Management der Klauengesundheit

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Transkript:

Management der Klauengesundheit Dr.Andrea Fiedler Tel.: 0049 172 8858001 dr.andrea.fiedler@t-online.de www.tierarzt-andrea-fiedler.de Die Bedeutung des bekannten Spruches Die Klauen tragen die Milch kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn die Klauen müssen die ganze Kuh tragen und sind eng verbunden mit einer optimalen Stoffwechselleistung, mit guter Fruchtbarkeit und bestmöglicher Milchleistung. Ist die Funktion der Klauen und Gliedmaßen durch Lahmheit gestört, ist das gesamte Gefüge aus dem Gleichgewicht. Lahmheitsbewertung Doch um die wirtschaftlichen Folgen von Lahmheiten zu erkennen, muss das Bewusstsein vorhanden sein, wie Kühe sich bewegen und ab wann man von wirtschaftlich bedeutsamen Lahmheiten sprechen muss. Hierzu ist die Lahmheitsbewertung anhand der Rückenkrümmung in Stand und Bewegung sowie die Belastung der einzelnen Gliedmaßen äußerst hilfreich. Es werden Noten von 1-5 zugeordnet. Wirtschaftliche Verluste Wird nun in einem Betrieb diese Lahmheitsbewertung durchgeführt, kann man rasch die behandlungsbedürftigen Kühe erkennen, den spätestens ab Lahmheitsnote 3, möglichst bereits früher sollten diese Tiere gezielt im Klauenstand untersucht werden. Um dennoch auch bei Bestnoten im Bestand zukünftige Lahmheiten zu verhindern, ist dennoch eine regelmäßige Klauenpflege mindestens zwei- bis dreimal jährlich anzuraten. Die wirtschaftlichen Verluste beziffern sich rasch im Rahmen mehrerer tausend Euro im Jahr nur durch lahmheits- (schmerz-)bedingte Milchverluste, wenn die Herde eine durchschnittliche Bewegungsnote über 1,5 hat und einige Tiere Bewegungsnoten zwischen 2 und 4 oder gar 5 haben. Durch die gezielte, fachlich begründete Unterscheidung der Krankheiten in infektiöse und nicht-infektiöse Krankheiten werden bereits erste Hinweise auf die Entstehung gegeben. Klauenpflege Regelmäßige Klauenpflege reduziert Klauenerkrankungen. Wichtigstes Ziel ist eine korrekte Gliedmaßenstellung. Beide Klauen eines Fußes sollten gleichmäßig belastet werden. Beim typischen Bewegungsablauf des Rindes werden jedoch besonders die hinteren Außenklauen und die inneren Vorderklauen belastet. Diese Klauen werden mit der Zeit deutlich größer. Durch sachgerechtes Beschneiden werden die natürlichen Belastungsverhältnisse wieder hergestellt. Routinemäßig sollte die Klauenpflege etwa 2 3x im Jahr durchgeführt werden, und auf jeden Fall bei Lahmheit bei übermäßigem Hornwachstum ggf. zusätzlich vor dem Trockenstellen

