Berliner Hygienesymposium Gesetzlicher Rahmen und klinischer Alltag Initiative Infektionsschutz und PEG DIE AKADEMIE 15. Mai 2012, 10.00 17.00 Uhr 10.30 11.00 Uhr Einführungsvortrag Hygiene das Zukunftsthema für Krankenhausmanager Dr. Martin Küfer, Leitender Medizinaldirektor, Geschäftsbereichsleiter des Öffentlichen Gesundheitsdienstes am Landratsamt Neu-Ulm Sehr geehrte Damen und Herren, ein Blick auf die Zahl der nosokomialen Infektionen zeigt, wie wichtig das Thema Hygiene in den Kliniken ist: Jährlich erkranken in Deutschland bei konservativer Schätzung ca. 400.000 bis 600.000 Patienten an nosokomialen Infektionen und schätzungsweise zwischen 7.500 und 15.000 sterben daran. Bei strikter Beachtung der Hygienevorschriften ließe sich die Zahl um ca. 20-30 % verringern. Hygiene ist Zukunftsthema für Krankenhausmanager Hygeia ist die Göttin der Gesundheit und eine Tochter des Äskulap, des Gottes der Heilkunst. Die Ärzte schwören im Eid des Hippokrates auf beide. Gute Hygiene ist die unabdingbare Erfolgsgrundlage einer medizinischen Behandlung und beeinflusst direkt das Ansehen der Klinik. In Ihrer Funktion als ärztliche und kaufmännische Direktoren, Krankenhaushygieniker, Chefärzte oder Pflegedirektoren haben Sie den entscheidenden Einfluss darauf, wie die Hygienekonzepte in Ihrer Einrichtung umgesetzt werden, wie Hygiene gelebt wird. Die Hygiene ist daher das Zukunftsthema für Krankenhausmanager. Im ersten Teil meines Vortrags stelle ich eine Gesamtstrategie für ein gutes Hygienemanagement mit 5 Punkten vor. Im zweiten Teil meines Vortrags lege ich dar, welchen Beitrag der Öffentliche Gesundheitsdienst in Bayern leistet, um die Hygiene in Kliniken zu verbessern. Erster Teil: Gesamtstrategie für ein gutes Hygienemanagement Die lange geforderten gesetzlichen Grundlagen liegen nun vor: Infektionsschutzgesetz, insbesondere 23 Hygieneverordnungen der Länder (derzeit zum Teil noch in Bearbeitung). 1
Es liegt nun an Ihnen als Entscheidungsträger in den Kliniken, die Vorgaben umzusetzen und mit Leben zu füllen. Wie das gelingen kann, zeigen die folgenden 5 Punkte: Punkt 1: Erklären Sie Hygiene zur Chefsache 23 des Infektionsschutzgesetzes fordert, dass die Leiter von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen sicherzustellen haben, dass Krankenhausinfektionen verhütet werden. Nur der Leiter der Einrichtung hat die notwendige Machtposition, um die wichtigen Hygienevorgaben umzusetzen. Grundvoraussetzungen dafür sind die 3 M: Mitarbeiter, d.h. ausreichend Hygienepersonal Monetäre Mittel, z.b. Investitionen in Gebäude, Geräte, MRSA-Screening Motivation aller Mitarbeiter Warten Sie nicht darauf, bis Ihre Klinik wegen eines Hygieneskandals in den Schlagzeilen der Presse erscheint. Die Gesundheit der Patienten ist beeinträchtigt. Der Ruf der Klinik steht auf dem Spiel. Wie die Beispiele der letzten Jahre zeigen, können die personellen, rechtlichen und finanziellen Folgen für die Klinik existenzbedrohend sein. Punkt 2: Stellen Sie ausreichend Hygienepersonal ein In den einzelnen Landeshygieneverordnungen finden sich die genauen Vorgaben, wie viel Hygienepersonal die Klinik braucht. Jedes Krankenhaus ab z.b. 400 Betten muss einen Facharzt für Hygiene anstellen, der die Umsetzung der Hygieneregeln überwacht und Ärzte sowie Klinikleitung berät. Außerdem müssen hygienebeauftragte Ärzte und Hygienefachkräfte beschäftigt werden. Da es zu wenig Hygienepersonal gibt, gelten allerdings Übergangsregelungen. Ist zu wenig Hygienepersonal vorhanden, kann dies als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld sanktioniert werden. Informieren Sie sich also in der jeweiligen Landeshygieneverordnung, ob Sie zusätzliches Hygienepersonal brauchen. Bauen Sie nicht nur auf Unterstützung von außen, sondern sorgen Sie für die Aus- und Fortbildung Ihres eigenen Personals. Hygienepersonal vor Ort kann am besten einschätzen, welche Risiken für die Einrichtung relevant sind und welche Anschaffungen wirklich notwendig sind. Das Hygienepersonal ist für Ihre Mitarbeiter und bei Hygienekontrollen durch die Gesundheitsämter ein wichtiger Ansprechpartner. 2
