Jörg Plesse Europäische Erbrechtsverordnung Was bedeutet das für Kunden und Berater? München, 7. April 2014 F r a n k f u r t S c h o o l. d e
Trainer Jörg Plesse Erb- und Stiftungsmanager im Private Banking der Norddeutschen Landesbank. Er hat aus seiner Tätigkeit bei mehreren Privat- und Regionalbanken langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmensnachfolgeberatung. Daneben arbeitet er als freiberuflicher Dozent und Fachbuchautor. Ausbildung: Bankausbildung, Studium der Wirtschaftswissenschaften, Finanzökonomie und Estate Planning (EBS), Stiftungsmanager (EBS) Kontakt: Tel.: +49 177 2737048 oder joerg.plesse@gmx.de 2
Agenda 1. Internationale Vermögensnachfolge 2. EU-Erbrechtsverordnung zur Regelung internationaler Erbfälle 3. Ihre Fragen 3
Internationale Vermögensnachfolge Ursachen grenzüberschreitender Probleme in der Nachfolge Ausländische Staatsangehörigkeit Ausländischer Wohnsitz (Aufenthalt/Domizil) Vermögen im Ausland Eheschließung im Ausland 4
Internationale Vermögensnachfolge Mögliche Folgen eines Auslandsbezugs Ausländisches Erbrecht Teilweise ausländisches Erbrecht (Nachlassspaltung) Ausländisches Familienrecht Ausländische Steuern 5
Internationale Vermögensnachfolge Mögliche Folgen durch die Anwendung ausländischen Erbrechts Die am heimischen Erbrecht orientierte letztwillige Verfügung ist unwirksam oder kommt nur teilweise zur Geltung Ausländische Pflichtteilsrechte oder Noterbrechte kommen zur Anwendung Ausländische gesetzliche Erbfolge 6
Grundlagen Erbrecht Internationales Erbrecht Welches Erbrecht ist anwendbar? Erbrecht = nationales Recht -> Jeder Staat hat sein eigenes internationales Privatrecht 3 Grundprinzipien: Staatsangehörigkeit Wohnsitz- oder Domizilprinzip Belegenheitssprinzip - insbesondere bei Immobilien Überprüfung: Welches dieser Grundprinzipien hat Auslandsberührung? 7
Grundlagen Erbrecht Deutsches internationales Erbrecht bis zum 16. August 2015 Staatsangehörigkeitsprinzip Deutscher Staatsangehöriger Ausl. Staatsangehöriger Deutsches Erbrecht Erbrecht des Heimatlandes Ausnahmen: Belegenheitsprinzip, z. B. Immobilien in Belgien, Frankreich, GB, USA, Türkei 8
Grundlagen Erbrecht Derzeitiges internationales Privatrecht ausgewählter Staaten * Belegenheitsprinzip 9
EU-Erbrechtsverordnung zur Regelung internationaler Erbfälle Nun wird alles anders! tritt am 17. August 2015 in Kraft betrifft nicht das geltende nationale Erbschaftsteuerrecht nationale Erbrechtsordnungen bleiben unverändert geregelt wird: Welches nationale Erbrecht findet Anwendung? Welche staatlichen Stellen sind zuständig? Gilt für alle EU-Staaten außer Dänemark, Großbritannien und Irland 10
Aufenthaltsprinzip löst Staatangehörigkeit ab Kernstück der EU ErbVO ist die Festlegung des Entscheidungskriteriums über das anzuwendende Erbrecht. Künftig soll einheitlich der Ort des letzten Lebensmittelpunkts oder sog. letzten gewöhnlichen Aufenthalts (Aufenthaltsprinzip) des Erblassers über das anzuwendende Erbrecht entscheiden. Grundsatz der Nachlasseinheit 11
Möglichkeiten der erbrechtlichen Rechtswahl Wer die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates als seines Wohnsitzstaates besitzt, kann künftig in seinem Testament sein Heimatrecht, also das Recht des Staates, dem er angehört (dessen Pass er besitzt), für seinen Nachlass wählen. Die Rechtswahl hat dann Vorrang vor dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort. 12
Internationale Zuständigkeit der staatlichen Stellen des letzten Aufenthaltsstaates ab 17. August 2015 Zuständigkeit für die Abwicklung eines Erbfalls Gerichte und Behörden des Staates, in dem der Erblasser zuletzt gelebt hat Möglicherweise problematisch bei Rechtswahl zu Gunsten des Heimatrechts Gerichtsbarkeit des Rechtswahlstaates kann begründet werden, wenn: sich das Gericht des Aufenthaltsstaates auf Antrag aufgrund fehlender Sachnähe für unzuständig erklärt die Verfahrensparteien sich mittels einer Gerichtsstandsvereinbarung auf die Zuständigkeit des Heimatrechts geeinigt haben oder die von dem Verfahren betroffenen Personen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts anerkennen Nicht durch testamentarische Wahl 13
Europäisches Nachlasszeugnis die Abwicklung grenzüberschreitender Nachlässe soll künftig erleichtert werden Wird in gesamten EU anerkannt Ausnahme: Dänemark, Vereinigtes Königreichs und Irland 14