Infektiöse Klauenkrankheiten Ballenhornfäule (Erosio ungulae) und Klauenfäule (Dermatitis interdigitalis) Die Ballenhornfäule beeinträchtigt das Hornwachstum, führt zu zerklüfteten, z.t. stark geschwollenen Ballen und riecht charakteristisch faulig. Die Hintergliedmaßen sind meist stärker betroffen. Diese durch Bakterien hervorgerufene überschießende Hornproduktion am Ballen wird durch feuchtes, warmes Stallklima im Herbst und Frühjahr begünstigt. Das harte Sohlenhorn schiebt sich über den durch die zersetzenden Enzyme der Bakterien stark veränderten Ballen. Es kommt zur Taschenbildung, in denen sich beteiligte Keime bevorzugt vermehren. Die Prophylaxe besteht aus Stallklima-Verbesserung und Hygiene. Zur Therapie muss das überschüssige, stark drückende Horn bei der regelmäßigen Funktionellen Klauenpflege v.a. im Frühjahr entfernt werden, die Taschen werden abgetragen. Gehen die Tiere dann auf die Weide, werden sich für die Sommermonate kaum mehr Veränderungen zeigen. Durch das Austrocknen wird die Krankheit beherrschbar. Die Klauenfäule ist im Zwischenklauenspalt zu finden. Auch hier spielen die genannten Bakterien eine zentrale Rolle. Dazu müssen jedoch auch hier Feuchtigkeit, unsaubere Bodenverhältnisse und mangelnder Kuh-Komfort die Vorarbeit leisten. Die Haut im Zwischenklauenbereich weicht auf, Keime dringen ein, Gewebe beginnt abzusterben. Tylome sind auf der Oberfläche häufig betroffen. Die Prophylaxemaßnahmen sind stets äußerst wichtig (s.o.). Zur Behandlung muss bei leichten, oberflächlichen Formen trocken gereinigt werden, ein geeignetes Antibiotika-Spray kommt zum Einsatz. Bei hochgradigen, tiefgreifenden Prozessen muss zusätzlich chirurgisch abgestorbenes und infiziertes Gewebe entfernt werden, systemische Antibiotika kommen zum Einsatz. Mortellarosche Krankheit (Erdbeerkrankheit, Dermatitis digitalis) Diese Erkrankung tritt in betroffenen Herden vorwiegend während der Stallhaltungszeit in auf. Diese höchst schmerzhafte Hauterkrankung zeigt sich typischerweise als runde bis ovale, stark gerötete und von einem Wulst umgebene Hautläsion. Doch auch wuchernde Veränderungen werden in manchen Beständen beobachtet. Die überwiegend an den Hintergliedmaßen anzutreffende Lokalisation befindet sich meist am Übergang zwischen Kronsaum und Ballen und in der Fesselbeuge. Die Ausmaße schwanken zwischen Erbsen- und Handflächengröße. In den vergangenen Jahren treten zusätzlich immer häufiger wuchernde Entzündungen von Lederhaut in Hornspalten, insbesondere entlang der inneren Klauenwand oder bei Spitzenveränderungen, auf, die mit der Mortellaroschen Krankheit in Verbindung stehen. Diese neuartige Krankheit wird auch als nicht-heilende Zehenspitzennekrose bezeichnet. Ursachen: Es handelt sich um eine Mischinfektion, insbesondere sogenannte Treponemen werden als Leitkeime benannt. Zum Ausbruch kommt diese ansteckende Krankheit jedoch nur im Zusammenhang mit Stressfaktoren, die die körpereigene Abwehr senken. Eine zu hohe Feuchtigkeit, sowohl auf der Lauf- /Standfläche als auch die Luftfeuchtigkeit, führen zu erhöhtem Keimdruck. Weitere Stressfaktoren, die das Tier schwächen, können krankheitsbedingt sein oder vom Herdenmanagement abhängen (z.b. Verwurmung; Rangkämpfe; mangelnder Kuh- Komfort ). Betroffen sind dann meist mehrere Tiere einer Herde, die Läsionen sind groß und äußerst schmerzhaft. Treponemen rufen eine meist lebenslange Infektion

hervor, die immer wieder aufbrechen kann. Genetische Komponenten sollen die generelle Empfänglichkeit der Tiere entscheidend beeinflussen. Die Prophylaxe besteht in Behebung von Stressfaktoren (Entwurmen!) und einer regelmäßigen Funktionellen Klauenpflege zur Überprüfung der Klauengesundheit. Hygiene in Form von sauberen bzw. gut und trocken eingestreuten Lauf- /Standflächen bei Stallhaltung, regelmäßiger Desinfektion und evtl. Klauenbädern mit registrierten Bioziden führt zu einer Keimverdünnung. Zur Therapie werden die Tiere - im Rahmen der regelmäßigen Funktionellen Klauenpflege oder gezielt bei Auftreten - nach Reinigung und Trocknung der Läsionen mit geeignetem Antibiotika-Spray behandelt. Äußerst effektiv ist die Anwendung einer salizylhaltigen Salbe (Novaderma), die für drei Tage unter Verband wirkt. Ist die Klauenspitze und/oder Lederhaut betroffen, muss der Tierarzt das veränderte Gewebe unter Betäubung entfernen. Phlegmone (Zwischenklauen-/Ballen-/Kronsaumphlegmone) Die auch häufig als "Panaritium" (Phlegmona interdigitalis) bezeichnete Schwellung des Unterfußes geht mit Rot-/Blauverfärbung der Haut und plötzlicher, hochgradiger Lahmheit einher. Die Erkrankung ist typisch im feuchten Herbst und Frühjahr, kommt aber auch auf der Weide vor. Die betroffen Tiere haben häufig Fieber, zeigen Freßunlust und leere Euter, die Kälber schreien oft hungrig. Verursacht wird die Phlegmone durch das Eindringen von Bakterien und nachfolgend durch eine Infektion der Unterhaut. Auslöser sind meist kleine Verletzungen oder vorgeschädigte Haut (z.b. Klauenfäule). Zum Teil ist die eigentliche Ursache bei der unbedingt immer notwendigen eingehenden Untersuchung der Gliedmaße nicht mehr zu erkennen. Oft kommt es in einmal betroffenen Herden immer wieder zu Erkrankungen, da sich die Keime z.b. in der meist feuchten Umgebung der Tränken festsetzen. Bei der Untersuchung müssen tiefe Sohlengeschwüre als Möglichkeit des Krankheitsbildes ausgeschlossen werden, evtl. abgestorbene Hautstrukturen werden erkannt, infizierte Tylome identifiziert. Erst danach ist eine dem jeweiligen Auslöser angepasste Behandlung möglich. Verletzungen durch Steine, Äste etc. müssen vermieden werden, ein hoher Hygienestandard (v.a. bei Stallhaltung, z.b. im Winter) und drainierte Tränkeplätze reduzieren prophylaktisch die Keimdichte. Bei Häufung des Auftretens hat sich auch das Versetzen der Tränke - auf einen vorher mit ausreichender Drainage vorbreiteten Platz - bewährt. Erkrankte Tiere sollten separiert werden und müssen sofort für die passende Therapie auf die eigentliche Ursache hin untersucht werden. Sie müssen also umgehend fixiert und die Gliedmaße angehoben werden (siehe Einleitung). Der Fuß wird gründlich gewaschen, am besten mit fließendem Wasser. Dadurch reduziert sich die Keimzahl lokal deutlich. Regelmäßiges Baden in Seifenlauge hat sich bewährt, lokal kommt Antibiotikum-Spray zum Einsatz. Ein Verband polstert gegen die Schmerzen, zudem verteilt das Tier keine Keime mehr in der Umgebung. Der erste Verbandswechsel sollte nach einem Tag erfolgen, die weiteren nach 2-5 Tagen. Über mindestens 3 bis 5 Tage wird die Kuh zudem systemisch mit Antibiotikum und Schmerzmittel behandelt.

