Die Sprache der Proteine Evolution konservierter Proteinstrukturen

Ähnliche Dokumente
Die Sprache der Proteine Evolution konservierter Proteinstrukturen

Die Sprache der Proteine Evolution konservierter Proteinstrukturen

2. Tertiärstruktur. Lernziele: 1) Verstehen wie Röntgenstrukturanalyse und NMR Spektroskopie gebraucht werden um Proteinstrukturen zu bestimmen.

Andrei Lupas - Fasziniert von der komplexen Welt der Proteine

Vertiefendes Seminar zur Vorlesung Biochemie

Vertiefendes Seminar zur Vorlesung Biochemie I Bearbeitung Übungsblatt 4

Einblicke in die Mechanismen der Evolution durch Protein Design

Der molekulare Bauplan des Lebens; biologische Nano- und Mikrobausteine von Lebewesen. RNA und DNA als sich selbst replizierende Informationsspeicher

Intensivkurs Biologie

11. Chemische Evolution Biologische Evolution. 1.5 Milliarde Jahre

Protein-NMR. Vertiefungsfach Analytische Chemie (WS2015/16) Dr. Peter Bellstedt NMR Plattform IAAC & IOMC

und Reinstruktur Die Sekundärstruktur ist die Anordnung der Aminosäurenkette, wobei man in zwei Arten unterscheidet: o Faltblatt- oder β- Struktur

Chemische Evolution Biologische Evolution

Aufgabe 5 (Supersekundärstruktur)

Zentrum für Bioinformatik. Übung 4: Revision. Beispielfragen zur Klausur im Modul Angewandte Bioinformatik (erste Semesterhälfte)

Aufbau und Konformation von Polypeptiden

Bioinformatik. Methoden zur Vorhersage vo n RNA- und Proteinstrukture n. Gerhard Steger

Enzyme (Teil 1) Aminosäuren, Aufbau, Eigenschaften & Funktion. Mag. Gerald Trutschl

Translation benötigt trnas und Ribosomen. Genetischer Code. Initiation Elongation Termination

DNA mrna Protein. Initiation Elongation Termination. RNA Prozessierung. Unterschiede Pro /Eukaryoten

Kohlenhydrate Aminosäuren Peptide

Aminosäuren. Seitenkette. -Kohlenstoffatom. Karboxilgruppe. Aminogruppe

Translation benötigt trnas und Ribosomen. Genetischer Code. Initiation Elongation Termination

16. Biomoleküle : Nucleinsäuren

Evolution der Proteinstruktur

Eukaryotische messenger-rna

Übung 7: Die Proteindatenbank (PDB) und Vergleiche von Proteinstrukturen

Primärstruktur. Wintersemester 2011/12. Peter Güntert

Schulcurriculum für die Einführungsphase (11. Jahrgang)

Bioinformatik II: Phylogenetik

MM Proteinmodelling. Michael Meyer. Vorlesung XVII

Biologie für Mediziner

Mechanismen der Evolution als Matrize für Protein Engineering Evolutionary mechanisms as a template for protein engineering

Übungsaufgaben. Aufbau und Konformation von Polypeptiden. Einführung in die räumliche Struktur von Proteinen

Aminosäuren. Seitenkette. -Kohlenstoffatom. Karboxilgruppe. Aminogruppe

Posttranskriptionale RNA-Prozessierung

Proteinstrukturklassen α-helikale Proteine

Grundlagen der Molekularen Biophysik WS 2011/12 (Bachelor) Dozent: Prof Dr. Ulrike Alexiev (R , Tel /Sekretariat Frau Endrias Tel.

T-Zellen werden zur Kontrolle intrazellulärer Pathogene benötigt und um B Zellen gegen die meisten Antigene zu aktivieren

Dieser Anteil ist oft experimentell zumindest näherungsweise zugänglich, zum Beispiel durch optische Messungen

1. Peptide und Proteine

Kapitel II Elemente, kleine Moleküle, Makromoleküle Wiederholung

β-blatt Proteine Wintersemester 2011/12 Peter Güntert 3 Hauptklassen von Proteinstrukturen

Konformation von Polypeptiden

Abbildung (mapping) bekannter Strukturen auf 3 Dimensionen. Hou J, Jun SR, Zhang C, Kim SH. Proc Natl Acad Sci U S A. (2005) 102:

Elektronenmikroskopie zeigte die Existenz der A-, P- und E- trna-bindungsstellen. Abb. aus Stryer (5th Ed.)

