Tritium in der Schachtanlage Asse II

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Transkript:

Tritium in der Schachtanlage Asse II Ein Widerspruch in veröffentlichten Daten und der Versuch einer Erklärung Verfasser: Dr. Helmut Hirsch Recherche: Tobias Darge Erstellt im Auftrag von Greenpeace Deutschland, Neustadt, 07. Mai 2009 Inhalt Zusammenfassung...2 1. Einlagerung von radioaktiven Abfällen, Zuständigkeiten...3 2. Angaben zum Tritiuminventar in der Asse...3 3. Angaben zu den Tritiumemissionen aus der Asse...4 4. Tritiuminventar unter Berücksichtigung der Emissionen...5 5. Diskussion und Schlussfolgerungen...6 V.i.S.d.P.: Thomas Breuer, Stand: 05/2009

i.zusammenfassung Nach wie vor werden in der Abluft der Schachtanlage Asse II relativ hohe Tritiumwerte gemessen. Geht man von den offiziellen Angaben zum gelagerten Tritiuminventar in der Asse aus, dürfte dies nicht mehr der Fall sein. Die Radionuklidinventare in der Asse waren während des Einlagerungsbetriebes und in den Folgejahren nicht genau bekannt. Daher führte die frühere Betreiberin GSF auf Basis der vorliegenden Dokumente (in erster Linie die sogenannten Begleitscheine der radioaktiven Abfälle) eine Bestimmung der nuklidspezifischen Inventare durch. Diese stützte sich auf unsichere Angaben, auch die Methodik war mit Unsicherheiten behaftet. Daher hat die GSF bei den für den Langzeitsicherheitsnachweis ermittelten Inventaren den zunächst bestimmten Werten jeweils einen Zuschlag hinzugefügt, der der Schwankungsbreite Rechnung tragen sollte. Das derart ermittelte Tritiuminventar, das als Maximalwert anzusehen ist, beträgt 4.380 GBq 1 (Stand 1.1.1980). Interessant an Tritium ist, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Nukliden in so großen Mengen mit der Abluft abgegeben wird, dass sie das Tritiuminventar in der Asse deutlich verringern. Unter Berücksichtigung der Tritiumemissionen, die von der GSF jährlich veröffentlicht werden, sowie unter Berücksichtigung des radioaktiven Zerfalls kann ausgehend vom Tritiuminventar am 1.1.1980 versucht werden, die Entwicklung des Tritiuminventars der Asse bis 2007 zu bestimmen (2007 war das letzte Jahr, für das die Emissionsdaten veröffentlicht wurden). Ergebnis einer solchen theoretischen Rechnung: Das Tritiuminventar sinkt bis 2000 auf Null und würde 2001 einen negativen Wert erreichen. Praktisch gehen die Emissionen jedoch bis heute weiter. Die GSF hat für den 1.1.2003 ein Tritiuminventar von 1.200 GBq ermittelt. Es besteht damit ein klarer Widerspruch zwischen den veröffentlichten Daten zu Inventar und Emissionen. Dieser kann prinzipiell zwei Gründe haben: Die Emissionen sind tatsächlich niedriger gewesen als angegeben oder das Tritiuminventar ist höher. Eine Überschätzung der Emissionen erscheint nicht wahrscheinlich. Es ist nicht anzunehmen, dass die Bilanzierung in der Abluft einen derart großen systematischen Fehler aufweist. Denkbar wäre unter Umständen, dass durch Fahrlässigkeit ein größerer Teil der Tritiumemissionen nicht erfasst wird. Dies würde aber zu einer Unterschätzung führen, nicht zu einer Überschätzung. Daher ist anzunehmen, dass der Widerspruch in den Daten ausschließlich / überwiegend auf eine Unterschätzung des Tritiuminventars in der Asse zurückzuführen ist. Eine plausible Abschätzung führt zu einem Gesamtinventar von Tritium von etwa 20.000 GBq am 1.1.1980 entsprechend etwa dem 4,5-fachen des von der GSF für diesen Zeitpunkt angegebenen Maximalwertes. Dies ist lediglich als grober Orientierungswert anzusehen. Fest steht aber, dass bisher das Tritiuminventar in der Asse soweit aus den veröffentlichten Zahlen ersichtlich drastisch unterschätzt wurde. Wahrscheinlich gibt es in den eingelagerten Abfällen (eine) noch unbekannte Tritiumquelle/n. Über die Tritiumproblematik hinaus stellt sich die Frage, ob es auch bei den Inventarangaben für andere Radionuklide gravierende Unterschätzungen geben könnte. ii. 1 Gigabecquerel 2

