Landesweite Streuobsterhebung in Baden-Württemberg

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Transkript:

Landinfo 2/2010 Schwerpunktthema Streuobst Prof. Klaus Schmieder, Universität Hohenheim; Prof. Christian Küpfer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen Landesweite Streuobsterhebung in Baden-Württemberg Für die Weiterführung und Neuentwicklung von Streuobst-Projekten, zur Einschätzung zukünftiger Produktionskapazitäten sowie zur Bewertung der ökologischen Bedeutung der Bestände sind aktuelle Zahlen über Umfang und Zustand der Streuobstbestände eine unerlässliche Grundlage. Das Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz hat daher im Jahr 2008 eine neue Streuobsterhebung veranlasst, die von folgenden Partnern durchgeführt wurde: Universität Hohenheim: Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie; Prof. Dr. Klaus Schmieder, Dipl.-Biologe Alfons Krismann Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen: Institut für Angewandte Forschung; Prof. Dr. Christian Küpfer, Dipl.-Ing. (FH) Julia Balko in Kooperation mit: Dr. Thomas Heege EOMAP GmbH & Co.KG, Dr. Ralf Kirchner-Hessler, Dr. Florian Wagner. Grundlagen und Ziele In den Jahren 2000-2005 wurde im Auftrag des damaligen Landesvermessungsamtes Baden-Württemberg (heute Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung LGL) eine Laserscan- Befliegung der gesamten Landesfläche durchgeführt. Im Ergebnis entstand eine Datenbasis aus ca. 40 Mrd. Lage- und Höhepunkten, welche mit einer Auflösung von etwa einem Punkt pro Quadratme-ter ein sehr genaues Abbild der Vegetations- und Bodenoberfläche des Landes darstellt (Abb. 1). Abbildung 2 zeigt den in der Laserscan-Darstellung abgebildeten Baum. Ziel des Projektes Streuobsterhebung Baden-Württemberg war die Identifizierung und Abgrenzung aller einzeln stehenden Streuobstbäume (Abb. 3) aus diesen Laserscan-Daten mittels automatisierter Fernerkundungsverfahren sowie ihre quantitative Analyse und räumliche Charakterisierung innerhalb eines geografischen Informationssystems (GIS). Weiterhin wurden Felddatenerhebungen durchgeführt zur Validation der Fernerkundungsverfahren sowie zur Einschätzung des qualitativen Zustandes der Streuobstbestände Baden-Württembergs. Abbildung 1: Perspektivische Darstellung eines Streuobstbaums mit Waldrand im Hintergrund als Punktwolke der Laserscan-Daten (Rot: first pulse Daten der Vegetationsoberfläche, Grau: last pulse Daten der Bodenoberfläche) Abbildung 2: Foto des in Abbildung 1 als Punktwolke abgebildeten Baumes 7

Schwerpunktthema Streuobst Landinfo 2/2010 Methoden Prozessierung der Laserscan-Daten Im ersten Analyseschritt erfolgte eine Reduktion der Datenmenge auf die Offenlandschaft mithilfe der Landnutzungsdaten des Digitalen Landschaftsmodells (DLM) des Amtlichen Topographischen Informationssystems (ATKIS) vom LGL Baden-Württemberg. Wald- und Siedlungsgebiete wurden nicht ausgewertet. Im zweiten Analyseschritt wurde eine Abgrenzung aller Offenlandgehölze mittels eines GIS- Algorithmus durchgeführt und über regelbasierte Verfahren Hecken und Feldgehölze ausgesondert. Parallel dazu wurden über ein an der Fachhochschule München entwickeltes Verfahren (REITBER- GER et al. 2009a, b) zur Einzelbaumabgrenzung aus Laserscan- Daten die Standorte aller einzeln stehenden Bäume bestimmt. Abbildung 3: Detaildarstellung von Gehölzumrissen mit Orthofotos als Hintergrund Die Kombination der hierbei entstandenen Datensätze ergab den Bestand aller im Offenland stehenden Bäume Baden-Württembergs. Aus diesem wurden mittels regelbasierter GIS-Verfahren alle Bäume ausgesondert, welche nicht als Streuobstbäume klassifiziert werden konnten bzw. als sonstige Laub- oder Nadelbäume erkannt wurden (siehe Abb. 4). Abbildung 4: 8 Schematische Darstellung der Einzelschritte der Datenprozessierung

