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Transkript:

Kapitel 1 Grundlegendes zur Erdatmosphäre 1.1 Vertikaler Aufbau [a] Die Atmosphäre weist eine ausgeprägte Variabilität in der Vertikalen auf. Zeichnet man die Temperatur als Funktion der Höhe (oder des Drucks) auf, so lassen sich verschiedene Schichten unterscheiden. In dieser Vorlesung werden wir vor allem die wetterwirksamen Schichten Troposphäre und Stratosphäre kennen lernen. Diese sind durch die Tropopause voneinander getrennt sind. Die Abbildung zeigt, dass die Tropopause typischerweise bei 200hPa zu finden ist, während die Stratosphäre etwa bis 1hPa reicht. 1

Fig.1: Vertikaler Temperaturverlauf in der Erdatmosphäre von der Erdoberfläche bis zu einer Höhe von ca. 100 km. Zusätzlich sind die Schichten der Atmosphäre gekennzeichnt. Als Vergleich sind die Höhen von hochreichenden Cirrus- und Cumulonimbuswolken, sowie des Mt. Everest eingezeichnet. Aufgabe: Welcher Bruchteil der totalen Luftmasse befindet sich in der Troposphäre und welcher in der Stratosphäre? Verwende hierzu die sogenannte hydrostatische Näherung und die Werte aus der Abbildung. Die hydrostatische Gleichung lautet in differentieller Form: p z = ρ g Hierbei steht p für den Druck, ρ für die Dichte der Luft und g für die Erdbeschleunigung. Die differentielle Gleichung lässt sich leicht in eine integrale Form umschreiben, wobei die Integrationsgrenzen für den Druck von p 0 bis p 1 reichen und die entsprechenden Höhen durch z 0 und z 1 gegeben sind. p1 p 0 dp = g z1 z 0 ρdz Die linke Seite lässt sich sofort integrieren, die rechte besitzt eine einfache physikalische Interpretation.BetrachtetmannämlicheineLuftsäulemitQuerschnittfläche1m 2,sosteht auf der rechten Seite die Luftmasse zwischen den Höhen z 0 und z 1, multipliziert mit der Erdbeschleunigung. Also: p 0 p 1 = g M(z 0,z 1 ) In Worten ausformuliert besagt diese Gleichung, dass die Luftmasse zwischen zwei Höhen proportional zum Druckunterschied zwischen den beiden Höhen ist. Nimmt man für die Höhe z 1 den Oberrand der Atmosphäre, so wird p 1 gleich Null, und somit gibt p 0 /g gerade das Gewicht der Luftmasse oberhalb des Druckniveaus p 0 an. In dieser Form ist es sehr einfach, den relativen Massenanteil der Stratosphäre und der Troposphäre zu bestimmen. [b] Der Temperaturverauf ist wesentlich mitbestimmt durch die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre. Die folgenden zwei Abbildungen zeigen die typischen Verteilungen von Wasserdampf und Ozon. Es fällt auf, dass Wasserdampf vor allem in der unteren Troposphäre konzentriert ist und mit zunehmender Höhe stark abnimmt. Ozon hingegen findet man in hoher Konzentration in der Stratosphäre. Dieses Ozonmaximum erklärt auch die Temperaturzunahme in der Stratosphäre. Denn Ozon absobiert die einfallende UV-Sonnenstrahlung. 2

Fig.2: Vertikales Profil der Ozonkonzentration als absolute Teilchendichte und als Mischungsverhältnis (ppmv). Die vertikalen Achsen links und rechts geben den Druck (in hpa) und die Höhe (in km) an [übernommen aus Stratospheric Ozone (1988), UK Stratospheric Ozone Research Group, HMSO, London]. Fig.3: Schematische Darstellung des Wasserdampfgehaltes in der Tropo- und Stratosphäre. Gezeigt ist das mittlere vertikale Profil der Temperatur und des Mischungsverhältnisses von Wasserdampf. Beachte, dass die Skala für den Wasserdampf logarithmisch ist [übernommen von Dian Gaffen, Air Resources Laboratory, Silver Spring, Maryland, abgedruckt in www.agu.org/sci soc/mockler.html]. Aufgabe: Was bestimmt den Temperaturverlauf in der Troposphäre? Wie kann Wärme 3

