Market Coupling in Europa

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Transkript:

20 RUBRIK Market Coupling in Europa Market Coupling bezeichnet die Kopplung von Strommärkten mit unterschiedlichen Börsensystemen durch die effiziente Nutzung der grenzüberschreitenden Übertragungskapazitäten. Somit ist es die Vorstufe zu dem von Verbänden und Politik geforderten Ziel, langfristig einen europäischen Strommarkt zu schaffen. Dieser Artikel zeigt aus der Sicht eines Market Coupling Unternehmens, welche Initiativen es zum Market Coupling gibt, wie es in der Praxis umgesetzt wird und welche Hindernisse dafür überwunden werden müssen. VON ENNO BÖTTCHER Bei einem Blick auf die europäische Energie- Landkarte wird auch dem Laien eines auffallen: Es gibt viele Länder, einige Strombörsen, noch mehr Übertragungsnetzbetreiber aber nur wenig grenzüberschreitende Übertragungskapazitäten. Damit ist schnell klar, dass der grenzüberschreitende Handel nicht wirklich liquide sein kann und somit der Austausch von Strom und die damit verbundene effiziente Nutzung der Erzeugungs- und Übertragungskapazitäten Verbesserungspotenzial aufweisen. Dies gilt zumindest bis auf wenige Ausnahmen, etwa zwischen Deutschland und Österreich. Hintergrund und Entwicklung von Market Coupling in Europa Mit der Verordnung 1228/2003/EC der Europäischen Kommission wurden die Mitgliedstaaten bereits vor sechs Jahren dazu verpflichtet, die effiziente Nutzung der Grenzkapazitäten voranzutreiben. Dies sollte mit koordinierten, marktbasierten Mechanismen wie Day-ahead-Auktionen geschehen. Die gleichen Forderungen stellten auch die European Transmission System Operators (ETSO) und die European Regulators Group for Electricity and Gas (ERGEG). Um Angebot und Nachfrage in den nationalen Märkten optimal zu verteilen, sollte die günstigere Erzeugung in einem Land dazu genutzt werden, die höhere Nachfrage in einem anderen Land zu decken. Dadurch kommt es im Sinne der ökonomischen Wohlfahrtstheorie zu einer Angleichung der Preise. Zusätzlich sollten Käufer und Verkäufer direkten Zugang zum grenzüberschreitenden Stromhandel haben, ohne dafür Kapazitäten vom Übertragungsnetzbetreiber erwerben zu müssen wie dies bisher bei expliziten Auktionen der Fall war. Somit sollte das Market Coupling, die Marktkopplung mehrerer nationaler Märkte, die Effizienz des Marktes erhöhen und die Integration der lokalen beziehungsweise regionalen Märkte in Richtung eines europaweiten Strommarktes vorantreiben. Funktionsweise Das Ziel von Market Coupling ist die Erhöhung der Markteffizienz. Wie aber soll dieses Ziel erreicht werden? Bisher führten Preisunterschiede in den beteiligten Ländern oder Marktgebieten dazu, dass die Nachfrage nach grenzüberschreitendem Handel größer war als die verfügbare Kapazität. Dadurch kam es regelmäßig zu Engpässen bei der vorhandenen Übertragungskapazität. Zudem mussten sich Händler zunächst die Übertragungsrechte beim Netzbetreiber sichern, um im Anschluss am Handel zwischen den Marktgebieten teilnehmen zu können. Beim Market Coupling betreibt das Market Coupling Office wie ein unabhängiges Auktionshaus die Schnittstelle zwischen den beteiligten Übertragungsnetzbetreibern und den Strombörsen. Die Übertragungsnetzbetreiber stellen dem Market Coupling Office die vorhandenen Grenzkapazitäten (ATC=Available Transfer Capacity) treuhänderisch zur Verfügung und es erhält nach Handelsschluss der Strombörsen deren anonymisierten Orderbücher. Im Anschluss wird aus Kapazitäten und Preisen der optimale Stromfluss (MCF=Market Coupling Flow) errechnet. Dabei muss der Strom zur optimalen Allokation von Angebot und Nachfrage vom Marktgebiet mit dem niedrigeren