Clearingstelle Jugendhilfe/Polizei. Infoblatt Nr. 31 Sonderausgabe (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18)

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Transkript:

Stiftung SPI Clearingstelle Jugendhilfe/Polizei Infoblatt Nr. 31 Sonderausgabe (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) Kriminalitätsbelastete Orte im Sinne des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) Berlin Geschäftsbereich Soziale Räume und Projekte Clearingstelle Jugendhilfe/Polizei Kremmener Straße 9-11 10435 Berlin Telefon 030.449 01 54 Fax 030.449 01 67

Kriminalitätsbelastete Orte im Sinne des Allgemeinen Sicherheitsund Ordnungsgesetzes (ASOG) Berlin (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) Kriminaldirektor Oliver Tölle, Landeskriminalamt, Stab 6 Einleitung Was sind Orte? Kriminalitätsbelastete Orte Anlässlich wesentlicher Änderungen des ASOG Berlin ersetzt der Artikel das bisherige Infoblatt Nr. 18. Die Eingriffsvoraussetzungen polizeilicher Maßnahmen an kriminalitätsbelasteten Orten (früher: gefährlichen Orten) stellen weder auf einen bestimmten Anlass noch eine bestimmte Person ab, sondern - fallunabhängig - auf die tatsächlich nachgewiesene Kriminalitätsbelastung des jeweiligen Ortes. Eines konkreten Einzelfallverdachtes bedarf es also nicht. Unter welchen Voraussetzungen ein Ort als kriminalitätsbelastet im Sinne des Polizeirechts anzusehen ist, definiert das ASOG Berlin nunmehr wesentlich anders, als es zum Zeitpunkt des Erscheinens des Infoblattes Nr. 18 der Fall war. Deshalb erschien es angemessen und im Ergebnis praktikabler, das im September 2001 erschienene Infoblatt komplett zu überarbeiten. Ist im Folgenden von Orten die Rede, so sind hiermit Straßenzüge bis hin zu kleineren Regionen (z.b. ein Bereich Potsdamer Straße, Lützowstraße, Bülowstraße ) sowie Plätze oder Parks, aber auch geschlossene Räumlichkeiten, insbesondere Schankwirtschaften, gemeint. Voraussetzung ist stets, dass sich die Örtlichkeit als eine einheitliche Szene darstellt. So erklärt sich auch, dass es beispielsweise durchaus denkbar ist, einen Bereich mehrerer Straßen zu erfassen, während dies beispielsweise bei größeren Plätzen ( z.b. dem gesamten Alexanderplatz) zwar möglich, in der Praxis aber nur in Ausnahmefällen begründbar erscheint. Sofern es sich um geschlossene Räumlichkeiten handelt, richtet sich das Betreten nicht nach 21 ASOG-Berlin (Identitätsfeststellung) 1, sondern nach 36 Abs. 4 ASOG- Berlin (Betreten und Durchsuchen von Wohnungen) 2. Wann ein Ort als kriminalitätsbelastet anzusehen ist, ergibt sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls. Listen oder Festlegungen (von wem auch immer) sind dagegen rein deklaratorisch. Rechtlich ist es also nicht möglich, das polizeirechtliche Maßnahmenspektrum durch entsprechende Anordnungen oder Ausschreibungen zu eröffnen. 1 Genaueres im Infoblatt Nr. 23: Identitätsfeststellungen. 2 Vgl. dazu Infoblatt Nr. 14: Durchsuchungen. Infoblatt Nr. 31 Kriminalitätsbelastete Orte (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) S. 1