in der Atmosphäre vertikal transportiert werden? Gibt es hierbei Unterschiede zwischen der Troposphäre und der Stratosphäre? Natürlich ist es nicht richtig, die Atmosphäre durch das vorne gezeigte Temperatur- und Feuchteprofil zu approximieren. Es gibt wesentliche regionale und zeitliche Unterschiede. Dies ist in der folgenden Abbildung dargestellt, die das Temperatur- und das Feuchteprofil an vier verschiedenen Orten aufzeigt. Fig.4: Temperatur- (strichliert) und Feuchteprofil (durchgezogen) für den 24. Juli 2006, 00 UTC. Die vier Diagramme zeigen das Profil gemäss ECMWF-Analyse für 0 N (Äquator), 20N, 40N und 60N entlang dem 0-Meridian (von links oben nach rechts unten). Die Temperatur ist in K angegeben, die spezifische Feuchte in 0.1 g/kg (dh. 0.1 g Wasserdampf pro kg Luft). [c] Die folgende Abbildung zeigt den Temperaturverlauf, der sich ergäbe, wenn in der unteren Atmosphäre keine Konvektion (vertikaler Luftbewegung) aufträte. In einer At- 4

mosphäre im reinen Strahlungsgleichgewicht erhält man in der Troposphäre eine sehr grosse Temperaturabnahme mit der Höhe. Fig.5: Durchgezogene Linie: Temperaturverlauf, der sich im reinen Strahlungsgleichgewicht bei 35 N im April ergibt (unter Berücksichtigung der beobachteten atmosphärischen Absorber, ohne Wolken und bei einer gemittelten Sonneneinstrahlung über die gesamte Atmosphäre). Strichlierte Linie: Einfluss der konvektiven Anpassung der Atmosphäre an den konstanten vertikalen Temperaturgradienten ( Lapse rate ) von 6.5K km 1. In (a) sind die Kurven bei einer im Druck linearen vertikalen Skala gezeichnet (dh. gleiche Intervalle entsprechen gleichen Luftmassen), in (b) ist die vertikale Skala linear in der geometrischen Höhe [übernommen aus Manabe und Strickler (1964)]. Aufgabe: Vergleiche die Temperaturabnahme im Strahlungsgleichgewicht mit der tatsächlichen Temperaturabnahme von ca. 6.5 K/km in der Troposphäre. Wir werden später sehen, dass Temperaturgradienten, die diesen Wert überschreiten, unweigerlich zu Konvektion führen. Die Atmosphäre wirkt hier selbstregulierend, indem sie zu grosse vertikale Gradienten der Temperatur abbaut. [d] Bisher wurde die Atmosphäre als eindimensional (in vertikaler Richtung) betrachtet. Diese Annahme ist natürlich nicht zutreffend, denn der Höhenverlauf am Äquator, in den mittleren Breiten und in der Polarregion wird sich bestimmt unterscheiden. Die folgende Abbildung zeigt den Temperaturverlauf in einem Süd/Nord-Querschnitt. Zusätzlich ist der mittlere Verlauf der Tropopause eingezeichnet. Beachte, dass die Tropopause in den Subtropen einen Bruch aufweist. Sie springt von ca. 100hPa in den Tropen auf ca. 200-300hPa in den mittleren Breiten und Polarregionen. In der Winterhemisphäre treten grössere horizontale Temperaturgradienten als in der 5