Preis in das Gebiet mit höherem Preis fließen. Um den Stromfluss tatsächlich zu realisieren, werden zusätzliche, preisunabhängige Gebote an die Börsen gestellt. Vereinfacht kann man sich den Vorgang wie folgt vorstellen: Für eine Stunde x an einem bestimmten Tag wird in dem Marktgebiet mit niedrigem Preis ein preisunabhängiges Kaufgebot an die Börse gestellt. Dadurch muss die Börse die entsprechende Menge Strom von Produzenten im Niedrigpreisgebiet kaufen. Am Ausführungstag müssen demnach die Produzenten genau diese Menge zusätzlich produzieren, obwohl in diesem Preisgebiet keine Nachfrage, also kein Verbrauch, der Strommenge besteht. Daher wird die Strommenge aus dem Niedrigpreisgebiet herausfließen. Analog wird in dem Marktgebiet mit dem höheren Preis für die gleiche Stunde x ein preisunabhängiges Verkaufsangebot an die Börse gestellt. Dieses muss die Börse in eben diesem Preisgebiet vermarkten. Wenn der Tag mit der Stunde x eintritt, müssen Käufer den Strom abnehmen, obwohl hierfür kein zusätzlicher Strom im gleichen Marktgebiet produziert wurde. Daher muss diese Strommenge in das Hochpreisgebiet hineinfließen. Folglich regeln physikalische Gesetze automatisch den Stromfluss, nachdem das Market Coupling Office die zusätzlichen Verkaufsund Kaufgebote an die Börsen gestellt hat der günstige Strom aus dem Niedrigpreisgebiet fließt in das Hochpreisgebiet. Market Coupling bewirkt somit eine weitere Angleichung der Preise und die optimierte Nutzung der verfügbaren Grenzkapazitäten. Davon profitieren sowohl Verkäufer als auch Käufer und letztlich auch die Verbraucher. Die erzielten Engpasserlöse, die Differenz zwischen den Erlösen aus dem Verkauf an einer Strombörse und den Kosten durch den Kauf an der anderen Börse, werden vollständig den Eigentümern der Übertragungskapa-

RUBRIK 21 Abb. 1 Funktionsweise des Market Coupling Grenzüberschreitende Übertragungskapazitäten (Interkonnektoren) zitäten zur Verfügung gestellt und müssen für den Ausbau der Interkonnektoren oder zur Reduzierung der Netzkosten verwendet werden. Market Coupling versus Market Splitting Generell muss zwischen Market Coupling und Market Splitting unterschieden werden. Während beim Market Coupling das unabhängige Auktionshaus die Schnittstelle zwischen zwei oder mehreren Börsen besetzt, existiert beim Market Splitting nur eine Börse, die die Gebiete verschiedener Übertragungsnetzbetreiber als unterschiedliche Marktgebiete mit unterschiedlichen Preisen behandelt. Dies ist heute etwa bei der Nord Pool Spot der Fall, die Skandinavien derzeit in sieben Preisregionen aufteilt. Niedriger Preis Kauf Market Coupling Office Verkauf Hoher Preis Weitere Unterscheidungen müssen zwischen expliziten und impliziten Auktionen gemacht werden. Anders als implizite Auktionen bestehen explizite Auktionen aus zwei voneinander unabhängigen Schritten: Zunächst werden die Übertragungsrechte eines Interkonnektors von den zuständigen Übertragungsnetzbetreibern auktioniert. Da der zu transportierende Strom unabhängig davon an einem Handelsplatz wie der Börse beschafft werden muss, ist der Preis für die Übertragungsrechte nur indirekt vom Marktpreis für Strom abhängig. Die Händler versuchen zwar, die Preisunterschiede zu beurteilen und kaufen dementsprechend die physikalischen Übertragungsrechte, doch da bei impliziten Auktionen beide Schritte in einem Zeitpunkt gleichzeitig ausgeführt werden, sind hier die verfügbaren Kapazitäten und die Strompreise direkter gekoppelt. An den meisten grenzüberschreitenden Kuppelstellen, an denen Market Coupling betrieben wird bzw. werden soll, herrscht derzeit eine Koexistenz aus impliziten und expliziten Auktionen: längerfristige