Nicht-infektiöse Klauenkrankheiten Klauenrehe Die Ursachen für Klauenrehe sind vielschichtig, betreffen aber nahezu alle Bereiche der Rinderhaltung. Eine Verbesserung dieser Faktoren (siehe unten) verbessert nicht nur die Klauengesundheit, sondern die gesamte Tiergesundheit und Leistungsfähigkeit einer Herde. Belastungsrehe Eine Reduzierung der Stehzeiten hin zum Liegen auf optimalen Liegenbereichen ist das zentrale Thema bei einer Belastungsrehe durch Durchblutungsstörungen der hornbildenden Lederhaut. Hier sind bequeme Liegeboxen das A und O (siehe infektiöse Klauenkrankheiten) korrekte Maße (auch Schwungraum!), korrekt genutzte Nackenriegel, niedrige und abgerundete oder flexible Bugbegrenzung, bequemer, regelmäßig gesäuberter Untergrund und Einstreu auch in Hochboxen sind zentrale Faktoren. Je mehr Kühe in den Boxen stehen, desto höher ist die Lahmheitshäufigkeit. Die Laufganggestaltung ist ebenfalls wichtig. Spalten dürfen nicht zu breit oder gar ausgebrochen sein, der Boden darf nicht glatt oder zu rau sein. Vertiefungen sind Keimreservoire, sind aber zum nachträglichen Aufrauen von glatten Böden oft unvermeidlich. Fütterungsrehe Daneben hat die Ernährung einen immensen Einfluss auf die Klauengesundheit. Insbesondere eine Pansenazidose durch einen zu hohen Anteil leicht verdaulicher Kohlenhydratem, verbunden mit einem zu niedrigen Angebot von Struktur ist verantwortlich für die sogenannte Fütterungsrehe (immenser negativer Einfluss auf die Lederhautdurchblutung durch Giftstoffe und gefäßverengende Stoffwechselprodukte). Verstärkt wird die Fütterungsrehe z.b. durch zu seltene Futtervorlagen und Verunreinigungen durch Schimmel-/Mykotoxine. Infektiöse Erkrankungen wie Endometritis oder Mastitis und Stoffwechselstörungen wie Ketose und Festliegen können ebenfalls (zusätzlich) den Stoffwechsel der hornbildenden Lederhaut stören und so Rehe auslösen. Rehe durch Hitzestress Eine vielfach unterschätzte Folge von sommerlicher Hitze ist neben sinkender Konzeptionsraten und geringerer Milchleistung das Auftreten von Sohlenblutungen und Sohlengeschwüren ca. 6-8 Wochen nach dem Hitzestress. Die Tiere fressen nicht mehr gleichmäßig, sondern in den kühlen Morgen- und Abendstunden. Dadurch kommt es zu starken ph-wertschwankungen im Pansen. Die Kühe produzieren zu wenig puffernden Speichel (hohe Wasserverluste durch Schwitzen). Bereits lahmende Tiere liegen sowieso vermehrt und erleiden durch einen Wärmestau noch größeren Schaden, gesunde Tiere wählen stehend gerne kühlere Orte (Ventilatorenbereiche etc.). Umso wichtiger ist die korrekte, vollständige Nutzung kühlender Ventilatoren flächendeckend im ganzen Stall.

