AUFSÄTZE ZUR FRAGE DER NACHPRÜFBARKEIT VON ANWALTSKOSTEN, DIE IM SÜHNEVERFAHREN ENTSTEHEN Von Reichsgerichtsrat i. R. Dr. jur. Fritz Hartung, Marburg (Lahn) Für eine Anzahl von strafbaren Handlungen, die im Wege der Privatklage verfolgt werden können, schreibt bekanntlich der 380 StPO vor, dass die Privatklage erst erhoben werden darf, nachdem vor einer Sühnebehörde im Geltungsbereiche der PrSchO und des HessSchG also vor dem Schrn. die Sühne erfolglos versucht worden ist. dass sich in derartigen Fällen der Verletzte, bevor er den Weg zum Schm. findet, an einen Anwalt wendet, ist eine von seiten der Schr. von jeher beklagte leider recht häufige Erscheinung. dass dann der Anwalt, an den sich der Verletzte gewandt hatte, im Auftrag und mit Vollmacht seines Mandanten den Antrag auf Sühneversuch beim Schm. stellt, ist gleichfalls schon immer vorgekommen. Die Frage, ob ein solcher Antrag weil gegen das Vertretungsverbot des 18 SchO/HessSchG verstoßend vom Schm. zurückzuweisen, oder ob er aus Zweckmäßigkeitsgründen und weil dadurch kein Nachteil entstehen könne zuzulassen sei, ist in der SchsZtg. seit dem Beginn ihres Erscheinens immer wieder behandelt worden. Und wie ein roter Faden ziehen sich durch die Jahrgänge unserer Zeitschrift die Klagen der Schr. darüber, dass die Antragsteller, die vor dem Sühneverfahren einen Anwalt zu Rate gezogen haben, zu einem Vergleiche regelmäßig nur dann zu bewegen sind, wenn der Beschuldigte die Kosten des Anwalts übernimmt, und dass wegen der Höhe der Kosten, die hierbei in Frage kommen, der Vergleich sehr oft scheitert. Neu ist seit dem Inkrafttreten der BRAO (1. 10. 1959) nur, dass nunmehr Rechtsanwälte, die als Beistände von Parteien in der Sühneverhandlung vor dem Schm. auftreten, nicht mehr so wie andere Beistände zurückgewiesen werden dürfen. Das hat naturgemäß dazu geführt, dass der Anwalt, den der Verletzte vor Stellung des Antrages auf Sühneversuch aufgesucht hatte, sich u. U. nicht mehr darauf beschränkt, den Mandanten zum Schm. zu schicken oder den Antrag auf Sühneversuch für diesen zu stellen, sondern auch (vielfach wohl auf ausdrückliches Ersuchen seines Mandanten) Wert darauf legt, neben seiner Partei an der Sühneverhandlung selbst teilzunehmen. Eine solche vermehrte Anteilnahme des Anwaltes an der Streitsache hat dann zur Folge, dass auch seine Honorarforderung höher wird. Und damit wird dem Schm. seine Aufgabe, auf eine gütliche Einigung der Parteien hinzuwirken, noch weiter erschwert. Unter diesen Umständen ist es für den Schm. (und für alle, die an dem Erfolge der Seite 1/5
SchsEinrichtung interessiert sind) von Bedeutung, über die Vorschriften unterrichtet zu sein, nach denen sich die Gebührenforderung des Anwaltes bestimmt. Nur dann, wenn er über diese Vorschriften und ihre Tragweite unterrichtet ist, wird er in der Lage sein, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die im Sühneverfahren erhobene Gebührenforderung des Anwaltes begründet und ob sie der Höhe nach angemessen ist. Nur dann, wenn er sich hierüber ein eigenes Urteil zu bilden vermag, kann er die Parteien richtig beraten, wenn bei den Verhandlungen über einen Sühnevergleich die Frage nach der Übernahme von Anwaltskosten praktische Bedeutung gewinnt. Nur dann kann er auch, soweit es seine Verpflichtung zur Unparteilichkeit zulässt, mit dem Anwalt über die Bemessung von dessen Gebührenforderung sprechen, wenn es für den Vergleich darauf ankommt. Nach dem 94 Abs. 5 BRAGebO steht dem Rechtsanwalt, der als Beistand oder Vertreter an einem nach dem 380 StPO vorgeschriebenen Sühneverfahren teilnimmt, eine Gebühr von 10 bis 100 DM und für die Mitwirkung bei einer Einigung der Beteiligten eine weitere Gebühr von 10 bis 100 DM zu. Als "Tätigkeit in einem Sühneverfahren" ist es m. E. im Sinne dieser Vorschrift auch anzusehen, wenn der Anwalt den Antragsteller (oder auch den Beschuldigten) lediglich berät oder sich darauf beschränkt, für seinen Mandanten den Antrag auf Sühneversuch beim Schm. zu stellen. Bei den nach dem 94 Abs. 5 BRAGebO zu berechnenden Gebühren handelt es sich, wie der mitgeteilte Wortlaut der Bestimmung ergibt, nicht um ein für alle mal fest bestimmte, sondern