HERAUSGEGEBEN VON WERNER D'INKA, BERTHOLD KOHLER, GÜNTHER NONNENMACHER, FRANK SCHIRRMACHER, HOLGER STELTZNER. Wirtschaft



Ähnliche Dokumente
Wem aber gehört die deutsche Zentralbank mit dem Namen Bundesbank?

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Schritte 4. Lesetexte 13. Kosten für ein Girokonto vergleichen. 1. Was passt? Ordnen Sie zu.

Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Übungsblatt 12

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

1. Weniger Steuern zahlen

Geheimnis Geldschöpfung

Was ich als Bürgermeister für Lübbecke tun möchte

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

BUCHHALTUNG BUCHFÜHRUNG WO IST ER EIGENTLICH? - DER UNTERSCHIED?

Das Leitbild vom Verein WIR

ist die Vergütung für die leihweise Überlassung von Kapital ist die leihweise überlassenen Geldsumme

Die richtigen Partner finden, Ressourcen finden und zusammenführen

Finden Sie das Girokonto, das zu Ihnen passt.

Welchen Weg nimmt Ihr Vermögen. Unsere Leistung zu Ihrer Privaten Vermögensplanung. Wir machen aus Zahlen Werte

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Alle gehören dazu. Vorwort

Leitbild. für Jedermensch in leicht verständlicher Sprache

Wichtig ist die Originalsatzung. Nur was in der Originalsatzung steht, gilt. Denn nur die Originalsatzung wurde vom Gericht geprüft.

Die Post hat eine Umfrage gemacht

HIER GEHT ES UM IHR GUTES GELD ZINSRECHNUNG IM UNTERNEHMEN

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

REGELN REICHTUMS RICHARD TEMPLAR AUTOR DES INTERNATIONALEN BESTSELLERS DIE REGELN DES LEBENS

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

Nicht über uns ohne uns

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Zusammenfassung Geldangebot Geldtheorie und Geldpolitik Wintersemester, 2011/12

EARSandEYES-Studie: Elektronisches Bezahlen

2. Ein Unternehmer muss einen Kredit zu 8,5 % aufnehmen. Nach einem Jahr zahlt er 1275 Zinsen. Wie hoch ist der Kredit?

Unsere Ideen für Bremen!

Löse Dich von dem Ding Geld Bild.

Willkommen in ONKEL WOLFGANG S WELT

Die Europäische Union

Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung: EFRE im Bundes-Land Brandenburg vom Jahr 2014 bis für das Jahr 2020 in Leichter Sprache

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. in Leichter Sprache

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Kurz-Wahl-Programm in leichter Sprache

Kurz-Wahl-Programm in leichter Sprache

Wachstum 2. Michael Dröttboom 1 LernWerkstatt-Selm.de

Jojo sucht das Glück - 3 Folge 23: Der Verdacht

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Das Geld- und Kreditschöpfungspotential von Bankensystemen

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Sich einen eigenen Blog anzulegen, ist gar nicht so schwer. Es gibt verschiedene Anbieter. ist einer davon.

Das macht die Bundes-Bank

Wie funktioniert eine Bank?

Antrag für ein Schlichtungs-Verfahren

Weltweite Wanderschaft

Makroökonomie I/Grundlagen der Makroökonomie

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

NINA DEISSLER. Flirten. Wie wirke ich? Was kann ich sagen? Wie spiele ich meine Stärken aus?

Andreas Rühl. Investmentfonds. verstehen und richtig nutzen. Strategien für die optimale Vermögensstruktur. FinanzBuch Verlag

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Stellen Sie bitte den Cursor in die Spalte B2 und rufen die Funktion Sverweis auf. Es öffnet sich folgendes Dialogfenster

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Senkung des technischen Zinssatzes und des Umwandlungssatzes

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Papa - was ist American Dream?

