Wie begehrlich sind die österreichischen Patienten?



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Wie begehrlich sind die österreichischen Patienten?

Übersicht o Begehrlichkeit? Was kann damit gemeint sein? o Welche Fakten oder Entwicklungen sprechen dafür oder dagegen? o Welche Modelle und Antworten bietet die österr. Rechtsordnung, um negative Entwicklungen zu verhindern? o Was muss noch getan werden und wo liegen die positiven Entwicklungspotentiale? 2

Begehrlichkeit o Unerfüllbare und zu hohe Erwartungen an die ärztliche Versorgung (ärztlichen Möglichkeiten) Herausforderung für Ärzteschaft und für Patientenanwaltschaft o Überzogene haftungsrechtliche Forderungen Versuche aus (allfälligen) Fehlern Kohle zu machen Amerikanische Verhältnisse 3

Österreichische Verhältnisse o Zunahme der Beschwerden o Patienten werden immer kritischer o Patienten verlangen mehr Information und mehr Einbeziehung (Partnerschaft) o Patienten verlangen ein Mehr an Service und Dienstleistung o Patientenorientierung wird immer wieder als wichtiges Ziel der Gesundheitspolitik und der Interessenvertretungen postuliert! 4

1200 1000 Entwicklung bis 2005 am Beispiel NÖ 800 600 400 200 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 5

Aufteilung bei niedergelassenen Ärzten Gesamt - Österreich 2004 (außer Tirol) Sonstige; 86 Allgemeinmediziner; 92 Gyn; 47 Interne; 21 Kinder; 5 Zahnarzt; 196 Orthopädie; 62 Notdienste Rettung; 40 Haut; 27 Radiologe; 14 Augenarzt; 28 6

Motivation sich zu beschweren o Patient wurde nicht ernst genommen o Gesprächsverweigerung des Arztes o Patient möchte persönliche Entschuldigung Ist das zulässig? (Schuldeingeständnis?) o Patient möchte, dass Verbesserungen eintreten ( es soll anderen Patienten nicht so wie mir gehen ) o Nachbehandler: Was haben denn die schon wieder gemacht o Ich möchte wissen, was eigentlich los war und ob jemand schuld war o Mir ist viel Leid geschehen, ich möchte dafür einen finanziellen Ausgleich 7

Ziel eines Haftungsprozesses o Erhalt eines Schuldeingeständnisses 58% o Auslösung eines Präventiveffektes, Schutz anderer Patienten 54% o Gerichtsverfahren als Möglichkeit die genauen Umstände zu klären 50% o Arzt soll Bedauern ausdrücken 46% o Gegenseite soll durch Prozess erlittenes Leid verdeutlicht werden 40% o Erhalt einer finanziellen Entschädigung 33% o Wunsch den Standpunkt der Gegenseite besser zu verstehen 30% 8

Wurden Sie gut über neue Behandlungsmethoden informiert? 60 50 40 30 20 Ja Nein Weiß nicht 10 0 16-24 25-34 35-44 45-54 55-64 65+ Total 9

Wer soll über die beste Behandlung entscheiden? 60 51 50 40 30 23 26 Ich Gemeinsam 20 Mein Arzt 10 0 Ich Gemeinsam Mein Arzt 10

2005: 649 Geschäftsfälle davon 136 Verdachtsfälle (etwa 22%) Haftpflicht 77 59 Schiedsstelle 38 Finanz. Entschädigung 21 Keine Zahlung 115 entschädigte Schadensfälle (etwa 85%) 11

Damoklesschwert Strafrecht? Mit einem Fuß im Kriminal? Verurteilung 1% Einstellung wegen geringer Schuld 3% Kein Anfangsverdacht 5% Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts 91% 12

Amerikanische Verhältnisse? Versuch einer Standortbestimmung ausufernde Schadenersatzprozesse Aggressive Keilerei um Klienten Ausgefeilte Werbung Sammelklagen Quota litis Kosten des gegnerischen Anwalts müssen nicht übernommen werden Immens hohe Entschädigungszahlungen Pönaler Charakter des Schadenersatzes Kaum mehr leistbare Prämien für Haftpflichtversicherungen Versorgung der Patienten mit Gesundheitsleistungen leidet, wegen Unterversorgung und Angst vor allfälligen (wenn auch letztendlich nicht gerechtfertigten) Klagen 13