Sommerhemisphäre auf. Tatsächlich steckt in diesen Temperaturgradienten die Energie, die für die Entwicklung von Tiefdruckgebieten wichtig ist. Die troposphärische Temperatur ist in den Tropen zwar höher ist als in den mittleren Breiten, aber in der Stratosphäre kehrt sich dies um. Dort ist der Äquator kälter als die mittleren Breiten. Fig.6: Mittlere Temperatur ( C) gemittelt entlang von Breitenkreisen (zonales Mittel). Die etwas dickeren Linien geben die Lage der zonal gemittelten thermischen Tropopause wieder. Aufgabe: Die beiden Abbildungen zeigen die Querschnitte für Januar und für Juli. Ordne die beiden Monate korrekt zu. Wo beobachtet man grosse vertikale Temperaturgradienten, und wo kleine? Sind die horizontalen Temperaturgradienten in der Winter- oder in der Sommerhemisphäre grösser? Aufgabe: Die kälteste Tropopause findet man in den Tropen. Überlege qualitativ, wie diese Temperatur den Transport von Wasserdampf aus der Troposphäre in die tropische Stratosphäre beeinflusst. Tipp: Wie beeinflusst die Temperatur, den maximalen Wasserdampfgehalt in der Luft? 6

[e] Fragt man nach den Ursachen der Nord/Süd-Variablilität, so wird die breitenabhängige Sonneneinstrahlung als Ursache erscheinen. Tatsächlich beobachtet man am Äquator einen Überschuss an einfallender Sonnenstrahlung, während in den Polargebieten ein Defizit auftritt. Um eine fortwährende Erwärmung der Tropen und Abkühlung der Polargebiete zu verhindern, muss ein Wärmetransport von den Tropen zu den Polargebieten stattfinden. An diesem Transport sind Atmosphäre und Ozean etwa gleichermassen beteiligt. Fig.7: (a) Einfallende Solarstrahlung am Oberrand der Atmosphäre (obere durchgezogene Linie) abosrbierte Solarstrahlung (untere durchgezogene Linie) und weggehende (gestrichelt) Strahlung des Erde-Atmosphäre-Ozean Systems als Funktion der geographischen Breite. Beachte den Überschuss an einfallender Strahlung in Äquatornähe und das Defizit in hohen Breiten. (b) Nordwärts gerichteter Wärmetransport (durchgezogen) und Anteil der Atmopshäre (weiss) und des Ozeans (schraffiert) an diesem Transport [übernommen und angepasst aus Gill (1982)]. Aufgabe: Typische Windgeschwindigkeiten betragen ca. 10 m/s, während Ozeanströmungen bedeutend langsamer sind. Wieso können die langsamen Ozeanströmungen dennoch ca. 50 Prozent des Wärmetransports ausmachen? Aufgabe: Gäbe es keinen Wasserdampf in der Atmosphäre, so wäre lediglich fühlbarer Wärmetransport möglich. Warme Luft würde also von den Tropen nach Norden advergiert (horizontale Luftmassenbewegung). Wasserdampf in der Atmosphäre erlaubt jedoch auch einen sogenannten latenten Wärmetransport. Überlege, wie ein solcher Transport 7

aussehen könnte. Unterscheide klar, wo Verdampfung, Advektion und Kondensation auftritt. Tipp: Betrachte ein gesättigtes Luftpaket, welches 1kg trockene Luft enthält und w s kg Wasserdampf. Ändert sich der Druck dieses Luftpakets, so ändert sich seine Temperatur T und auch sein Wasserdampfgehalt w s. In guter Näherung sind die Änderung über die folgende Formel miteinander verknüpft (entnommen aus A Short Course in Cloud Dynamics von Rogers and Yau, Kapitel 2): dt T = k dp p L Tc p dw s Hierist LdielatenteKondensationswärme (2.501 10 6 Jkg 1 ),c p diespezifische Wärmebei konstantem Druck (1005Jkg 1 K 1 ) und k ist der Koeffizient (0.286), der die Temperatur und den Druck bei einem adiabatischen Prozess verbindet (c v ist die spezifische Wärme bei konstantem Volumen). Überlege anhand der obigen Formel, wie sich die Tempertaur eines Luftpakets bei Kondensation oder Verdampfen ändert! Wie ändert sie sich bei einem aufsteigenden Luftpaket? Bei einem adiabatischen Aufstieg oder Absinken ändert sich die Temperatur einzig durch die Druckänderung, dh. die Erwärmung durch Kondensation oder Abkühlung durch Verdampfung fällt weg. Dies wird beschrieben durch die vereinfachte Gleichung: dt T = k dp p mit k = c p c v c v Adiabatisch heisst hier konkret, dass keine Kondensation, Sublimation, Verdamfpung, Wärmeleitung, Strahlung, Diffusion eine Rolle spielen soll. Beachte in den obigen Formeln, dass w s sowohl von dp als auch von dt abhängt. Es handelt sich also um eine implizite Gleichung. Dennoch lässt sich das wesentliche daraus qualitativ ableiten. [f] Die obigen Abbildungen suggerieren eine kontinuierliche Temperaturabnahme von den Tropen zu den Polarregionen. Dies ist wiederum zu vereinfacht dargestellt. Die folgende schematische Abbildung zeigt ein realistischeres Bild. Verschiedene Luftmassen sind durch Fronten voneinander getrennt: Die arktische Front trennt arktische von polarer Luft, die Polarfront polare Luft von den Luftmassen der mittleren Breiten. Dabei sei vorerst eine Front als schmale Übergangszone zwischen zwei Luftmassen definiert. Interessant sind weiter die Brüche in der Tropopause. Diese fallen zusammen mit dem Polarjet und dem Subtropenjet. 8