Sparstudie 2014: Gibt s noch Futter für das Sparschwein? September 2014 IMAS International

Chemotherapie -ein Bilderbuch für Kinder

Die Industrie- und Handelskammer arbeitet dafür, dass Menschen überall mit machen können

Behindert ist, wer behindert wird

Anne Frank, ihr Leben

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

Leichte-Sprache-Bilder

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Grundlagen der Theoretischen Informatik, SoSe 2008

9 Auto. Rund um das Auto. Welche Wörter zum Thema Auto kennst du? Welches Wort passt? Lies die Definitionen und ordne zu.

Besser leben in Sachsen

1. Man schreibe die folgenden Aussagen jeweils in einen normalen Satz um. Zum Beispiel kann man die Aussage:

Evangelisieren warum eigentlich?

- mit denen Sie Ihren Konfliktgegner in einen Lösungspartner verwandeln

M03a Lernstraße für den Unterricht in Sekundarstufe I

FAQ Spielvorbereitung Startspieler: Wer ist Startspieler?

Sie haben noch keine Rücklagen in Höhe von mindestens einem Netto-Monatsgehalt auf der Seite.

Studieren- Erklärungen und Tipps

Makro. E-A-Modell GG: NE = AT IS-MP. Bisher. Start. Karl Betz. Termin 9: IS-MP (Kapitel 10)

Tipps zur Nutzung der ViT 1 Lernen ViT Üben HAU ViT ViT ViT ViT ViT Testen ViT VORSC Bewerten RAGTIME ViT zur Vollversion ViT

Die Bundes-Zentrale für politische Bildung stellt sich vor

Testen Sie die Besten! Service. Beratung. Termintreue. Qualität. Kreditwunsch. Neue Medien

1. Fabrikatshändlerkongress. Schlussworte Robert Rademacher

Wichtiges Thema: Ihre private Rente und der viel zu wenig beachtete - Rentenfaktor

Makroökonomik I Kapitel 4: Geld- und Finanzmärkte

* Leichte Sprache * Leichte Sprache * Leichte Sprache *

Öffnen Sie die Albelli Gestaltungssoftware

Krippenspiel für das Jahr 2058

Lassen Sie sich dieses sensationelle Projekt Schritt für Schritt erklären:

Prozentrechnung. Klaus : = Karin : =

Jeder in Deutschland soll ab Mitte 2016 ein Konto eröffnen können.

Einrichten eines HBCI- Zugangs mit Bank X 5.1

A n a l y s i s Finanzmathematik

Tutorial: Homogenitätstest

Das Thema von diesem Text ist: Geld-Verwaltung für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Geld, Geldschöpfung, Preise und die Rolle der Nationalbank

r? akle m n ilie ob Imm

Transkript:

Seite 1 von 5 http://www.faz.net/-gqq-6xfsx HERAUSGEGEBEN VON WERNER D'INKA, BERTHOLD KOHLER, GÜNTHER NONNENMACHER, FRANK SCHIRRMACHER, HOLGER STELTZNER Wirtschaft Aktuell Wirtschaft Wirtschaftswissen Geldschöpfung Wie kommt Geld in die Welt? 05.02.2012 Nicht nur die Europäische Zentralbank kann Geld schaffen, sondern auch jede ganz normale Bank. Sie schöpft ihre Kredite aus dem Nichts. Aber ist das schlimm, wie Occupy behauptet? Von CHRISTIAN SIEDENBIEDEL Artikel Es gibt Dinge, die sind so selbstverständlich, dass man nicht über sie nachdenkt. Zu ihnen gehört das Geld. Man holt die Scheine aus dem Automaten, trägt sie im Portemonnaie mit sich herum, zählt sie bisweilen und benutzt sie zum Zahlen. Aber wo kommt das Geld her? Es wird halt irgendwer drucken, denkt man. Die bankenkritische Bewegung Occupy vertritt die provokante These, es seien die Banken, die in unserem Wirtschaftssystem das Geld schaffen. Die Kapitalismuskritiker finden das nicht gut: Gewinnorientierte private Institutionen, die in keiner Weise demokratisch kontrolliert würden, sind Schöpfer des Geldes. Das sei gefährlich, sagt Occupy. Nicht nur Scheine und Münzen BENGT FOSSHAG Banken können weder Geldscheine drucken noch Münzen prägen - und trotzdem schöpfen sie Geld Occupy hat recht, nicht mit der Wertung, aber mit der Erklärung. Es sind die Banken, die einen Großteil unseres Geldes erschaffen.

