Verlieren geht nicht? Von offenen und geschlossenen Türen!
Verlieren geht nicht? Verlieren geht nicht! Ist Gott wirklich barmherzig? Verlieren geht doch! - Lk 15,11-32/LK 13,25 Die Textstellen Lk 13,25 und Lk 15,11-32 stehen auf den ersten Blick konträr zueinander. Auf der einen Seite scheint die Tür unerbittlich geschlossen zu sein auf der anderen Seite steht sie weit offen. Eine Spannung tut sich zwischen beiden Textstellen des Lukasevangeliums auf, die sich auf die Frage zuspitzen lässt: Wie ist denn nun Gott?
Lk 13, 22-30 22 Auf seinem Weg nach Jerusalem zog er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrte. 23 Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Er sagte zu ihnen: 24 Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen. 25 Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid.
26 Dann werdet ihr sagen: Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken und du hast auf unseren Straßen gelehrt. 27 Er aber wird erwidern: Ich sage euch, ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan! 28 Da werdet ihr heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid. 29 Und man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen. 30 Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.
Lukas verwendet das in der damaligen Zeit sehr b e k a n n t e B i l d v o m Wettkampf (Agón) als Vergleichsmotiv für das Himmelreich. Es geht dem Evangelisten um den Wettlauf bzw. um dem Kampf im Blick auf d i e r i c h t i g e Lebensführung. Dem damals griechischen Hörer war das Motiv des Wettkampfes vertraut und wohl bekannt. Nur wer sich bemüht, wir durch die Tür eintreten.
Die Äußerung über die vielen, die vergeblich versuchen hineinzukommen, ist eher als dringlicher Appell zu verstehen, zu handeln, solange es noch Zeit ist. Die Tür ist noch geöffnet, aber irgendwann wird sie geschlossen sein. vgl. Josef Ernst, Das Evangelium nach Lukas, Regensburg 1977, S. 290.
Das Gleichnis vom barmherzigen Vater (1. Abschnitt: Lk 15, 11-24) 11 Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. 12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. 13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. 14 Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. 15 Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. 16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. 17 Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um.
18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. 19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. 20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. 22 Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. 23 Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. 24 Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.
Rembrandt van Rijn: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes
Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. In diesem Satz steckt die Wendung des ganzen Gleichnisses. Menschliche Größe besteht darin, Fehler des Lebens einzugestehen, sie einzusehen und anzuerkennen. Es ist eine Erfahrung der inneren Zerknirschtheit und dennoch auch der Hoffnung und der Gewissheit der Vater wird mich nicht fallen lassen. Detlev Dormeyer führt dazu aus: Die törichte Verschwendung des Erbes ist eine Sünde gegenüber dem Vater und Gott. Von der Sünde sind nicht alle Beziehungen betroffen. Das Recht auf Rückkehr bleibt. Der vom Fehlverhalten angerichtet Schaden muss aber in seiner Auswirkung erkannt werden. (Detlev Dormeyer, Das Lukasevangelium. S. 187.) Das Scheitern ist nicht endgültig, sondern ist eben durch die Einsicht und die Änderung des Verhaltens aufhebbar. Der jüngere Sohn behält die Möglichkeit der Rückkehr und er realisiert sie auch.
Der barmherzige Vater (2. Abschnitt: Lk 15, 18-32) 25 Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. 26 Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. 27 Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. 29 Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
30 Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. 31 Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. 32 Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Der ältere Sohn Der ältere Sohn ist zwar zuhause geblieben, aber auch er konnte mit seiner Freiheit nicht umgehen. Auch er ist im Umgang mit dem Erbe gescheitert, ansonsten würde er sich mitfreuen und nicht seinen Bruder beneiden. Er kommt mit der Liebe des Vaters nicht zurecht, der den jüngeren Bruder gehen lässt und ihm nun eine zweite Chance gibt. Sein Weg der Umkehr beginnt erst an dieser Stelle, an der das Gleichnis endet.
Ausgangsfragen Wer ist Gott? Widersprechen sich die beiden biblischen Stellen, die wir gehört haben wirklich?
Gott ist der barmherzige Vater, der den Menschen einlädt. Er ist der Mitleidenden, der, der Ausschau hält, der uns entgegenkommt, wenn wir uns auf den Weg zu ihm machen. Gott wartet auf den Menschen. Der Mensch bestraft sich selber nicht Gott bestraft ihn wenn er sich von ihm entfernt. Der Wunsch dem Vater nahezu sein und wie Henri Nouwen es formuliert, der Wunsch wie der Vater zu werden, sind wohl die einzigen Herausforderungen und Bedingungen, denen der Mensch gerecht werden muss. Der Maßstab des Gerichts ist die gewährte oder verweigerte Barmherzigkeit gegenüber den geringsten Brüdern und Schwestern.
Verlieren geht nicht? Nein, verlieren geht wirklich nicht, wenn - das ist die einzige Bedingung - wenn wir uns auf den Weg zu Gott machen, wenn wir liebend und barmherzig werden wie er, wenn wir uns durch die Tür des Festsaals zwängen und am besten heute noch damit beginnen!
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