0.1 Eiweißstoffe (Proteine)

Faltung, Dynamik und strukturelle Evolution der Proteine (Voet Kapitel 8)

1. Beschriften Sie in der Abbildung die verschiedenen Bereiche auf der DNA und beschreiben Sie ihre Funktion! nicht-codogener Strang.

Klausur Bioinformatik für Biotechnologen

SC Biologie Klasse 11 Einführungsphase

DNA mrna Protein. Initiation Elongation Termination. RNA Prozessierung. Unterschiede Pro /Eukaryoten

Transkription und Translation sind in Eukaryoten räumlich und zeitlich getrennt. Abb. aus Stryer (5th Ed.)

Referat : Aufbau v. Proteinen u. ihre Raumstruktur

Inhalt. Entdeckung und allgemeine Informationen. Klassifizierung. Genom Viren untypische Gene Tyrosyl-tRNA Synthetase. Ursprung von grossen DNA Viren

Comperative Protein Structure Modelling of Genes and Genomes

Protokoll Versuch D2 Bioinformatik

Die Persistenzlänge ist sequenzabhängig, für Poly-Serin etwa 5 AS. Der entfaltete Zustand ist Gegenstand intensiver Untersuchungen

Aufgabe 4 (Sekundärstruktur)

Der Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) AG-Erkennung von Ly. Doppelspezifität der T-Ly: AG-Spezifität und MHC-Spezifität

Prionen. Prionen (K. Berendes, S. Lingan)

Gleichheit, Ähnlichkeit, Homologie

Das Zytoskelett (Gastvorlesung R. Brandt, Neurobiologie)

Biochemisches Grundpraktikum

Einführung in die Biochemie Antworten zu den Übungsaufgaben

MM Biopolymere. Michael Meyer. Vorlesung XV

FW2.2:...beschreiben Kompartimente innerhalb von Zellen(Zellkern Zellplasma, Vakuole Zellplasma).

1 Einleitung. 1.1 Proteinsynthese in der prokaryontischen und. eukaryontischen Zelle

Inhaltsverzeichnis. - i I GENETIK 5

Einführung in die Bioinformatik: Lernen mit Kernen

BCDS Seminar. Protein Tools

Antibiotika sind oft Inhibitoren der Genexpression

Nanotechnologie der Biomoleküle. Aminosäuren und Proteine: Bausteine der Biologie und der Bionanotechnologie. Aufbau Struktur Funktion

Weitere Übungsfragen

Hypothetische Modelle

Alexander Garvin Klenner

Die doppelsträngige Helix wird zunächst aufgetrennt. Enzym: Helicase (ATP-abhängig)

2 Vorkommen, Biosynthese und Struktur der Glutaminyl-Cyclasen (QCs)

15. Aminosäuren, Peptide und Proteine

4. Naturstoffe 4.1 Kohlenhydrate 4.2 Lipide 4.3 Aminosäuren, Peptide und Proteine

Einführung in die räumliche Struktur von Proteinen

Bioinformatik für Biochemiker

Hypothetisches Modell

Biologie I/B: Klassische und molekulare Genetik, molekulare Grundlagen der Entwicklung Theoretische Übungen SS 2016

Informationsvisualisierung

Evolution und Entwicklung

Ihre Namen: Gruppe: Öffnen Sie die Fasta-Dateien nur mit einem Texteditor, z.b. Wordpad oder Notepad, nicht mit Microsoft Word oder Libre Office.

Proteinstrukturen klassifizieren

Interaktionsnetzwerke in Proteinstrukturen Interaction networks in protein structures

Allgemeine Bemerkungen

Einführung in die Angewandte Bioinformatik: Proteinsequenz-Datenbanken

Algorithmen zum Strukturvergleich Strukturelle Bioinformatik WS16/17

U. Helmich, Intensivkurs "Proteine" Seite 1

Komponenten und Aufbau des Immunsystems Initiation von Immunantworten. lymphatische Organe. Erkennungsmechanismen. Lymphozytenentwicklung

Proteine: Struktur, Modellierung, Dynamik. Algorithmische Bioinformatik WS S 2002

Andrea Küsel (Autor) Synthese und Untersuchungen von alternierend konfigurierten Peptiden im Hinblick auf funktionelle Eigenschaften

