Plenarrede am 15. Januar 2015, TOP 9 1 Die Welt neu denken 100. Jahrestag der Gründung des Bauhauses im Jahr 2019 Siegmund Ehrmann, MdB Im Jahre 2019 werden wir mit vielen weltweiten Bauhaus-Freunden das 100-jährige Bauhausjubiläum begehen. Die Bauhausidee gehört zu den großen und nachhaltigen kulturellen Impulsen, die von unserem Land ausgingen. 1919 von Walter Gropius als Kunstschule in Weimar gegründet, 1925 nach Dessau gezogen und 1933 unter Druck der Nationalsozialisten geschlossen, prägen seine innovativen Gestaltungsansätze noch heute. Im Nationalsozialismus galten viele Entwürfe der Bauhaus-Gestalter als "entartet". Bauhäusler mussten emigrieren. Besonders der linksgerichtete, avantgardistische Lebensstil der Bauhaus- Anhänger war es, der den Nazis übel aufstieß: Am Bauhaus Frauen in Hosen anzutreffen? Ein Unding im reaktionären Weltbild der NSDAP. Das brutale Aus der deutschen Bauhaus-Bewegung multiplizierte die Bauhausidee und trug sie in viele Länder. Bauhaus-Protagonisten emigrierten in die USA (László Moholy-Nagy; Josef Albers), die
Sowjetunion (Hannes Meyer) oder ins heutige Israel (Arieh Sharon). Aus der Bauhaus-Philosophie abgeleitet entwickelten sich dort neue 2 Architektur-, aber auch Produkt- und Kommunikationsdesign-Stile. Mit der weißen Stadt finden wir in Tel Aviv zum Beispiel das größte Bauhaus-Gebäude-Ensemble weltweit (Arieh Sharon, Gropius Schüler), seit 2003 UNESCO-Weltkulturerbe. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass der Haushaltsausschuss und das Bauministerium in den kommenden 10 Jahren für die Gründung und Unterstützung eines Zentrums für Denkmalgerechtes Bauen in Tel Aviv jährlich bis zu 250.000 bereitstellen will. Doch hat das Bauhauskonzept auch in unserem Land Maßstäbe für die Stadtentwicklung und Architektur gesetzt und die soziale Dimension des Bauens akzentuiert. [Es sei auf die 6 Berliner Siedlungen der Moderne verwiesen, die seit 2008 Weltkulturerbe sind: Gartenstadt- Falkenberg, Schillerpark-Siedlung, Hufeisensiedlung Britz, Wohnstadt Carl Legien, Weiße Stadt Reinickendorf, Großsiedlung Siemensstadt] Im Design war es der Wille, "Möbel, Gebrauchsgegenstände und Werkzeuge für Alle" zu bauen. Dahinter lag eine zutiefst soziale Idee, den
Menschen und seine Bedürfnissen in den Mittelpunkt zu rücken. Viele Bauhaus-Erfindungen wie etwa die Einbauküche erweisen sich bis heute 3 als funktional. Die Wagenfeld-Leuchte steht international als Symbol für gute Bauhaus-Gestaltung. Auch im parlamentarischen Komplex finden wir Möbel im Stile der Bauhausästhetik. Die Bauhaus-Schule verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Es geht nicht nur um Design, Kunst und Architektur. Ebenso wichtig ist der lehrmäßige pädagogische Zugang: die Bauhausschule. Als Walter Gropius 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus eröffnete, verkündete er: "Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Begabung und Vorbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wird." Damals revolutionär, heute scheinbar selbstverständlich. Die Reformpädagogik des Bauhaus entwickelte somit neue Konzepte, begabte Menschen zu künstlerisch-kulturell zu fördern und zu bilden. Diese Konzepte sind bis heute ungebrochen aktuell und sollen deshalb bei dem Jubiläum besonderen Raum haben.
4 Meine Damen und Herren, Die drei Länder mit Bauhaus-Einrichtungen Thüringen, Sachsen-Anhalt und Berlin haben sich bereits 2012 mit Baden-Württemberg, Brandenburg und Niedersachsen zum Bauhaus-Verbund 2019 zusammengeschlossen. Dieser Verbund wird mit den drei sammlungsführenden Einrichtungen in Weimar, Dessau und Berlin das Jubiläum vorbereiten. Klar ist, dass mit den im Haushalt 2015 bereitgestellten Mitteln, die Kernstandorte der Bauhaustradition gestärkt werden. Aber auch außerhalb der Zentren von Weimar, Dessau und Berlin finden wir bedeutende Bauhaus-Zeugnisse, z.b.: die Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe, das Fagus-Werk in Alfeld, die Häuser Lange und Esters in Krefeld oder aber die Bauten des Experimentierfeld modernen Bauens in Hagen. Unser Antrag nimmt deshalb die bedeutenden Bauten des Bauhauses außerhalb der großen Museumsstandorte mit in den Blick. Bereits im Vorfeld des Jubiläums soll auch dort mit Ausstellungen, Bildungs- und ggf.
Forschungsprojekten das kulturelle Erbe des Bauhaus herausgestellt und in Erinnerung gerufen werden. Deshalb ist es wichtig, die Bund-Länder- 5 Kooperation beim Bauhausjubiläum zu intensivieren. "Die Welt neu denken" - unter diesem Motto wird es ab diesem Jahr ein umfangreiches, gemeinsames Programm mit Forschungsprojekten und länderübergreifenden Ausstellungen zur globalen Wirkungsgeschichte des Bauhauses geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Antrag will die Regierungskoalition den Blick auf das außergewöhnliche Jubiläum des Jahres 2019 lenken und zu einem starken Engagement in der Sache aufrufen. Ich denke, wir sind hier auf einem sehr guten Weg!