um sog. Rahmengebühren. Bei solchen Gebühren steht es keineswegs im Belieben des Anwaltes, welche Gebühr innerhalb des dafür gesteckten Rahmens er im Einzelfalle berechnen will. Dafür, welche Gebühr innerhalb des Rahmens er im Einzelfalle fordern darf, gibt ihm der 12 Abs. 1 BRAGebO eine Richtlinie, an die sich zu halten er verpflichtet' ist. Der 12 Abs. 1 lautet: Bei Rahmengebühren ist die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Was ist für uns aus dieser Vorschrift zu entnehmen? Wie der Wortlaut klar erkennen lässt, regelt sie die Höhe der im Einzelfall zu berechnenden Gebühr im Verhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Auftraggeber (das ist in der Regel also der Antragsteller des Sühneverfahrens). Das ergibt sich schon daraus, dass unter den Gesichtspunkten, die der Anwalt bei der Bemessung der Gebühr für den Einzelfall zu berücksichtigen hat (neben mehr objektiven, wie Bedeutung der Angelegenheit und Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ) die ganz subjektiven der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers aufgeführt werden. Auch der in der SchsZtg. mehrfach erwähnte Abs. 2 des 12 BRAGebO, nach dem Seite 2/5
im Rechtsstreit das Gericht ein Gutachten der Anwaltskammer einzuholen hat, gilt nur für das Verhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten; nur dann, wenn zwischen ihnen ein Rechtsstreit über die Gebührenforderung des Anwalts entsteht, ist er anwendbar, und auch hier nur dann, wenn die Anwendbarkeit des Gebührenrahmens an sich feststeht und nur darüber Streit besteht, ob die rechtmäßig angewendete Rahmengebühr innerhalb des Rahmens unter Beachtung der im Abs. 1 des 12 gegebenen Richtlinien nach billigem Ermessen der Höhe nach richtig bemessen ist. Über den Grund der Gebührenforderung, insbesondere auch über die Anwendbarkeit der die Rahmengebühr enthaltenden Bestimmung, entscheidet also in jedem Falle das Gericht; und erst wenn diese Frage entschieden ist, der Anwalt auch mehr als die Mindestgebühr fordert, kann überhaupt die Frage auftauchen, ob ein Gutachten der Anwaltskammer über die Angemessenheit der geforderten Gebühr einzuholen ist. Die Tragweite der Vorschrift des 12 Abs. 2 ist also gering. Der 12 Abs. 2 BRAGebO gilt insbesondere auch nicht im Kostenfestsetzungsverfahren, wie es dann stattzufinden hat, wenn in einer bürgerlich-rechtlichen oder in einer Privatklagesache der Beklagte oder Beschuldigte vom Gericht verurteilt worden ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Denn in einem solchen Verfahren handelt es sich nicht um das Verhältnis des Anwaltes zu seinem Auftraggeber, für das allein der 12 BRAGebO gilt, sondern um das davon völlig verschiedene Verhältnis der Parteien des vorgegangenen Prozesses zueinander. Aufgabe des auf Grund des gerichtlichen Urteils zum Zwecke seiner Ergänzung zu führenden Kostenfestsetzungsverfahrens ist es vielmehr, die Auslagen ziffernmäßig (und damit in vollstreckbarer Form) festzulegen, die die unterlegene Partei der siegreichen zu erstatten hat. Und das sind nur die notwendigen Auslagen, die der siegreichen Partei durch die Führung des Prozesses gegen die unterlegene entstanden sind. Bei dieser Prüfung hat das festsetzende Organ (Geschäftsstelle des Gerichts, bei Erinnerung gegen dessen Festsetzung das Gericht selbst) auch zu prüfen, ob die Auslagen, die die siegreiche Partei für ihren Anwalt gehabt hat, als notwendige Auslagen anzuerkennen sind. Und das bedeutet, dass es auch zu prüfen hat, ob die Gebühren, die die siegreiche Partei ihrem Anwalt gezahlt hat, dem Gesetz entsprechend berechnet sind, im Falle der Anwendbarkeit einer Rahmengebühr auch innerhalb dieses Rahmens richtig bemessen worden sind. Dabei können dann aber die subjektiven Verhältnisse des Auftraggebers nicht berücksichtigt werden, sondern es wird wesentlich auf die objektiven Gesichtspunkte auf die Bedeutung der Angelegenheit und auf den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ankommen. Den 12 Abs. 2 auch im Kostenfestsetzungsverfahren, soweit das Gericht (wie im Verfahren auf Erinnerung) damit befasst wird, anzuwenden, wird von der in der Praxis herrschenden Meinung abgelehnt. Seite 3/5