Stichtag 17. August 2015 Ziel: Testamente und Erbverträge sollten ab sofort und bis zum August 2015 sowohl den Anforderungen des heute noch geltenden, als auch des künftigen Rechts genügen. Beispiel: Tritt ein Erbfall beispielsweise 2014 ein, wird noch das alte Recht, tritt er erst 2016 ein, wird das neue Recht angewandt. Entscheidend ist das Todesdatum des Erblassers, nicht das Datum, an dem ein Testament errichtet wurde. Entsprechend sollten alle bestehenden Testamente und Erbverträge überprüft werden! 15
Handlungsfelder Der EU-Gesetzgeber wollte möglichst wenig in die bestehenden Erbrechtssysteme eingreifen. Für rein innerstaatliche deutsche Erbfälle ohne Auslandsbezug ändert die EU ErbVO daher in der Tat im Ergebnis nichts. Vorsicht ist jedoch bei den Fällen geboten, die einen konkreten Auslandsbezug aufweisen. Hier sollte eine bestehende Nachfolgeplanung jetzt überprüft werden. Die wichtigsten Fallgruppen sind: 16
1. Deutscher mit Auslandsimmobilie Bestehende testamentarische Regelungen zu Auslandsimmobilien sollten überprüft werden. Eigentümer von Ferienhäusern in Frankreich und anderen ausländischen Staaten haben sich beispielsweise bei der Erbfolgeplanung für die Auslandsimmobilie am dortigen Erbrecht orientiert. Ab Sommer 2015 ändern sich für diese Fälle die Regeln. Dann wird für die französische Immobilie nur noch in den Fällen französisches Erbrecht gelten, wenn der Erblasser dort auch seinen Lebensmittelpunkt hatte. Eine Überprüfung des bestehenden Testaments kann rasch Klarheit bringen, ob insoweit Anpassungsbedarf besteht. 17
2. Ausländer mit Inlandsimmobilie Wer als Angehöriger eines ausländischen Staates in Deutschland eine Immobilie besitzt, konnte bislang für die Immobilie eine beschränkte erbrechtliche Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts treffen. Eine solche beschränkte Rechtswahl wird 2015 unwirksam. 18
3. Deutscher mit ausländischem Lebensmittelpunkt Wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sich aber überwiegend im Ausland aufhält, kann künftig nicht mehr von der Anwendbarkeit des deutschen Erbrechts ausgehen. Hier empfiehlt sich nicht nur die Überprüfung, ob die bestehende Verfügung von Todes wegen künftig noch wirksam ist, sondern auch eine sorgfältige Abwägung, ob das Recht Deutschlands oder das Erbrecht des jeweiligen Aufenthaltsstaates attraktivere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Wer etwa als Deutscher in Spanien lebt, kann durch Rechtswahl des deutschen Erbrechts spanisches Erbrecht und damit u.a. die Noterberbrechte eigener Abkömmlinge verhindern. Darüber hinaus eröffnet die Rechtswahl des deutschen Erbrechts im Ausland lebenden Deutschen die Möglichkeit, etwa durch Anordnung einer langlaufenden Testamentsvollstreckung dauerhaft Einfluss auf die Verwaltung des eigenen Nachlasses zu nehmen. Die deutsche sog. Dauertestamentsvollstreckung ist den anderen europäischen Erbrechtsordnungen unbekannt, wird durch die EU ErbVO künftig aber auch im Ausland zu beachten sein. 19
4. Ausländer mit Lebensmittelpunkt in Deutschland Für Angehörige eines ausländischen Staates mit Wohnsitz in Deutschland gilt Entsprechendes: Sie sollten überprüfen lassen, ob ihre Heimatrechtsordnung oder das deutsche Erbrecht ihnen die attraktiveren Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. 20
5. Gemischt-nationale Paare Besonders erfreulich ist die EU ErbVO für Eheleute mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit und gemeinsamem Lebensmittelpunkt in Deutschland: Bislang waren die in Deutschland verbreiteten gemeinschaftlichen Ehegattentestamente wegen der Anwendbarkeit unterschiedlicher Erbrechtsordnungen auf die Nachlässe der Eheleute mit so großen Rechtsunsicherheiten verbunden, dass Erbrechtler von ihrer Verwendung üblicherweise abgeraten haben. Dies wird ab 2015 anders. Gemeinschaftliche Testamente stehen dann allen Eheleuten mit deutschem Wohnsitz offen. Entsprechendes gilt für eingetragene Lebenspartner. 21
6. Erbverträge und andere langfristig bindende erbrechtliche Gestaltungsmittel Auch Erbverträge werden künftig für die Regelungen von Erbfällen mit Auslandsbezug innerhalb der EU geeignet sein. Ihre heutige, weitgehend fehlende Anerkennung im Ausland wird durch die EU ErbVO beendet. Die für das deutsche Erbrecht typische und im Vergleich zu den Erbrechtsordnungen anderer EU-Mitgliedsstaaten außergewöhnliche Möglichkeit einer langfristigen erbrechtlichen Bindung durch Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament, Vor- und Nacherbfolge sowie Dauertestamentsvollstreckung kann künftig auch zur Regelung von Auslandssachverhalten genutzt werden. Künftig ergeben sich hierdurch bislang ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten. 22
Ihre Fragen 23
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 24