Seite 2 von 5 Und zwar große Geschäftsbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank genauso wie kleine Volksbanken und Sparkassen. Zwar können die Banken weder Geldscheine drucken noch Münzen prägen. Das dürfen im Euroraum nur die Europäische Zentralbank und die nationalen Notenbanken. Allen anderen ist es von Staats wegen untersagt und wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet, wie es im Paragraphen 146 des Strafgesetzbuches heißt. Doch die Geldschöpfung der Banken ist ohnehin von anderer Natur. Wer das verstehen will, muss zunächst einen Definition akzeptieren: Geld, das sind heutzutage nicht nur Scheine und Münzen. Auch was irgendwo auf Konten schlummert, ist echtes Geld. Wenn Zahlen von einem Konto auf ein anderes wandern, fließt Geld. Man kann dafür Dinge kaufen und es sich auszahlen lassen. Geldschöpfung F.A.Z. Dieser elektronische Teil des Geldes ist mittlerweile sogar der größere Teil: In Europa gibt es eine sogenannte zahlungsfähige Geldmenge (Fachleute nennen sie M1 ) von etwa 4,8 Billionen Euro. Darin enthalten sind 858 Milliarden Euro Bargeld in Scheinen und Münzen. Der unvorstellbar große Rest hingegen ist

Seite 3 von 5 nur auf Konten existent, die Sichteinlagen. Genau dieses Geld ist es, das überwiegend von den Banken geschaffen wird. Wie machen die Banken das? Indem sie Kredite vergeben. Der Großteil unseres Geldes entsteht heute nicht mehr durch die Bearbeitung von Edelmetallen wie noch in früheren Jahrhunderten. Aristoteles und Platon philosophierten zu ihrer Zeit noch darüber, ob der Wert des Geldes durch den Metallwert der Münzen ( physis ) entstehe oder durch den Nennwert, den der Staat qua Erlass festlegt ( nomos ). Heute entsteht Geld durch vielfältige Schuldenmacherei. Was ist auch Papiergeld schließlich anderes als eine Art Schuldschein der ausgebenden Stelle, der von dem Vertrauen lebt, dass er jederzeit weiterzugeben oder einzulösen ist? Sie schafft Geld aus nichts Bei dem Geld, das die Banken schaffen, dem sogenannten Buchgeld oder Giralgeld, ist es nicht viel anders. Diese Art von Geld entsteht, wenn eine Bank einem Kunden einen Kredit gibt und den Betrag auf dessen Konto gutschreibt. Der Kunde (es kann eine Privatperson sein, ein Unternehmen oder auch der Staat) kann den Betrag wie Geld weiterverwenden. Eigentlich handelt es sich zwar technisch nur um eine Forderung, die auf Bargeld lautet. Er kann den Betrag aber an andere überweisen, ihn mit der EC- Karte zum Shoppen nutzen oder am Automaten bar abheben. Der Betrag ist nicht nur wie Geld - es ist Geld entstanden. Um einem Kunden einen Kredit zu geben, braucht die Bank noch nicht einmal die Spareinlage eines anderen Kunden aus ihrem Tresor zu holen. Sie schafft Geld aus nichts. Allerdings: Die Bank muss im Gegenzug für den Kredit Geld bei der Zentralbank deponieren - die sogenannte Mindestreserve. Sie ist viel kleiner als der Kredit: Lange Zeit betrug sie zwei Prozent des Kreditbetrags, gerade wurde sie auf ein Prozent gesenkt. Eine Bank, die 10.000 Euro Kredit vergeben will, braucht also 100 Euro Mindestreserve. Sicherheiten hinterlegen, Zinsen zahlen Die Bank muss auch dieses Geld nicht durch Spareinlagen ihrer Kunden aufbringen. Sie kann vielmehr ihrerseits von der Zentralbank Kredit bekommen. Dafür muss sie Sicherheiten hinterlegen, in der Regel Wertpapiere, und Zinsen zahlen.

