DACH-Jahrestagung 2012 in Graz - Di.2.A.1 Schallfelder von Phased-Array Prüfköpfen: Vergleich von photoelastischen Messungen und Simulationen Till SCHMITTE *, Thomas ORTH *, Martin SPIES ** Thomas KERSTING *** * Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH (Ehinger Str. 200, 47259 Duisburg) ** Fraunhofer ITWM (Fraunhofer-Platz 1, 67663 Kaiserslautern) *** Europipe GmbH (Pilgerstr. 2, 45473 Mülheim an der Ruhr) Kurzfassung. In diesem Beitrag wird der photoelastische Effekt zur quantitativen Messung des Schallfeldes beliebiger Ultraschallwandler eingesetzt. Ergebnisse für verschiedene Phased-Array Sensoren werden mit Simulationen mittels Generalisierter Punktquellensynthese verglichen. Die experimentellen und theoretischen Ergebnisse zeigen gute Übereinstimmung und es wird demonstriert, wie sich die beiden Methoden hinsichtlich der Analyse-Möglichkeiten und im Hinblick auf die Berücksichtigung der realen Prüfbedingungen ideal ergänzen. 1. Einführung Die Verwendung von Phased-Array Schallwandlern eröffnet eine Reihe von neuen Möglichkeiten für die automatisierte Ultraschallprüfung. Beispielsweise ermöglicht die Phased- Array Technik das simultane Prüfen unter verschiedenen Winkeln. Um bei beschränkter Anzahl der Prüfkanäle ein großes Prüfvolumen zu erfassen, können die Elemente zu Lasten der Auflösung vergrößert werden. Allerdings kommt es dann für den Fall der Winkeleinschallung verstärkt zu unerwünschten Nebeneffekten wie Neben- und Gitterkeulen. Daher ist die Kenntnis des Array-Schallfeldes, das von den verwendeten Verzögerungsgesetzen (Schwenken und/oder Fokussieren) abhängt, eine zwingende Vorrausetzung für eine ordnungsgemäße Prüfung. Zur Vermessung des Schallfeldes stellen wir in diesem Beitrag eine Technik auf der Basis des photoelastischen Effekts vor. Diese ist dazu geeignet, Schallfelder beliebiger Wandler in Glas zu visualisieren und quantitativ zu vermessen. Als Beispiel zeigt Abbildung 1 die Reflexion einer Ultraschallwelle in einer Glasprobe, die der Geometrie einer UP-Schweißnaht eines Großrohres nachempfunden wurde. Da die Schallgeschwindigkeiten von Ultraschall in Glas denen in Stahl sehr ähnlich sind, können Messungen wie diese direkt für die praktische Arbeit genutzt werden. Während die Simulation in der Regel von einem idealisierten Modell für den Prüfkopf ausgeht, bietet die Messung den Vorteil, dass der tatsächlich vorliegende, reale Wandler analysiert wird. Dabei bestehen keine Beschränkungen hinsichtlich des Wellentyps und der Prüffrequenz. Simulationen bieten den Vorteil, dass sie zum Verständnis komplexer Schallfelder beitragen können und die Interpretation von Messdaten erleichtern. Als Beispiele stellen wir Schallfelder von Linienarrays mit verschiedenen Gitterkonstanten vor. Die Ergebnisse werden mit Simulationen verglichen, die mittels der halb-analytischen Generalisierten Punktquellensynthese (GPSS) des Fraunhofer-ITWM berechnet wurden. Unterschiede zwischen Messung und Simulation werden weitergehend analysiert. Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de
Abbildung 1: Wellenfronten einer Ultraschallwelle zu verschiedenen Zeitpunkten, aufgenommen in einer Glasprobe mit der Geometrie einer UP-Schweißnaht zur Visualisierung der Wellenausbreitung bei einer Längsfehlerprüfung. Die Welle fällt von links oben ein und wird an der Rückwand im Bereich der stärkeren Krümmung reflektiert. Der Fokussierungseffekt ist sehr gut zu beobachten. 2. Eingesetzte Methoden Zur Visualisierung von Ultraschallwellen und zur quantitativen Vermessung von Schallfeldern kommt der Photoelastic Imager (PEI) zum Einsatz. Der Aufbau des PEI ist im Prinzip mit einem Polariskop vergleichbar, bei dem Spannungen in Glas durch Ausnutzung der Spannungsdoppelbrechung sichtbar gemacht werden. Da eine Ultraschallwelle auch eine Spannungswelle ist, wird diese in polarisiertem Licht sichtbar. Um einen Puls #einzufrieren!, nutzt man zusätzlich eine stroboskopische Beleuchtung. Diese Messtechnik wurde in der Literatur schon oft beschrieben, einige ältere Veröffentlichungen findet man unter [1]- [4]. Aus jüngerer Zeit stammen Arbeiten von Ginzel [5], [6]. Der hier verwendete Aufbau basiert auf einem Gerät, das von Ginzel assembliert wurde [12], der prinzipielle Aufbau ist in Abbildung 2 dargestellt. Das Gerät wurde allerdings in einigen Punkten erweitert: so ist es nun möglich, die Verzögerung zwischen Ultraschallpuls und Beleuchtungsblitz exakt per Computer zu steuern; außerdem wurde ein Immersionsbecken mit optischen Fenstern zur Messung mit Wasserankopplung entwickelt. Das Gerät ist in Abbildung 3 dargestellt. Details zur Messtechnik finden sich in darüber hinaus in [10] und [11]. z 1 2 /4-Platten Analysator y x Lichtquelle Glas-Modell /4-Platten Polarisator Abbildung 2: Prinzipieller Aufbau des PEI; die Messung der Spannungsdoppelbrechung erfolgt mit zirkular polarisiertem Licht. Für die Anwendung des PEI zur Vermessung von Schallfeldern ist es besonders wichtig, dass der dargestellte Kontrast des PEI proportional zur Ultraschallamplitude ist.
