8 Eindeutige Verschreibungen 49 8 Hinweise zum Erstellen eindeutiger Verschreibungen In den Ausbildungslehrgängen der traditionellen chinesischen Arzneitherapie liegt der Schwerpunkt der Lehrinhalte auf der Vermittlung der Wirkungen und Indikationen der Einzelmittel sowie der Lehre der Kombination der Mittel und der Erstellung von Rezepturen. Diese Rezepturen werden in der täglichen Praxis dann auch wie im klassischen Gebrauch in China aufgeschrieben (nur mit lateinischen oder lautschriftlichen Kräuternamen an Stelle der chinesischen Schriftzeichen) und im Allgemeinen dem Patienten mitgegeben. Besondere Kochhinweise sind in der Praxis allerdings nur in die wenigsten Fällen auf solchen Verschreibungen vermerkt. Beim Ablauf von Verordnung und Abgabe der fertigen Zubereitung gibt es bereits grundlegende, landesspezifische Unterschiede: Ist in manchen Ländern die Trennung von Arzt und Apotheker äußerst strikt eingehalten, so ist es in anderen Ländern wiederum üblich, dass der Therapeut den Patienten direkt mit den verordneten Arzneimitteln versorgt. Dabei werden die entsprechenden Informationen meist schon mündlich dem Patienten mitgegeben, weshalb hier auch weniger auf den Verordnungen schriftlich festzuhalten ist. Doch besonders in den Fällen, wo der Patient nach dem Arztbesuch mit dem Rezept in der Hand eine Apotheke aufsucht, ist es besonders wichtig, dass hier nicht wirkungsrelevante Informationen dem Apotheker vorenthalten werden. Anders als in China kann man hierzulande ja nicht davon ausgehen, dass alle Apotheken flächendeckend mit Grundwissen über die Herstellung von Zubereitungen der Traditionellen Chinesischen Medizin aufwarten können. Darum sind nachfolgend fünf Musterrezepte mit Kommentaren beispielhaft dargestellt, die einen optimalen Informationsfluss zwischen Verschreiber und Hersteller einer Zubereitung gewährleisten sollen. 8.1 Wichtige Angaben, die in jeder Verschreibung enthalten sein sollten Name, Adresse und Telefonnummer des verschreibenden Arztes Datum der Rezepterstellung Name, Geburtsdatum und Telefonnummer des Patienten (für eventuelle Verzögerungen bei der Abgabe!) Art der Zubereitung (Dekokt, Kräutermischung, Granulat, Tinktur, Salbe etc.) Bei Granulaten: Gesamtmenge der Mischung und die Anzahl der Tage, für welche diese bestimmt ist (z.b. 64 g für 16 Tage, Tagesdosis 4 g, 4 x täglich 1 g einnehmen); sollten Zweifel bezüglich des Droge-Extraktverhältnisses bestehen, kann
50 8 Eindeutige Verschreibungen die Angabe der Berechnungsbasis in der Rezeptur hilfreich sein (Drogenäquivalent oder der Granulatmenge zu Grunde liegender Konzentrationsfaktor). Rezeptur (angegeben in 1 Tagesdosis), jede einzelne Rezepturzeile sollte enthalten: Name des Mittels in der korrekten lateinischen Bezeichnung Pinyin-Bezeichnung (keine Synonyme, nur offizinelle Bezeichnungen verwenden!) dahinter in Klammern Dosierung des Mittels in der Rezeptur (Tagesdosis, bei Überschreitung der üblichen Dosierungsbreite ist dies durch ein Rufzeichen! hinter der Grammmenge zu bestätigen z.b. Rehmanniae radix (di huang) 30 g!) einzuhaltende Sondervorschriften sollten hinter dem Drogennamen mit einem * gekennzeichnet werden, spezielle Anforderungen sollten ausgeschrieben werden (z.b. nicht beschriebene Sonderformen aber auch das Nichtausführen einer üblicherweise einzuhaltenden Sondervorschrift). Zeitraum, für den die Rezeptur anzufertigen ist (x 7 für 7 Tage etc.) Genaue Anweisung, ob bei Dekokten ein Konservierungsmittel zuzusetzen ist oder nicht (eine allgemeine Formulierung im Rezepttext ist hier hilfreich, siehe Seite 56, Rezeptbeispiel 6). Anwendungshinweise für den Patienten (die auf der Etikette vermerkt werden sollten) Unterschrift und Stempel des Arztes.
