Regionalbischöfin Gisela Boronowski

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Transkript:

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern www.bayern-evangelisch.de Büro der Regionalbischöfin Gisela Bornowski Welserstraße 6 91522 Ansbach Telefon Zentrale: 0981/42112 0 Telefax: 0981/42112-16 E-Mail: regionalbischoefin.an-wue@elkb.de Regionalbischöfin Gisela Boronowski Karfreitag 2016, Ansbach St. Gumbertus Lasst euch versöhnen mit Gott! (2. Kor. 5, 19-21) Liebe Gemeinde! Für mich hält das Leben am Karfreitag irgendwie den Atem an. Als ob der Bogen geschlagen wird zum Grund dieser Stille: Jesus stirbt am Kreuz, elend, verlassen, qualvoll. Die Evangelisten erzählen uns davon, jeder auf seine Weise, mit ihrer eigenen Deutung, jeweils aus einer anderen Perspektive. Paulus erzählt den Tod Jesu nicht, sondern er deutet ihn. Und so schreibt er in seinem 2. Brief an die Gemeinde in Korinth im 5. Kapitel wunderschöne, fast poetische Worte von der Versöhnung. Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. Das kann ich ihm nie verzeihen! So erzählte mir eine Frau bei einem Besuch. Während sie im Krankenhaus lag und auf einen Besuch ihres Mannes wartete, traf er sich mit einer anderen Frau. Enttäuscht, zutiefst verletzt, zieht sie sich seither mehr und mehr zurück. Ihr Mann weiß nichts von ihrer Enttäuschung. Er spürt nur, dass da etwas zwischen ihnen ist. Er spürt es an kleinen spitzen Bemerkungen, die sie fallen lässt. Dass sie sich irgendwie in sich zurückzieht und er gar nicht mehr an sie herankommt. Das kann ich nicht verzeihen. Mir kommen auch die großen Katastrophen der letzten Monate in den Sinn: das Zugunglück in Bad Aibling, ob die Angehörigen der Verunglückten dem Fahrdienstleiter jemals seine Unachtsamkeit verzeihen können, die so schreckliche Folgen hatte?

Oder die Opfer der Terroranschläge, die Hinterbliebenen, die Verletzen, die ihr Leben lang mit den Folgen dieser schrecklichen Taten zu kämpfen haben. Ob sie jemals verzeihen können? Ob sie auch Gott verzeihen können, der es sicher nicht gewollt hat, aber doch zugelassen und nicht verhindert hat. Ob jemals Versöhnung möglich ist? Aber wie gesagt, es muss gar nicht so dramatisch, so schrecklich sein. Irgendwie haben wir alle unsere Rechnungen offen, mit einem uneinsichtigen Nachbarn, einer biestigen Kollegin, dem unfairen Chef. Vielleicht auch mit dem Vater, der einmal oder öfter zugeschlagen hat und mit der Mutter, die es nicht verhindert hat. Mit dem Bruder, der sich immer in den Vordergrund drängte und Liebkind machte, während ich übersehen wurde. Es gibt manches, was unser Leben beschwert, unsere Beziehungen belastet, wo etwas in uns nicht heil und ganz ist, sondern unversöhnt, zerbrochen, abgeschnitten vom Lebensfluss. Heute, am Karfreitag ist Zeit und Raum, das genauer anzuschauen, sich der eigene Unversöhntheit, den eigenen Verletzungen, auch der eigenen Schuld zu stellen. Heute dürfen wir Gottes Einladung zur Versöhnung hören und annehmen. Karfreitag ist vom Kreuz Jesu geprägt. Von seinem Leiden und Sterben in Jerusalem vor 2000 Jahren. In unserem Bibelwort aus dem 2. Korintherbrief kommt kein einziges Mal das Wort Kreuz vor. Sonst redet Paulus ja oft davon. Aber hier nicht. Er erinnert an das, was in Jerusalem geschehen ist. Er selbst war aber ebenso wenig dabei wie wir. Paulus muss nicht über das Kreuz reden, aber der Sinn des Kreuzes muss bleiben, davon muss und will er sprechen, es verkünden. Versöhnung sagt Paulus stattdessen. Dieses Wort ist unter uns aufgerichtet. Es heißt: Lass dich versöhnen mit Gott! Er will einladen zur Versöhnung! Es ist eine leidenschaftliche Bitte: Öffne dich für die Versöhnung Gottes, dann wirst du leben! Hier liegt der Schlüssel für ein Leben, das Freiheit atmet und im Frieden Gottes seine Ruhe findet. Ja, das Kreuz ist das Wort von der Versöhnung, im Kreuz ist die Versöhnung zu erkennen. Wie das sein kann, fragen sich die Menschen seitdem. Die dunkelste Stunde ein Zeichen der Versöhnung? Ich verstehe es so: Jesus ist die Liebe Gottes in Person. Er ist zu den Menschen gekommen, um ihnen Gottes Zuwendung zu zeigen. Auch dort, wo Ablehnung und Streit herrschen, Gott reicht die Hand zur Versöhnung. Menschen, die von Gott nichts mehr wissen wollen, Menschen mit zweifelhaftem Lebenswandel, aber auch die, die Jesus verfolgt und gepeinigt haben: Ihnen allen gilt die Liebe Gottes, das Wort von der Versöhnung. Und so gilt es auch dir und mir. Das Wort von der Versöhnung ist nicht leicht daher gesagt, Jesus selbst hat diese Versöhnung gelebt, auch gegen Widerstände. Seine Liebe zu uns Menschen ist so groß, dass er dafür sogar schwerstes Leiden auf sich genommen hat. Der Tod am Kreuz ist die Konsequenz seiner Liebe. So schrecklich dieser Kreuzestod ist, gerade hier wird sichtbar, wie weit Gott in seiner Liebe geht, wie ernst es ihm um die Versöhnung ist.