Für den verwendeten Aufbau mit zirkular polarisiertem Licht gilt für die empfangene Intensität I: 2 Cd I I 0 sin 1 2, wobei I 0 die einfallende Licht-Intensität, die Licht-Wellenlänge, d die Dicke der Glasprobe, C die spannungsoptische Konstante und 1, 2 die lokalen Spannungen entlang der Hauptachsen darstellen [7], [10]. Bei kleinen Spannungen ist also ein proportionales Verhalten der gemessenen Intensität als Funktion der Ultraschallamplitude zu erwarten. Dies wurde in [10] auch durch Messungen bestätigt. Abbildung 3: Verwendeter Versuchsaufbau Als Ultraschallgerät verwenden wir ein Phased-Array Gerät der Firma PeakNDT Ltd. [8]. Dieses eignet sich besonders für diese Arbeiten, da das Gerät eine hohe Pulswiederholrate, hohe Pulserspannungen und einen Triggerausgang bereitstellt. Bei den Versuchen kamen zwei Phased-Array Sonden zum Einsatz: 1. 5 MHz Mittenfrequenz, 64 Elemente, 0.6 mm Pitch (Olympus) 2. 5 MHz Mittenfrequenz, 128 Elemente, 1 mm Pitch (Imasonic) Alle hier vorgestellten Messungen wurden mit einer Wasservorlaufstrecke von 15 mm in Tauchtechnik durchgeführt. Das jeweilige Array wurde dabei nicht angestellt, d.h. der Keilwinkel beträgt 0. Alle Messungen wurden mit einem virtuellen Prüfkopf von 16 Elementen durchgeführt, so dass sich für Prüfkopf Nr. 1 (0.6 mm Pitch) eine Apertur von 9.5 mm und für Prüfkopf Nr. 2 (1 mm Pitch) eine Apertur von 15.9 mm ergibt. Für die jeweiligen Schwenkwinkel wurden die Verzögerungsgesetze mit dem Programm #ArrayGen! von PeakNDT Ltd. berechnet [8]. Abbildung 4: Zur Erläuterung der angewendeten Bildverarbeitungstechnik: dargestellt ist ein Transversalwellen-Puls bei einem nominellen Einschallwinkel von 45 und einem Wasservorlauf von 15 mm ohne Verkippung. Die Anregung erfolgte durch Array Nr. 2 mit 16 Elementen (1 mm Pitch) Um den Kontrast noch zu erhöhen, wurden Methoden der Bildverarbeitung und eine Referenzbildtechnik angewendet. Das Ergebnis ist beispielhaft in Abbildung 4 dargestellt, welche die Visualisierung eines durch Phased-Array Sonde Nr. 2 angeregten Pulses zeigt.