Übertragungsrechte wie Jahres- oder Monatskontrakte werden explizit gehandelt. Die restlichen Übertragungsrechte werden im Day-ahead-Handel als verfügbare Kapazitäten (ATC) ausgewiesen und implizit auktioniert, um dann in die physische Erfüllung zu gehen. Wie kürzlich in einem von ETSO und EuroPEX vorgestellten Bericht erwähnt, sollten zukünftig jedoch sowohl der Day-ahead-, als auch der Intraday-Handel und der langfristige Stromhandel mit impliziten Mechanismen abgewickelt werden ( Development and Implementation of a Coordinated Model for Regional and Inter-Regional Congestion Management ). Beim sogenannten Price Coupling übernimmt das Market Coupling Office zusätzlich die Aufgabe, neben den Lastflüssen auch die Preise für die beteiligten Marktgebiete zu berechnen und zu veröffentlichen. Die wichtigsten europäischen Initiativen Nach der der EU-Verordnung mit dem Ziel der Vereinheitlichung der europäischen Strommärkte haben sich regionale Initiativen zwischen verschiedenen Ländern herausgebildet. Diese sind unterschiedlich weit entwickelt und reichen vom Projektstatus bis hin zu bereits gegründeten Market Coupling Offices, die sich in der Startphase des operativen Market Coupling befinden oder bereits Auktionen durchführen. Auch die gewählten Mechanismen, ob explizite Auktionen oder implizite Auktionen wie Market Splitting oder Market Coupling (Flow-based Coupling, Price oder Volume Coupling), variieren. Und dennoch verfolgen alle Initiativen das gleiche Ziel: Sie sollen die Vision eines europaweit integrierten Strommarktes vorantreiben. Insbesondere in Süd- und Osteuropa ist das Market Coupling noch nicht sehr weit entwickelt. Dies liegt unter anderem daran, dass die Strombörsen nicht über die in Zentraleuropa übliche Liquidität verfügen. Zu den zentraleuropäischen Initiativen, die implizites Market Coupling betreiben bzw. betreiben werden, zählen das Trilateral Coupling (TLC) zwischen Belgien, Frankreich und den Niederlanden, das Central Western European Market Coupling (CWE) zwischen Frankreich, den Benelux-Ländern und Deutschland sowie die European Market Coupling Company (EMCC) zwischen Deutschland und Dänemark. Da diese die derzeit am weitesten entwickelten Initiativen in Europa darstellen, sollen sie im Folgenden kurz vorgestellt werden. Trilateral Coupling Durch Trilateral Coupling wurden im November 2007 die Märkte Frankreichs, Belgiens und der Niederlande verbunden. Somit haben erstmals drei Strombörsen, die niederländische APX, die französische Powernext und die belgische Belpex, implizite Auktionen durchgeführt. Anhand der drei Orderbücher der Börsen und der verfügbaren Kapazitäten der Interkonnektoren der drei beteiligten Netzbetreiber wurden tägliche Market Coupling Flows berechnet und somit das alte System der expliziten Auktionen abgelöst. Central Western European Market Coupling Central Western European Market Coupling ist bezüglich der Fläche und der Anzahl der Akteure das größte europäische Market- Coupling-Projekt. Involviert sind die Benelux-Länder, Frankreich und Deutschland mit den Strombörsen APX, Belpex, Powernext und EEX sowie die sieben Übertragungs-

