Reiten kann ein Pferd auf Dauer zum Invaliden machen. Das Bemühen bedeutender Reitmeister der Geschichte hatte immer das vorherrschende Ziel, die Gesundheit des Pferdes unter reiterlicher Belastung zu erhalten, das Leistungsvermögen durch Körpertraining zu steigern und es auf möglichst sanfte, leichte und zwanglose Weise zu beherrschen. Das reiterliche Ausbildungsmittel, um dies zu erreichen, ist die über Jahrtausende verfeinerte dressurmässige Grundausbildung, 24

die den Pferdekörper gymnastiziert, biegsam und geschmeidig macht und den Tragapparat kräftigt, um frühen Verschleiß zu vermeiden. Sie sollte mehr oder minder jedem Reitpferd zugute kommen, das in dressurmässiger oder dessurähnlicher Reitweise geritten werden soll. Hingegen ist dressurmässige Grundausbildung für jeden Reiter, ganz gleich welche Reitweise und welchen Pferdetyp er bevorzugt, ein unverzichtbares Fundament, um mit dem Pferd eine harmonische Einheit in Gleichgewicht und Bewegung zu bilden. Dabei gilt stets der Grundsatz: Reitanfänger auf ausgebildetem Pferd, junges unausgebildetes Pferd unter erfahrenem Reiter, damit jeweils einer vom anderen lernen kann. Zügel beim Westernreiten Zügel verbinden das Gebiss im Pferdemaul oder die entsprechenden Teile einer gebisslosen Zäumung mit der Hand des Reiters. Zügel gibt es in allen Variationen, aus unterschiedlichsten Materialien und Farben. Im Wesentlichen unterschieden werden die Zügelarten durch die Reitweise, in der sie finden sind breite, schwere Lederzügel, aber auch Zügel aus Nylon oder ähnlichen Fasern finden Verwendung. An einigen Gebissen befindet sich auch eine Kinnkette, welche das Gewicht des Zügels noch erhöhen soll und die Zügelhilfen über die einzelnen Kettenglieder graduell weiterleitet. Man findet sie z. B. an Spade Bit, Salinas Bit oder Half Breed Bit. Eine Besonderheit bei den Westernreitern ist, dass sie zwischen Trainingszügeln und Zügeln für ein fertig ausgebildetes Pferd unterscheiden. Trainingszügel sind in der Regel schwerer und breiter als normale Zügel und werden vorwiegend in der Umstellungsphase von zweihändiger Zügelfüh- Francois Robichon de la Guérinière vertrat den Grundsatz, das Pferd von hinten nach vorn zu versammeln und den Vorwärtsschub nicht zu behindern. Er lehnte zwingende Hilfszügel, wie den Schlaufzügel und auch Marterinstrumente á la Pignatelli ab und bevorzugte mild wirkende Mundstücke für die Ausbildung. Er erkannte, dass Losgelassenheit und Durchlässigkeit des Pferdes innerhalb der Versammlung unverzichtbare Voraussetzungen für die Beantwortung feiner Hilfen und für freiwilligen Gehorsam sind. Bild nebenstehend: Francois de la Guérinière (stehend) mit einem Reitschüler, der die von ihm erfundene Lektion Schulterherein vorführt. Reiten hat etwas mit Gefühl zu tun. Nur wer spürt, wie die Hilfen zusammenwirken und wie das Pferd auf die Hilfen reagiert, kann zu minimalen, unsichtbaren Hilfen kommen. Die feine Verbindung zum Pferdemaul läßt das Pferd kleinste Veränderungen der zügelführenden Hände erkennen. Bei sorgfältiger Ausbildung hat das Pferd Spaß an der Zusammenarbeit. Es hat die Hilfengebung verstanden und wenn es sich nicht überfordert fühlt, folgt es dieser freudig. Dieter Mader - Trainer und Ausbilder in klassisch-iberischer Reitweise www.klassisch-iberisch.de benutzt werden. Besonders gravierend sind die Unterschiede zwischen Westernreitstil und klassischer Reitweise, da beide den Zügeln eine unterschiedliche Bedeutung zukommen lassen. Prinzipiell gelten die Grundsätze der Schmerzvermeidung im Pferdemaul und der sorgfältigen Ausbildung, um dem Pferd die Hilfen verständlich zu machen im Westernreitsport genauso. Allerdings wird hier ohnehin mit langen Zügeln geritten und die