8 Eindeutige Verschreibungen 51 8.2 Rezeptbeispiele Beispiel 1: YIN QIAO SAN Kommentar: Bei Lonicerae flos, Menthae herba und Schizonepetae herba handelt es sich um Blüten bzw. Blätter mit leicht flüchtigen Inhaltsstoffe, laut Tabelle sind diese nachträglich zuzusetzen, Arctii Fructus ist laut Tabelle vor der Dekoktierung zu zerstoßen. Da auf dem Rezept Dekokt vermerkt ist, haben diese Arbeitsschritte in der Apotheke zu erfolgen, eine weitere Unterweisung des Patienten ist nicht nötig.
52 8 Eindeutige Verschreibungen Beispiel 2: CHAI HU JIA LONG GU MU LI TANG (modifiziert jiân) Kommentar: Bei Mastodi fossilia ossis und Ostreae concha handelt es sich um mineralische Drogen tierischen Ursprungs, laut Tabelle sind diese vorab länger zu kochen. Bei Rhei radix et rhizoma ist laut Tabelle eine sehr kurze Kochzeit einzuhalten um optimale Wirksamkeit zu gewährleisten. Da sich diese Kochanweisung mit der Vorgabe, einen Dekokt für 7 Tage anzufertigen, nicht verträgt (es macht keinen Sinn, wegen der leicht hydrolytischen Spaltbarkeit der Anthraglycoside eine Droge nur 3 zu kochen, dann aber erst wieder 7 Tage lang einzuwässern ), müsste der Patient unterwiesen werden, die jeweilige Einzelgabe an Rhabarberwurzel immer vor Einnahme separat 3 abzukochen und dann sofort mit dem Dekokt der übrigen Rezepturpartner einzunehmen. Eine in der Praxis leichter durchführbare Methode wäre der Zusatz von Rhei radix et rhizoma als Granulat. Der Patient muss dann nur unterwiesen werden, jeweils eine Einzeldosis an Granulat (Droge- Extraktverhältnis beachten!) mit einem Messlöffel dem aufgewärmten Dekokt zuzusetzen.
8 Eindeutige Verschreibungen 53 Beispiel 3: TIAN MA GOU TENG YIN Kommentar: Bei vorliegendem Rezept handelt es sich um eine Kräutermischung für 15 Tage, die der Patient für jeweils 3 Tage selbst kochen muss. Haliotidis concha ist eine mineralische Droge tierischen Ursprungs, laut Tabelle ist diese vorab länger zu kochen. Da der Kochvorgang selbst außerhalb der Apotheke durchgeführt wird, müssen alle Drogen mit Sondervorschriften hinsichtlich der Kochzeiten separat verpackt und beschriftet werden, in diesem Fall muss die Droge Haliotidis concha in 5 Säckchen zu je 54 g (3 Tagesdosen) abgepackt werden. Gardeniae Fructus ist laut Tabelle lediglich vor der Dekoktierung zu zerstoßen, dies kann in der Apotheke durchgeführt werden und erfordert daher kein separates Abpacken. Zweckmäßigerweise sollte dem Patienten eine Arbeitsanleitung mitgegeben wer - den (siehe Seite 23).