Hypothetische Modelle

Empfohlene Literatur: Branden, C., Tooze, J.: Introduction to Protein Structure. Garland Publishing Inc. 1999

Transkript:

Die Sprache der Proteine Evolution konservierter Proteinstrukturen Andrei Lupas Max Planck Institut für Entwicklungsbiologie Tübingen

Leben beruht auf der chemischen Aktivität von Proteinen Das Innere eines Bakteriums David Goodsell

Leben beruht auf der chemischen Aktivität von Proteinen Das Innere einer menschlichen Zelle David Goodsell

Proteine sind sehr divers David Goodsell

Proteine sind sehr divers Die meisten Proteine müssen eine definierte 3-D Struktur erreichen um aktiv zu sein David Goodsell

Proteine werden als lineare Ketten von Aminosäuren synthetisiert. Um ihre 3-D Struktur zu erreichen, müssen sie falten

Die Strukturhierarchie der Proteine Branden & Tooze, Introduction to Protein Structure Supersecondary Domain

Primärstruktur: Eine Proteinsequenz (FASTA Format) >gi 116291 sp P06143 CHEY_ECOLI CHEMOTAXIS PROTEIN CHEY! MADKELKFLVVDDFSTMRRIVRNLLKELGFNNVEEAEDGVDALNKLQAGGYGFVISDWNM PNMDGLELLKTIRADGAMSALPVLMVTAEAKKENIIAAAQAGASGYVVKPFTAATLEEKL NKIFEKLGM! Der effektivste Weg nach Verwandten (Homologen) eines Proteins zu suchen ist über Sequenzähnlichkeit, z.b. mittels BLAST (http://blast.ncbi.nlm.nih.gov/blast.cgi)

Primärstruktur: Die Seitenketten der Aminosäuren

Primärstruktur: Die Eigenschaften der Aminosäuren 0 - - - - 50 - - - - 100 - - - - 150 R -4-3 -2-1 0 1 2 3 4 - charged K D E N Q H + charged P polar Y S T G small aromatic A C aliphatic Kyte-Doolittle hydrophobicity V M L I F side-chain volume (Å 3 ) W

Sekundärstruktur: Die Eigenschaften der Hauptkette

Tertiärstruktur: schematische Darstellungen space-filling

Tertiärstruktur: schematische Darstellungen space-filling with CPK colors

Tertiärstruktur: schematische Darstellungen sticks with CPK colors

Tertiärstruktur: schematische Darstellungen C-alpha trace

Tertiärstruktur: schematische Darstellungen C-alpha trace with colored secondary structure

Tertiärstruktur: schematische Darstellungen cartoon

Verlauf einer Polypeptidkette

Die Domäne als Einheit der Faltung Polypeptide chain release factor 2 (RF2) 1gqe

Supersekundärstrukturen als wiederkehrende Struktur- elemente in verschiedenen Faltungsformen

Faltunfsformen überdauern große evolutionäre Zeiträume Mensch UBI MQIFVKTLTGKTITLEVEPSDTIENVKAKIQDKEGIPPDQQRLIFAGKQLEDGRTLSDYNIQKESTLHLVLRLRGG 76!! Hefe UBI MQIFVKTLTGKTITLEVESSDTIDNVKSKIQDKEGIPPDQQRLIFAGKQLEDGRTLSDYNIQKESTLHLVLRLRGG 76!! Hefe SUMO INLKVSD-GSSEIFFKIKKTTPLRRLMEAFAKRQGKEMDSLRFLYDGIRIQADQTPEDLDMEDNDIIEAHREQIGG 86 Überlagerung von Ubiquitin aus Mensch und Hefe Überlagerung von SUMO und Ubiquitin aus Hefe

Das Proteinfaltungsproblem Proteine müssen falten um aktiv zu sein Proteinfaltung ist ein komplizierter, leicht zu störender Prozess Zellen enthalten viele Faltungsfaktoren um Faltung zu erleichtern Fehlgefaltete Proteine werden normalerweise zügig abgebaut Trotzdem beruhen viele Krankheiten auf Fehlfaltung (Mukoviszidose, Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, BSE, Chorea Huntington) Wenn Proteine als zufällige Ketten von Aminosäuren synthetisiert würden, würde nur ein verschwindend geringer Anteil davon falten (<1:10 10 ) Die Natur entgeht dem Faltungsproblem bei der Evolution neuer Proteine, indem sie Teile von Proteinen benützt, die schon falten können (Domänen) Domänen sind die Einheit der Proteinfaltung, sind jedoch zu komplex um de novo entstanden zu sein (Sequenzkomplexität im Bereich von 20 100 ) Die Prozesse die zur Evolution von Domänen geführt haben sind substanziell unbekannt