22 RUBRIK netzbetreiber TenneT, Elia, Cegedel, RTE, E.ON Netz und EnBW. Als übergeordnetes Gremium wurde das Pentalateral Forum der Energieminister der fünf Länder etabliert. Die CWE-Initiative wird eine Form des oben beschriebenen ATC-Market-Coupling betreiben, welches auf den verfügbaren Übertragungskapazitäten basiert, bevor es in einem zweiten Schritt zum sogenannten Flow-based-Market-Coupling übergeht. Der avisierte Starttermin des CWE-Market-Couplings liegt nach derzeitigen Informationen im März 2010. European Market Coupling Company Die European Market Coupling Company GmbH ist ein Joint Venture von Nord Pool Spot, EEX, Vattenfall Europe Transmission, E.ON Netz und Energinet.dk. Es ist als zentrales Auktionshaus für Market Coupling zwischen dem europäischen Festland und Skandinavien derzeit für die beiden Interkonnektoren zwischen Deutschland und Dänemark zuständig. Dies sind DK West mit einer Kapazität von 950 MW nordwärts und 1.500 MW südwärts sowie DK East mit 550 MW in beiden Richtungen. Zusätzlich soll noch in diesem Jahr das 600 MW-Kabel zwischen Schweden und Deutschland, Baltic Cable, in Betrieb genommen werden. NorNed, dem Kabel zwischen Norwegen und den Niederlanden, wurde ebenfalls diese Möglichkeit offeriert. Die Entwicklung von EMCC Abb. 2 Derzeitiger Fokus von EMCC Bereits im Oktober 2006 unterzeichneten die fünf an EMCC beteiligten Unternehmen das Memorandum of Understanding. Nach der Konzeptphase Anfang 2007 wurden in der Entwicklungsphase im Laufe des selben Jahres unter anderem der Geschäftsprozess definiert, die IT-Anforderungen spezifiziert, ein Business Case aufgestellt und die Notifikation von EMCC bei der Europäischen Kommission eingeleitet. Insbesondere letzteres erwies sich als umfangreicher Prozess, da die Gründung von EMCC strengen Prüfungen etwa hinsichtlich des EU-Kartell- und Wettbewerbsrechts unterlag. Zur Durchführung und Überwachung des Market Coupling und zur wechselseitigen Absicherung der Vertragspartner schlossen diese ein umfangreiches Regel- und Vertragswerk. Zusätzlich wurde EMCC an den Börsen EEX und Nord Pool Spot als Handelsteilnehmer akkreditiert. Von den Kapazitätseignern, E.ON Netz, Vattenfall Europe Transmission und Energinet. dk, ist EMCC bevollmächtigt, die verfügbaren Kapazitäten entsprechend der Auktionen zu allokieren. Die EMCC European Market Coupling Company GmbH wurde im August 2008 in Hamburg gegründet. Der Ablauf des täglichen Market Coupling bei EMCC beginnt mit der Übermittlung der für den folgenden Tag verfügbaren Übertragungskapazitäten durch die Netzbetreiber. Nach dem Handelsschluss von EEX und Nord Pool Spot übermitteln diese ihre anonymisierten Orderbücher, woraufhin bei EMCC die Abb. 3 1 3 2 Ablauf des Market Coupling bei EMCC Netzbetreiber Netzbetreiber senden ATCs der Interkonnektoren 09:30 Handelsschluss d. Börsen 12:00 ATC Fahrpläne Engpasserlöse Service Fee Börsen senden anonyme Orderbücher Derzeitiger Fokus von EMCC : 1 2 3 Market Coupling Kalkulation Interconnektor zwischen DK West -Deutschland (Kapazität: 950 MW nordwärts/1.500 MW südwärts) Kapazitätseigner: E.ON Netz, Energinet.dk KONTEK zwischen DK East - Deutschland (Kapazität: 550 MW nord- und südwärts) Kapazitätseigner: Energinet.dk, Vattenfall AB, Vattenfall Europe Transmission Baltic Cable zwischen Schweden - Deutschland (Kapazität: 600 MW nord- und südwärts) Kapazitätseigner: E.ON Sverige, Statkraft Kalkulation Info Händler EMCC stellt zusätzliche Bids an die Börsen bis 12:30 Kalkulation der Preise und grenzüberschreitenden Stromflüsse durchgeführt werden. Diese Berechnung geschieht automatisiert und muss innerhalb von wenigen Minuten vollzogen sein, damit direkt im Anschluss entsprechend des Ergebnisses die für den optimalen Stromfluss nötigen Bids an die Börsen gestellt werden können. Sobald die endgültigen Handelsergebnisse inklusive der Market- Coupling-Bids bei den Börsen feststehen, müssen diese veröffentlicht werden. Schließlich werden dann die grenzüberschreitenden Stromflüsse auf der Internetseite von EMCC veröffentlicht. Im Anschluss daran folgt die Abwicklung der Fahrpläne in den jeweiligen Bilanzkreisen von E.ON Netz, Vattenfall Europe und Energinet.dk sowie die finanzielle Abwicklung: EMCC übergibt den Netzbetrei- EEX Preis Orderbücher Bids Abrechnung Nordpool Spot Preis bis 12:45 bis 13:25 Börsen Bestätigung (trade confirmation) der Börsen danach grenzüberschreitende Stromflüsse (Cross-Border-Flows) vor 14:00

