Museums, anlässlich der Wiedereröffnung der Ausstellung Ostend. Blick. in ein jüdisches Viertel im Hochbunker an der Friedberger Anlage 5-6

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Transkript:

Rede von Dr. Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums, anlässlich der Wiedereröffnung der Ausstellung Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel im Hochbunker an der Friedberger Anlage 5-6 am Sonntag, 8. Mai 2016 Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, Sie heute im Hochbunker an der Friedberger Anlage zur Eröffnung der Ausstellung Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel begrüßen zu dürfen. Wie Sie ja wissen, ist der Hauptstandort unseres Museums am Untermainkai noch bis zum Jahr 2018 geschlossen, weil das Rothschildpalais renoviert und um einen neues Gebäude erweitert wird. Dafür hat das Jüdische Museum nun eine umso größere Präsenz im Frankfurter Ostend. In den vergangenen Monaten wurden gleich zwei Orte eröffnet, deren Geschichte sehr unterschiedlich ist und die dennoch miteinander zusammen hängen. Die Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle im Ostend reflektiert die Geschichte des Orts, von dem die Frankfurter Juden in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden, und hält in Form von Zitaten die Stimmen von Deportierten, überlebenden Angehörigen und Zeugen des Geschehens in Erinnerung. Das Museum Judengasse, der erste der zwei zukünftigen Standorte des neuen Jüdischen Museums, erzählt in

den Ruinen, wie das Alltagsleben von Juden im ersten jüdischen Ghetto Europas aussah. Mit dem neuen Eingang und dem ersten Ausstellungsraum nimmt das Museum Judengasse auch auf die Gedenkstätte Neuer Börneplatz und damit auf das Ausmaß der systematischen Vernichtung und Zerstörung jüdischen Lebens unter den Nationalsozialisten Bezug. Die Ausstellung über das jüdische Ostend, inmitten derer wir uns gerade befinden, ist der dritte und letzte Ort in dem Frankfurter Stadtteil, den das Jüdische Museum inhaltlich konzipiert und gestaltet hat. Und auch dieser Ort steht unter Vorzeichen des nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzugs gegen das europäische Judentum. Ebenso wie am Börneplatz richtete sich dieser Feldzug auch in der Friedberger Anlage gegen die materielle jüdische Kultur. Denn der von den Nationalsozialisten errichtete Hochbunker, in dem wir uns befinden, diente nicht ausschließlich dem Schutz der Frankfurter Bevölkerung. Er wurde auch als ein Symbol für die systematische Zerstörung jüdischen Lebens, ja des deutschen Judentums überhaupt errichtet, denn er befindet sich genau dort, wo zuvor die größte Synagoge Frankfurts gestanden hatte. Die 1907 eingeweihte Synagoge an der Friedberger Anlage war ein Sakralbau, der weit über Frankfurt hinaus bekannt war und für seine feierliche Erhabenheit gepriesen wurde. Erbaut in den

Jahren 1905 bis 1907 versammelten, beteten und studierten hier die Mitglieder der Israelitischen Religionsgesellschaft, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem charismatischen Rabbiner Samson Raphael Hirsch von der jüdischen Gemeinde abgespalten und zunächst eine sehr viel kleinere und unauffällige Synagoge in der Schützenstraße bezogen hatte. Hirsch und die ihm nachfolgenden Rabbiner Breuer und Horowitz begründeten mit der Israelitischen Religionsgesellschaft eine eigene Tradition innerhalb des deutschsprachigen Judentums, die heute als Ursprung der modernen Orthodoxie gilt. Die Differenzen, die zwischen dieser so genannten Austrittsgemeinde und der jüdischen Einheitsgemeinde Frankfurts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestanden und in einer Vielzahl von Streit- und mehreren Zeitschriften mündeten, sind bis heute von entscheidender Bedeutung für innerjüdische Selbstverständigungsprozesse. Unsere neue Dauerausstellung im Rothschild-Palais wird diesem Konflikt und seiner Bedeutung einen eigenen Raum widmen. Die Ausstellung Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel nähert sich den beiden jüdischen Gemeinden, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankfurt entstanden, vor allem in soziokultureller Hinsicht. Sie nimmt das Alltagsleben in dem Frankfurter Stadtviertel in den Blick, in dem die meisten Frankfurter Juden im 19. und frühen 20.

