Feinstaub das Thema des Jahrzehnts? Ingwald Obernberger Fachtagung Energie, 25.01.2013, Graz
Inhalt Gesundheitsrelevanz von Feinstaubimmissionen Rechtliche Situation Feinstaubquellen und Beitrag des Hausbrandes zur Feinstaubimmissionssituation Feinstaubemissionen aus Biomasse-Kleinfeuerungen Stand der Technik vs. Altanlagen Aktuelle und zukünftige F+E-Arbeiten zur weiteren Emissionsminderung Schlussfolgerungen und Empfehlungen 2
Einleitung In Österreich sterben nach Schätzungen der WHO (2004) 4.600 Menschen vorzeitig an den Folgen von Feinstaub. Europaweit sind es fast 300.000 vorzeitiger Todesfälle. 3
Gesundheitsrelevanz Feinstaub gelangt über die Atemwege in den Körper Partikel <10 µm gelangen bis in die Bronchien Partikel <5 µm können noch tiefer in die Lungen eindringen Je kleiner die Partikel sind umso tiefer können sie in die Lungen eindringen (a) (b) Bild von in-vivo Depositionen g-zintigraphie (a) 3 µm MMAD Pulver (b) 5 µm MMAD Pulver MMAD mass medium aerosol diameter 4
Auswirkung von Feinstaub auf die menschliche Gesundheit Auswirkungen durch akute Exposition Entzündungsreaktionen der Lunge Zunahme von Symptomen der Atemwege schädliche Effekte auf das Herz- Kreislauf-System Zunahme des Gebrauchs von Medikamenten Zunahme der Spitalsaufenthalte Zunahme von Todesfällen Auswirkungen durch Langzeit-Exposition Zunahme von Atemwegsymptomen Abnahme der Lungenfunktion bei Kindern und Erwachsenen Zunahme von chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (CODP) Abnahme der Lebenserwartung, bedingt durch eine Zunahme der Erkrankungen der Atemwegsorgane, des Herz-Kreislauf-Systems und von Lungenkrebs Quelle: WHO 2004 5
Ausgangspunkt der Feinstaubdiskussion 2005 trat die EU Richtlinie 1999/30/EG in Kraft Sie regelt unter anderem die Luftgüte bezüglich PM 10 Grenzwert für den Tagesmittelwert an PM 10 : 50 µg/m³ Grenzwert für den Jahresmittelwert an PM 10 : 40 µg/m³ Der Grenzwert für den Tagesmittelwert an PM 10 darf an einer Messstelle nicht öfter als 35 mal im Jahr überschritten werden In zahlreichen europäischen Regionen musste festgestellt werden, dass deutlich mehr als 35 Überschreitungen pro Jahr auftreten Es setzte eine heftige, nach wie vor andauernde, Diskussion bezüglich erhöhter Feinstaubimmissionswerte und der dafür verantwortlichen Feinstaubquellen ein Hausbrand, speziell alte Biomassefeuerungen, wurden dabei als eine Hauptquelle identifiziert 6
Gesetzliche Lage und Feinstaubsituation in Österreich In Österreich sind im Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) Immissionsgrenzwerte zum langfristigen Schutz der menschlichen Gesundheit definiert. PM 10 Tagesmittelwert: 50 μg/m³ pro Kalenderjahr zulässige Anzahl an Überschreitungen: bis 2004: 35 2005 bis 2009: 30 ab 2010: 25 PM 10 Jahresmittelwert: 40 μg/m³ Der für den Tagesmittelwert festgelegte Grenzwert wurde im Jahr 2011 an 80 von 140 gemäß IG-L betriebenen Messstellen mehr als 25 mal überschritten. An 43 Messstellen gab es mehr als 35 Überschreitungen. Der Jahresmittelwert konnte an allen Messstellen eingehalten werden. 7
Feinstaubquellen in Österreich (Stand 2008) PM 10 -Emissionen Sonstige 2% Energieversorgung 4% Verkehr 23% Verkehr 25% Industrie 27% PM 2,5 -Emissionen Sonstige 2% Energieversorgung 5% Industrie 17% Hausbrand 29% Landwirtschaft 15% Hausbrand 45% Landwirtschaft 6% Hausbrand: 90% der PM 10 -Emissionen entstammen Holzfeuerungen Der Anlagenbestand von Biomasse-Kleinfeuerungsanlagen wird von Altanlagen (10 Jahre alt und älter) dominiert Diese weisen ca. um den Faktor 5-10 höhere Feinstaubemissionen auf als moderne automatisch betriebene Biomasse-Kleinfeuerungen 8