Das Proteinfaltungsproblem - Wie hat die Natur am Ursprung des Lebens stabile Faltungsformen entdeckt? Hypothese: die ersten gefalteten Proteine entstanden durch Kombination und Verkettung eines begrenzeten Satzes aus Urpeptiden diese waren durch abiotische Prozesse entstanden und dienten in einer auf Ribonukleinsäuren basierenden Vorform des Lebens als Kofaktoren für Replikation und Katalyse die Peptide falteten anfangs an Ribonukleinsäure-Molekülen wie an Gerüsten durch Aneinanderlagerung und später durch Verkettung gelang es ihnen selbständig zu falten schließlich verdrängten sie schrittweise die Ribonukleinsäuren durch ihre höhere Vielfältigkeit und Flexibilität bei der Katalyse

Das Proteinfaltungsproblem - Wie hat die Natur am Ursprung des Lebens stabile Faltungsformen entdeckt? Sollte diese Hypothese zutreffen, müssten wir heute noch in den Sequenzen der Proteine die Spuren dieser Urpeptide finden, ebenso wie wir in europäischen Sprachen noch die Spuren ihres indoeuropäischen Ursprungs beobachten können.

Homologie von Proteinen - Sprache als Simile Paraloge (gerade, rigide) Analogon: canere (singen)aus dem Lat. Kanon = musikalische Form Kanonisation = Heiligsprechung Kanon = Glaubensregel Orthologe Analogon: Kannabis (Hanf) vermutlich thrakisch Paraloge (rund, hohl) Analogon: Kantine, aus dem It. cantina, mglw. Lat. canto (Ecke) Kanister = Metallbehälter Kanne = Gefäß Canasta = Kartenspiel Kanone= Geschütz cannelloni = Pasta cannelini = weiße Bohnen Kannelüre = Rille Kanüle = Hohlnadel Analogon: Kanu, aus dem Indianischen (Haiti) Kanal = Wasserleitung Canyon = enge Schlucht canon - lateinisch kanon - griechisch (Maßregel, Regel) canna - lateinisch kanna - griechisch canistrum - lateinisch kanistron - griechisch (aus Rohr geflochtener Korb) canalis - lateinisch (Rohr, Leitung) qane - hebräisch qanya - aramäisch qanu - akkadisch qnw - semitische Wurzel (Schilfrohr)

Supersekundärstrukturen als Bausteine von Domänen

Auf der Suche nach anzestralen Supersekundärstrukturen: Sequenzvergleiche

Auf der Suche nach anzestralen Supersekundärstrukturen: Strukturvergleiche C-Domäne von AAA+ Proteinen N-Domäne von Clp Proteinen Histon hypothetisches Urpeptid (Überlagerung der sequenz- und strukturähnlichen Fragmente aus Histonen, N- und C-Domänen)

Auf der Suche nach anzestralen Supersekundärstrukturen: evolutionäre Szenarien N-Domäne von Clp Proteinen (Monomer einer hypothetischen homodimeren Form) N-Domäne von Clp Proteinen Dekoration Dupikation und Fusion Dupikation und Fusion 3D Segmenttausch und Dimerisierung hypothetisches Urpeptid (Überlagerung der sequenzund strukturähnlichen Fragmente aus Histonen, N- und C-Domänen) C-Domäne von AAA+ Proteinen Histon

Anzestrale Supersekundärstrukturen sind durch den Vergleich moderner Proteine heute noch erkennbar GD-box βαβ motif (present in 13 folds / 17 superfamilies) β-hammerhead motif (4/7) CBS domain β-hairpin (3/3) EF-Tu-bdg α-hairpin motif (2/2) Nucleotide-bdg βαβ motif (11/11) histone HtH motif (3/6) SKP1-dimerization motif (2/2) RNA-bdg KH-motif (2/2) DNA-bdg HhH motif (5/10) Alpha-L RNA-bdg motif (3/3) actin αβ motif (2/2) DNA-binding HttH motif (2/2)