Fig.8: Wichtige Strukturen der Erdatmosphäre in einem vertikalen Nord/Süd-Schnitt (meridionaler Querschnitt). Vorherrschende Windrichtungen sind mit E (Ostwinde=von Ost nach West) und W (Westwinde=von West nach Ost) bezeichnet [übernommen aus Dusan Djuric, Weather Analysis (1994)]. Aufgabe: Natürlich besitzt auch eine solche schematische Darstellung ihre Grenzen. Die Fronten können nur schwer identifizierbar sein und nicht den Boden erreichen, die beiden Jets können zu einem einzigen Jet zusammenfallen, und die Ostwinde (E in der Skizze) können sehr schwach sein oder gar zu Westwinden (W) werden. In der folgenden Abbildung ist die Temperatur und der zonale Wind für einen Nord/Süd-Schnitt entlang 170 E am 1. Januar 1990 gezeigt. Versuche diese Analyse des ECMWF (Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage) mit der obigen schematischen Skizze in Einklang zu bringen. 9

E -75 W -60-75 -60-45 -60-45 W E -30-45 -60 E W -15-45 -30 0 15-15 E -30 Fig.9: Nord/Süd-Schnitt von 10S bis 90N entlang 170E, 1.Januar 1990, 00UTC. Schattiert: Zonale Windgeschwindigkeit, Dünne Linien: Temperatur in Celsius. Die dicke Linie kennzeichnet die Lage der dynamischen Tropopause. Ost- und Westwinde sind mit E und W markiert. 1.2 Horizontale Variabilität [a] Die bisherigen Abbildungen zeigen eindimensionale Profile durch die Atmosphäre oder Nord/Süd-Querschnitte. Dabei wurde das Bild der Atmosphäre fortlaufend komplizierter. Der nächste Schritt in dieser Richtung ergibt sich, wenn wann horizontale Querschnitte betrachtet. Die folgende Abbildung gibt einen Eindruck von der Komplexität eines Tiefdruckwirbels. Die Satellitenaufnahme zeigt die Wolkenverteilung eines solchen Systems. Die Wolken treten als ausgedehnte, langgezogene Bänder auf, als grossflächige Bedeckung oder als lokalisierte Flockenbewölkung. 10

