Musik ist ein reines Geschenk und eine Gabe Gottes, sie vertreibt den Teufel, sie macht die Leute fröhlich und man vergisst über sie alle Laster. (Martin Luther) Musik ist ein Geschenk. Nicht für alle, aber für viele Menschen ist Musik ein direkter Draht ins eigene Innenleben. Musik wirkt unmittelbarer, als Sprache es kann: Sie dringt in die Seele ein, löst Empfindungen aus, bringt seelische Tiefenschichten zum Schwingen, findet Resonanzen, weckt Erinnerungen. Luther wusste das. Deswegen hat er die Kirchenmusik so hoch eingeschätzt. Neben der Bibel war es besonders das Kirchenlied, dem er einen ganz neuen Stellenwert in der evangelischen Spiritualität gegeben hat so sehr, dass man ihn als den Vater des Kirchengesangs bezeichnet hat. Es gibt ja durchaus religiöse Traditionen, die in der Musik (ähnlich wie in Bildern) eine Störung sehen, die von der Predigt ablenkt. Nicht so das Luthertum. Für Luther ist Musik eine der besten Möglichkeiten, um die Leute aus ihrer passiven Zuschauerrolle herauszuholen und aktiv in den Gottesdienst einzubinden. Laut mitsingen sollten sie im Gottesdienst. Darin sah er den Weg, um in der eigenen Muttersprache und in den eigenen, vertrauten Melodien einen wohltuenden Zugang zum Gottesdienst zu finden. Nachvollziehen kann ich diesen Gedanken schon. Musik ist was Besonderes. Zum Beispiel: Wie oft löst Musik Erinnerungen aus. Wenn wir miteinander singen beim Seniorenadvent zum Beispiel dann merken wir richtig, wie sich ganz unkompliziert ein Blick in die eigene Vergangenheit auftut, wie Menschen plötzlich zu erzählen beginnen, von ihrer Herkunft, von einstigen Gewohnheiten, von besonderen Menschen. Da entsteht plötzlich ein Gesprächsfaden, und unbemerkt wird aus einer steifen, unpersönlichen Gruppe eine gemütliche Gesprächsrunde, die erzählt und zuhört und lacht.
Oder: Wie oft hilft Musik beim Ankommen, beim Konzentrieren. Wenn wir zum Beispiel unseren Bibelabend mit einem Lied beginnen, dann spüren wir direkt, wie sich ein Tor in eine andere Welt auftut. Eine Gruppe von Menschen, die aus unterschiedlichen Richtungen zusammenkommt und gerade noch bunt durcheinander erzählt hat von den Ereignissen des Tages sie wird wohltuend ruhig und zentriert, sobald wir ein erstes Lied miteinander singen. Wir können uns aufeinander einstellen und unsere Seele nach oben hin öffnen, wir finden Zugang zum eigenen Empfinden und tun einen ersten Schritt in einen Bibeltext hinein. Umgekehrt: Wie oft kann Musik als Ventil dienen. Schrille Töne, laut aufgedreht, zum hemmungslosen Mitsingen und Mittanzen ist doch was, um sich abzureagieren! Unsere Konfis praktizieren das gerne. Wenn sie einen Grant loswerden müssen oder eine Unsicherheit überspielen, dann stecken sie ihre Smartphones an unsere Tonanlage und spielen
ihre Songs, durchdringend, hallend, als unüberhörbare Einladung, Stress abzubauen. So manches ruhigere Gespräch ist hinterher möglich, das vorher undenkbar gewesen wäre. Natürlich: Musik ist auch Arbeit. Gut einstudierte Chormusik, schöne Klänge auf einem Instrument das gelingt nicht von selber. Viele Stunden stehen dahinter und vielleicht auch mancher Frust. Was unser Kirchenchor leistet oder unsere Organistinnen und Organisten, was geleistet werden muss, damit unser Streichquartett einen Gottesdienst begleitet oder jemand uns ein Benefizkonzert schenkt das wissen wir oft gar nicht, weil wir erst zum Schluss das gelungene Ergebnis hören. Am ehesten bei unseren Jüngsten spüren wir es noch: Wenn sie in unseren Kindergottesdiensten ihre Instrumente auspacken und uns ihre Kunst schenken, dann merken wir schon, was da Aufwand dahintersteckt, bis diese kleinen Finger einem Cello oder einer Querflöte oder einer Gitarre diese Töne