Lasst euch versöhnen mit Gott, sagt Paulus darum, denn diese Versöhnung ist für uns lebensnotwendig. Ganz gleich, ob es um die Beziehung zwischen Gott und Mensch geht oder um Beziehungen unter Menschen, Gruppen oder Staaten: Das Miteinander kann nur gelingen, wo es Versöhnung gibt. Es gibt wohl viele Konflikte, die lassen sich durch Regeln oder Kompromisse lösen; wo es jedoch um persönliche, lebenswichtige Verletzungen geht, da gibt es keine einfachen Lösungen. Gott hat aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. Es ist ein kleines Wort, ein kleiner Satz, der ganz leicht klingt, ja auch sympathisch: lass dich versöhnen mit Gott. Ob dieses Versöhnungswort stark genug ist? Wird es die Kraft haben zu siegen in meiner Welt? Dagegen stehen so viele andere Worte aufgerichtet: Die es mir schwer machen, mich zu versöhnen mit anderen, mich auszusöhnen mit mir, und mit Gott. Da ist der Streit und der Neid aufgerichtet in einer Familie. Die Geschwister reden nicht mehr miteinander. Einer fühlt sich benachteiligt, die andere zu Unrecht beschuldigt. Niemand fühlt sich wohl dabei. Den runden Geburtstag ohne den Bruder feiern, die Konfirmation ohne die Patin Ja, Menschen tun sich all das an, aber es gibt ein großes Aber, ein großes Trotzdem. Trotzdem Menschen so sein können, gilt die Liebeserklärung Gottes noch immer. Das Wort von der Versöhnung lässt Neues entstehen. Das Wort von der Versöhnung wird aufgerichtet, wir dürfen es uns zueigen machen und uns versöhnen und Frieden machen. Kraft daraus schöpfen, den ersten Schritt zu wagen, die Hand zur Versöhnung auszustrecken, zum Familienfest einladen, mal wieder zum Geburtstag gratulieren. Gesten der Versöhnung, die Großes bewirken können. Da ist in unserer Welt aufgerichtet der Unfrieden mit Gott selbst und was er uns im Leben zumutet. Wir klagen ihn an, laut oder leise: Warum hat er es zugelassen, dass meine Frau so krank geworden ist und viel zu früh sterben musste? Warum können einige Terroristen ganz Europa und die Welt in Atem halten? Warum müssen Unschuldige sterben, weil Menschen sich irgendeiner menschenverachtenden Ideologie verschreiben? Warum lässt er den Tyrannen die Macht, die Menschen ihr Recht auf Heimat und Frieden nehmen und Tausende in die Flucht jagen? Was ist das für ein Gott? Lass dich versöhnen mit Gott! Es ist der Gott, der selber leidet und stirbt, um all den Opfern nahe zu sein. Lass dich an der Hand nehmen, vertrau ihm. Klage ihm dein Leid! Er wird da sein, wenn du ihn brauchst. Er wird dir zuhören, wenn du ihn anrufst. Er verhindert Leid nicht, so schwer das zu verstehen ist, aber er steht Menschen im Leid bei. Er ist da, wo Menschen Schreckliches erfahren, weil er es selber durchlitten hat. Kein Ort dieser Welt, so schrecklich, so furchterregend er auch sein mag, ist seither ohne Gott. Da ist die Angst in uns selbst aufgerichtet, all den Anforderungen nicht zu genügen. Zu klein zu sein für die große Welt. Zu dumm zu sein für die interessante Diskussion mit dem Kollegen. Zu krank zu sein, um noch etwas zu gelten; zu schwach, zu ungenügend, um meine Pflicht zu