Fig.10: Das ausgedehnte Wolkenband u ber den britischen Inseln und Westeuropa geho rt zu einem Tiefdruckwirbel, der sich langsam vom Atlantik u ber Europa bewegt. Das langgezogene Wolkenband von den britischen Inseln u ber Frankreich und Spanien markiert die Kaltfront des Tiefdruckwirbels. Die Front trennt die kalte maritime polare Luft u ber dem Atlantik von der warmen subtropischen Luft u ber Mittelund Su deuropa. Unmittelbar hinter der Kaltfront befindet sich eine gro sstenteils wolkenfreie Region. Hier sinkt die kalte Luft ab. Etwas weiter westlich findet man vereinzelte konvektive Zellen. Die polare Luft in dieser Region ist ka lter als das darunterliegende Meer. Dadurch wird die Luftsa ule instabil und es kommt zu Konvektion [u bernommen aus John Houghton, The Physics of Atmospheres (2002)]. Aufgabe: Betrachte die unten abgebildete schematische Skizze der Wolkenstruktur und versuche die Strukturen einander zuzuordnen. Suche auch im Internet nach weiteren Wolkenbildern, um die ausgepra gten Unterschiede von System zu System zu studieren. Fig.11: Idealisiertes Bild der Wolken- und Niederschlagsverteilung, die mit einer entwickelten extratropischen Zyklone einhergeht [u bernommen aus Matejka et al. (1980) und Houze (1981)]. [b] Die Vielfalt an atmospha rischen Pha nomenen verlangt, dass man sich zuna chst mit einfachen Modellsystemen auseinandersetzt. Traditionell studiert man atmospha rische 11

Phänomene im Geopotential/Temperatur-Bild. Ein Beipiel ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Ein Tiefdrucktrog befindet sich über den westlichen USA. Lokal beobachtet man sogar ein isoliertes Cutoff mit einem Zentrumsminimum von 537 gp dam. Aus dieser Darstellung lassen sich viele weitere Grundlagen der Atmosphärenphysik qualitativ einführen. Fig.12: Typische geopotentielle Höhe auf 500hPa (Konturintervall 12 gp dam), 00:00 UTC, 26. April 1984. Tiefdruckgebiete sind mit L (Low) und Hochdruckgebiete mit H (High) bezeichnet [entnommen aus Weather Analysis, Dusan Djuric]. Aufgabe: Neben Tiefdrucktrögen finden sich Hochdruckrücken in der Abbildung. Wo? In welcher Richtung bläst der Wind? Was lässt sich über die Windgeschwindigkeit aussagen? Tipp: Verwende das geostrophische Windgleichgewicht, das im folgenden Textabschnitt eingeführt wird. Das Hoch über dem Pazifik ist flacher als das Tief über den USA. Dies trifft häufig auf. Gründe dafür werden wir in einer späteren Vorlesung kennenlernen. Die geopotentielle Höhe einer Druckfläche (in der obigen Abbildung 500 hpa) entspricht der geometrischen Höhe dieser Druckfläche. So lässt sich aus der Abbildung zum Beispiel ablesen, dass sich die 500hPa-Fläche über den westlichen USA lokal bis auf 5370m herabsenkt. Die entsprechende Höhe der 500 hpa-fläche im Hoch über dem Ostpazifik beträgt 5900 m. Damit beträgt der Unterschied in der geopotentiellen Höhe also 530 m. 12

5600 5150 Eine zentrale Bedeutung erlangt die Darstellung der geopotentiellen Höhe aufgrund des geostrophischen Windgleichgewichts. Wir werden in einer späteren Vorlesung nämlich zeigen, dass der grossräumige Wind in guter Näherung parallel zu den Isolinien des Geopotentials weht (geostrophische Näherung). Dabei liegt die tiefere geopotentielle Höhe links, wenn man in Richtung des Windes schaut, und die Stärke des Windes ist direkt proportional zur Dichte der Isolinien. Mathematisch lässt sich dies schreiben als: v g = 1 f ( k φ) Hier steht f für den sogenannten Coriolisparameter, welcher die Erdrotation beschreibt (typischer Wert in den mittleren Breiten f = 10 4 s 1, k ist ein Vektor der lokal senkrecht nach oben zeigt und φ ist das Geopotential, welches sich aus der geopotentiellen Höhe durch Multiplikation mit der Erdbeschleunigung g(m/s 2 ) ergibt. Aufgabe: Die folgenden Abbildungen zeigen das Geopotential auf 500 hpa und auf 250 hpa, sowie den 6 h-akkumulierten Niederschlag. Entscheide zunächst, welches Bild zu 250 hpa und welches zu 500 hpa gehört. Bestimme dann in den Abbildungen: Hochdruckrücken, Tiefdrucktröge, Zyklonen, Antizyklonen, starke Jets, Cutoffs, meridionale und zonale Luftströmungen,... 5750 5600 5750 5600 5300 5450 5750 5750 5600 ID 5000 5300 5450 5300 NP 5450 5600 5150 5150 5000 GM 5300 5750 5750 5600 5450 5300 5150 5750 5600 5450 5600 5900 5750 13