Seite 4 von 5 Wenn das geborgte Geld früher oder später als Einlage bei einer (anderen) Bank landet, kann diese andere Bank damit auch einen Kredit vergeben. Das Bankensystem als Ganzes schafft so ein Vielfaches von dem Geld, das am Anfang stand. Ökonomen nennen das multiple Geldschöpfung. Die Notenbank ist dabei der Regisseur. Sie hat zwei Steuerungsgrößen, mit denen sie den Prozess kontrollieren kann. Zum einen den Satz der Mindestreserve: Senkt sie ihn, können die Banken mehr Geld schaffen. Zum anderen den Zins, den sie von Banken für Kredite verlangt: Fordert sie mehr, halten die Banken sich mit den Ausleihungen tendenziell zurück. Auch die Banken sind vorsichtiger Allerdings hängt die Frage, wie viel Geld die Banken schaffen, nicht allein von Zins und Mindestreserve ab. Es geht dabei ja am Ende um die Frage, wie viel Kredit sie vergeben. Läuft die Wirtschaft gut, wollen viele Firmen Kredit, und die Banken geben ihn gern, weil sie gute Geschäfte machen. Ist hingegen die Unsicherheit groß, sinkt die Kreditnachfrage, und auch die Banken sind vorsichtiger. Letzteres ist im Augenblick der Fall: Die Zentralbank vergibt zuhauf billige Kredite an Banken - aber die halten sich mit der Geldschöpfung vornehm zurück. Über das Wachstum der Geldmenge entscheiden also tatsächlich Banken, aber auch Privatleute und Unternehmen mit - je nachdem, in welchem Umfang sie Geld leihen oder verleihen. Nicht nur Occupy diskutiert Geldschöpfung Ist das alles schlimm, wie Occupy behauptet? Es ist nicht schlimm, solange die Zentralbank die Kontrolle behält. Aber nicht nur bei Occupy, auch in der Wissenschaft gibt es eine Debatte, ob man nach den Erfahrungen der Bankenkrise die Geldschöpfung noch den Banken überlassen kann. Ausgerechnet der Doktorvater von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Hans Christoph Binswanger, gehört zu den Protagonisten. Er meint: Man sollte die Mindestreserve auf 100 Prozent hochsetzen. Das würde bedeuten: Die Banken müssten für jeden Euro, den sie verleihen, einen Euro bei der Zentralbank

Seite 5 von 5 hinterlegen. Damit hätte die Zentralbank die vollständige Kontrolle über die Geldschöpfung. Weitere Artikel Vergrößerung der Geldmengen: Der größte Sünder ist die Schweiz Herrschaft der Finanzoligarchie: Der Krieg der Banken gegen das Volk Was sind Schulden? Wie sich die Politik in den Dienst der Finanz stellt Euro: Nur scheinbar wertlos: Bundesbank tauscht Gammelgeld Der Charme der Idee: Man könnte vielleicht vermeiden, dass Banken zu viel Geld schaffen und Blasen und Inflation entstehen. Der Mainstream der Ökonomen aber hält das nicht für praktikabel. Bei einer Mindestreserve von 100 Prozent würde das Bankensystem, wie wir es heute kennen, aufhören zu bestehen, sagt Bankenprofessor Hans-Peter Burghof. Und Volker Wieland, Professor für Geldtheorie in Frankfurt, meint: Man kann durchaus über die normale Zinspolitik das Geldmengenwachstum kontrollieren. Die Europäische Zentralbank habe genug Macht, für stabiles Geld zu sorgen. Sie müsse nur wollen. Quelle: F.A.S. Hier können Sie die Rechte an diesem Artikel erwerben Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2013 Alle Rechte vorbehalten.