Zügelführung bekommt eine ganz andere Bedeutung. Im Gegensatz zu den Zügeln in der klassischen Reitweise sind im Westernreitsport offene Zügel, die so genannten Split Reins, üblich. Am häufigsten zu rung auf Neckreining, also das Reiten mit einer Hand, eingesetzt. Grade hier findet man oft Zügel aus geflochtenem oder gewebtem Material, aber natürlich auch aus Leder, welches oft zusätzlich verziert, mit Rohhaut, Silber oder anderen Materialien besetzt ist. Im Gegensatz zur klassischen Reitweise wird das ausgebildete Westernpferd ständig am langen Zügel geritten. Zum Lenken wird der Zügel nicht aufgenommen, sondern im Zusammenspiel mit Gewichts- und Schenkelhilfen wird der, je nach Gebiss, einhändig oder beidhändig geführte Zügel an der Seite an den Hals angelegt, der das Pferd weichen soll (neckreining)- es geht also zur anderen Seite. Zum Halten spielt der Zügel beim Westernreiten eine untergeordnete Rolle. Bei einem korrekt ausgebildeten Pferd wird ein Stopp mit durchhängenden Zügeln erwartet und es kommen im wesentlichen die Gewichts- und Stimmhilfe zum Einsatz. Bei der Ausbildung und Korrektur des Pferdes ist das leichte Annehmen des Zügels als dritte Hilfe nach den oben beschriebenen anzuwenden, um dem Pferd das Manöver verständlich zu machen. Astrid Oberniedermayr Was dem Ballett-Tänzer am Anfang seiner Karriere die Stange ist, so braucht das Pferd am Anfang um ins Gleichgewicht zu kommen das Trensengebiss. Dieses wird ihm vom Reiter in einer konstanten Anlehnung angeboten. Das Pferd sucht die Anlehnung in dem es sich vorwärts-abwärts dehnt, und soll Vertrauen in die Reiterhand bekommen.dasvertrauen erarbeitet sich der reiter indem er das Pferd niemals mit der Hand straft. Die Anlehnung ist zwar deutlich da, ist aber als Hilfe für das Pferd gemeint. Trense bäumt, Kandarre zäumt heißt ein alter Spruch. Das heißt mittels korrekt gerittener Paraden am Trensengebiß wird das Pferd aus der Vorwärts-Abwärts-Haltung aufgerichtet. Der treibende Schenkel/die verbale Aufforderung läßt das Pferd weiter untertreten, das Zupfen am Zügel annimiert das Pferd den Kopf zu heben um so widerum ein noch weiteres Untertreten zu ermöglichen. Die gesamte Muskelkette Halsmuskulatur/Rückenmuskulatur/Kruppenmuskulatur wird angesprochen. Damit verschiebt sich das Gleichgewicht des Pferdes Richtung Hinterhand und die Vorhand wird entlastet. Das kann allerdings nur klappen, wenn keine Verspannungen der Muskulatur vorliegen. Diese müssen vorher beseitigt werden, bzw. die Ursache abgestellt werden. Wenn der Reiter nun sein Pferd nicht am seidenen Faden reiten kann, so hat das verschiedene Ursachen. Das Pferd legt sich permanent auf den Zügel, der Reiter wird durch den Zug aus dem Gleichgewicht gebracht. Hier kann eine Überforderung der Halsmuskulatur vorliegen. Daher sollten immer nur kurze Reprisen in Haltung geritten werden um dann für eine Weile den Zügel wieder hinzugeben, damit sich die Halsmuskulatur wieder erholen kann. Verspannungen sind schmerzhaft. Es kommt dann zu allen anderen Unarten, die man so kennt. Wichtig sind regelmäßige Phasen der Entspannung und ein langsamer stetiger Muskelaufbau. Wenn sich das Pferd nur phasenweise bzw. bei bestimmten Lektionen auf den Zügel legt, so macht es dem Reiter damit deutlich, dass es sich nicht im Gleichgewicht befindet. Die der Tänzer an der Stange sucht es noch sein Gleichgeicht in dieser Übung. Hier hilft nur geduldiges und beharrliches Üben, mit regelmäßigen, häufigen Entspannungsphasen. Pferdeausbildung sollte immer auch etwas spielerisches haben. Verbissenes Trainieren führt nur zu Kampf und Krampf. Katja Maria Günder, Physio-Riding-Coach Berg 2, 84326 Falkenberg, 08726-969401 Liebes Pferde-Regional-Team, für mich stellt