Die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen hängt ausschließlich davon ab, ob die entsprechende Kriminalitätsbelastung konkret nachgewiesen ist oder nicht. Tatsachen, also dem Beweis zugängliche Umstände, zu denen auch polizeilich tatsächlich abgesicherte Erfahrungen gehören, müssen belegen, dass an dem Ort folgende Gefahren drohen: Verabredung, Vorbereitung oder Verüben von Straftaten von erheblicher Bedeutung; Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften; Verbergen gesuchter Straftäter; Nachgehen der Prostitution (vgl. 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG-Berlin). Straftaten von erheblicher Bedeutung Straftaten von erheblicher Bedeutung waren ursprünglich und noch bei Erscheinen des Infoblattes Nr. 18 gemäß 17 Abs. 3 ASOG-Berlin unabhängig von der Art des Deliktes als solche definiert: Verbrechen (alle Straftaten, die im Mindestmaß mit einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden), Vergehen, die aufgrund ihrer Begehungsweise, ihrer Dauer oder Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören; dies gilt insbesondere für Straftaten, die gewerbs-, gewohnheits-, serienoder bandenmäßig oder in anderer Weise organisiert begangen werden. Von dieser Verwendung einer Generalklausel hat sich der Gesetzgeber nunmehr vollständig abgewandt und ist stattdessen zu einem feststehenden Straftatenkatalog übergegangen. Er folgt damit sowohl einer modernen Gesetzgebungsmethode, Generalklauseln zugunsten enumerativer (aufzählender) Kataloge abzuschaffen, als auch der politischen Forderung, die Zulässigkeit tiefgreifender Maßnahmen an eine von vornherein erkennbare und nicht auslegungsfähige Deliktsschwere zu binden. Straftaten von erheblicher Bedeutung sind deshalb nunmehr alle Verbrechen und alle weiteren in 100 a der Strafprozessordnung aufgeführten Straftaten (u.a. Raub, räuberische Erpressung, Bandendiebstahl), Straftaten nach den 176, 180 b Abs. 2 und 224 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern, Menschenhandel, schwere Körperverletzung), Infoblatt Nr. 31 Kriminalitätsbelastete Orte (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) S. 2

Straftaten nach den 243 und 244 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StGB (Besonders schwerer Diebstahl, Diebstahl mit Waffen) soweit sie organisiert, insbesondere banden-, gewerbs- oder serienmäßig begangen werden. Maßgebend für die Gefährlichkeit des Ortes ist die jeweilige auf Tatsachen begründete Prognose. Regelmäßig wird man für die Gefährlichkeit eine Häufung bereits begangener einschlägiger Straftaten verlangen, die für sich oder in Verbindung mit anderen Umständen (z.b. vorhandene Lokalitäten, die das Umfeld solcher Straftaten fördern oder Räumlichkeiten, die durch ihre schwere Einsehbarkeit eine Betäubungsmittel-Szene durch Bunker und Möglichkeiten des Verbergens begünstigen) die Grundlage für die erforderliche Prognose stellen. Zwingend ist dies allerdings nicht. Begründet ein besonderer Umstand eine erhebliche Gefahrenlage, kann auch ohne bereits angefallene Straftaten ein kriminalitätsbelasteter Ort gegeben sein. So wird man beispielsweise einen kriminalitätsbelasteten Ort aufgrund von Raubtaten, gefährlichen Körperverletzungen oder Btm-Kleinhandel nur nach einigen (wenn auch nicht vielen) einschlägigen Feststellungen annehmen können. Bei erheblich gefährlicheren Delikten, wie z.b. Menschenhandel, schweren Fällen des Btm- Handels oder Waffenhandel, wird dagegen durchaus bereits ein erster Verdacht genügen. Es kommt also stets auf die Umstände des Einzelfalls und die Gefährlichkeit der zu erwartenden Störung (Straftat) an. Keinesfalls darf man hier in starren Schemata denken, beispielsweise kriminalitätsbelasteter Ort ab 5 Delikten. Beziehung zwischen Betroffenem und kriminalitätsbelastetem Ort Die/Der Betroffene muss sich an dem oben beschriebenen Ort aufhalten. Dies bedeutet, dass seine/ihre Anwesenheit in einer gewissen Beziehung zu diesem bestehen muss. Das ist z.b. bei Spaziergängen oder sonstigem Verbleiben oder Verweilen (beispielsweise als Gast im Lokal oder Nutzer einer Parkbank) der Fall, nicht aber bei einem bloßen Passieren oder Durchfahren der Örtlichkeit. Im Zweifel werden an den Nachweis des Aufenthalts in diesem Sinne geringe Anforderungen zu stellen sein, da der Grund für die Überprüfung bereits in der Gefährlichkeit des Ortes liegt. Keinesfalls kann hierüber versucht werden, die Eingriffsvoraussetzungen im Ergebnis wiederum auf einen konkreten Gefahrenverdacht heraufzuschrauben. Unzweideutig setzt das ASOG für die Zulässigkeit der Maßnahmen lediglich den (kon- Infoblatt Nr. 31 Kriminalitätsbelastete Orte (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) S. 3

