Load-Pull-Messplatz zur Charakterisierung von Hochfrequenz- Bauteilen 1 Einführung Ein Load-Pull-Messplatz ermöglicht die Charakterisierung von Hochfrequenz-Bauteilen, die nicht an die Standard-Impedanz von 50 angepasst sind. Dabei kann untersucht werden, wie sich die Lastimpedanz auf bestimmte Eigenschaften oder Parameter auswirkt. Das Load-Pull-System bietet eine leistungsrichtige Messung der Ausgangsleistung bei einer Vielzahl von Lastwiderständen, die im Smith-Diagramm kreisförmig um den 50 -Punkt herum verteilt sind. Dabei kann der Großteil des Smith-Diagramms abgedeckt werden. Das Load-Pull-Messsystem der Hochschule Heilbronn ist von der Firma ATN Microwave. Es erlaubt Messungen im Frequenzbereich von 800MHz bis 9GHz. Das Load-Pull-System kann je nach Frequenzbereich bis zu 30dBm Eingangsleistung für das Testobjekt zur Verfügung stellen. Die maximale Ausgangsleistung des Messobjektes kann bis zu +40dBm betragen. Mit dem Load-Pull-Messplatz sind die folgenden Standard-Messungen möglich: - Variation der Versorgungs- und / oder Kontrollspannungen bei fester Eingangs- und Ausgangsimpedanz - Variation der angebotenen Eingangsimpedanz (Source-Pull) - Variation der Ausgangsimpedanz (Load-Pull) zur Bestimmung der maximalen Ausgangsleistung, der maximalen Verstärkung und / oder des maximalen Wirkungsgrades PAE (power added efficiency) Neben diesen Messungen erlaubt das an der Hochschule Heilbronn vorhandene Load-Pull-System auch die folgenden Messungen: - Alle Standard-Messungen können gepulst durchgeführt werden - Das Messsystem erlaubt mit einem zweiten Ausgangstuner sog. harmonic tuning. Dabei können die Abschlussimpedanzen bei Vielfachen der Grundfrequenz getrennt eingestellt werden. - Mit dem Load-Pull-Messplatz sind Intermodulationsmessungen bei wechselnden Eingangsund Ausgangsimpedanzen möglich. Diese Messungen sind momentan auf einen Frequenzbereich bis 2,4GHz beschränkt. - Das Messsystem erlaubt die Messung von Nachbarkanalleistungen bei gleichzeitiger Variation der Quell-/Abschlussimpedanz. Load-Pull-Messplätze werden häufig zur Charakterisierung von Verstärkern eingesetzt. Hier kann bestimmt werden, welch maximale Ausgangsleistung ein Verstärker liefert, ohne das ein Anpassnetzwerk aufgebaut und optimiert wird. Bei nichtlinearem Verhalten eines Verstärkers kann ebenso das Intermodulationsverhalten bei wechselnder Abschlussimpedanz der Grund- oder Oberwelle untersucht und ggf. minimiert werden. 2 Aufbau des Load-Pull-Messplatzes Zur Hardware des Load-Pull-Messplatzes gehören die folgenden Komponenten: - Netzwerkanalysator Agilent 8720ES bis 20GHz Hochschule Heilbronn, Studiengang Elektronik und Informationstechnik Seite 1 von 7
- ATN Load-Pull-Hardware, bestehend aus zwei elektronischen Tunersätzen (jeweils drei Stück) für die Frequenzbereiche von 800MHz bis 4,5GHz und von 1,8GHz bis 9GHz, sowie eine Signalaufbereitung (Filter, Isolatoren, Verstärker) - Powermeter Anritsu ML2437A - Spektrum-Analyzer Rohde&Schwarz FSEA 20 - Vectorsignal-Analyzer Agilent VSA ML2437A Die Hardware wird von einem umfangreichen Programm über einen PC angesteuert. Über diesen PC werden die Kalibration und Messungen gesteuert. Außerdem erfolgt die Dokumentation der Messdaten über diesen PC. Für On-Wafer-Messungen steht ein einfacher On-Wafer-Messplatz zur Verfügung. 