10700 10400 10400 10100 10700 9800 10700 10400 10400 ID 9500 10100 10400 10700 10100 9800 NP GM 9500 9800 10700 10400 10100 9800 10100 10400 10700 10400 10700 10700 Fig.13: Geopotential auf 250hPa und 500hPa für 5.Januar 2005, 18UTC. Schattiert ist der 12 h akkumulierte Niederschlag dargestellt. [c] Die anschauliche Deutung der geopotentiellen Höhe φ bereitet immer wieder Schwierigkeiten! Deshalb nochmals: φ entspricht der Höhe einer bestimmten Druckfläche. Die entsprechenden Höhenlinien werden als Isohypsen bezeichnet. Typischerweise betrachtet man die 850hPa, 500hPa und 250hPa-Flächen und zeichnet für diese Flächen die Isohypsen. In der vorherigen Abbildung sind die Isohypsen auf 500 und 250 hpa gezeigt. Es gibt eine nahezu äquivalente Betrachtungsweise, bei der Druck und Höhe ihre Rollen tauschen. So kann man zum Beispiel die Druckverteilung auf 5000 m anschauen und die entsprechenden Druck-Isolinien (die sogenannten Isobaren) einzeichnen. Vorhin haben wir gesehen, dass der grossräumige Wind parallel zu den Isohypsen weht (geostrophisches Windgleichgewicht in der freien Troposphäre). Ins Isobarenbild übertragen lautet die Regel für den geostrophischen Wind: Der grossräumige Wind weht parallel zu den Isobaren und die Stärke des Windes ist proportional zur Dichte der Isobaren. Formal ausgedrückt: v g = 1 ρ f ( k p) Beachte insbesondere, dass der grossräumige Wind nicht von Gebieten mit hohem Druck zu Gebieten mit tiefem Druck weht. Tatsächlich weht der Wind zyklonal (im Gegenuhrzeigersinn) um ein Tief und antizyklonal (im Uhrzeigersinn) um ein Hoch. Die folgende Abbildung zeigt eine Isobarenkarte über dem westlichen Pazifik. 14

Fig.14: Isobaren auf Meeresniveau für den 23 Februar 2004. Durchgezogene Linien entsprechen den Isobaren (Interval 4hPa). Mit L und H sind ein Tief- und ein Hochdruckzentrum gekennzeichnet. Beachte den grossen Druckgradienten um das Tief herum und den schwächeren Gradienten um das Hoch herum [entnommen aus Mid-Latitude Atmospheric Dynamics: A First Course von J. E. Martin]. 15

Aufgabe: Die gezeigte Isobarenkarte zeigt die Isobaren auf Meeresniveau. Wie sieht die Isobarenkarte auf ca. 5000 m aus, dh. auf mittlerer Höhe der Troposphäre? Etwas schwieriger: Wie sieht die entsprechende Isohypsenkarte auf 500 hpa aus (wiederum in der mittleren Troposphäre)? Insbesondere sollte verstanden werden, ob die geopotentielle Höhe über dem Tief grösser oder kleiner als über dem Hoch ist! [d] Die betrachteten Systeme hatten eine horizontale Ausdehnung von ca. 1000 km. Auf noch grösserer Skala findet man planetare Wellen (10 000 km), bei kleineren Skalen Fronten, tropische Zyklonen, Gewitterzellen, Tornados, kleinräumige Turbulenz... Ein Überblick ist in der nächsten Abbildung gegeben. Man unterteilt danach die Phänomene in die Makro-, Meso-, und Mikro-Grössenklassen. Dabei ist dies nicht nur ein Ausdruck für die horizontale Ausdehnung, sondern ebenfalls für die Entwicklungsdauer und Lebenszeit des Phänomens. Fig.15: Einteilung der atmosphärischen Phänomene nach ihren charakteristischen Längenabmessungen und ihrer Zeitdauer [nach Orlanski (1975)]. 16