kret gefahrenunabhängigen) Aufenthalt an solchen Orten voraus. Die Darlegungslast, dass, entgegen dem ersten Anschein, der für einen Aufenthalt spricht, der Ort lediglich passiert wurde, liegt beim Betroffenen, so dass Nachweisdefizite zu seinen Lasten gehen. Ziel- und Zweckbestimmung der Maßnahmen Nach 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG-Berlin kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, wenn sie sich an einem Ort aufhält, a) von dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass aa) dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben, bb) sich dort Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen, cc) sich dort gesuchte Straftäter verbergen, b) an denen Personen der Prostitution nachgehen. Schon daraus - insbesondere aus der neuen Definition der Straftat von erheblicher Bedeutung - folgt eine nicht auslegungsfähige Ziel- und Zweckbestimmung der Maßnahmen, die ihrerseits Zulässigkeitsvoraussetzung sind. Es ist schon vom Gesetzeswortlaut ausgeschlossen, diese auch als Razzien bekannten Maßnahmen zum bloßen Putzen der Innenstädte oder sonstigen Bestrebungen, lediglich misslebige Randgruppen zu verdrängen, einzusetzen. Eine solche Verwendung wäre weder mit dem Gesetzeswortlaut noch dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ( 11 ASOG-Berlin) zu vereinbaren. Indem es ausschließlich um die Abwehr der im Tatbestand genannten Gefahren (weder Strafverfolgung noch sonstige allgemeine Gefahrenabwehr) geht, ist ausschließlich die Polizei, und keine andere Ordnungsbehörde oder die Staatsanwaltschaft befugt, derartige Maßnahmen durchzuführen. Kriminalitätsbelasteter Ort und Prostitution Eine Besonderheit weist die Gefährlichkeit des Ortes im Zusammenhang mit der Prostitution auf. Einige Polizeigesetze verschiedener Bundesländer enthalten diesen Passus nicht mehr, da man dort der Auffassung ist, seine Voraussetzungen seien in der zuvor zitierten Rubrik a) mit erfasst. Diese vertretbare, dennoch aber den Rechtsschutz unnötig verkürzende Einschränkung, entstammt der einhelligen Meinung, dass der Anknüpfungspunkt an die Gefährlichkeit solcher Orte nicht die Prostitution selbst, sondern die regelmäßig mit ihr einhergehende Begleitkriminalität ist. Infoblatt Nr. 31 Kriminalitätsbelastete Orte (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) S. 4