Nun gibt es aber, wie ich schon in der Januarnummer der SchsZtg. 1962 ausgeführt habe, im Sühneverfahren kein Kostenfestsetzungsverfahren, also soweit darin der Antragsteller Anwaltskosten geltend macht, die ihm in diesem Verfahren erwachsen sind, auch keine Möglichkeit, deren Angemessenheit von einer objektiven Stelle aus nachprüfen zu lassen. Der Beschuldigte, der sich, um ein Privatklageverfahren (mit regelmäßig noch viel höheren Kosten) zu vermeiden, mit dem Antragsteller beim Schm. vergleichen will, muss also die Anwaltskosten so übernehmen, wie sie der Antragsteller seinem Anwalte gezahlt hat oder schuldet. Und auch dann, wenn er was möglichst vermieden werden sollte einfach die dem Antragsteller erwachsenen Anwaltskosten" im Vergleich übernimmt, ohne dass deren Höhe in der Vergleichsniederschrift ziffernmäßig festgestellt wird, hat er diese Kosten so zu zahlen, wie der Antragsteller sie schuldet oder bezahlt hat. Denn er hat ja im Vergleich nicht nur die notwendigen Auslagen des Antragstellers an Anwaltskosten (darauf würde sich der Antragsteller im Vergleich wahrscheinlich gar nicht eingelassen haben), sondern dessen Anwaltskosten schlechthin (ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit ) zu tragen übernommen, also so, wie der Gegner sie gezahlt hat oder schuldet. Hat der Gegner dem Anwalt überhöhte Kosten bezahlt, so wird ihm der Beschuldigte, der sie im Vergleich übernommen hat, auch diese erstatten müssen; und er wird gegen eine derart überhöhte Forderung nur etwa dann etwas unternehmen können, wenn nachweisbar ist, dass der Gegner die besonders hohen Kosten nur deshalb und nur zu dem Zwecke verursacht hat, um den Gegner in dessen Zwangslage zu schädigen (so etwas soll hier und da vorkommen). Stand die Kostenforderung des Anwaltes z. Z. des Vergleichsabschlusses noch nicht fest und stellt sich dann heraus, dass die Forderung, die der Anwalt seinem Mandanten gegenüber erhebt, überhöht ist, so wird man in der Regel dem Mandanten des Anwalts, der sie allein schuldet (der Beschuldigte, der sie im Vergleich übernommen hat, schuldet dem Anwalt nichts; er hat sich nur dem Antragsteller gegenüber verpflichtet, ihn von der Gebührenforderung des Anwaltes zu befreien) in der Regel nicht zumuten können, die Forderung des Anwaltes der Höhe nach zu bestreiten, auf die Gefahr hin, darüber mit dem Anwalt einen Prozess, der ihm ein weiteres Kostenrisiko bringen würde, führen zu müssen. Auch in diesem Falle wird der Beschuldigte also in aller Regel die Forderung des Anwaltes so hinnehmen müssen, wie sie der Antragsteller dem Anwalt gegenüber anerkannt hat oder wenigstens nicht bestreitet. Und wenn er sich darauf nicht einlassen will, muss er darauf gefasst sein, dass der Antragsteller ihn auf die Erfüllung des Vergleiches, d. h. also darauf verklagt, dass er ihm die Schuld dem Anwalt gegenüber abnimmt, evtl. ihm den Betrag erstattet, den er dem Anwalt bezahlt hat. Darüber, ob die Aufwendung für den Anwalt notwendig gewesen ist, wäre kein Streit mehr möglich. Seite 4/5
Und das Gericht, das in diesem neuen Rechtsstreit zu entscheiden hat, wird deshalb auch gar nicht in die Lage kommen, zu prüfen, ob die Kostenforderung des Anwaltes seinem Mandanten gegenüber angemessen gewesen ist, und darüber ein Gutachten der Anwaltskammer einzuholen. Es hätte auch keinerlei Sinn, wenn sich der Beschuldigte, der es im Vergleich übernommen hat, seinem Gegner die ihm entstandenen Anwaltskosten zu erstatten oder ihn von der Kostenforderung des Anwalts durch Zahlung an diesen zu befreien, nun seinerseits mit einer Beschwerde an die Anwaltskammer wenden würde; denn diese wäre gar nicht in der Lage, für Abhilfe zu sorgen. Dagegen ist es für den BDS von größtem Interesse, über jeden Fall unverzüglich unterrichtet zu werden, in dem ein Anwalt für die Tätigkeit im Sühneverfahren überhöhte Gebühren fordert. Der BDS kann, wenn solches in einem Bezirk öfter vorkommt, seinerseits die zuständige Anwaltskammer hierauf aufmerksam machen. Das wird diese dann u. U. zum Anlass nehmen, die ihr angehörigen Anwälte zum Maßhalten zu mahnen, um nicht die wünschenswerte Einigung der Parteien zu verhindern. Seite 5/5