Messungen dieser Art werden nun in einer Sequenz für viele verschiedene Werte der Verzögerung zwischen Ultraschallpuls und Blitzbeleuchtung PC-gesteuert durchgeführt. Anschließend werden die Messungen überlagert, um die Schallfelddarstellungen zu erhalten, die im Folgenden diskutiert werden. Zum Vergleich haben wir Schallfelder mittels Generalisierter Punktquellensynthese (GPSS) berechnet. Details zu diesem Simulationsverfahren finden sich beispielsweise in [13] und [14]. Tabelle 1: Materialparameter von Stahl und Glas. Die Schallgeschwindigkeiten und die Dämpfung in Glas beziehen sich auf die bei dieser Arbeit verwendete Glassorte und wurden experimentell bestimmt. Stahl Glas [kg/m 3 ] 7900 2550 V long [m/s] 5900 5820 V trans [m/s] 3250 3540 trans [db/mm] 0.08 0.16 3. Ergebnisse Bei den ersten Vergleichen zwischen Simulation und Experiment wurden zwei Unterschiede deutlich. Zum einen weist das Schallfeld in den Simulationen eine weitere Ausdehnung im Material auf; dies erklärt sich aus der $ im Vergleich zu Stahl $ höheren Dämpfung des Ultraschalls in Glas. Wir haben daher die Schallschwächung in Glas experimentell bestimmt (siehe Tabelle 1) und in den nachfolgend durchgeführten Simulationen berücksichtigt. Zum anderen zeigen die Simulationen vor allem im prüfkopfnahen Bereich mehr Details. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass die simulierten Schallfelder in der Einschallebene berechnet wurden, bei den Messungen hingegen die Beiträge in der gesamten durchleuchteten Glasprobe berücksichtigt werden. Dies führt bei den Messungen zu einem #Verschmieren! der aufgezeichneten Auslenkungen. Dieser Effekt ist in den folgenden Vergleichen gut zu erkennen, hat aber für die praktische Anwendbarkeit keine Bedeutung. In Abbildung 5 vergleichen wir zunächst Messungen und Simulationen von Schallfeldern für Array Nr. 2 (1 mm Pitch). Dort sind links die Simulationen und rechts die Messungen für einen Einschallwinkel der Transversalwelle von 45 und 60 (oben bzw. unten) dargestellt. Man erkennt deutlich die gute Übereinstimmung. Während die Anteile in Einschallrichtung (45 bzw. 60 ) von Transversalwellen gebildet werden, kann aus den Schallfelddarstellungen allein noch nicht auf die Natur der anderen Anteile geschlossen werden. Daher haben wir auch Simulationen durchgeführt, bei denen die Longitudinalwellenanteile nicht berücksichtigt wurden. Dadurch konnten wir eindeutig nachweisen, dass die im Wesentlichen senkrecht nach unten abgestrahlten Anteile in Abbildung 5 von Longitudinalwellen gebildet werden. Die #rippenartigen! Strukturen zwischen der Hauptkeule und dem nach unten gerichteten Longitudinalwellenanteil entstehen durch die Interferenz der Longitudinalwellen und der in der Einfallsebene polarisierten Transversalwellen (SV-Wellen). Die gute Übereinstimmung von Simulation und Experiment zeigt sich auch anhand der in Abbildung 6 und Abbildung 7 im Vergleich dargestellten Schallfeldprofile in einer Tiefe von 10 und 20 mm. Abbildung 6 zeigt den Amplitudenverlauf für Array Nr. 1 (0.6 mm Pitch) und Abbildung 7 für Array Nr. 2 (1 mm Pitch) in linearer Skalierung. Die Übereinstimmung, insbesondere für Array Nr. 2, ist hervorragend.
Abbildung 5: Vergleich von GPSS-Simulation und PEI-Messungen für Array Nr. 2 (Pitch 1 mm). Bei der Simulation wurden die longitudinalen und die transversalen Wellenanteile berücksichtigt: a) Simulation 45, b) Simulation 60, c) Messung 45, d) Messung 60. Abbildung 6: Vergleich von GPSS-Simulation und PEI Messung: Schallfeldprofile in 10 mm (links) und 20 mm (rechts) Tiefe für Array Nr.1 (0.6 mm Pitch) bei 45 Einschallwinkel. Die durchgezogenen Linien entsprechen der PEI-Messung, die gestrichelten Linien der GPSS-Simulation.
Abbildung 7: Vergleich von GPSS-Simulation und PEI Messung: Schallfeldprofile in 10 mm (links) und 20 mm (rechts) Tiefe für Array Nr.2 (1 mm Pitch) und 45 Einschallwinkel. Die durchgezogenen Linien entsprechen der PEI-Messung, die gestrichelten Linien der GPSS-Simulation. Abbildung 8: Vergleich von GPSS-Simulation und PEI-Messungen für Array Nr. 1 (Pitch 0.6 mm). Bei der Simulation wurde nur der transversale Wellenanteil berücksichtigt: a) Simulation 35, b) Simulation 45, c) Messung 35, d) Messung 45. Im Folgenden vergleichen wir nun die für Array Nr. 1 (0.6 mm Pitch) experimentell ermittelten Schallfelder mit den entsprechenden Simulationen (nur Transversalwellenanteil). Abbildung 8 zeigt die Ergebnisse für die Schwenkwinkel 35 und 45, Abbildung 9 für 60 und 70. Bei einem Schwenkwinkel von 35 kommt es zur Ausbildung von Nebenkeulen, während diese bei Schallfeldsteuerung auf 45, 60 und 70 kaum vorhanden sind.