Modell Österreich o Erfolgsmodell Außergerichtliches Beschwerdemanagement Wille und Bereitschaft zur Zusammenarbeit Konsequente gesundheitspolitische Linie Patientenanwaltschaften als von Patienten (und Ärzten) anerkannte und akzeptierte Serviceeinrichtungen zur Konfliktlösung Patientencharta Patientenanwaltschaften Ärztliche Schiedsstellen Patienten-Entschädigungsfonds o Noch Defizite im Bereich des Qualitätsmanagements und der Patientensicherheit Leitlinien Anonyme Fehlermeldesysteme 14

Leitlinien o Leitlinien dienen vorwiegend zur Sicherung und Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung. Sie sollen zu wissenschaftlich begründeter und ökonomisch angemessener ärztlicher Vorgehensweise motivieren. Außerdem können mittels Leitlinien unnötige Maßnahmen und Kosten sowie unerwünschte Qualitätsschwankungen vermieden werden. o Gute Medizin wiederum ist jene, die der Patient brauche, die der Arzt beherrsche, und jene, die er wissen könnte. Leitlinien sind daher notwendig, damit der Arzt erkennen kann, was das Richtige für seinen Patienten ist. Aus all den existierenden wissenschaftlichen Informationen müssen die Informationen herausgefiltert werden, die sinnvolle von fragwürdiger Medizin unterscheide. o Prof. Dr. Günter Ollenschläger, Leiter des ärztlichen Zentrums für Qualität in o der Medizin, Berlin Dr. Günter Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer 15

Patientencharta o Staatsvertrag, mit dem die wichtigsten Patientenrechte formuliert wurden auch rechtsentwickelnde Impulse o Formulierung von Patientenrechten führt zu klaren Positionen von Patient und Arzt Rechte bedeuten immer auch Pflichten! o Stärkt Vertrauen, da Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsposition abgesteckt sind 16

(neue) Patientenrechte im Zahnärztegesetz Aufklärungspflichten Kosten der zahnärztlichen Behandlung welche Kosten vom KV Träger voraussichtlich übernommen werden bzw. vom Patienten zu übernehmen sind Heil- und Kostenplan wenn wesentliche Kosten anfallen wenn Honorar-Richtlinien übersteigen wenn Patient verlangt Honorar Richtlinien sind Patienten in leicht ersichtlicher Form zugänglich zu machen 17

Lösungsdreieck Entschädigungsfonds Schiedsstelle Patientenanwaltschaft Patientencharta 18

Patientenanwaltschaften Informationsfunktion Filterfunktion Orientierungsfunktion Feedbackfunktion Qualitätssicherungsfunktion 19

Patienten- schlichtungsstellen o Erstmalig, gesetzliche Grundlagen zur Einrichtung von Schlichtungsstellen im neuen Zahnärztegesetz für das jeweilige Bundesland Bundespatientenschlichtungsstelle als Berufungsbehörde Patientenschlichtungsordnung o gesetzliche Festlegung der seit 2001 neu eingeführten Hemmungsbestimmungen als Fortlaufshemmung 20

Patienten-Entschädigungs Entschädigungs- fonds Zweck (zwei Fallkonstellationen aus der Praxis): Schadensfälle: mit Beweisschwierigkeiten Komplikationen Häufung Seltene Katastrophaler Verlauf außergewöhnlich großer Schaden 21

Modell NÖ Ausgangslage: 2- stufiges Modell Wenn in 1. Stufe keine Lösung möglich und Haftung nicht eindeutig gegeben ist, dann Fall für Fonds. PPA prüft wie bisher, ob eine zivilrechtliche Haftung besteht 1. Stufe 2. Stufe Gutachten gerichtl. beeideter SV Verhandlungen mit Haftpflichtv. Schiedsstellen 22

Schlussfolgerungen o Keine Gefahr, dass allfällige Begehrlichkeiten zur Bedrohung werden ( Amerikanische Verhältnisse ) o differenziert ausgebautes außergerichtliches Beschwerdemanagement auf verschiedenen Ebenen verschiedene Serviceeinrichtungen Akzeptanz von Patienten und Ärzten o Aber: es bestehen große Herausforderung! Information/Kommunikation Qualitätsmanagement/Patientensicherheit 23