RUBRIK 23 bern die ihnen zustehenden Engpasserlöse und erhält im Gegenzug für die erbrachte Dienstleitung ein Service Fee. Status Quo von EMCC Nach erfolgreichem Abschluss der Testphase im September 2008 wurden die ersten Auktionen durchgeführt. In den ersten zehn Tagen des Market Coupling traten unerwartete Handelsergebnisse wie Stromflüsse in die falsche Richtung oder zu gering genutzte Kapazitäten auf. Der Market Coupling-Handel wurde vorübergehend gestoppt, um die Systeme zu überprüfen und potenziellen Schaden anderer Handelsteilnehmer frühzeitig zu verhindern. Die detaillierte Analyse zeigte schnell, dass man sich einer außergewöhnlichen Marktsituation gegenüber sah, die äußerst selten vorkommt und in sämtlichen Tests nicht aufgetreten war beziehungsweise nicht simuliert werden konnte. Ferner hatten sehr kleine Unterschiede in der Modellierung der Algorithmen von EMCC und Nord Pool Spot sehr großen Auswirkungen auf die Handelsergebnisse. Die Analyse ergab, dass minimale Abweichungen in der mathematischen Umsetzung des ökonomischen Wohlfahrtskriteriums bestanden und einige Regeln und Nebenbedingungen der Nord Pool Spot nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Im Fall von vertikal überlagerten Angebots- und Nachfragekurven, wenn es keinen eindeutigen Schnittpunkt zur Preisfindung gibt, bestanden kleine Unterschiede in der Preis- und Kapazitätsberechnung der von EMCC und Nord Pool Spot eingesetzten Algorithmen. Diese Unterschiede wurden durch eine veränderte Methodik der Block Bid Selection angepasst. Das verbesserte EMCC-IT-System basiert nun auf einem Algorithmus, in dessen Zielfunktion lineare und quadratische Optimierungsverfahren kombiniert eingesetzt und genutzt werden. Die Kalkulationen für alle Marktgebiete in Skandinavien und Deutschland werden dabei in zwei Phasen durchgeführt: Zunächst wird das Wohlfahrtskriterium mit Hilfe einer linearen Interpolation angenähert. Dies beinhaltet alle zu berücksichtigen Bedingungen und Regeln der Börsen (constraints) sowie die Behandlung von Produkten wie Block Bids oder Flexible Block Bids, die an den Börsen gehandelt werden. In einem zweiten Schritt wird ein quadratisches Programm angewandt. Wenn ein Block Bid nicht mit dem berechneten Preis kompatibel ist, wird er ausgeschlossen. Dies geschieht so lange, bis alle Block Bids und Flexible Bids die Preis- und Mengenkriterien erfüllen und das ökonomische Optimum gefunden ist. Durch dieses komplexe Verfahren wird sichergestellt, dass die Ergebnisse der Preisberechnungen von Börsen und EMCC möglichst übereinstimmen und damit auch der richtige Stromfluss gewährleistet wird. Ein ATC-basiertes Volume Market Coupling wird in naher Zukunft aufgrund der unterschiedlichen Marktmechanismen in Deutschland und Skandinavien, der eingesetzten Algorithmen und der unterschiedlich zur Verfügung stehenden Quantitäten nur eine möglichst nahe Annäherung abbilden können. Allerdings liefert ein funktionierendes ATC-Market-Coupling-System für den grenzüberschreitenden Stromhandel verlässliche Flüsse in die richtige Richtung. Die Ergebnisse der umfangreichen Tests, in denen nicht nur aktuelle, sondern auch historische Daten getestet wurden, bestätigen dies. Für die nun anstehende Integration des Systems wird ausreichend Zeit eingeplant und das Market Coupling erst dann wieder aufgenommen, wenn die Qualität stimmt. Abb. 4 Nordic Grid Masterplan Der Nordic Grid Master Plan sieht folgende Erweiterungen der