Rede von Regierungsrat Hugo Quaderer anlässlich der Feier zum Schengenbeitritt Liechtensteins Vaduz, 19. Dezember 2011 1
Sehr geehrte Herr Minister Sehr geehrte Staatssekretäre Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Sehr geehrte Botschafter Sehr geehrte Mitglieder des Landtags Sehr geehrte Damen und Herren Durchlaucht «Wer im 19. Jahrhundert als Flüchtling die Moselfähre zwischen dem luxemburgischen Dörfchen Schengen und dem deutschen Perl erwischte, konnte von Glück reden. Denn Schengen war bekannt für sein liberales Asylrecht; es verpflichtete die Fährmänner, Verfolgte auf die andere Seite in Sicherheit zu bringen. Erst danach durften sie zurückkehren und die Verfolger an Bord nehmen. Mittlerweile hat längst eine grosse Stahlbrücke die Fähre ersetzt, doch Fahrgastschiffe verkehren weiter. Auf einem solchen, der Princesse Marie-Astrid, geschah am 14. Juni 1985 Entscheidendes für Europa: Luxemburg, Belgien, Holland, Frankreich und Deutschland einigten sich, 40 Jahre nach Kriegsende, auf ein grenzenloses Miteinander.» Diese Schilderung der Schweizer Publizistin Verena Vonarburg beschreibt, wie Schengen zum Symbol für einen Raum ohne Grenzkontrollen wurde. Das Zusammenwachsen Europas zu diesem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wurde mit dem Schengener Abkommen besiegelt, das am 26. März 1995 in Kraft trat und wie die Einführung des Euro am 1. Januar 1999 als Meilenstein im europäischen Prozess gilt. Als Robert Schumann, einer der Gründerväter der europäischen Integration, vor mehr als einem halben Jahrhundert davon sprach, dass ein organisiertes und lebendiges Europa für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen 2
unentbehrlich sei, hatte er Schengenraum gesprochen. ohne es damals zu wissen auch vom Liechtenstein ist in vielem Teil dieser Lebendigkeit und Organisation innerhalb Europas. Wenn wir heute die Assoziierung zu Schengen/Dublin feiern, dann feiern wir eine neue Qualität der Einbindung unseres Landes in den europäischen Raum. Ich bin stolz darauf, dass wir sicherheits- und souveränitätspolitisch Europa noch näher gekommen sind. Schengen/Dublin setzt neue Massstäbe im freien Personenverkehr und verbessert unsere Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten in vielen Bereichen der Sicherheit ganz entscheidend. Es ist mir deshalb eine grosse Ehre und Freude, dass wir heute den definitiven Beitritt Liechtensteins zu diesen Abkommen gemeinsam begehen können. Sicherheit gehört in Liechtenstein wie in der Europäischen Union zu jenen gesellschaftspolitischen Themen, mit denen viele Emotionen und Erwartungen an den Staat verknüpft sind. Die Bedrohungen für unsere Gesellschaft sind schon längst grenzüberschreitend geworden. Wie alle europäischen Staaten ist ganz besonders ein kleines Land wie Liechtenstein auf die internationale Kooperation angewiesen, um diesen grenzüberschreitenden Risiken im Bereich der inneren Sicherheit wirksam begegnen zu können. Seit 1806 ist Liechtenstein ein souveräner Staat, der seine Eigenstaatlichkeit mit einer geschickten Integrations- und Aussenpolitik bewahren und kontinuierlich stärken konnte. Der Beitritt zu Schengen/Dublin ist die logische Fortsetzung einer liechtensteinischen Aussenpolitik, die gute zwischenstaatliche Beziehungen und das partnerschaftliche Zusammenwirken mit der Staatengemeinschaft aktiv zur Interessenwahrung nutzt. Dazu gehören seit jeher ganz zentral die Wahrung und Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. 3