1. Einlagerung von radioaktiven Abfällen, Zuständigkeiten In der Schachtanlage Asse II wurde bis 1964 Steinsalz abgebaut. 1965 übernahm das Institut für Tieflagerung der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung München (GSF) die Anlage. Nach Umbauten begann 1967 die Einlagerung radioaktiver Abfälle, die 1978 beendet wurde. Rechtsgrundlage für den Betrieb des Bergwerkes waren und blieben Bergrecht und Strahlenschutzverordnung. Das Atomgesetz wurde nicht angewandt. Insgesamt wurden 124.494 Fässer mit schwachradioaktiven Abfällen (LAW) in das Bergwerk eingebracht, die in zwölf Abbaukammern lagern. Weiterhin wurden 1.293 Gebinde mit mittelaktiven Abfällen (MAW) in einer Kammer eingelagert. 2 Der Großteil des radioaktiven Inventars in der Asse II stammt aus Atomkraftwerken. 3 1990 änderte der Betreiber seinen Namen in GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit. Anfang 2008 erfolgte erneut eine Umbenennung in Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. 4 Zum 1.1.2009 hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Betreiberschaft der Schachtanlage vom Helmholtz Zentrum München übernommen. Seit diesem Zeitpunkt wird die Asse unter Atomrecht geführt. 5 iii.2. Angaben zum Tritiuminventar in der Asse Die Radionuklidinventare in der Asse waren während des Einlagerungsbetriebes und in den Folgejahren nicht genau bekannt. Nuklidspezifische Aktivitätsangaben für die Abfallgebinde wurden nicht als notwendig angesehen mit Ausnahme der Kernbrennstoffe und einiger weniger alpha-strahler. In vielen Fällen wurden überhaupt nur die Strahlerarten (alpha, beta, gamma) angegeben und Angaben zur Aktivität fehlten ganz. Einen Anhaltspunkt für das radioaktive Inventar gaben in solchen Fällen nur die vorgegebenen Werte für die zulässige Aktivität pro Gebinde. Daher wurde von der GSF später eine Nachbearbeitung der vorliegenden Dokumente (in erster Linie die sogenannten Begleitscheine der radioaktiven Abfälle) durchgeführt, um ein nuklidspezifisches Inventar je Einlagerungskammer (und damit auch für die gesamte Schachtanlage) zu ermitteln. Dieses kann insbesondere für den Nachweis der Langzeitsicherheit herangezogen werden. Methodik und Ergebnisse wurden 2002 in einem Bericht 6 zusammengestellt. Für Tritium wurde, bezogen auf den 1.1.1980, ein Gesamtinventar von 2.870 GBq ermittelt. Davon entfallen 748 GBq auf die Kammer mit den mittelradioaktiven Abfällen. Der Rest verteilt sich auf alle zwölf Kammern mit den schwachradioaktiven Abfällen, wobei fünf dieser Kammern mehr als 100 GBq enthalten. 