Punkt 3: Regeln Sie folgende Bereiche neu: Surveillance nosokomialer Infektionen Umgang mit krankenhaushygienisch relevanten Erregern Antibiotikamanagement Folgende Ziele sind im Infektionsschutzgesetz neu festgelegt: Nosokomiale Infektionen verringern: Dazu wurden die Vorgaben für Krankenhäuser und Einrichtungen für ambulantes Operieren verschärft: Die Infektionen müssen nicht nur wie bisher aufgezeichnet und bewertet werden. Nun müssen auch Schlussfolgerungen und Maßnahmen folgen. Ausbrüche von nosokomialen Infektionen werden neuerdings vom Gesundheitsamt bis an das Robert Koch-Institut weitergemeldet. Antibiotika sachgerecht verordnen: Beim Robert Koch-Institut wird zusätzlich zur bereits bestehenden Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention eine neue Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie eingerichtet. In den Kommissionen werden mit zusätzlichem Personal Empfehlungen erarbeitet. Nicht nur die Erfahrung, auch Untersuchungen an Kliniken bestätigen, dass bei Maßnahmen zur Verhütung nosokomialer Infektionen ein großer Nachholbedarf besteht. Allein die Beschäftigung mit dem Thema bewirkt, dass diese um mehrere Prozent zurückgehen. Der Erfolg ist dabei umso größer, je weniger man sich vorher damit beschäftigt hat. Die Niederlande haben mit 0,4 Prozent die niedrigste MRSA-Quote (MRSA = Methicillinresistenter Staphylococcus aureus) bei Krankenhausinfektionen in Europa, in Deutschland liegt sie bei knapp 20 Prozent. Fast jede Klinik in den Niederlanden beschäftigt einen Facharzt für medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene. Dessen Aufgabe ist unter anderem, die Verschreibung von Antibiotika zu überwachen. Umso mehr Antibiotika eingesetzt werden, umso eher entwickeln sich resistente Keime. In Ländern, in denen große Mengen an Antibiotika verordnet werden, sind resistente Keime häufiger. Punkt 4: Machen Sie die Händehygiene zum Aushängeschild Gemäß 23 Infektionsschutzgesetz haben die Leiter von Krankenhäusern unter anderem sicherzustellen, dass ein Hygieneplan vorliegt. Der Händehygiene kommt dabei die zentrale Bedeutung zu. 3
Die Hände des Personals sind das wichtigste Übertragungsvehikel von Krankheitserregern. Daher gehört die Händehygiene zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von Krankenhausinfektionen. Wissenschaftlich ist dies in vielen Studien belegt, es muss aber auch zur Tugend werden. Punkt 5: Informieren Sie über das Hygienemanagement Ihrer Klinik Die Kliniken müssen ab 2013 in jährlichen Qualitätsberichten auch über das Hygienemanagement berichten. Im Mittelpunkt des neuen Gesetzes steht der Patient. Er soll sich darüber informieren können, wie seine Klinik die Hygienevorschriften einhält. Information schafft Öffentlichkeit. Der Patient kann sich vorher informieren und die Kliniken vergleichen. Patienten sollten sich nicht nur über die Qualität des behandelnden Arztes erkundigen, sondern auch mit dem Krankenhaushygieniker sprechen. Der Eingangsbereich der Klinik vermittelt den wichtigen ersten Eindruck. Auf großen Tafeln finden sich Hinweise auf alle Fachabteilungen, Operationsbereich, Intensivstationen, sowie Geräte zur Bildgebung wie Ultraschall, Computertomografie oder Kernspin. Weisen Sie auch auf Ihre Kompetenzen und Anstrengungen im Hygienemanagement hin. Stellen Sie Händedesinfektionsmittelspender mit Hinweisschildern für Besucher auf. Ich komme nun zum zweiten Teil. Zweiter Teil: Welchen Beitrag leistet der Öffentliche Gesundheitsdienst in Bayern, um die Hygiene in Kliniken zu verbessern? In Bayern wurde 2010 ein Hygienekonzept entwickelt, das neben gesetzlichen Vorgaben und Personalqualifikation insbesondere die Überwachungsbehörden stärkt. Die folgenden drei Punkte zeigen dies: Erstens: Überwachungskonzept an Kliniken Bis 2010 haben die Gesundheitsämter die medizinischen Einrichtungen vor allem anlassbezogen bzw. im Rahmen von Projektarbeit kontrolliert. 