sich diese Frage gar nicht. Die Pferde im Allgemeinen und auch in unserer Reitschule beantworten uns die Frage doch zu jederzeit: Ein Pferd das willig auf die Hilfen reagiert: sagt: ja, danke Ein Pferd, das nicht reagiert, oder aber sogar mit extremen Unwillen, sagt: Nein, so nicht. Als Unwillen wären da Rücken wegdrücken, Kopfschlagen, über dem Zügel, sich verkriechen, auf den Zügel legen mit Wegrennen und Steigen. Dies sind Dinge, die jeder kleine und große Reitschüler nach einer handvoll Reitstunden bei uns selbständig bemerkt. Das ist das, was wir Reiten mit Köpfchen nennen. Der Reiter muss lernen, zu fühlen und auf das Pferd zu achten. Bedingung hierfür ist wiederum ein Pferd, das ohne Zwangsjacken wie Ausbinder, andere Hilfszügel oder ideenreiche Gebisse ausgestattet ist. Nur so kann ein Reiter das Fühlen und Mitgehen lernen, das Bedingung ist für eine feine und sensible Zügelführung. Wichtig ist immer, dass das Pferd von hinten nach vorne geritten wird, das heißt, es müssen immer zuerst die Schenkel- und Gewichtshilfen kommen, bevor der Zügel eingesetzt wird. Der Zügel kann niemals nur als Einzelmaßnahme gesehen werden. Jede Einwirkung mit den Zügeln kann nur dann gefühlvoll gegeben werden, wenn vorher eine weiche Verbindung zwischen Hand und Pferdemaul bestanden hat. Wenn die Zügel herabhängen, kann man nicht plötzlich gefühlvoll mit ihnen einzuwirken beginnen, sondern wird sein Pferd möglicherweise zunächst nur im Maul reißen (Zitat aus Reitlehre, Wilhelm Müseler). Der Zügel dient lediglich zum Verfeinern der Hilfen. Bachäckerhof, Sonja Waggershauser, Trainer C IPZV, Centered Riding Instructor Alberskircher Str. 10, 88213 Ravensburg 25

Lehren & Lernen - Zügelführung Die korrekte Zügelführung und Handhaltung: Der Zügel wird zwischen kleinem Finger und Ringfinger (nicht zwingend notwendig) in die aufrechte Faust geführt, kommt oben aus der Faust heraus und wird mit dem Daumen als Dach fixiert. Die Faust ist locker geschlossen, auf keinen Fall verkrampft. Nur eine locker geschlossene Faust gewährleistet, daß eine feine Einwirkung schon durch ein leichtes Schließen der Finger (annehmend) oder Öffenen (nachgebend) als unsichtbare Hilfe im Pferdemaul ankommt. Viele Probleme entstehen durch eine falsche Handhaltung und Zügelführung. Die Möglichkeiten der feinen Einwirkung werden reduziert: nach innen gedrehte Handgelenke. Die verkrampfte Haltung verhindert eine lockere Zügelführung nach außen gedrehte Handgelenke s.o. Der Oberarm kommt locker aus der Schultern und der Arm liegt ebenfalls locker am Körper des Reiters an. Der Ellebogen wird so gewinkelt, daß die Zügelhände über Widerrist und Sattelkammer stehen und zwischen Pferdemaull und Ellebogen eine gerade Verbindung besteht - auch wenn das Pferd noch nicht an den Hilfen steht. verdeckte Hände verhindert das feine Einwirken des leichten Wippens im Handgelenk. Eine häufige Unsitte ist das Herunternehmen der Zügelhand bis zum Oberschenkel. Manche Reiter versuchen so, ihre Pferde mit grober Einwirkung zur Beizäumung zu zwingen. Der Zügel soll dann wie ein Ausbinder wirken und führt so schnell zu Verspannungen in Hals und Rücken des Pferdes. Das Pferd wird unsensibel im Maul (Selbstschutz) Zügel über den Mähnenkamm ziehen! (Nur selten von geübten Reitern zur Korrektur) Auch wenn es Gurus gibt, die ihre Reitschüler auffordern, die Zügelhand hoch zu tragen, so ist dies doch schlicht und ergreifend falsch. Eine kurzfristig hochgenommene Hand kann jedoch zur Korrektur, Stellung oder Anregung der Maultätigkeit bei manchen Pferden angewandt werden. Hierfür braucht man jedoch die Erfahrung, wann das angebracht ist und wann nicht. Auf keinen Fall ist es als dauerhafte Handhaltung zu gebrauchen! 26