Landinfo 2/2010 Schwerpunktthema Streuobst Felddatenerhebung Mithilfe einer geschichteten Zufallsstichprobe wurden 120 für Streuobstbestände in Baden- Württembergs repräsentative Flächen mit einer Größe von jeweils 1 km 2 ausgewählt (Abb. 5). Die räumliche Abgrenzung der Schichten der Stichprobe wurde mithilfe der Landsat 2000 Klassifikation abhängig von der Anzahl der Streuobstbäume in der Landschaft durchgeführt. Die Auswahl der Flächen erfolgte auf der Grundlage von 405 Probeflächen des Brutvogelmonitorings des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA), um Synergieeffekte zwischen den Projekten zu nutzen.auf diesen Flächen wurden alle Obstbäume, die folgende Kriterien erfüllen, erfasst und anhand ihrer Baumart, Ertragsfähigkeit und ihres Schnittzustands charakterisiert: Stammhöhe mindestens 1,2 m bis zum Kronenansatz Baumdichte maximal 200 Bäume pro Hektar Baum steht außerhalb eines Hausgartens oder einer Kleingartenanlage Baum steht außerhalb eines Streuobstgrundstücks, das komplett verbuscht ist In Tabelle 1 sind diese Parameter sowie deren Kategorien, zwischen denen bei der Erhebung unterschieden wurde, dargestellt. Die Auswahl dieser Parameter, deren Einteilung sowie die dargestellten Kriterien zur Erfassung der Bäume sind an die Definitionen der Obstbaumzählung 1965 angelehnt, um eine weitgehende Vergleichbarkeit der Ergebnisse ermöglichen zu können. Ergebnisse Anzahl der Streuobstbäume in Baden-Württemberg Die Erfassung der Streuobstbäume Baden-Württembergs aus den Laserscan-Daten des LGL ergab Abbildung 5: Tabelle 1: Erfassungsparameter Baumart Ertragsfähigkeit Schnittzustand Sonstiges Probeflächen und Schichten der Stichprobe (schraffierte Bereiche) Parameter der Felderhebungen Kategorie Apfel Birne Kirsche Zwetschenartig Walnuss Sonstige Noch nicht ertragsfähiger Baum Ertragsfähiger Baum Abgängiger Baum Toter Baum Kein Baumschnitt Unregelmäßiger Baumschnitt Regelmäßiger Baumschnitt Sukzession Freizeitnutzung 9

Schwerpunktthema Streuobst Landinfo 2/2010 Abbildung 6: Parameter Baumart (Hochrechnung der Ergebnisse der Felderhebungen auf die Streuobstbestände Baden-Württembergs) Abbildung 7: Parameter Ertragsfähigkeit (Hochrechnung der Ergebnisse der Felderhebungen auf die Streuobstbestände Baden-Württembergs) einen Bestand von 9,3 Mio. Bäumen. Aufgrund der Tatsache, dass die verwendeten Laserscan-Daten aus dem Jahr 2000-2005 stammen, ist die Zahl auf das Jahr 2005 zu beziehen. Unterstellt man durchschnittlich 80 Bäume je Hektar Streuobst, resultiert daraus eine Streuobstfläche von landesweit 116.000 Hektar. Qualitative Beurteilung der Streuobstbestände Baden- Württembergs Der Umfang der Felderhebungen betrug insgesamt 24.411 Obstbäume. Die Felddaten dieser Bäume wurden gemäß der Schichtung der Stichprobe auf die Streuobstbestände Baden-Württembergs hochgerechnet und vermitteln somit eine erste grobe Übersicht über deren qualitativen Zustand. Bezogen auf das gesamte Bundesland dominiert bei dieser Abschätzung die Baumart Apfel, ca. die Hälfte aller Streuobstbäume sind Apfelbäume. Ungefähr ein Viertel sind Kirschbäume, zwetschgenartige Bäume sind mit einem Anteil von 14 % vertreten, Birnbäume mit 11 % und Walnussbäume mit 4 %. Sonstige Baumarten sind nur vereinzelt beigemischt (Abb. 6). Im Hinblick auf den Altersaufbau zeichnet sich folgendes Bild ab: Der Anteil der abgängigen Bäume (12 %) wird von dem der jungen Bäume (13 %) in etwa gedeckt (Abb. 7). Auch wenn dieses Ergebnis zunächst generell positiv hinsichtlich des Erhalts der Bestände erscheint, muss es differenziert betrachtet werden. Der Schnittzustand der Bäume trägt entscheidend zur Lebensdauer und Ertragsfähigkeit und somit zum Fortbestand der Streuobstwiesen bei. Gerade in der Schnittpflege zeigen die Bestände aber große Defizite (Abb. 8). Beim überwiegenden Teil der Bäume, auch der Jungbäume, wird ein regelmäßiger Baumschnitt versäumt (Abb. 9). Abbildung 8: Parameter Schnittzustand (Hochrechnung der Ergebnisse der Felderhebungen auf die Streuobstbestände Baden-Württembergs) Abbildung 9: Schnittzustand in Abhängigkeit der Ertragsfähigkeit (Hochrechnung der Ergebnisse der Felderhebungen auf die Streuobstbestände Baden- Württembergs) 10

