Das Märchen vom kleinen Delfin Müntschi

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Transkript:

Petra Dobrovolny www.dolphinkissis.ch Das Märchen vom kleinen Delfin Müntschi Es war einmal ein kleiner Delfin. Seine Eltern nannten ihn Müntschi, denn er hatte ein spitzeres Mäulchen als alle anderen Delfine. Müntschi heisst auf Berndeutsch Küsschen. Wenn Müntschi mit den Delfinkindern spielen wollte, riefen sie: Geh weg! Wir wollen nicht von deinem spitzen Mäulchen gestupst werden! Und obendrein siehst du anders aus als wir! Sie drehten ihm ihre Schwanzflossen zu und schwammen ohne ihn davon. Grosse Tränen kullerten aus den Äuglein des kleinen Delfins, so dass das Meer noch salziger wurde. Seine Mutter nahm ihn zärtlich in ihre

Flossen und tröstete ihn: Sei nicht traurig, mein kleiner Müntschi! Du bist ein ganz besonderer Delfin! Wir alle werden mal sehr stolz auf dich sein. Aber der kleine Delfin verzog trotzig sein Mäulchen, so dass es noch spitzer aussah, und sagte: Was nützt es mir, dass ich ein besonderer Delfin bin, wenn die anderen nicht mit mir spielen wollen? Komm, kleiner Bruder, rief ihn seine Schwester, der es manchmal gelang, Müntschi aufzumuntern, wir schwimmen zu Grossvater! Er hat bestimmt Neuigkeiten für uns. Der kleine Delfin liebte seinen Grossvater über alles: Seine ruhige klare Stimme, er wusste immer Rat und machte trotz seinem hohen Alter noch manches Spässchen mit. Jeden Tag lauschte er den Nachrichten von der Neuen Delfinwelle. Heute allerdings schien Grossvater der Humor vergangen zu sein. Potz, Blitz und Donnerwetter! Das geht auf keine Delfinhaut mehr! schimpfte er vor sich hin, und seine ergraute Rückenflosse zitterte vor Empörung. Was ist denn passiert, Grossvater? fragten die Delfinkinder erschrocken wie aus einem Mäulchen, denn so hatten sie ihn noch nie erlebt. Grossvater machte erst einmal einen Luftsprung, um sich etwas zu beruhigen. So viele schlechte Nachrichten auf einmal: Schon wieder sind Delfine gestrandet, schon wieder sind sie in Treibnetzen umgekommen und jetzt noch dies: Mehr als 10000 wurden zur Jagd freigegeben, zu wissenschaftlichen Zwecken, wie die Menschen es nennen! Ein Schauer des Entsetzens durchfuhr die Delfinkinder, ihre Haut wurde bleich. Verzeiht, meine Lieben, eure Mutter wird mit mir schimpfen, weil ich euch keine Märchen erzähle! Aber Grossvater, rief Müntschi, uns tut es doch auch weh, wenn die Menschen die Meere kaputt machen! Wir glauben nicht mehr an Märchen! So, so, brummte der alte Delfin erstaunt, seine Stimme wurde wieder ruhig und klar, Wollt ihr mir helfen, unseren Rat der 12 Ältesten zur Versammlung zu rufen? Wir müssen etwas unternehmen! Ja, wir helfen gerne, Grossvater! Und schon machten sich die Kinder mit noch weiteren Luftsprüngen als sonst auf den Weg, zunächst zu Tante Philadelphia, der ältesten Delfinfrau. Diese und auch die anderen Ratsmitglieder waren sofort bereit, den Kindern zu folgen. Wenn ihr so weit seid, zähle ich bis drei! kündete Philadelphia an und blickte in die Runde. Die sechs ältesten Delfinmänner und die sechs ältesten Delfinfrauen hatten

