Predigt am 4.1.2015 in Steinenbronn Predigttext: Lukas 2, 41-52 Thema: Vertrauen statt Kontrolle Liebe Gemeinde, ich würde Sie gerne zu Beginn fragen: Was, denken Sie, wird in 12 Jahren sein? Vor 12 Jahren, da war das neue Jahrtausend gerade mal 3 Jahre alt. Wenn ich an meine Kinder denke: Tobi war damals ein Kleinkind und Mareike war noch gar nicht da Aber schauen wir 12 Jahre nach vorne: Da wird vieles ziemlich anders sein: Einige sind dann nicht mehr unter uns, manche sind dann schon in Rente, die Studienanfänger sind in berufl. Führungspositionen, die Fünftklässler stehen ihren Mann oder ihre Frau, und die Babies von heute fangen an zu pubertieren. 12 Jahre später wir hören heute, 11 Tage nach Weihnachten, eine Geschichte, in der Jesus 12 Jahre alt ist: Lukas 2, 41-52: 41 Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Passafest nach Jerusalem. 42 Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach. 43 Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der junge Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten. 44 Sie meinten, er sei irgendwo in der Pilgergruppe, und reisten eine Tagesstrecke weit; dann suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten. 45 Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn dort. 46 Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen. 47 Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten. 48 Als seine Eltern ihn sahen, waren sie sehr betroffen und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht. 49 Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? 50 Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. 51 Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen. 52 Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen. Diese Geschichte überliefert uns nur Lukas. Sie bildet eine Brücke zwischen den Kindheitsgeschichten und den Berichten über das Wirken Jesu als Erwachsener. Solche Geschichten mit legendenhaften Zügen wurden früher öfters bei Leuten von wichtiger Bedeutung erzählt. Sie hatten den Sinn, deutlich zu machen, dass die Größe dieses Menschen nicht vom Himmel gefallen ist, sondern schon im Kindesalter sichtbar wurde. Oft jedoch wusste man nichts über die Kindheit. Ist s deshalb nur eine Legende, wie manche glauben? Märchenhafte Züge wie in anderen Geschichten dieser Art gibt s hier nicht, deshalb kann s sich durchaus so oder ähnlich zugetragen haben.
Es war etwas Besonderes im jüdischen Volk, dass man zu den großen Wallfahrtsfesten aus allen Richtungen nach Jerusalem reiste. Besonders am Passafest im Frühjahr. Die Leute waren zu Fuß unterwegs. Von Nazareth brauchte man drei Tage, bis man dort war. Man muss sich das so vorstellen, dass die Großfamilien zusammen unterwegs waren. 20-50 Personen waren das. Man lief einen bestimmten Weg, und mit der Zeit zog sich die Gruppe immer mehr auseinander, vermischte sich mit anderen Pilgergruppen, die unterwegs waren. Jedoch, alle wussten: am Abend, da finden sich alle an einem bestimmten Platz ein. In Jerusalem angekommen, bezog die Großfamilie eine Pilgerherberge oder schlug ihre Zelte vor den Stadttoren auf, und in den nächsten Tagen während des Festes hielt man immer lockeren Kontakt miteinander. Nach den sieben Festtagen brachen alle wieder gemeinsam zur Heimreise auf. Jesus war als 12jähriger wohl das erstemal mit dabei. Mit 12 halten die Juden ihre Kinder für alt genug, dass sie in religiösen Dingen selbständig sein können. Sie achteten tagsüber nicht auf ihn. Die Jungen wollten Jerusalem lieber unter sich kennenlernen. Wahrscheinlich hatten seine Eltern wohl auch ein bisschen Angst, ob er so alleine klarkommt? Aber Hauptsache, er war abends wieder am Zeltplatz. So dachten sie auch am Aufbruchstag. Und dann war er abends nicht da. Und keiner aus der Verwandtschaft oder der Jugendlichen wusste etwas von ihm. Was ist passiert? Den ganzen nächsten Tag brauchten sie für die Rückreise. Erst bei Dunkelheit angekommen, konnten sie erst am darauffolgenden Morgen mit der Suche beginnen... Was da wohl in den Eltern vorgegangen ist? Das sind so Situationen, von denen man sich am Anfang eines neuen Jahres wünscht, dass man sie nicht erleben muss. Wo man um jemanden Angst haben muss, den man sehr liebhat. Und wo wir merken, dass wir keinen Menschen festhalten können, der uns lieb und wert ist. Immer wieder passiert Unvorhergesehenes. Immer wieder passieren Dinge, die wir nicht in der Hand haben. Es gibt da einen Reflex in uns, spätestens dann, wenn wir das Erwachsenenalter erreicht haben und vielleicht auch selbst eig. Kinder haben diesen Reflex, dass wir die Dinge festhalten, unter Kontrolle halten wollen... beim einen mehr, beim anderen weniger. Vertrauen ist gut, aber Kontrolle wohl doch besser so dachten wahrscheinlich Jesu Eltern. Ein 12jähriger sieht das natürlich anders. Er beginnt, anders nochmal als als Kind, die Welt zu erobern, und er beginnt, eigene Wege zu suchen und zu finden. Oft genug bewusst gegen den Willen der Eltern, oder wenigstens nachlässig sorglos.