Abbildung 9: Vergleich von GPSS-Simulation und PEI-Messungen für Array Nr. 1 (Pitch 0.6 mm). Bei der Simulation wurde nur der transversale Wellenanteil berücksichtigt: a) Simulation 60, b) Simulation 70, c) Messung 60, d) Messung 70. 4. Zusammenfassung Die Methode der Ultraschall-Visualisierung mittels des photoelastischen Effekts ist hervorragend dazu geeignet, Schallfeldvermessungen beliebiger Ultraschallwandler unabhängig von deren Frequenz und Dimensionierung durchzuführen. Dies ist insbesondere bei der Charakterisierung von Phased-Array Prüfköpfen von Vorteil, denn hier führen Schallfeldsteuerung und -fokussierung zu einer Vielzahl von möglichen Prüfkonfigurationen. Die durchgeführten Messungen zeigen eine gute Übereinstimmung mit den Simulationen. Allerdings muss die im Vergleich zu Stahl höhere Dämpfung in Glas berücksichtigt werden. Die Schallgeschwindigkeiten in Glas sind hingegen den Werten von Stahl sehr ähnlich. Anhand der GPSS-Simulationen können weitergehende Informationen gewonnen werden, denn die Wellentypen können separat betrachtet werden. Darüber hinaus können die Schallfelder auch dreidimensional berechnet werden, dies ist insbesondere bei der Betrachtung von 2D-Arrays von Vorteil. Wir haben in diesem Beitrag exemplarisch den Fall zweier Phased-Array Sensoren mit unterschiedlichem Pitch betrachtet, die ohne Keilwinkel in Tauchtechnik betrieben werden. Es zeigte sich, dass nur Array Nr.1 für eine Winkeleinschallung geeignet ist, Array Nr.2 eignet sich für die Senkrechteinschallung. Nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden Übereinstimmung zeigen die Ergebnisse dieses Beitrages, dass sich moderne Mess- und Simulationsverfahren hinsichtlich der Analyse-Möglichkeiten und im Hinblick auf die Be-
rücksichtigung der realen Prüfbedingungen ideal ergänzen. Während wir uns hier auf die Schallfeldsteuerung konzentriert haben, bietet die Fokussierung des Schallfelds weitere interessante Aspekte. Wir werden über unsere diesbezüglichen Arbeiten zum gegebenen Zeitpunkt berichten. Referenzen [1] F. L. McNamara and T. F. Rogers, Journal of the Acoustic Society of America, 25, p. 338 (1952). [2] P. D. Hanstead, British Journal of NDT, 14, pp. 162-169 (1972). [3] R. C. Wyatt, British Journal of NDT, 17, pp. 133-140 ( (1975). [4] Zhang Shouyu and Wang Lisheng, Chinese Journal of Acoustics, 2, pp. 97-106 (1982) [5] E. Ginzel, F. Honarvar, A. Yaghootian, Proceedings of the 2 nd International Conference on Technical Inspection and NDT Teheran, Iran, http://www.ndt.net/article/tindt2008/papers/150.pdf (2008). [6] E. Ginzel, Z. Zheng, NDT.net, 11, http://www.ndt.net/article/v11n05/ginzel1/ginzel1.htm (2006). [7] H. Aben, C. Guillemet,!Photoelasticity of Glass", Springer-Verlag Berlin, pp. 56-60, (1993). [8] A. Whittle, peakndt Ltd., www.peakndt.com [9] F. Honarvar and S. Khorasani, SimNDT on NDT.net, http://www.ndt.net/article/simndt2010/papers/16_honarvar_rev1.pdf (2010). [10] T. Schmitte, Th. Orth, Th. Kersting,!Visualization of Phased Array Sound Fields and Flaw Interaction using the Photoelastic Effect", Review of Progress in Quantitative Nondestructive Evaluation, 31 (2011). [11] P. Regier:!Einrichtung eines Arbeitsplatzes zur photoelastischen Visualisierung von Ultraschallwellen", Bachelorarbeit, Universität Duisburg, Fakultät für Ingenieurwissenschaften (Prof. Deike), (2011). [12]!Technical Manual" of the Photoelastic Imager as provided by Ed Ginzel, Materials Research Institute, Waterloo, Ontario, Canada (2010). [13] M. Spies: #Semi-analytical elastic wave-field modeling applied to arbitrarily oriented orthotropic media", Journal of the Acoustic Society of America., 110 (1), pp 68-79 (2001). [14] M. Spies:!Efficient optimization of single and multiple element transducers for the inspection of complex-shaped components", NDT&E international, 37, pp 455-459 (2004).