Aufgabe: Die Tabelle macht keine Aussage über die vertikale Grössenordung. Versuche qualitativ einige Aussagen hierüber zu machen für planetare Wellen, barokline Wellen (Tiefdruckgebiete), Land/See-Winde, Gewitterzellen, kleinräumige Turbulenz. Aufgabe: Überlege, warum es vorteilhaft sein kann, verschiedene Grössenskalen einzuführen. In welchen physikalischen Prozessen werden sich zum Beispiel planetare Wellen von einer Gewitterzelle unterscheiden? 1.3 Bestimmende Faktoren der Dynamik [a] Der bisherige Überblick über die Atmosphäre hatte zum Ziel, einen ersten Eindruck von der Vielfalt der Erscheinungen und Fragestellungen zu vermitteln. Die Atmosphäre ist ein ausserordentlich komplexes System, das durch viele interne Wechselwirkungen charakterisiert wird. Nimmt man die Wechselwirkungen mit Ozean, Erdboden und Kryosphäre hinzu, so verkompliziert sich dieses Bild weiter. Dies ist in der folgenden Abbildung dargestellt, die mögliche Wechselwirkungen aufzeigt. Ändert sich zum Beispiel die Temperatur an einem Ort, so führt dies zu Änderungen von Temperaturgradienten. Dies wiederum beeinflusst horizontale Druckgradienten und folglich den horizontalen Wind. Mit dem Wind wiederum kann fühlbare und latente Wärme transportiert werden. Durch diesen Transport schliesslich kommt es zu einer Änderung der Energiebilanz und mit einer thermischen Trägheit zu einer Änderung der Temperatur. Der Kreis schliesst sich... Ähnlich lassen sich weitere beliebig komplizierte Rückkopplungsmechanismen aufzeigen. Fig.16: Wechselwirkungen der atmosphärischen Temperatur mit Ozean, Erdoberfläche, Biosphäre. 1.4 Literaturhinweise Die folgenden Bücher geben einen guten Einblick in die Atmosphärenphysik. Sie behandeln unter anderem auch die Dynamik. Allerdings deckt keines der Bücher genau den Inhalt 17

dieser Vorlesung ab: 1. Atmospheric Science, An Introductory Survey: John. M. Wallace und Peter V. Hobbs:, Academic Press: Eine ausgezeichnete Einführung in alle Bereiche der Atmosphärenphysik. Die Fallstudie der zweiten Vorlesung stammt aus diesem Buch. Spezielle Kapitel (zum Beipiel Stratosphären-Tropospärenaustausch, Potentielle Vortizität, Lagrange Analyse) werden in diesem Buch knapp oder nicht behandelt. 2. The Physics of Atmospheres: John Houghton, Cambridge University Press. Eine gute Einführung in alle Bereiche der Atmosphärenphysik. Insbesondere werden in diesem Buch auch Aspekte der Datenassimilation, numerischen Modellierung und Vorhersagbarkeit/Chaos diskutiert. 3. Weather Analysis: Dusan Djuric, Prentice Hall. Einführung in die Analyse von Wetterkarten. Das Buch enthält einzelne Kapitel zur dynamischen Meteorologie, zum Beipiel zu Fronten, Zyklonen und Antizyklonen, Jet Streams. Insbesondere das Kapitel Analyse vertikaler Sondierungen der Vorlesung beruht auf diesem Buch. 4. Meteorology Today, An Introduction to Weather, Climate and the Environment: C. Donald Ahrens: Eine gut lesbare und reich illustrierte Einführung in die Meteorologie. Es werden alle Bereiche der Meteorologie behandelt, allerdings stellenweise weniger ausführlich als in dieser Vorlesung. 5. Meteorology: Understanding the Atmosphere: Steven Ackerman and John A. Knox. Ebenfalls eine reich bebilderte und sehr schöne Einführung in die Atmosphärenphysik. Der Umfang entspricht ungefähr dem Buch von Ahrens. 18