So hat es Jesus in den Tempel gezogen. Dort hat er den Ort gefunden, wo er sein wollte. Das war der Ort, wo er dachte: Hier gehöre ich hin! Und man sieht ihn da sitzen und sich ohne Hemmungen an den Gelehrtengesprächen beteiligen. Was sympathisch wirkt, ist, dass wir lesen: Dieser Junge fragt viel und hört viel zu also nicht so ein altkluges Verhalten, was bestimmte Kinder ja an den Tag legen können. Er war sehr neugierig, und deshalb wusste er auch viel, und sie staunten über seine Redebeiträge. Ein junger Mensch an seinem Ort und in seinem Element. Die Eltern platzen in diese Szene hinein, und die ganze Anspannung sprudelt aus ihnen heraus: Kind, was machst du hier? Wir haben uns so große Sorgen gemacht! Und die Antwort, sie konfrontiert, ja brüskiert die fassungslosen Eltern. Warum denn? Hier gehöre ich hin. Denn hier wohnt mein Vater. Mit diesem Wort kommt noch etwas anderes mit ins Spiel. So einen Satz erwartet man nicht von einem Jungen seines Alters. Da war etwas, das ein normales Teenagerverhalten übersteigt. Hier wohnt mein Vater. D.h. doch, Gott, der im Tempel wohnt, ist ihm näher als seine Mutter und sein Vater. Dass Jesus Gott überhaupt seinen Vater nennt, war äußerst ungewöhnlich. Es war unüblich, dass zu tun. Erst später hatte es dann Jesus seine Jünger so gelehrt: Sagt wenn ihr betet: Unser Vater im Himmel Zu Gott Vater zu sagen, das zeugt von einer innigen Beziehung zwischen ihm und seinem Gott. Die Eltern und auch die Gelehrten, so beschreibt Lukas, spüren etwas von dieser Besonderheit im Verhalten Jesu. Sie sind irritiert. Da ist mehr, als man bei einem Menschen normalerweise findet. Dass Jesus Gott seinen Vater nennt, das zeugt für den Evangelisten Lukas davon, dass er Gottes Sohn ist. So haben es auch seine Jünger und Jüngerinnen im Zusammensein mit ihm erkannt. In Jesus erscheint Gott in der Welt. Als die Leute um ihn herum das merken, reagieren sie irritiert, entsetzt, ängstlich. Rückt Jesus dadurch von den Menschen weg? Rückt er von ihnen weg, je mehr von Gott sich an ihm zeigt? Gibt er sich immer mehr ehrfurchtsgebietend und über-menschlich? Nein, auch diese Geschichte zeigt auf ihre Weise, dass Gott in Jesus tatsächlich Mensch und nicht ein Übermensch wird. Es ist und bleibt eine sehr menschliche Geschichte, so dass wir durch das Verhalten des 12jährigen Jesus auch für unser Leben und unseren Glauben hilfreiche Anregungen bekommen können. Was macht das Besondere an dem Verhalten Jesu aus?