Landinfo 2/2010 Schwerpunktthema Streuobst Bilanzierung der aktuellen Ergebnisse mit den Ergebnissen der Obstbaumzählung 1965 und der Obstbaumerhebung 1990 Die nach der dargestellten Methode für das Jahr 2005 erhobene Streuobst-Baumzahl umfasst 9,3 Mio. Bäume (ohne die Bestände innerhalb der Siedlungsgebiete). Im Vergleich zur letzten quantitativen Schätzung im Jahr 1990 (MAAG, 1992) haben die Streuobstbestände 2005 damit um 2,1 Mio. Bäume abgenommen. Im Jahr 1965 wurden noch ca. 18 Mio. Streuobstbäume gezählt, wobei allerdings damals auch Bestände innerhalb des Siedlungsbereiches mit erfasst wurden (STA- TISTISCHES LANDESAMT BADEN- WÜRTTEMBERG 1967). Bei einem Vergleich der qualitativen Ergebnisse aus der Hochrechnung der aktuellen Felddaten mit den Ergebnissen der Obstbaumzählung von 1965 und der Obstbaumerhebung von 1990 werden Veränderungen im Aufbau der Streuobstbestände deutlich. Wie bereits 1990 erkennbar, ist im Hinblick auf die Artenzusammensetzung seit 1965 eine Zunahme des Kirsch- und Walnussanteils sowie eine Abnahme des Anteils an zwetschgenartigen und sonstigen Obstbäumen zu erkennen. Der Anteil der Apfel- und Birnbäume hat sich dagegen kaum verändert. Im Hinblick auf die Zusammensetzung der verschiedenen Ertragsstufen ist seit 1965 eine deutliche Zunahme der abgängigen Bäume zu erkennen (ca. 12 %). Diese Zunahme ging vor allem zu Lasten der ertragsfähigen Bäume, hier hat sich der Anteil um 8 % verringert. Aber auch der Anteil der noch nicht ertragsfähigen Bäume hat seit 1965 um 5 % abgenommen. Prognose der Entwicklungen der Streuobstwiesen Baden- Württembergs Die Zusammensetzung der Baumarten innerhalb der Streuobstwiesen unterliegt einem ständigen Wandel. Dies wurde beim Vergleich mit den früheren Erhebungen deutlich. Fraglich ist nun, wie sich die einzelnen Baumarten in Zukunft entwickeln werden. Anhand der Felddaten, besonders der Kombination der Verhältnisse noch nicht ertragsfähige Bäume zu abgängige Bäume und Bäume mit regelmäßigem Baumschnitt zu Bäume ohne Baumschnitt können hierzu erste Prognosen gestellt werden. Es wurde deutlich, dass Birnbäume zukünftig vermutlich in den Hintergrund treten werden: Der Anteil der abgängigen Birnbäume übertrifft den Anteil der jungen Birnbäume um das Doppelte, darüber hinaus werden zwei Drittel der Birnbäume nicht regelmäßig geschnitten. Walnussbäume werden dagegen an Bedeutung gewinnen. Hierauf lässt vor allem der überproportional hohe Anteil an jungen Walnussbäumen schließen. Lediglich jedem zwanzigsten jungen Nussbaum steht ein abgängiger gegenüber. Der sehr hohe Anteil an Walnussbäumen ohne Schnitt wird die Bestandsentwicklung dieser Bäume nicht beeinflussen, da sich Walnussbäume durch ihre extrem geringe Pflegebedürftigkeit auszeichnen. Streuobstbäume sind in verschiedenen Bestandsformen in der Landschaft zu finden. Neben den Bäumen in flächigen Beständen, dem allergrößten Anteil der Bäume, prägen Obstbaumreihen entlang von Straßen und Wegen sowie einzeln in der Landschaft stehende Obstbäume das Landschaftsbild. Diese Bestandsformen unterscheiden sich sowohl im Hin- 3 9 83% 8 11% 9% 19% 7 6 5 4 44% 67% 1% Apfel Birne Walnuss 3 23% 11% 7% Nocht nicht ertragsfähige Bäume Abgängige Bäume Apfel Birne Walnuss Regelmäßiger Baumschnitt Kein Baumschnitt Abbildung 10: Parameter Ertragsfähigkeit (oben) und Schnittzustand (unten) bezogen auf die verschiedenen Baumarten 11