grenzüberschreitenden Übertragungskapazitäten vor: - zwischen Skandinavien und dem europäischen Festland - zwischen Skandinavien und den britischen Inseln Besonders auffällig ist dabei die Anzahl potenzieller neuer Unterseekabel in Nord- und Ostsee. Ein Blick in die Zukunft Die zu Beginn dieses Artikels beschriebenen Initiatoren des Market Couplings haben eine klare Vision: ein integrierter europäischer Strommarkt. Doch wie könnte der Weg dahin aussehen? Was EMCC betrifft, so ist das in Hamburg ansässige Unternehmen darauf ausgelegt, seine Dienstleistungen auf andere Interkonnektoren beziehungsweise Märkte auszuweiten. Schon bald nach der Wiederaufnahme des Market Coupling zwischen Deutschland und Dänemark wird Baltic Cable, die Verbindung zwischen Schweden und Deutschland, aufgenommen werden. Als nächste mögliche Partner sind dann NorNed zwischen Norwegen und den Niederlanden sowie Swepol zwischen Schweden und Polen im Gespräch. Die Auslegung der IT als serviceorientierte, plattformunabhängige Architektur könnte es EMCC sogar ermöglichen, das Market Coupling für sämtliche Interkonnektoren zwischen Skandinavien und dem europäischen Festland zu übernehmen. Die gesamteuropäische Sicht geht sogar noch einen Schritt weiter: So gibt es Überlegungen, die einzelnen vorhandenen Market-Coupling- Initiativen noch im nächsten Jahrzehnt zu einem sogenannten Dome Coupling zu verbinden. Kern der Überlegungen ist es, die in Europa vorhandenen Market-Coupling und Market-Splitting-Initiativen voranzutreiben.

24 RUBRIK Dadurch würden sich aus den derzeit bestehenden nationalen Märkten regionale Märkte entwickeln in denen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Börsen soweit konsolidieren würden, dass nur noch eine Börse pro Region erforderlich wäre. Die Einrichtung eines Dome-Coupling-Office könnte dann das Market Coupling zwischen den einzelnen Regionen durchführen. Dafür ist EMCC bereits als potenzieller Anbieter im Gespräch. Somit wäre das Dome Coupling eine Vorstufe auf dem Weg zu der Vision eines integrierten europäischen Strommarktes. Voraussetzungen Zweifelsohne ist das Market Coupling ein wichtiger Baustein in der Entwicklung der europäischen Energiewirtschaft. Die effi zientere Nutzung der Grenzkapazitäten erhöht die Transparenz, ermöglicht faire Strompreise und erhöht letztlich die Versorgungssicherheit der Kunden. Allerdings zeigen alle bisherigen Market-Coupling-Initiativen, dass dies kein einfaches Unterfangen ist. Die Vereinheitlichung bisher autarker Systeme ist nicht nur eine Herausforderung für Mathematiker und Programmierer, sondern organisatorische, gesellschaftsrechtliche und wettbewerbsrechtliche Aspekte wollen darüber hinaus berücksichtigt werden. Vor allem aber müssen sich die Akteure der jeweiligen Marktgebiete mit ihren Übertragungsnetzbetreibern und Strombörsen auf eine weitgehende Harmonisierung einlassen. Voraussetzung dafür sind gute und konstante Kommunikation zwischen den Marktpartnern, transparente Preisbildungsmechanismen sowie harmonisierte Produkte und Gate Closure Times an den Börsen und nicht zuletzt die starke Unterstützung und das Engagement von allen Regulierungsbehörden und Marktteilnehmern. Nur so wird das Ziel des European Electricity Market in absehbarer Zeit zu erreichen sein. zur Person Enno Böttcher Studium der Betriebswirtschaft und der Elektrotechnik Seit April 2008 Projektleiter der Market- Coupling-Initiative zwischen Deutschland und Dänemark und seit August 2008 Geschäftsführer der European Market Coupling Company GmbH, Hamburg Zwischen 1998 und 2008 als Key-Account Manager und Leiter Unternehmensentwicklung in verschiedenen Unternehmen der Vattenfall Europe AG tätig