Identitätsfeststellung Gemäß 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG-Berlin kann die Polizei zunächst die Identität einer Person feststellen, die sich an einem o.g. Ort aufhält. In ihrem Umfang richtet sie sich danach aus, was in der jeweiligen Lage, gemessen an der vorliegenden Gefahr, tatsächlich überprüfungsnotwendig ist. Regelmäßig wird man davon ausgehen können, dass Vor- und vollständiger Familienname festzustellen sind. Gleiches gilt für den Geburtsort und das Geburtsdatum sowie den Wohnsitz und die Staatsangehörigkeit. Je nach Belangen des Einzelfalls können auch noch andere Daten erforderlich sein, bis hin zu Beruf und anderen Identitätsmerkmalen. Regelmäßig mit erfasst sind Fahndungsabfragen. Nach 21 Abs. 3 ASOG-Berlin kann die Polizei die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann die Person anhalten, nach ihren Personalien befragen und verlangen, dass Angaben zur Identitätsfeststellung gemacht und mitgeführte Papiere ausgehändigt werden. Darüber hinaus kann die Person festgehalten und zur Dienststelle verbracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. In diesem Fall kann sie einschließlich der von ihr mitgeführten Sachen durchsucht werden. Diese Durchsuchung dient allerdings ausschließlich der Feststellung der Identität des Betroffenen und darf nicht über diesen Zweck hinausgehen. Durchsuchung der Person Gemäß 34 Abs. 2 Nr. 2 ASOG-Berlin ist eine Durchsuchung der angetroffenen Person, ihrer angelegten Kleidung, der Körperoberfläche und der natürlichen Körperöffnungen, ausschließlich an die Voraussetzung gebunden, dass sie sich an dem kriminalitätsbelasteten Ort aufhält. Sie ist also auch dann möglich, wenn die Identität des Betroffenen bereits feststeht. Unabhängig davon gestattet 34 Abs. 3 ASOG-Berlin die sogenannte Sicherungsdurchsuchung nach Waffen, gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln, wenn die Identität der Person festgestellt werden soll. Diese Durchsuchung muss allerdings zum Schutz der Polizeibeamten/- innen oder eines Dritten erforderlich, also an konkrete einschlägige Tatsachen gebunden sein. Sie ist hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, da sie in ihrer Spezifik nicht an die Voraussetzungen eines kriminalitätsbelasteten Ortes, sondern die Identitätsfeststellung allgemein anknüpft. Infoblatt Nr. 31 Kriminalitätsbelastete Orte (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) S. 5

Durchsuchung von Sachen Die Durchsuchung einer Sache ist zulässig, wenn sie sich an einem kriminalitätsbelasteten Ort befindet, z.b. ein abgestellter PKW oder ein aufgefundener Koffer. Dies gilt auch ohne dass eine dazu gehörige Person sich in der Nähe aufhält. Darüber hinaus ist die Durchsuchung einer Sache auch dann zulässig, wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die ihrerseits nach 34 ASOG- Berlin durchsucht werden darf, z.b. eine Handtasche, ein Koffer oder eine Plastiktüte der dort angetroffenen Person. Fazit Hält sich eine Person an einem kriminalitätsbelasteten Ort auf, steht sie also dem äußeren Anschein nach in einer engeren Beziehung zu einer Örtlichkeit, an der aufgrund von Tatsachen die Gefahr anzunehmen ist, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen, verübt oder verabredet werden oder gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen oder der Prostitution nachgegangen wird, darf durch die Polizei die Identität dieser Person überprüft und diese Person einschließlich der von ihr mitgeführten Sachen durchsucht werden. Gleiches gilt für die Durchsuchung von Sachen, die sich an einem solchen Ort befinden. Thema der nächsten Ausgabe: Infoblatt Nr. 32: Änderungen des Sozialgesetzbuches (SGB) ab 01/2005 Infoblatt Nr. 31 Kriminalitätsbelastete Orte (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) S. 6

Impressum Infoblatt Nr. 31 - Sonderausgabe - September 2004 Herausgeber Stiftung SPI Sozialpädagogisches Institut Berlin Clearingstelle Jugendhilfe/Polizei Kremmener Str. 9-11 10435 Berlin Tel: 030/ 449 01 54 Fax: 030/ 449 01 67 Gefördert durch das Landesjugendamt Berlin Redaktion Konstanze Fritsch Verfasser Kriminaldirektor Oliver Tölle, Landeskriminalamt Berlin, Stab 6 Das Infoblatt erscheint mindestens viermal im Jahr als Lose-Blatt-Sammlung zu Themen aus den Bereichen Recht, Pädagogik, Verwaltungsstrukturen und Polizeiaufgaben. Die Vervielfältigung unter Angabe der Quelle ist ausdrücklich erwünscht. Infoblatt Nr. 31 Kriminalitätsbelastete Orte (Aktualisierung des Infoblattes Nr. 18) S. 7