Mit der Integration in den Schengenraum, dem auch unsere Nachbarn Schweiz und Österreich angehören, erhält diese staatliche Anerkennung und die Qualität der multilateralen Zusammenarbeit eine neue Dimension. Nicht hoch genug einzuschätzen ist dabei die Bedeutung der traditionell sehr engen und guten Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern. Liechtenstein ist dafür sehr dankbar, ganz besonders der Schweiz, die bereits Ende 2008 Schengen/Dublin beigetreten ist. Durch die pragmatischen Lösungen während der Übergangsphase hat die Bevölkerung in der Region kaum etwas von der vorübergehenden Schengen-Aussengrenze gespürt. Die Verträge von Schengen und Dublin erhöhen die Sicherheit in Europa, das im Sicherheits- und Asylbereich eng zusammenarbeitet. Das wirkt sich auch positiv auf die innere Sicherheit unseres Landes aus, was unter anderem der Grund dafür ist, dass ich als liechtensteinischer Innenminister zu Ihnen spreche. Für einen kleinen Staat wie Liechtenstein bedeutet dieser Beitritt aber auch eine grosse Herausforderung, alle Auflagen und Erfordernisse erfüllen zu können. Ich danke in diesem Bewusstsein auch allen Beteiligten hier in Liechtenstein, die mit der konkreten Umsetzung von Schengen/Dublin betraut waren und es auch in Zukunft sein werden. Sie haben eine sehr gute Arbeit geleistet. Diese Arbeit legte die Grundlage für die positiv verlaufene Evaluation, die von Frühling bis Herbst dieses Jahres vorgenommen wurde und zum erfolgreichen Beitritt Liechtensteins führte. Meine sehr verehrten Damen und Herren Bereits 2001 signalisierte Liechtenstein gegenüber der EU erstmals Interesse am Schengenbeitritt. Heute rund 10 Jahre später ist dieser Prozess abgeschlossen und ich bin glücklich darüber, dass wir uns als vollwertiges Mitglied an einem starken, friedlichen und gut organisiertem Europa beteiligen können. 4
Die Arbeit der vergangenen Jahre, in denen sämtliche Bestrebungen auf einen Beitritt Liechtensteins ausgerichtet waren, hat Früchte getragen. Teil eines so wichtigen Vertrags und damit gleichberechtigter Partner zu sein, macht uns stolz. Es macht uns aber auch bewusst, dass wir als assoziiertes Mitglied alle Rechte und Pflichten, einschiesslich jener aus der Weiterentwicklung des Acquis, verlässlich mitzutragen haben. Als Teil von Schengen ist Liechtenstein nun definitiv eingebunden in einen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Unser Land freut sich auf die künftig noch engere Zusammenarbeit im Polizeibereich mit einem europaweiten Fahndungssystem sowie bei der einheitlichen Visumspolitik und der untereinander abgestimmten Asylpolitik. Die europäische Integration bringt viele Vorteile für die Zusammenarbeit der einzelnen Staaten. Der heutige Beitritt zu Schengen/Dublin ist für Liechtenstein daher ein besonderes Ereignis, das wir mit Respekt und Dankbarkeit begehen. Im Namen der Regierung und des ganzen Landes danke ich allen europäischen Freunden und Partnern, die diesen Schritt ermöglicht haben. Ganz besonders bedanke ich mich beim vorangegangenen ungarischen und beim jetzigen polnischen Vorsitz, die sich sehr stark für unseren Beitritt eingesetzt sowie für uns teils termintechnische Meisterleistungen hingelegt haben. Darüber hinaus bedanke ich mich auch bei Portugal, ohne dessen SIS one for all wir wohl noch für Jahre nicht am Schengner Informationssystem hätten teilnehmen können. Ein weiterer Dank geht an das Ratssekretariat und die Europäische Kommission, die durch ihren unermüdlichen Einsatz ebenfalls einen wichtigen Beitrag zu einem erfolgreichen Abschluss unseres Beitrittsprozesses geleistet haben, sowie 5
Dem Europäischen Parlament, das aufgrund des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon zwei Mal mit unseren Abkommen befasst wurde und uns sozusagen doppelt willkommen geheissen hat. Last but not least geht ein herzliches Dankeschön an unsere beiden unmittelbaren Nachbarn,die uns während des ganzen Beitrittsprozesses mit Rat und Tat zur Seite standen und heute ihre, bzw. unsere internen Personenkontrollen aufheben durften. Ihr Erscheinen heute ist ein Zeichen der Wertschätzung, die wir gerne mit einer guten, verlässlichen und unkomplizierten Zusammenarbeit an Sie zurückgeben wollen. Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen, für Ihre Unterstützung in der Vergangenheit und, davon bin ich überzeugt, für ein konstruktives Miteinander in der Zukunft. Liechtenstein wird ein zuverlässiger Partner sein und freut sich auf die Zusammenarbeit im Schengenraum. Vaduz, 19. Dezember 2011 6