7 Bei den Eingangsdaten Deklarationen der Anlieferer bestehen allerdings, wie erwähnt, erhebliche Unsicherheiten. Weiterhin mussten bei der Bestimmung des Inventars einige Berechnungsparameter abgeschätzt werden, dadurch erhöhten sich die Unsicherheiten weiter. Der Variationsbereich dieser Parameter ist im Bericht der GSF dargestellt, ebenso Schwankungsbreiten für Kernbrennstoff (insbesondere Plutonium). Eine Schwankungsbreite für Tritium wird nicht explizit angegeben. Sie wird jedoch aus der Angabe zum nuklidspezifischen Aktivitätsinventar für den Nachweis der Langzeitsicherheit ersichtlich: Zur Bestimmung wurden die zunächst ermittelten Inventare der 2 www.bfs.de/de/endlager/asse/grundlagen/geschichte.html; sämtliche Quellen im Internet wurden am 5.5.2009 eingesehen. 3 http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/presseerklaerungen/artikel/grossteil_der_radioaktivitaet_im_atommuelllager_asse_ii_stammt-1/ 4 www.helmholtz-muenchen.de/ueber-das-zentrum/geschichte/index.html 5 www.bfs.de/de/endlager/asse/grundlagen/hintergrund_asse.html 6 U. Gerstmann et al.: Bestimmung des nuklidspezifischen Aktivitätsinventars der Schachtanlage Asse Abschlussbericht; GSF Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, GSF-Auftrags-Nr. 31/179 294/99, August 2002 (Einleitung und Kapitel 2.2). 7 U. Gerstmann et al. siehe Fußnote 6 (Tabelle 3.2). 3

einzelnen Kammern um die größte positive Abweichung der abgeschätzten Schwankungsbreiten erhöht. Daraus resultiert ein Gesamtinventar an Tritium von 4.380 GBq (Stand 1.1.1980), also etwas mehr als 150% des ursprünglichen Wertes von 2.870 GBq. Bezogen auf den 1.1.2003 ergibt sich ein Gesamtinventar an Tritium von 1.200 GBq. 8 Dabei wurde lediglich der radioaktive Zerfall in den Jahren 1980 2002 berücksichtigt (die Halbwertzeit von Tritium beträgt 12,323 Jahre), nicht aber die Verringerung des Tritiuminventars durch Emissionen mit der Abluft. Im Rahmen von Untersuchungen des TÜV Nord EnSys, die im August 2008 abgeschlossen wurden, wurde die Abschätzung des gesamten Inventars durch die GSF überprüft. Der TÜV stellte fest, dass das Vorgehen der GSF plausibel sei bis auf kleinere Unstimmigkeiten, die aber nicht Tritium betrafen. Die Grundvoraussetzungen der GSF wurden vom TÜV als implizit gegeben vorausgesetzt. Diese Grundvoraussetzungen waren: (1) Die Begleitdokumentation ist zwar unvollständig, durch nachträgliche Überprüfung war der Datensatz jedoch herstellbar. (2) Die Annahmebedingungen wurden von den Anlieferern prinzipiell eingehalten. 9 Skeptischer waren die Entsorgungskommission (ESK) und die Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Auch die Kommissionen halten die Vorgehensweise der GSF für plausibel, sofern die oben genannten Grundvoraussetzungen eingehalten werden. Sie sehen aber Indizien, dass Letzteres nicht in jedem Falle gegeben ist. Eines dieser Indizien ist, dass die Tritiumemissionen in Relation zum Tritiuminventar auffällig hoch seien. 10 iv.3. Angaben zu den Tritiumemissionen aus der Asse Angaben zu den Tritiumemissionen mit der Abluft aus der Schachtanlage Asse finden sich in den Jahresberichten der GSF sowie im Jahresbericht Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung 2007 des BMU. Die Daten für 1982 2007 liegen dem Verfasser vor. 11 Bis einschließlich 1993 lagen die Emissionen pro Jahr deutlich über 100 GBq, ab 1994 darunter. Die Emissionen von 2002 2007 lagen unter 50 GBq pro Jahr. Vom 1.1.1982 bis zum 1.1.2003 dem zweiten Stichtag für die Inventarschätzung der GSF für den Langzeitsicherheitsnachweis wurden demnach insgesamt 2.513 GBq Tritium emittiert; bis 1.1.2008 insgesamt 2.720 GBq. Der erste Stichtag für die Inventarschätzung der GSF ist der 1.1.1980. Die Emissionen für 1980 und 1981 liegen dem Verfasser nicht vor; es ist anzunehmen, dass sie wie in den Folgejahren über 100 GBq liegen. Somit ergibt sich eine Gesamtemission vom 1.1.1980 bis zum 1.1.2003 von über 2.700 GBq, und bis zum 1.1.2008 von über 2.900 GBq. 8 U. Gerstmann et al. siehe Fußnote 4 (Kapitel 4 und 5). 