2011 gab es für die Gesundheitsämter in Bayern bei der Überwachung von Kliniken ein neues anspruchvolles Konzept: Bewertung des Risikos für nosokomiale Infektionen an allen 389 Akutkrankenhäusern in Bayern Begehung aller Akutkrankenhäuser mit Operationsbereich und Intensivstation und Überprüfung mittels spezifischer Checklisten 4
2011 hat Bayern als erstes Land eine Spezialeinheit Infektionshygiene am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingerichtet. Sie unterstützt die Gesundheitsämter vor Ort personell und fachlich. Diese Spezialeinheit begleitete die Gesundheitsämter bei 40 Begehungen und führte ein eigenes Projekt zur Erfassung von Krankenhausinfektionen auf Intensivstationen durch. Die Gewerbeaufsicht kontrollierte in Absprache mit den Gesundheitsämtern in 100 Krankenhäusern die Aufbereitung von Medizinprodukten, insbesondere die Validierung. Die Ergebnisse werden demnächst vorgestellt. Auch 2012 begehen die Gesundheitsämter in Bayern alle Akutkrankenhäuser. Mittels Checklisten werden erfasst: Daten zur Surveillance von nosokomialen Infektionen Daten zum MRSA-Aufnahmescreening Prozessbeobachtung zur Händehygiene Schwerpunktprojekt der Spezialeinheit Infektionshygiene wird 2012 die Begehung aller neonatologischen Intensivstationen in Bayern sein. Zweitens: Netzwerkbildung und Fortbildung Bereits im Dezember 2008 wurde in Bayern ein landesweites Netzwerk zum Thema multiresistente Erreger gebildet. Dies wird koordiniert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Beteiligt sind Verbände, Behörden und Universitäten. Die Ergebnisse der Arbeitssitzungen werden im Internet veröffentlicht. Alle Gesundheitsämter in Bayern haben inzwischen regionale Netzwerke zum Thema multiresistente Keime eingerichtet. Jährliche Treffen sind vorgeschrieben. Keime halten sich nicht an Ländergrenzen, auch wenn sie wie Neu-Ulm in Bayern und Ulm in Baden- Württemberg durch die Donau getrennt sind. Die Öffentlichen Gesundheitsdienste des Landkreises Neu-Ulm sowie des Alb-Donau-Kreises mit Ulm werden daher im November 2012 erstmals länderübergreifend ein Netzwerktreffen veranstalten. Die kassenärztlichen Vereinigungen, niedergelassene Ärzte sowie weitere Akteure beteiligen sich, so dass das Treffen für die Abrechnung der ärztlichen Leistungen im MRSA-Management zählt. Drittens: Informationstag multiresistente Keime für die Bürger Die länderübergreifende Zusammenarbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes hilft auch, um gemeinsam mit weiteren Akteuren einen Informationstag multiresistente Keime zu 5
planen. Zielgruppe ist die breite Öffentlichkeit, die wir im Stadthaus am Münsterplatz in Ulm erreichen wollen. Themen sind auch hier Händehygiene, Antibiotikaeinsatz sowie die Bedeutung multiresistenter Keime. Geplant ist ein Termin im Frühjahr 2013. Zusammenfassung Hygiene und Medizin gehören zusammen. Hygiene ist nicht nur ein Spezialthema für einige wenige Spezialisten. Es ist für die Klinik insgesamt von Bedeutung. Sie als Entscheidungsträger in den Kliniken haben die Möglichkeit, die neue Hygienekultur zu fördern. In Doktor Erich Kästners Lyrischer Hausapotheke findet sich folgender praktischer Ratschlag: "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." In diesem Sinne freue ich mich auf die nun folgenden spannenden Vorträge. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 6