erfüllen. Lass dich versöhnen mit Gott: Du kannst der Zusage Gottes trauen: Gott liebt dich, wie Du bist. Du bist wunderbar gemacht. Nichts kann dich trennen von seiner Liebe. Und: Da sind aufgerichtet Mauern und Zäune, um uns das Fremde und die Fremden vom Leib zu halten, um unseren Wohlstand zu sichern, um unserer Angst Herr zu werden. Dabei teilen diese Zäune und Mauern Europa wieder. Der Frieden, der nun schon 70 Jahre währt, gerät in Gefahr. Was bedeutet das Wort von der Versöhnung und vom Frieden im zerstrittenen Europa, das sich christlich nennt? Gott hat aufgerichtet unter uns das Wort von der Versöhnung: Lasst euch versöhnen mit Gott! Ich weiß, es gibt keine einfachen Lösungen, die Problemlage ist sehr komplex. Es kommt wohl niemand ohne Schuld heraus, egal wie er oder sie sich entscheidet. Und ich möchte nicht in der Haut der Verantwortlichen stecken, das gebe ich ehrlich zu. Aber auch hier ist aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. Aufgerichtet in allem Streit, im politischen Diskurs, in den unterschiedlichen Ansichten und Entscheidungen. Hoffen und beten wir für alle, die Verantwortung tragen, dass das Wort von der Versöhnung ihnen hilft, ihre Verantwortung zu tragen und mit der damit verbundenen Schuld umzugehen. Dass Gutes und Frieden aus der Versöhnung wächst. Mächtige Worte sind unter uns aufgerichtet: Angst, Schuld, Streit, Unvermögen, Krieg und Not. Unversöhnt sind die Menschen mit sich selbst, untereinander und mit Gott. Ob das Wort von der Versöhnung stark genug ist? An diesem Tag, am Karfreitag, schauen wir das alles an, wir gehen nicht einfach darüber hinweg. Wir lassen das mächtig Aufgerichtete nicht einfach stehen, die Mächte, die es uns schwer machen, frei und versöhnt zu leben. Die Bibel sagt stattdessen: Lass dich versöhnen mit Gott. Das Wort von der Versöhnung ist kein Befehl. Es ist eine Bitte, eine leidenschaftliche Bitte. Die Bitte ist respektvoll. Sie lässt dich gelten, da, wo du stehst. Die Bitte rechnet mit deinem Einverständnis, will dich überzeugen. Gott wartet nicht auf dich oder mich mit der Versöhnung. Gott macht nicht nur den ersten Schritt, er macht alle Schritte. Gott wird nicht Mensch, um sich wieder ganz schnell aus dieser Welt zurückzuziehen, wenn es brenzlig wird, schmutzig, leidvoll. Er geht den ganzen Weg mit, er macht sich erreichbar, er wirbt um dich, er lockt dich heraus. Dazu ist er selbst in die Tiefe gegangenen, sagt Paulus. Gott war in Christus, der da am Kreuz hängt. Das Wort von der Versöhnung ist eine leidenschaftliche Bitte, eine Bitte voller Flehen und Verlangen der Liebe zu uns Menschen: Der ganze Karfreitag bittet dich: lass dich versöhnen! Für Paulus ist dieser grausame Tod eine einzige Versöhnungsleistung Gottes. Gott verbindet meine Wunden und die Wunden dieser Welt. Unser Leben soll nicht auseinanderfallen durch das, was alles unter uns aufgerichtet ist. Unser Leben soll heil und ganz sein. Gott braucht keine Sühne, sondern wir brauchen Versöhnung. Nicht er braucht ein Opfer, sondern wir brauchen seine grenzenlose Liebe und Zuwendung. Sie allein kann uns heilen. Das dürfen wir uns heute unter dem Kreuz schenken lassen in der Beichte und im Heiligen Abendmahl. Und dann dürfen wir im Frieden weitergehen und selber zu Botschaftern seines Friedens werden.

Und der Friede Gottes, der aus der Versöhnung kommt, und der höher ist als alles menschliche Denken und Verstehen, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus, Jesus. Amen.