3 Kalibration und Messung Vor einer Load-Pull-Messung muss eine Kalibration des Messplatzes bei der gewünschten Frequenz durchgeführt werden. Natürlich sind mehrere Frequenzen zusammen kalibrierbar, wenn für die Messung der Aufbau nicht verändert werden muss (beispielsweise bei einem Wechsel des Tunersatzes). Die Standard-Kalibration einer Frequenz dauert etwa 20 Minuten. Während der Kalibration erfolgt ein Abgleich des Netzwerkanalysators auf das Leistungsmessgerät. Bei den weiteren Messungen wird vorzugsweise der Netzwerkanalysator als Leistungsmesser eingesetzt. Im Verlauf der Kalibration werden die verfügbaren Punkte angezeigt, die der Load-Pull-Messplatz bei der eingestellten Frequenz im Smith-Diagramm ansteuern kann. Da das System passiv arbeitet, kann nicht das komplette Smith-Diagramm abgedeckt werden. In den beiden Abbildungen 3.1 und 3.2 sind die erreichbaren Zustände für eine Frequenz von 2,4GHz bzw. 2,5GHz dargestellt. Abb. 3.1: Einstellbare Quellimpedanzen bei 2,4GHz Hochschule Heilbronn, Studiengang Elektronik und Informationstechnik Seite 2 von 7
Abb. 3.2: Einstellbare Lastimpedanzen bei 2,5GHz 4 Beispielmessungen In den folgenden Abbildungen sind einige Messungen eines Hochfrequenzverstärkers bei 2,4GHz dargestellt. In Abb. 4.1. ist eine Messung der Ausgangsleistung P(Out) in Abhängigkeit der Lastimpedanz abgebildet. Die Eingangsleistung beträgt bei dieser Messung -50dBm Die Zahlen im Smith-Diagramm geben jeweils an, welche Ausgangsleistung an dieser Stelle im Smith-Diagramm gemessen wurde. Beispielsweise werden bei einer Lastimpedanz von nahe 50 (Mitte des Smith-Diagramms) -18,5dBm vom Leistungsverstärker abgegeben. Das Fünfeck markiert den aus den Messdaten berechneten Maximalwert der Ausgangsleistung (hier -16,9dBm), der bei dieser Messung 0,1dB über dem maximalen Messwert von -17,0dBm liegt. Damit ist die Verstärkung 33dB bei einer Lastimpedanz von etwa 90 - j70. Mit steigendem Eingangspegel wird der Verstärker in die Kompression gefahren. Dabei ändert sich das Verhalten des Verstärkers deutlich, s. Abb. 4.2 und Abb. 4.3. Der Verstärker erreicht eine maximale Ausgangsleistung (Max Pout) mit einer Eingangsleistung von -10dBm bei einer Lastimpedanz von etwa 58 -j45. Es wird deutlich, dass sich die Lastimpedanz für maximale Ausgangsleistung in Richtung 50 -Anpasspunkt bewegt. Mit einer weiteren Erhöhung der Eingangsleistung auf +5dBm bewegt sich die Lastimpedanz auf einen Wert von 63 -j20. Mit einer reinen S-Parameter-Messung kann dieses Verhalten nicht nachvollzogen werden. Selbst wenn die S-Parameter-Messung bei unterschiedlichen Pegeln durchgeführt wird, unterscheidet sich eine Messung des S 22 -Parameters (Messung im Rückwärtsbetrieb) deutlich von einer Load-Pull- Messung (Messung im Vorwärtsbetrieb). Damit ist eine Load-Pull-Messung zur Optimierung eines Leistungsverstärkers praktisch zwingend erforderlich, insbesondere wenn der Verstärker linear oder in Kompression betrieben werden soll. Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit Leistungsverstärkern ist der Wirkungsgrad PAE (pae = power added efficiency). Dieser Wert gibt an, wie hoch die addierte Hochfrequenzleistung in Hochschule Heilbronn, Studiengang Elektronik und Informationstechnik Seite 3 von 7
Abhängigkeit der aufgenommenen Gleichleistung ist und entspricht damit dem Wirkungsgrad bei der Wandlung von Gleichleistung in Hochfrequenzleistung. Abb. 4.1: Ausgangsleistung P(Out) in Abhängigkeit der Lastimpedanz mit einer Eingangsleistung von -50dBm Abb. 4.2: Ausgangsleistung P(Out) in Abhängigkeit der Lastimpedanz bei einer Eingangsleistung von -10dBm Hochschule Heilbronn, Studiengang Elektronik und Informationstechnik Seite 4 von 7