Feinstaubbildung bei der Biomasseverbrennung in Kleinfeuerungen fast vollständige Verbrennung moderne automatisch geregelte Pellet-, Hackgut- und Scheitholzkessel anorganische Feinstäube Kaliumsulfat, Kaliumchlorid, Kaliumkarbonat, Schwermetalloxide Quelle: IPPT/TU Graz unvollständige Verbrennung alte Scheitholzkessel, Öfen und Herde Feinstaub aus kondensierten Kohenwasserstoffen sowie Ruß 0,1 µm Quelle: University of Eastern Finland 9
PM1 [mg/mj] Feinstaubemissionen aus Biomasse-Kleinfeuerungen Altanlagen vs. derzeitiger Stand der Technik 100 80 60 40 Ruß (elementarer Kohlenstoff) kondensierte Kohlenwasserstoffverbindungen andere Oxide Schwermetall-Oxide Alkalimetall-Karbonate Alkalimetall-Chloride Alkalimetall-Sulfate 20 0 Pelletkessel Hackgutkessel moderner Scheitholzkessel alter Kaminofen alter Scheitholzkessel Erläuterungen: Analysen von Feinstaubpartikelproben, die über einen repräsentativen Tageslastverlauf (Wintertag) gezogen wurden 10
Toxikologische in-vitro Tests mit Feinstaubproben aus Biomasse-Kleinfeuerungen Genotoxizität (I) Genotoxizität Wirkungen von chemischen Stoffen, die Änderungen im genetischen Material (DNA) von Zellen auslösen Comet Assay (Einzelzellgelelektrophorese): Technik DNA-Schädigungen in Zellen festzustellen Beruht auf Wanderung von in Agarose (Gel) eingebetteten Zellen in einem elektrischen Feld Nur geschädigte, bruchstückhafte DNA kann aus dem Zellkern herauswandern und bildet einen Schweif aus DNA-Bruchstücken, der ihnen das Aussehen eines Kometen gibt Das Schweifmoment gibt Information über das Verhältnis der geschädigten zu den ungeschädigten Zellen. 11
Schweifmoment [%] Toxikologische in-vitro Tests mit Feinstaubproben aus Biomasse-Kleinfeuerungen Genotoxizität (II) 16 14 Blank 150 [µg/ml] 25 24 12 50 [µg/ml] 150 [µg/ml] 10 300 [µg/ml] 8 Dieselruß [150 µg/ml] 6 4 2 0 Pellet- Kessel Hackgut- Kessel moderner SH-Kessel moderner SH-KO moderner Kachelofen alter SH- Kaminofen alter SH- Kessel SH Scheitholz; KO Kaminofen; Blank Nullprobe Ergebnisse von in-vitro Tests, bei denen Lungenzellen von Mäusen Feinstaubproben in 4 verschiedenen Dosierungen ausgesetzt wurden; die Feinstaubproben wurden über typische Tageslastzyklen gezogen 12
t PM2,5 / Jahr Reduktionspotential der Feinstaubemissionen bei Substitution aller alten Biomassefeuerungen durch moderne Biomasse-Kleinfeuerungen in Österreich 9.000 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 Datenbasis: Stand 2009 Emissionen von alten Biomasse- Kleinfeuerungen Emissionen von Neuanlagen, die Altanlagen ersetzen Emissionen von Neuanlagen bei Substitution von Altanlagen <1000 Anlagentechnik der Zukunft Anlagenbestand in Österreich laut einer Marktstudie, die im EU-FP7-Projekt EU-UltraLowDust von der BIOS BIOENERGIESYSTEME GmbH durchgeführt wurde Emissionsfaktoren laut Erhebungen des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie im Rahmen des EU-Projektes EU-UltraLowDust Plausibilitätskontrolle über die Daten zu PM 2,5 Emissionen des Sektors Kleinverbraucher im Jahr 2009 laut der Bundesländer-Schadstoffinventur 1990-2009 (UBA, 2011) 13