Rusterholzsches Sohlengeschwür Das Rusterholzsche Sohlengeschwür (RSG) ist auf harten Böden und bei mangelhafter Klauenpflege eine der vom Landwirt am häufigsten beobachteten Klauenläsionen. Es verursacht je nach Dauer der Nichtbehandlung und somit zunehmendem Schweregrad gering- bis hochgradige Lahmheiten. Dabei handelt es sich beim RSG um eine abgegrenzte Lederhautentzündung mit Blutungsneigung und absterbendem Gewebe. Betroffen ist die Sohlenfläche am Übergang zwischen Sohle und Ballen nahe der inneren Klauenwand, vorwiegend ist die Außenklaue der Hintergliedmaßen betroffen, seltener die vordere Innenklaue. Ursachen: An der typischen Stelle des RSG liegt unterhalb des hinteren Randes des knöchernen Klauenbeines auch bei der gesunden Klaue eine besondere Druckstelle. Von der Natur mit einem Fettpolster unterlegt, wird dieser Bereich im Zuge der Haltung auf hartem, planem Boden stark belastet. Die Außenklaue wächst zusätzlich noch verstärkt, der Druck quetscht auf die Dauer die darunterliegende, hornproduzierende Lederhaut. Wird nun auf eine regelmäßige, fachgerechte Funktionelle Klauenpflege verzichtet, kommt die Hornproduktion zum Erliegen, die entzündete Lederhaut verdickt sich und verursacht den sog. Lederhautvorfall an der typischen Stelle. Je nach Schweregrad kann es bei Nichtbehandlung zu einem Einbrechen der Läsion in die Tiefe kommen, das Klauengelenk entzündet sich. Dann wären nur noch chirurgische Maßnahmen möglich. Eine korrekte Funktionelle Klauenpflege mit Anpassung der Außen- an die Innenklaue und einer fachgerechten Kehlung zur Entlastung der gefährdeten Druckstelle kann das RSG weitgehend verhindern. Die Behandlung ist im Anfangsstadium durch korrektes Ausschneiden nach den Regeln der Funktionellen Klauenpflege sehr gut möglich. Vor allem die Entlastung durch Umschneiden des Defektes (nicht Wegschneiden! Die Lederhaut sollte nicht noch zusätzlich verletzt werden) und die Kürzung des betroffenen Ballens bringen Ruhe in den Entzündungsprozess. Wo alleinige Klauenpflege keine Entlastung schaffen kann, dient ein Klotz auf der gesunden Klaue zu einer Erhöhung dieser - der Defekt schwebt bis zur Ausheilung (Kontrolle des Klotzes nach spätestens 4 Wochen). Ein Verband sollte für maximal 5 Tage immer dann angelegt werden, wenn für das RSG weiterhin Verletzungsgefahr besteht, zur Heilung ist er nicht unbedingt erforderlich. Tylom (Limax, Zwischenklauenwulst, Hyperplasia interdigitalis) Diese Hautveränderung ist eine Folge von Fehlstellungen an der Klaue, die vorwiegend an den Hintergliedmaßen vorkommt. Vor allem bei fehlerhaftem oder fehlendem Klauenschnitt haben Kühe häufig Spreizklauen, auch genetische Faktoren spielen eine Rolle. Die Haut im Zwischenzehenbereich wird übermäßig gedehnt und reagiert mit Verdickung. Diese Hautschwiele ist verletzungsgefährdet und kann sich leicht (siehe Phlegmone) infizieren. Reizlose Tylome können durch eine korrekte, regelmäßige Funktionelle Klauenpflege beherrscht werden. Eine Anpassung der Außen- an die Innenklaue, eine plane Sohlenfläche im rechten Winkel zur Gliedmaßenachse und eine sorgfältige Kehlung sind hier einfache und sehr wirkungsvolle Behandlungsmaßnahmen. In schweren, infizierten Fällen erfolgt eine operative Entfernung unter Lokalanästhesie, es besteht bei einer chronischen Spreizklaue Rückfallgefahr.

Zusammenfassung Klauengesundheit erhalten durch: - Kuhkomfort maximieren, Standzeiten minimieren - optimale Rationsgestaltung - Stoffwechselstörungen durch optimierte Transitphase beherrschen - Klauenpflegeprogramm einführen regelmäßige Lahmheitsbewertung (täglich, wöchentlich, monatlich) regelmäßige Klauenpflege (alle 4-6 Monate) regelmäßige Klauenbäder (bei Bedarf) - sofortige Behandlung lahmer Kühe (geeignetes Arbeitsmaterial, geeignete Ausbildung) Regelmäßig gepflegte Klauen und eine sorgfältige Überwachung der Klauengesundheit garantieren eine leistungsstarke Herde.