Jahrhundert lebten. Die Schau selbst wurde im Jahr 2000 von Helga Krohn, seinerzeit Kustodin im Jüdischen Museum, als Wechselausstellung konzipiert. In thematischer Hinsicht knüpft sie an das Projekt Die vergessenen Nachbarn von 1990/91 an, in dem sich das Jüdische Museum unmittelbar nach seiner Gründung auf die Suche nach Spuren jüdischen Lebens in die früheren Vororte Bergen-Enkheim, Bockenheim, Heddernheim, Höchst und Rödelheim begeben hatte. Das Projekt ebenso wie die Ostend-Ausstellung selbst nahmen sich einer Aufgabe an, der sich viele lokale geschichtspolitische Initiativen und Werkstätten in den ausgehenden achtziger Jahren der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sahen: nämlich die Geschichte vor Ort aufzuarbeiten und an die Spuren jüdischen Lebens zu erinnern. Wir verdanken diesen Initiativen heute eine Vielzahl von lokalen Museen und Erinnerungsstätten so auch der Initiative 9. November die öffentliche Wahrnehmung dieses Hochbunkers als einem symbolischen Ort, der inmitten des Zweiten Weltkriegs auf den Ruinen der jüdischen Kultur errichtet wurde. Die Ausstellung, die wir nun im Erdgeschoss dieses unwirtlichen und symbolischen Orts eingerichtet haben, wirft, wie der Untertitel ankündigt, einen Blick in ein jüdisches Viertel. Lassen Sie mich kurz skizzieren, warum das frühere Ostend als jüdisches Viertel betrachtet werden kann.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Garten- und Feldgelände östlich der Wallanlagen entstanden, entwickelte sich der Frankfurter Stadtteil Ostend im Verlauf der Jahrzehnte zu einem Wohngebiet, in dem sich vor allem Händler, Kleingewerbetreibende und Handwerker ansiedelten unter diesen auch und vor allem Juden. Diese waren in den Jahrhunderten zuvor gezwungen gewesen, in einem geschlossenen Bezirk am östlichen Ende der mittelalterlichen Stadt, der Frankfurter Judengasse zu wohnen. Als die Anordnung aufgehoben wurde, siedelten sich viele vormalige Bewohner der Judengasse, wie auch Juden, die nach Frankfurt immigrierten, im angrenzenden Ostend an. Die räumliche Nähe zu den bestehenden Einrichtungen der Gemeinde und der jüdischen Nachbarschaft ermöglichte es, weiterhin am sozialen Leben teilzuhaben und das Religionsgesetz zu befolgen. Ab 1850 errichteten die Jüdische Gemeinde und die soeben gegründete Israelitische Religionsgesellschaft neue Gebäude im Ostend: neben den Synagogen in der Schützenstraße und an der Friedberger Anlage sowie der Börneplatzsynagoge entstanden jüdische Schulen, Ausbildungsstätten und Wohlfahrtseinrichtungen. Die jüdische Alltagskultur im Ostend umfasste eine Vielzahl an Bildungs- oder sozialen Einrichtungen, die unter anderem auch die ostjüdischen Zuwanderer aufnahmen und in die Gemeinde integrierten; darüber hinaus befanden sich hier auch zahlreiche koschere Geschäfte und

Cafés. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden alle diese Einrichtungen sukzessive geschlossen und systematisch zerstört. Ab 1938 mussten Juden zwangsweise in Ghettohäusern leben. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gingen sowohl die Börneplatzsynagoge als auch die Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft in Flammen auf. Letztere ließ sich jedoch nur so schwer entflammen, dass in den kommenden Tagen noch vier weitere Male Feuer gelegt werden musste, bis sie endgültig niederbrannte. Die nationalsozialistische Stadtverwaltung zwang die Jüdische Gemeinde anschließend dazu, die Kosten für das Abtragen der Synagogen zu übernehmen. Ab Oktober 1941 wurden jüdische Frauen, Männer und Kinder in die Großmarkthalle getrieben und von dort deportiert. 1942/43 errichtete die nationalsozialistische Stadtverwaltung auf den Ruinen des Gotteshauses der Israelitischen Religionsgesellschaft diesen Hochbunker. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs siedelten sich einige Überlebende wieder im Frankfurter Ostend an. Gemeinsam mit den jüdischen Displaced Persons aus den Camps Zeilsheim und Föhrenwald sowie den Überlebenden von Theresienstadt, die nach Frankfurt zurückkehren konnten, begannen sie alsbald mit dem Aufbau einer neuen Jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Dementsprechend befinden sich bis heute viele Einrichtungen der Gemeinde im Frankfurter Ostend.