entlocken. Freilich: Musik kann auch spalten. Nicht alles gefällt jedem. Neue Lieder, fremde Lieder, komische Lieder das gehört zu dem häufigsten Kritikpunkten an uns Pfarrerinnen. Ein ewiger Spagat, denn so sehr die einen ihre traditionellen Lieder lieben und festhalten wollen, so sehr ist es gerade diese musikalische Tradition, die unsere Gottesdienste für andere abschreckend macht. Wahrscheinlich geht es wie immer nur miteinander. Wenn wir uns (eh viel zu selten, übrigens!) zu einem Singnachmittag treffen, dann arbeiten wir daran, unser Liedrepertoire zu erweitern, Altes und Modernes gleichermaßen wertzuschätzen, Stilgrenzen zu überwinden und uns überraschen zu lassen. Und meistens merken wir dann, wie sehr Musik verbindet. Übrigens ist das auch in unserem Zusammensein mit Asylsuchenden sehr spürbar: unglaublich, wie mit Hilfe von ein paar Trommeln eine Gemeinschaft entsteht, bunt zusammengewürfelt aus Leibnitzern und Fremden, Menschen unterschiedlicher Sprachen und Kulturen, die über die Musik zusammenfinden. Da lernen wir, dass auch Musik eine Sprache ist, dass sie uns lehren kann, einander zuzuhören, aufeinander zu achten, Unterschiede auszuhalten, Fremdes zu probieren und Eigenes zu lieben. Und wir lernen einmal mehr, dass Musik und Tanz zusammengehören. Das danke ich unseren Fremden besonders, dass sie uns das wieder beibringen.
Übrigens: In diesem Zusammenhang darf ich herzlich zu einem Trommelkonzert einladen! Unter dem Motto Musik kennt keine Grenzen hat Helmut Prinz mit einer Gruppe aus österreichischen und asylsuchenden Menschen ein tolles Trommel-Programm entwickelt. Am 12.1.2017 um 17.00 zeigen sie in unserer Kirche ihre Kunst. Kommen Sie und lassen Sie sich verzaubern. Sicher ist: Musik ist eine Form von Predigt. Als am 21.10. dieses Jahres Siegfried Fietz bei uns zu Gast war, der berühmte christliche Sänger und Liedermacher, da haben wir eindrucksvoll erlebt, wie stark unsere christliche Botschaft werden kann, wenn sie auf musikalische Weise vermittelt wird. Musik spricht nicht nur unser Hirn an, sondern geht ins Ohr und ins Herz, manchmal auch in die Füße. Mit ihren eingängigen Versen und Strophen verankert sie die eigene Glaubensüberzeugung. Das tut gut. Das Konzert von Herrn Fietz war ein toller ökumenischer Abend, der vielen von uns Lust gemacht hat, mehr miteinander zu singen und moderneren Liedern eine Chance zu geben. Wer singt, betet doppelt, meint Martin Luther. Ich glaube, es ist wahr. Möchten Sie ein kleines Experiment probieren? Möchten Sie versuchen, den ganzen Text noch einmal von vorne zu lesen und jedes Mal statt Musik das Wort Gott einzusetzen? Ergibt sich da ein neuer Sinn für Sie? Pfarrerin Marianne Pratl-Zebinger Vergesst den Blues nicht. (Eine Nachdichtung des 150. Psalms von Peter Spangenberg) Es ist wunderbar! Es ist herrlich! Es ist unendlich schön, Gott im Glanz seiner Liebe und Größe zu loben. Dankt ihm für alles, was er getan hat. Dankt ihm, weil er uns mit seiner Liebe umschließt. Dankt ihm mit euren Instrumenten: Mit Posaunen, Psalter und Harfen mit Pauken, Pfeifen und Zimbeln. Dankt ihm mit Chorälen und Orgelmusik, lasst die Welt erklingen von euren eigenen Stimmen. Lasst das Lächeln in euren Augen Zur Musik für andere werden. Lasst das Streicheln eurer Hände den Tag ausklingen für eure Kinder. Lobt mit Bach und Mozart, mit Spirituals und Gospel, und mit Blues vergesst mir den Blues nicht, wenn ihr Gott dankt. Alles, was eine Seele in sich trägt, lobe Gott. Es ist wunderbar. (aus: Peter Spangenberg: Höre meine Stimme. Die Psalmen. Hamburg 1995)
HERZLICHE EINLADUNG: Musik kennt keine Grenzen. Trommelkonzert unter der Leitung von Helmut Prinz. Donnerstag, 12.1.2017, 17.00 Uhr in der evangelischen Kirche Leibnitz.