9 Die TÜV-Stellungnahme liegt dem Verfasser nicht vor. Die Darstellung der Aussagen des TÜV stützt sich auf die Angaben in der gemeinsamen Stellungnahme von ESK und SSK vom 25.9.2008, siehe Fußnote 10. 10 Gemeinsame Stellungnahme der Entsorgungskommission (ESK) und der Strahlenschutzkommission (SSK) zur Schachtanlage Asse II Plausibilitätsprüfungen der Angaben der Betreiber; 25.9.2008. 11 Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung mbh München bzw. GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (ab 1990): Strahlenschutz und Umgebungsüberwachung im Bereich der Schachtanlage Asse, Jahresberichte 1983 1988, 1990 1993, 1995, 1997 2002, 2004 2006 (jeder Jahresbericht enthält auch Angaben zum Vorjahr). Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung, Jahresbericht 2007. 4

v.4. Tritiuminventar unter Berücksichtigung der Emissionen Wie aus dem vorangegangenen Abschnitt deutlich wird, sind die Tritiumemissionen gegenüber dem Tritiuminventar keineswegs vernachlässigbar. Bei der Ermittlung der Entwicklung des Tritiuminventars über Jahre müssen sie daher neben dem radioaktiven Zerfall in Rechnung gestellt werden. Anhand der verfügbaren Daten wurde vom Verfasser eine Berechnung des Tritiuminventars in Jahresschritten, beginnend 1980, durchgeführt. Dabei wurde in jedem Jahr die entsprechend der Halbwertzeit zerfallende Menge sowie die mit der Abluft emittierte Menge abgezogen. Für die Jahre 1980 und 1981 wurde jeweils eine Emission von 100 GBq angesetzt. vi.rechnerisch ermitteltes Tritiuminventar in der Asse (GBq) Für das Jahr 2000 resultiert rechnerisch ein Wert von 12 GBq, im Jahr 2001 erreicht das Tritiuminventar rein rechnerisch einen negativen Wert. In den Jahren davor werden sehr hohe Anteile des Tritiuminventars emittiert, zum Beispiel über 80% im Jahr 1999, 24% im Jahr 1995. Schon diese Abgaberaten sind unrealistisch. Zu erwarten sind höchstens Anteile von einigen wenigen Prozent. Seit 2001 dürfte überhaupt kein Tritium mehr in der Asse sein, und keines mehr emittiert werden. Auch das von der GSF abgeschätzte Tritiuminventar für den 1.1.2003 (1.200 GBq) passt nicht zu diesen Ergebnissen. Angesichts der tatsächlich gemessenen Tritiumwerte in der Abluft der Asse sind die Ergebnisse der Rechnung also insgesamt sinnwidrig. Hätte die GSF in dem Bericht von 2002 bei der Inventarabschätzung für Tritium neben dem Zerfall auch die Emissionen betrachtet, wäre dies bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich geworden. 5

vii.5. Diskussion und Schlussfolgerungen Der Widerspruch in den veröffentlichten Daten kann prinzipiell zwei Gründe haben: Die Tritiumemissionen sind tatsächlich niedriger als angegeben oder das Tritiuminventar in der Asse ist höher. Auch eine Kombination beider Gründe ist möglich. Eine Überschätzung der Emissionen in der Abluft erscheint nicht wahrscheinlich. Die Bilanzierung beruht auf der Überwachung des im Schacht 2 ausziehenden Luftstroms, der mehr als 99% der Gesamtabluft darstellt. 