Feuerungstechnische Maßnahmen zur Minderung der Feinstaubemissionen aus Biomasse-Kleinfeuerungen (I) Es sollten prinzipiell Primärmaßnahmen (Technologieoptimierung) Sekundärmaßnahmen (Filter) vorgezogen werden durch intelligente Technik die Emissionsbildung minimieren Schritt 1: Ausbrandoptimierung (bereits in Umsetzung) Optimierte Luftstufungskonzepte Ausreichend hohe Feuerraumtemperaturen (>800 C) Optimierte Durchmischung von Rauchgasen und Verbrennungsluft Ausreichend Verweilzeit bei hohen Feuerraumtemperaturen Low-Emission-Konzepte auf Basis der weitgehenden Vermeidung von Emissionen an kondensierten Kohlenwasserstoffen und Ruß Computergestützte Feuerungssimulation mittels CFD dafür sehr wichtig Zielsetzung für Kessel: <10 mg/mj Zielsetzung für Öfen: <25 mg/mj 14
Feuerungstechnische Maßnahmen zur Minderung der Feinstaubemissionen aus Biomasse-Kleinfeuerungen (II) Schritt 2: Kalte Brennstoffbettführung (in Entwicklung) Reduktion der Kaliumfreisetzung aus dem Brennstoff Minimierung der anorganischen Feinstaubemissionen Zukünftige Ultra-Low-Emission Konzepte Zielsetzung: <2 mg/mj in Richtung Nullemissionen 15
Wichtige Punkte zur Umsetzung der Optimierungsmaßnahmen im Feldbetrieb (I) Anlagenregelung Das volle Potential moderner Feuerungstechnik für niedrige Emissionen kann auch in, dem Stand der Technik entsprechenden, Feuerungen nicht genutzt werden. Die Regelungskonzepte sind nicht in der Lage, Sollwertvorgaben unter wechselnden Lastbedingungen gesichert einzuhalten. gute Ergebnisse im stationären Prüfstandsbetrieb höhere Emissionen im Lastwechsel- und Teillastbetrieb oft auftretender Stop-and-Go Betrieb anstatt von kontinuierlichem Teillastbetrieb (besonders wichtiger Faktor im Feldbetrieb) speziell betreffend Feinstaub, vermeidbare Emissionen an Russ und organischen Partikeln Entwicklung verbesserter intelligenter Anlagenregelungskonzepte Modellbasierte Regelung als wichtiger Schritt in die Zukunft Entwicklung automatischer Abbrandregelungen für Öfen 16
Wichtige Punkte zur Umsetzung der Optimierungsmaßnahmen im Feldbetrieb (II) Benutzerschulung Steigender Benutzereinfluss von automatisch beschickten Systemen (Pellet- und Hackgutkessel) über manuell beschickte automatisch geregelte Systeme (Scheitholzkessel) hin zu manuell beschickten, ungeregelten Systemen (Öfen). Typische Fehler, die zu erhöhten Feinstaubemissionen führen Hackgutkessel - schlechte Brennstoffqualität (z.b.: zu hoher Wassergehalt) Scheitholzkessel - schlechte Brennstoffqualität (z.b.: zu hoher Wassergehalt) - falsches Beschicken des Füllraums Öfen - schlechte Brennstoffqualität (z.b.: zu hoher/niedriger Wassergehalt) - unzulässiger Brennstoff (z.b.: behandelte Hölzer, Rindenbricketts) - mangelhafte Ausrichtung von Holzscheiten im Brennraum - falsche Anzündstrategien - Überladen von Öfen 17
Schlussfolgerungen und Empfehlungen Die PM 10 -Tagesmittelwerte laut IG-L werden in Österreich an mehr als 50% der betriebenen Messstellen mehr als 25 mal im Jahr überschritten. Alte Holzfeuerungen liefern dazu einen hohen Beitrag. Feinstaub ist somit das Thema des Jahrzehnts und wird es auch im nächsten Jahrzehnt bleiben. Erhebliche technologische Weiterentwicklungen konnten bereits realisiert werden, wodurch moderne Biomasse-Kleinfeuerungen deutlich geringere Feinstaubemissionen aufweisen als Altanlagen. Wichtige empfohlene Maßnahmen Förderung der Entwicklung neuer Ultra-Low-Dust-Technologien in Richtung Nullemissionen Geeignete Maßnahmen zur Beschleunigung der Substitution von Altanlagen durch moderne Biomassefeuerungen durch den Gesetzgeber 18
Danke für Ihre Aufmerksamkeit Prof. Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Ingwald Obernberger Inffeldgasse 21b, A-8010 Graz, Österreich Tel.: +43 (316) 481300-12 Fax: +43 (316) 481300-4 Email: ingwald.obernberger@tugraz.at Homepage: http://www. bioenergy2020.eu