Schwerpunktthema Streuobst Landinfo 2/2010 3 9 8 7 77% 11% 12% 12% 6% 6 5 4 49% 54% Bestandsbaum Straßenbaum Einzelbaum 3 19% 17% 8% Nocht nicht ertragsfähige Bäume Abgängige Bäume Bestandsbaum Straßenbaum Einzelbaum Regelmäßiger Baumschnitt Kein Baumschnitt Abbildung 11: Parameter Ertragsfähigkeit (links) und Schnittzustand (rechts) bezogen auf die verschiedenen Baumstandorte blick auf die Artenzusammensetzung als auch in der Zusammensetzung der Ertragsstufen und des Schnittzustands. So fällt entlang von Straßen ein verhältnismäßig hoher Anteil an Birnbäumen, bei den Einzelbäumen ein verhältnismäßig hoher Anteil an Walnussbäumen auf. Auch hier kann die Kombination der beiden Verhältnisse noch nicht ertragsfähige Bäume zu abgängige Bäume und Bäume mit regelmäßigem Baumschnitt zu Bäume ohne Baumschnitt dazu dienen, die verschiedenen Bestandformen näher zu charakterisieren. Betrachtet man diese Ergebnisse dargestellt in den folgenden Diagrammen muss man der Bestandsform Einzelbaum eine negative Prognose für die Zukunft stellen. Der Anteil der abgängigen Einzelbäume übertrifft den Anteil der jungen um ein Vielfaches und der Anteil der Bäume ohne Schnitt ist mit 77 % sehr hoch. Bei den Straßenbäumen fällt besonders der hohe Anteil an jungen Bäumen auf. Betrachtet man den Schnittzustand dieser häufig im Rahmen von Ausgleichs- oder Biotopvernetzungsmaßnahmen gepflanzten Obstbäume genauer, fällt auf, dass sie anfangs relativ regelmäßig geschnitten werden. Nach der meist fünfjährigen Entwicklungspflege wird der regelmäßige Baumschnitt jedoch häufig versäumt. Oft gibt es keine konkreten Vereinbarungen über die Zuständigkeit der Baumpflege nach diesem Zeitraum. Ohne einen regelmäßigen Baumschnitt wird sich die Lebensdauer der Bäume jedoch stark verringern. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der aktuellen Streuobsterhebung, dass die Streuobstbestände Baden-Württembergs in den letzten beiden Jahrzehnten weiter abgenommen haben und die vorhandenen Bestände unter einem Pflegedefizit leiden. Die im Rahmen des Projektes erstellte Datenbasis ist auch Grundlage für die Umsetzung von Maßnahmen zur Erhaltung der landschaftsprägenden Streuobstbestände in Baden-Württemberg. Literatur MAAG, G. (1992): Zur Situation im Obstbau. Mit Ergebnissen der repräsentativen Streuobsterhebung 1990. In: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 9/1992, S 445-453. REITBERGER, J.; KRZYSTEK, P.; STILLA, U. (2009a): Möglichkeiten von First/Last Pulse und Full Waveform Laserscanning zur 3D Kartierung von Wäldern. DGPF Tagung, Jena, 24.- 26. März 2009. REITBERGER, J.; KRZYSTEK, P.; STILLA, U. (2009b): Benefit of Airborne Full Waveform LIDAR for 3D segmentation and classification of single trees. Proceedings ASPRS 2009 Annual Conference, Baltimore, MD, 09.-13. März 2009. STATISTISCHES LANDESAMT BADEN-WÜRTTEMBERG (Hrsg.) (1967): Der Obstbaum in Baden- Württemberg. Ergebnisse der Obstbaumzählung 1965. Statistik von Baden-Württemberg, Band 135, Stuttgart. 161 S. 12