10 Gesamttabelle Dekoktbereitung 75 10 Gesamttabelle der wichtigsten Mittel mit Verarbeitungshinweisen, Kochzeiten und Sondervorschriften bei der Dekoktbereitung Erklärung der Abkürzungen D in dicht schließenden Gefäßen aufbewahren G Vorsicht in der Schwangerschaft G! kontraindiziert in der Schwangerschaft I durch Insektenbefall gefährdet K kühl lagern L lichtgeschützt aufbewahren Pv. Pulverdroge S Von Schimmelbefall bedroht T drastisch wirkendes Mittel, keine Dosisüberschreitungen (ACM) T! stark drastisch wirkendes Mittel, keine Dosisüberschreitung (ACM) U Unverträglichkeiten mit Rezepturpartnern erwähnt (ACM) (entspricht dem in der Tabelle 11 auf den Seiten 132-133) CITES Droge steht unter Artenschutz
76 Mittel 10 Gesamttabelle Dekoktbereitung pinyin Tagesdosis vorab nachher Beutel jï gû câo 15-30 g Abri herba qîng má zî Abutili semen GK cì wû jiä 9-27 g Acanthopanacis senticosi radix wû jiä pí Acantopanacis cortex IS niú xï Achyranthis bidentatae radix GIK Aconiti radix alle Drogen der Gattung Aconitum nur vorbehandelt verwenden! zhì câo wü 1,5-3 g Aconiti kusnezoffii radix praeparata G! T U I fù zî 3-15 g Aconiti radix lateralis praeparata G! T U zhì chuän 1,5-3 g Aconiti radix praeparata wü G! T U I zàng chäng Acori calami rhizoma Acori tatarinowii rhizoma S Actinolitum pú shí chäng pû yáng qî shí separat schmelzen oder lösen direkt Sondervorschrift vorab zerstoßen bzw. aufquetschen 3-4,5 g nán shä 9-15 g Adenophorae radix shën UI Adenophorae seu Glehniae radix unzulässige Namensverknüpfung, siehe unter dem jeweiligen Eintrag suö luó zî Aesculi semen IS Agastaches herba in der Praxis ersetzbar durch Pogostemonis herba (hùo xiäng <=> guâng hùo xiäng) huò xiäng 6-10 g Agastaches herba qí shé Agkistrodon TIS xiän hè câo 6-12 g Agrimoniae herba chün pí 6-9g Ailanthi cortex I yù zhï zî Akebiae fructus mù töng Akebiae caulis hé huän pí 6-12 g Albiziae cortex G 77 10 Gesamttabelle Dekoktbereitung vorab zerstoßen, Staub einatmen vermeiden! Wässerung Kochzeit 1 Kochzeit 2-100 -- --
78 10 Gesamttabelle Dekoktbereitung Tagesdosis Mittel pinyin Albiziae flos hé huän huä Albiziae flos hé huän huä Algae thallus Eckloniae / Laminariae thallus zé xiè 6-9g Alismatis rhizoma I cöng bái Allii fistulosi bulbus xiè bái 5-9g Allii macrostemi bulbus I dà suàn 5-10 g Allii sativi bulbus I jiû cài zî Allii tuberosi semen lú huì 1,5-4,5 g Aloe G! CITES K Alpiniae katsumadai semen câo dòu kòu K gäo liáng Alpiniae officinarum jiäng rhizoma K Alpiniae oxyphyllae fructus yì zhì K bái fán 0,6-1,5 g Alumen duàn bái fán Alumen dehydratum Amethystum Fluoritum Amomi cardamomi fructus Amomi fructus rotundus Amomi costati fructus Tsaoko fructus Amomi tsao-ko fructus Tsaoko fructus shä rén Amomi fructus K dòu kòu Amomi fructus rotundus DKI bái liàn Ampelopsis radix UI Amydae carapax Trionycis carapax chuän xïn 6-9g Andrographitis herba Anemarrhenae rhizoma Anemones altaicae rhizoma lián zhï mû jiû jié chäng pú 6-12 g 1,5-6 g vorab nachher Beutel separat schmelzen oder lösen direkt Sondervorschrift Wässerung Kochzeit 1 Kochzeit 2 vorab zerstoßen bzw. aufquetschen extern -- -- -- Zur Beeinflussung des shén (z.b. Erregungs- und Stresszustände) eingesetzt, ist nachträglicher Zusatz von Vorteil. In vielen Quellen wird kein nachträglicher Zusatz gefordert. Bei Rezepturen zur Regulierung von Verdauungsstörungen etc. ist die Droge von Beginn an mitzukochen. vorab zerstoßen bzw. aufquetschen 79 10 Gesamttabelle Dekoktbereitung ganze Früchte vorab zerstoßen bzw. aufquetschen ganze Früchte vorab zerstoßen bzw. aufquetschen