12 Selbst wenn dabei systematische Messfehler von mehreren zehn Prozenten aufgetreten wären, könnte dies die Widersprüche nicht erklären denn die Emissionen müssten tatsächlich mindestens etwa um einen Faktor drei geringer sein, um in Relation zu den Tritiuminventarangaben einigermaßen plausibel zu sein. Eine so deutliche Überschätzung könnte prinzipiell dadurch entstehen, dass die Betreiber (zur Abdeckung von Unsicherheiten) zu den gemessenen Werten einen hohen Sicherheitszuschlag addieren. Dafür gibt es in den veröffentlichten Angaben jedoch keinen Hinweis. Theoretisch denkbar wäre es, dass ein größerer Teil der Tritiumemissionen nicht erfasst wird, da er auf einem bisher unbekannten Weg erfolgt. Dies würde aber zu einer Unterschätzung führen, nicht zu einer Überschätzung. Daher ist anzunehmen, dass der Widerspruch in den Daten ausschließlich oder überwiegend auf eine Unterschätzung des Tritiuminventars zurückzuführen ist. Eine genaue Bestimmung des tatsächlichen Tritiuminventars in der Asse ist anhand der vorliegenden Daten nicht möglich, wohl jedoch eine grobe Abschätzung. Als plausibel könnte unterstellt werden, dass (1) die jährliche Emissionsrate (Emissionen in Prozent des vorhandenen Inventars) höher liegen sollte als jene im Endlager Morsleben (wo in den 90er Jahren spezielle Maßnahmen zur Reduzierung der Tritiumemissionen getroffen wurden) und (2) über die Jahre keine allzu großen Schwankungen auftreten sollten. Die Emissionsrate in Morsleben lag 2000 2007 im Bereich von 0,4 1,4%. 13 Daraus folgt ein Tritiuminventar am 1.1.1980 von etwa 20.000 GBq, entsprechend etwa dem 4,5- fachen des von der GSF für diesen Zeitpunkt abgeschätzten Maximalwertes. Dies entspricht einer jährlichen Emissionsrate von 1 2%. Für ein (rein rechnerisch angenommenes) niedrigeres Tritiuminventar steigt die Schwankung der Emissionsrate, für höher angenommene Inventare nähert sich die Emissionsrate den Werten für Morsleben beziehungsweise sinkt noch unter diese. Für den 1.1.2003 ergibt sich unter Berücksichtigung von Emissionen und Zerfall ein Tritiuminventar von etwa 4.200 GBq, dem 3,5-fachen des GSF-Wertes. Die GSF hat für diesen Zeitpunkt das Tritiuminventar ohne Berücksichtigung der Emissionen ermittelt, daher ist der Unterschied geringer. Da, wie erwähnt, auch Messfehler bei den Emissionen eine gewisse Rolle spielen, und darüber hinaus unbekannte technische Probleme, Missstände, Nachlässigkeiten und Unsauberkeiten gegeben sein könnten, die die Bilanzierung von Tritium beeinflussen, ist die Zahl von 20.000 GBq lediglich als sehr grober Schätzwert anzusehen. Als gesichert kann angesehen werden, dass bisher das Tritiuminventar in der Asse soweit aus den veröffentlichten Zahlen ersichtlich drastisch unterschätzt wurde. Es ist also zu vermuten, dass es in den eingelagerten Abfällen eine oder mehrere bisher bei der Inventarabschätzung nicht berücksichtigte Tritiumquelle/n gibt. Über die Tritiumproblematik hinaus stellt sich die Frage, ob es auch bei den Inventarangaben für andere Radionuklide, die nicht anhand der Angaben mit der Abluft auf Plausibilität geprüft werden können (wie bei Tritium möglich), gravierende Unterschätzungen geben könnte. 12 GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit: Strahlenschutz und Umgebungsüberwachung im Bereich der Schachtanlage Asse, Jahresbericht 2006 (Kapitel 4) 13 Quellen Morsleben u.a. Bundesamt für Strahlenschutz, Jahresbericht 2007, Beitrag vom Fachbereich Nukleare Entsorgung und Transport, Wissenschaftliche Kurzberichte. BMU, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung, Jahresberichte 2001 2007. 6