sich zu einem Kreis versammelt. Sie hielten sich an den Flossen, um gemeinsam in die Luft zu springen. Von oben sieht die Welt anders aus, man gewinnt einen besseren Überblick und mit einer Portion frischer Meeresbrise im Kopf lässt sich besser denken und vor allem: Gemeinsam kann man höher springen! Wieder eingetaucht in die Tiefe des Meeres formten die Delfine in der Mitte ihres Kreises ein Gedankenei und bebrüteten es. Unterdessen schwammen die anderen Delfine, unter ihnen auch Müntschi, dicht gedrängt um den Rat der 12 Ältesten herum, um ihn durch Zufächeln von frischem Meereswasser zu unterstützen. Niemandem war zum Schnattern oder Singen zumute, so wie früher, denn jetzt ging es um Leben und Tod. Am dritten Tag pflegten die Ältesten ihren Kreis zu öffnen, um allen die neusten Einsichten mitzuteilen und um Lösungen vorzuschlagen. Doch dieses Mal zuckten die alten Delfine ratlos mit der Rückenflosse. Grossvater fasste die Einsichten des Rates zusammen: Wir sehen, dass das Herz vieler, zu vieler Menschen verschlossen ist. Mit ihrem verschlossenen Herzen hören sie unseren Gesang der Liebe und des Friedens nicht mehr. So werden sie habgierig und kriegerisch. Sie töten uns, sie töten sich selbst! Eine Lösung konnten wir nicht ausbrüten. Nur noch wenige Menschen hören uns, zu wenige, seufzte Grossvater, doch die Zeit drängt! In das betroffene Schweigen der Delfine hörte man plötzlich ein kräftiges Räuspern: Philadelphia hatte sich zu ihrer vollen Grösse aufgerichtet. Meine Lieben, verkündete sie mit entschlossener Stimme, es gibt nur noch einen Ausweg. Luftblasen voller Staunen stiegen überall auf. Ich werde mich auf die Sandbank begeben und meditieren. Dann wird mir die Göttin erscheinen, und ich werde sie um Hilfe bitten. Ich werde sie fragen, wie wir die Menschen wieder erreichen können. Die Delfine konnten es kaum fassen und fächelten einander mit ihren Flossen zu: Es gibt noch Hoffnung! Es gibt noch Hoffnung! Für die Menschen! Für uns! Grossvater bat um Ruhe: Liebste Philadelphia, du lässt uns wieder hoffen! Wir danken dir. Gute Reise, unsere Gesänge begleiten dich! Mit liebevollen Luftsprüngen verabschiedeten sich die Delfine von ihr. Die folgenden drei langen Nächte und drei

langen Tage kamen den Delfinen wie eine Ewigkeit vor. Philadelphia hatte inzwischen die ferne Sandbank erreicht und betete zur Göttin. Endlich wurde Philadelphias Rückkehr mit aufgeregtem Geschnatter von Müntschi und seiner Schwester angekündigt. Das Meer begann von den ungeduldigen Luftsprüngen der Delfine zu schäumen, alle waren gespannt auf die Nachricht. Grossvater bat wie üblich um Ruhe, und Philadelphia begann mit ihrem Bericht: Meine Lieben! Die Göttin hat unsere Bitte erhört und geantwortet! Ein Zittern der Rückenflossen ging durch die Versammlung, alle hielten den Atem an. Die Göttin sagt: In der Nacht, wenn die Menschen schlafen, erscheint ihr ihnen im Traum. Ihr küsst sie, und ihr Herz wird sich öffnen! Ich schenke euch die Gabe, euch in die Träume der Menschen hineinzuträumen. Einer von euch macht den Anfang. Dann werdet ihr alle Mut dazu bekommen. Oooo, staunten die Delfine, die Menschen im Traum küssen! Einer von uns soll den Anfang machen. Aber wer? Aber wer? Hilflos schauten sie einander an. Iiiiich! rief auf einmal ein helles klares Stimmchen. Alle drehten sich in die Richtung, aus der es gekommen war. Duuuu? Müntschi? Ich! wiederholte der kleine Delfin und schlug einen Purzelbaum in die Mitte der Versammlung. Ich habe das spitzeste Mäulchen und kann am besten küssen. Ich bereite euch den Weg zu den Herzen der Menschen. Unter Tränen der Rührung umarmte die Mutter ihren Kleinen: Ich hab s ja immer schon gewusst, dass du ein ganz besonderer Delfin bist! Ja, rief die ganze Versammlung begeistert, mach den Anfang, Müntschi! Mach den Anfang! Wir folgen dir! Wir folgen dir!

Seither geschieht es, dass die Menschen im Traum von Delfinen geküsst werden. Und heute gibt es sogar Menschen, die es kaum erwarten können, von einem Delfin geküsst zu werden. Wenn du Glück hast, wirst du von Müntschi geküsst. Denn seine Küsse sind besonders zärtlich. Text und Bilder: Petra Dobrovolny-Mühlenbach, Bern, Schweiz Copyright: www.dolphinkissis.ch