Dokumentation von Anforderungen in einer Anforderungsliste Warum werden Anforderungen dokumentiert? Die Dokumentation ist notwendig, um im weiteren Verlauf der Produktentwicklung gezielt auf Anforderungen zugreifen zu können. Eine Anforderungsliste hilft, alle relevanten Informationen konsistent und aktuell verfügbar zu haben. Bei der Bewertung und Auswahl von Lösungsmöglichkeiten greifen wir auf die Anforderungsliste zurück, da sie Anhaltspunkte für die Gewichtung von Bewertungskriterien liefert. Die Anforderungsliste ist häufig Bestandteil von Verträgen zwischen Kunde und Hersteller. Definitionen Unter einer Anforderung wird die kurze und präzise Formulierung eines gewünschten Sachverhalts in der Sprache des Konstrukteurs verstanden. Anforderungen werden in Anforderungslisten dokumentiert. Die industrielle Praxis unterscheidet Lastenhefte und Pflichtenhefte. Das Lastenheft umfasst die Gesamtheit der Anforderungen des Auftragsgebers an die Lieferungen und Leistungen eines Auftragsnehmers [DIN 69905]. Damit sind Lastenheftinhalte nur durch Nachverhandlung und ergänzende vertragliche Vereinbarungen veränderbar. Intern wird ein Pflichtenhelft erstellt und fortgeschrieben. Das Lastenheft fließt als fixer Bestandteil in das Pflichtenheft ein. Zusätzliche Anforderungen (aus Unternehmen, Vorschriften, Gesetzte, Patente etc.) werden dann im Pflichtenheft ergänzt. Das Pflichtenheft ist eine in der industriellen Praxis gebräuchliche Variante einer umsetzungsorientierten Anforderungsliste. Seite 1 von 7
Aufbau einer Anforderungsliste Jede Anforderung erhält zur eindeutigen Identifizierung eine Nummer und sollte mit Forderung (F), Ziel (Z) oder Wunsch (W) gekennzeichnet sein. Der geforderte Sachverhalt wird knapp und präzise beschrieben. Eine Bezeichnung (Variable) der Anforderung ist dabei hilfreich, um den Bezug zu Berechnungen, Zeichnungen oder Ähnlichem herzustellen. Mit einem Zahlenwert (mit Toleranz) wird in einer weiteren Spalte die Anforderung quantifiziert. Zudem erfolgt die Angabe einer Gewichtung der Anforderung. Anforderungen werden in den Anforderungslisten meist nur sehr knapp beschrieben. Zur Vermeidung von Fehlinterpretationen empfiehlt sich die Angabe zusätzlicher Informationen, wie beispielweise des Ursprungs, einer ausführlicheren Erläuterung einer Anforderung, Hinweis auf weiterführende Dokumente (Normen, Zeichnungen etc.) und des Verursachers der Anforderung. Abb. 1: Prinzipieller Aufbau einer Anforderungsliste Seite 2 von 7
Vorgehen bei Klärung von Anforderungen 1) Sammlung, Ermittlung von Anforderungen 2) Ermittlung von Zusammenhängen zwischen den Anforderungen 3) Gewichtung und Strukturierung von Anforderungen 4) Dokumentation der Anforderungen Regeln für die Strukturierung der Anforderungsdokumentation Eine Anforderungsliste enthält folgende Elemente: Nummer der Anforderung (hierarchische strukturiert) Benennung/Name der Anforderung Bezeichnung/Variable Zahlenwert (mit Bereich/Toleranz) soweit möglich Einheit Gewichtung/Priorität Hintergrundinformationen (Ursprung der Anforderung, Erläuterungen) Änderungen (Ursache, Datum, Verantwortlichkeit) Um die Entwicklung einer Anforderung nachverfolgen zu könne, wird die alte Anforderung durchgestrichen und die neue samt Änderungsdatum eingefügt. Übersicht über Quellen von Anforderungen Abb. 2: Quellen von Anforderungen Seite 3 von 7
Frageliste zur Ermittlung von Anforderungen Warum benutzen die Kunden das Produkt? Wozu benutzen die Kunden das Produkt? Wann benutzen die Kunden das Produkt? Wie benutzen die Kunden das Produkt? Was sind ihre Vorlieben? Welche Trends sind zu erwarten? Welche Fehler entstehen an seiner Arbeit durch unser Produkt? Welche Fehler entstehen an seiner Arbeit durch unser Produkt bzw. Dienstleistungen und wie behilft sich der Anwender zur Vermeidung dieser Fehler? Was machen Anwender von Konkurrenzprodukten? Regeln für die Formulierung von Anforderungen Bei der Formulierung von Anforderungen sind die nachfolgenden Regeln zu beachten. Die Anforderungen sollten Lösungsneutral, Positiv, Klar und eindeutig sowie Anspruchsvoll, aber erreichbar formuliert sein, zudem Quantifiziert sein, zur besseren Vermittlung und Überprüfung der angestrebten Ziele und Mit Skizzen und Zeichnungen etc. ergänzt werden. Bei sehr komplexen Serienprodukten kann alternativ zu einer Verwaltung der Anforderungen in einer Tabelle auch eine Datenbank herangezogen werden. Checkliste zur Ermittlung von Anforderungen Hilfsmittel wie Checklisten tragen zur Vollständigkeit einer Anforderungsliste bei, indem sie die vollständige Ermittlung von Anforderungen aus möglichst allen relevanten Bereichen unterstützt. Seite 4 von 7
Abb. 3: Assoziationsliste Anforderungskatalog Seite 5 von 7
Kriterien für die Strukturierung und Gewichtung von Anforderungen Abb. 4: Kriterien zur Strukturierung und Gewichtung Gewichtung nach der Kundenrelevanz im Kano-Modell Abb. 5: Kano-Modell Beispiel Fahrrad Seite 6 von 7
Änderungen in einer Anforderungsliste Anforderungen werden häufig verändert (z.b. aufgrund von Kundenwünschen). Deswegen werden der Änderungsstatus, das Datum der Änderung und der für die Änderung Verantwortliche ebenfalls dokumentiert. Um den Änderungsverlauf der Anforderungsliste nachzuvollziehen zu können, werden alte Anforderungen nicht einfach gelöscht, sondern durchgestrichen und die neue Formulierung samt Änderungsdatum und Bearbeiter unmittelbar darunter eingefügt. Seite 7 von 7