Trotz des Wiederaufbaus jüdischer Einrichtungen zeugen nur noch wenige Spuren von dem einst pulsierenden jüdischen Leben in diesem Viertel. Unsere Ausstellung zeichnet diese Spuren in einer besonders visualisierten Eingangssituation und mit sechs Themenschwerpunkten nach. Sie umfasst mehr als 300 Abbildungen sowie Zitate von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und versucht in neuem Design, einen attraktiven und sprechenden Zugang zu jüdischem Leben im Ostend zu vermitteln. Heike Drummer hat die frühere Ausstellung von Helga Krohn redaktionell überarbeitet und wird sie Ihnen gleich im Detail vorstellen. Sehr dankbar bin ich für die gute Zusammenarbeit mit der Initiative 9. November, die seit Ende der 1980er-Jahre den Bunker als Erinnerungsort in Frankfurt etabliert hat. Schon 2004 hatte das Jüdische Museum hier im Erdgeschoss die Ostend-Ausstellung dauerhaft eingerichtet. Seither kümmern sich die Mitglieder der Initiative in ehrenamtlicher Arbeit darum, dass die Ausstellung an Sonntagen Besucherinnen und Besucher offen steht und von Schulklassen und anderen Gruppen in Führungen besucht werden kann. Und wir freuen uns, dass sie dies auch weiterhin tun werden. Mit der Überarbeitung der ursprünglichen Ausstellung kam das Jüdische Museum nicht nur der Notwendigkeit nach, die in die Jahre gekommene Schau um neue Perspektiven zu ergänzen und in neuer Gestalt zeitgemäß zu präsentieren. Die neue Ausstellung kommt auch den feuerpolizeilichen

Auflagen nach, die zuvor nicht mehr erfüllt waren. Sie ermöglicht es dem Jüdischen Museum, interessierten Besucherinnen und Besucher insbesondere Schülerinnen und Schülern während der Schließung seines Haupthauses ein Angebot zur jüdischen Geschichte Frankfurts in der Moderne zu machen. Denn während im Museum Judengasse die Alltagkultur der Frühen Neuzeit bis etwa 1800 im Zentrum steht, vermittelt die Ausstellung Ostend: Blick in ein jüdisches Viertel einen Einblick in das jüdische Leben des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bis in die Nachkriegszeit. Wir hoffen erneut auf regen Zuspruch durch zahlreiche Besucherinnen und Besucher und planen in naher Zukunft, eine englische Übersetzung der Ausstellungstexte vorzulegen, damit insbesondere die Nachkommen der Emigranten und Überlebenden diesen Ort weiterhin aufsuchen können. Wie jede Ausstellung, so ist auch diese das Werk einer Vielzahl von Menschen, bei denen ich mich herzlich bedanken möchte. Namentlich sind dies: Die Initiative 9. November stellvertretend nenne ich Edith Marcello und Hans-Peter Niebuhr, die die Neufassung der Ausstellung engagiert begleitet haben, sowie die Innenarchitektin Petra Brockhaus und Karl- Heinz Best von mind the gap! Design, die das Gestaltungskonzept zur Ausstellung entwickelten.

Auf Seiten des Jüdischen Museums waren an dem Projekt folgende Personen beteiligt: Die Projektleitung lag bei Fritz Backhaus und Gottfried Kößler, Heike Drummer zeichnet für die inhaltliche Überarbeitung der Ausstellung verantwortlich, Michael Lenarz unterstützte die Fotorecherchen. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betreute Daniela Unger. Manfred Prehl, Viktor Probst und Gerhard Raupach trotzten mehrere Tage lange der Kälte im Bunker und realisierten den Aufbau der Ausstellung. Ihnen allen möchte ich von Herzen für Ihren Einsatz danken. Und auch Ihnen, liebe Gäste, danke ich dafür, dass Sie sich in die kalten Gewölbe dieses unwirtlichen Orts begeben haben, um unsere Ausstellung kennen zu lernen.