Was hat dazu beigetragen, dass er so intensiv leben und glauben konnte? Ich möchte es in 3 Punkten sagen: 1. Er war sehr wissbegierig. Er stellte mehr Fragen, als dass er Antworten gibt. Er war im besten Sinne neugierig, wollte die Welt erfassen, wollte lernen und nicht besser wissen. So wird er in dieser Szene beschrieben: Er hört zu, nimmt auf, fragt nach und diskutiert. Und Jesus nahm weiter zu an Weisheit, heißt es im Schlusssatz. Weisheit ist nicht auswendiggelerntes, sondern hinterfragtes, durchdachtes, am Leben geprüftes Wissen. Und: wer weise handelt, stellt sich nicht in den Mittelpunkt, er lebt vielmehr für andere. Und lebt dennoch intensiv, weil es immer etwas Neues, Bereicherndes zu entdecken und zu erleben gibt, in Gottes Schöpfung und in seinem Wort. Der 2. und 3. Punkt dreht sich weniger um das Leben als um den Glauben Jesu: 2. Der junge Jesus will sich dort aufhalten, wo Gott im Mittelpunkt steht. Es geht hier um Orte, und um Personen. Der Tempel war der zentrale Gottesdienstort Israels. Hier konnte man Gott erleben, und hier konnte man andere treffen, denen Gott auch wichtig war im Leben. Hier wollte sich Jesus aufhalten. Wenn unser Glaube wachsen will, und wenn er in schweren Zeiten nicht verebben will, dann brauchen wir Orte und Menschen, die unseren Glauben stärken. Ja, die Zeiten ändern sich, wir merken das an vielen Stellen, auch in unserer Gemeinde. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich viele am Sonntagmorgen zum Gottesdienst versammeln. Haben Christen das Zusammenkommen heute einfach nicht mehr nötig? Nein, glaubenserweckend und -erhaltend war es schon immer und bleibt es auch, wenn die Christen vor Gott zusammenkamen. Seinen Glauben erhalten kann man nicht einfach im stillen Kämmerlein. 3. Jesus lebte in einem kindlichen Vertrauen zu seinem Vater im Himmel. Dieses Vertrauen zu Gott, seinem Vater, war sein Lebensmittelpunkt. Auch später heißt es, dass er sich immer wieder stundenlang zum Gebet zurückzog. Und bei jeder Heilung, die durch ihn geschah, brauchte er dieses ungebrochene Vertrauen zu Gott, dass Gott durch ihn wirken wird. Auch als Erwachsene braucht unser Glaube so ein kindliches Vertrauen zu Gott. Sie kennen den Psalmvers: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird s wohl machen. Diese Worte, sie empfehlen uns ein kindliches Vertrauen. Bei Gott bin ich mit meinen Sorgen gut aufgehoben. Bei ihm weiß ich: Hier kann ich sein, wie ich bin. Hier bin ich zuhause.
Und ich darf mir das sagen gerade im Blick auf das Ungewisse, das die Zukunft bringt. Und im Blick auf die Ängste um die lieben Menschen um mich her. Gott ist auf unserer Seite. Das hat ja gerade Jesus mit seiner Art ganz klar und deutlich gemacht. der uns am Anfang unseres Lebens und Glaubens, bei unserer Taufe, gesagt hat, dass er für immer unverbrüchlich zu uns steht. Amen. Aufgrund seines kindlichen Vertrauens ist so meine ich der Glaube Jesu immer mehr gewachsen. Und Jesus nahm weiter zu an Jahren wie an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen. Gnade bei Gott und den Menschen, d.h. dass die Nähe und Liebe Gottes spürbar war an ihm und seiner Art und für ihn selbst auch. Zum Schluss noch ein kurzer Schwenk auf Maria: Von ihr heißt es, dass sie zwar nicht verstand, was Jesus da im Tempel gesagt hat, aber sie behielt das alles in ihrem Herzen. Sie hat trotz aller unbeantworteten Fragen weitergeglaubt. Und das ja durch größte Krisen hindurch: Ca. 18 Jahre später musste sie ihren Sohn zu Grabe tragen. Aber auch an diesem Tiefpunkt war ihr Glaube nicht zu Ende, sondern erstand mit Jesu Auferstehung wieder neu. Das letzte Mal erwähnt sie der Evangelist Lukas am Anfang der Apostelgeschichte, betend mitten unter den Jüngern. Durch alle schönen und schlimmen Überraschungen unseres Lebens hindurch will uns der tragen,