Abb. 4.3: Load-Pull-Messung mit einer Eingangsleistung von +5dBm Die PAE nimmt in der Regel mit wachsender Eingangsleistung zu. Dieses Verhalten kann in den drei Messungen (Abb. 4.1 bis Abb. 4.3) ebenfalls nachvollzogen werden. Der Parameter ist jeweils in der linken Spalte nach der Bezeichnung Max Eff Add angegeben. Bei einer Eingangsleistung von -50dBm ist die PAE rein rechnerisch 0%. Mit einer Eingangsleistung von -10dBm erreicht die PAE einen Maximalwert von 24,8% und steigt mit einer Eingangsleistung von +5dBm auf einen Maximalwert von etwa 36,8%. Um den Wirkungsgrad besser beurteilen zu können, bietet sich ein sog. Power-Sweep an. Dabei wird die Lastimpedanz festgehalten und die Eingangsleistung variiert. Als Lastimpedanz wurde für die folgenden drei Messungen jeweils die Lastimpedanz gewählt, bei der in Abb. 4.1 bis 4.3 die maximale Ausgangsleistung erreicht wurde. In Abb. 4.4 ist die Messung mit der optimalen Lastimpedanz für eine Eingangsleistung von -50dBm dargestellt. Abgebildet sind die Verstärkung (grün, gain), die Ausgangsleistung (schwarz, P(Out)), die PAE (blau, Efficiency Pwr Added) und der DC-Strom des Verstärkers (rot, I2). Die maximale Ausgangsleistung von 22,2dBm wird bei einer Eingangsleistung von +10dBm erreicht. Die PAE steigt bis auf 34,1% bei einer Eingangsleistung von 0dBm an. Mit höherer Eingangsleistung fällt die PAE wieder geringfügig ab. Die Gründe dafür sind einmal die steigende Eingangsleistung aber auch der DC-Strom, der mit wachsender Eingangsleistung ansteigt. In der folgenden Abbildung 4.5 ist eine ähnliche Messung dargestellt. Hier ist allerdings als Lastimpedanz der optimale Wert für eine Eingangsleistung von -10dBm gewählt worden. Während gegenüber der ersten Messung die maximale Verstärkung praktisch gleich geblieben ist, steigt die maximale PAE auf Werte von etwa 37,3% an. Gleichzeitig steigt die maximale Ausgangsleistung auf einen Wert von 22,7dBm und ist im Vergleich zur vorherigen Messung ein halbes db höher. In der letzten Messung (Abb. 4.6) ist schließlich die Ausgangsimpedanz noch einmal variiert worden. Hier wurde jetzt als Lstimpedanz der Wert gewählt, der bei einer Eingangsleistung von +5dBm die maximale Ausgangsleistung ergibt. Man erkennt, dass die maximale Ausgangsleistung auf einen Wert von 23,0dBm angestiegen ist. Gleichzeitig sinkt der maximale Wirkungsgrad auf einen Wert von 34,7% (maximale PAE). Hochschule Heilbronn, Studiengang Elektronik und Informationstechnik Seite 5 von 7
Je nach Wahl des Anpassnetzwerkes kann so eingestellt werden, ob der Parameter Ausgangsleistung oder Wirkungsgrad optimal sein soll. Abb. 4.4: Load-Pull-Messung (Power-Sweep) mit einer Lastimpedanz von ca. 90 -j70 Abb. 4.5: Load-Pull-Messung (Power-Sweep) mit einer Lastimpedanz von ca. 58 -j45 (optimal für eine Eingangsleistung von -10dBm) Hochschule Heilbronn, Studiengang Elektronik und Informationstechnik Seite 6 von 7
Abb. 4.6: Load-Pull-Messung (Power-Sweep) mit einer Lastimpedanz von ca. 63 -j20 (optimal für eine Eingangsleistung von +5dBm) 5 Zusammenfassung Für die messtechnische Optimierung von Hochfrequenz-Verstärkern steht dem Studiengang Elektronik und Informationstechnik ein hochwertiges Load-Pull-System mit einem Frequenzbereich von 800MHz bis 9GHz zur Verfügung. Mit additiven Messgeräten kann das Load-Pull-System flexibel an spezielle Messanforderungen angepasst werden. Dieses Gerät wird in der Lehre und Forschung eingesetzt. Eine Nutzung im Rahmen einer Auftragsforschung ist ebenfalls möglich. Hochschule Heilbronn, Studiengang Elektronik und Informationstechnik Seite 7 von 7