MaMut. Materialien für den Mathematikunterricht

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Transkript:

MaMut Materialien für den Mathematikunterricht 1

MaMut - Materialien für den Mathematikunterricht 1 Eva-Maria Plackner, Deborah Wörner (Hrsg.) Aufgaben öffnen Verlag Franzbecker

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Bibliographic information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available in the Internet at <http://dnb.ddb.de>. Eva-Maria Plackner, Deborah Wörner (Hrsg.) Aufgaben öffnen MaMut - Materialien für den Mathematikunterricht 1 ISBN 978-3-88120-826-0 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung und Übertragung auch einzelner Textabschnitte, Bilder oder Zeichnungen vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Zustimmung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden (Ausnahmen gem. 53, 54 URG). Das gilt sowohl für die Vervielfältigung durch Fotokopie oder irgendein anderes Verfahren als auch für die Übertragung auf Filme, Bänder, Platten, Transparente, Disketten und andere Medien. 2013 by Verlag Franzbecker, Hildesheim

Inhalt Thomas Weth: Offene Aufgaben im Mathematikunterricht... 7 Wilfried Herget: Aufgaben öffnen!... 17 Jennifer Postupa: Offene Aufgaben entwickeln... 39 Materialien aus dem Workshop... 56 Nicolai von Schroeders: Offene Aufgaben mit dem Computer... 69 Franz Altmann / Deborah Wörner: Mit offenen Aufgaben differenzieren... 77 Materialien aus dem Workshop... 97 Caroline Merkel: Methoden zur Arbeit mit offenen Aufgaben... 109 Eva-Maria Plackner: Mit offenen Aufgaben Leistungen messen... 115 Materialien aus dem Workshop... 129 5

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Offene Aufgaben im Mathematikunterricht Thomas Weth Die Veranstaltung MaMut 2012 stand ganz im Zeichen sogenannter offener Aufgaben, die seit Veröffentlichung der Pisa-Ergebnisse in das Zentrum mathematikdidkatischen Interesses gerückt sind und aktuell eine Renaissance erleben. Trotz der Omnipräsenz in didaktischen Veröffentlichungen, Vorträgen, Fortbildungen und Mathematikbüchern kursieren vielfach unterschiedliche Vorstellungen darüber, was offene Aufgaben letztlich sind. Dieser einführende Artikel mag anstelle eines Vorworts einen Beitrag zur Klärung der Frage leisten: Was ist eigentlich eine offene Aufgabe?. 1 Als Prototyp für offene Aufgaben werden vielfach sogenannte Fermi-Aufgaben verwendet. Fermi-Aufgaben sind nach dem italoamerikanischen Atomphysiker ENRICO FERMI 2 benannt. Er stellte ohne weitere Angaben seinen Studierenden Aufgaben des Typs: Wieviele Klavierstimmer gibt es in Chicago? oder Wie viele Golfbälle passen in einen Kofferraum?. Ziel derartiger Aufgabenstellungen war und ist es, den Lerner zu befähigen, auf Grund von sinnvollen Abschätzungen ein plausibles Ergebnis zu erhalten, das (zumindest) die Größenordnung der wahren Lösung widerspiegelt. Oftmals interessiert dabei weniger die Lösung selbst, als vielmehr die Argumentation des eigens entwickelten Lösungsweges. Wesentlich sind dabei in allererster Linie die Plausibilität der Überlegungen und die Art der Darstellung. Im Falle des Klavierstimmerproblems : 1 Dass sich diese Frage nicht so eindeutig beantworten läßt, wie es der vorliegende Artikel suggeriert, wird u.a. in dem Artikel von HERGET in diesem Tagungsband deutlich. Trotzdem soll hier der Versuch gemacht werden, tragfähige Grundvorstellungen zum Begriff offene Aufgabe vorzustellen. 2 Der Kern- und Atomphysiker ENRICO FERMI brachte während des zweiten Weltkriegs den ersten Atomreaktor in den Umkleidekabinen eines Footballstadions in Chicago zum Laufen. 7

Durch eine Schätzung der Einwohnerzahl von Chicago gelangt man auf die Anzahl der Haushalte, von denen wiederum durch eine Annahme der Anteil von Haushalten bestimmt wird, der ein Klavier besitzt. Daraus kann dann mit weiteren Annahmen letztendlich abgeleitet werden, wie oft ein Klavier gestimmt werden muss. Laut Wikipedia, sollte ein Ergebnis von etwa 100 Klavierstimmern in Chicago heraus kommen (vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/fermiaufgabe). Die Ziele, die mit Fermiaufgaben im Speziellen (und offenen Aufgaben im Allgemeinen) im Unterricht erreicht werden sollen, liegen also nicht in erster Linie in der exakten Berechnung eindeutiger Ergebnisse auf der Basis fester Vorgaben. Vielmehr sollen mit derartigen Aufgaben - kreative Lösungswege initiiert, - sinnvolle Argumentationen geschult, - Umweltprobleme modelliert und damit - die Fähigkeit geschult werden, Umwelt mit Hilfe der Mathematik kritisch zu erschließen. Fermiaufgaben des obigen Typs sind allerdings für einen gewöhnlichen Mathematikunterricht oft unpraktikabel, da zu anspruchsvoll. Um die genannten Ziel nach und nach zu erreichen, sind aber schon einfachere Varianten hinreichend, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Propädeutische Annäherung an den Begriff offene Aufgabe Die Klavierstimmeraufgabe unterscheidet sich massiv von dieser thematisch gleichen Aufgabe: Um als Klavierstimmer zu überleben, benötigt man in seiner näheren Umgebung etwa 10000 Haushalte. Chicago hat ca. 1 Mio Haushalte. Wie viele Klavierstimmer gibt es? diese Aufgabe läuft konvergent und eindeutig auf eine Divisionsaufgabe hinaus, nämlich auf die Lösung: 1000000 (Haushalte): 10000 (Haushalte pro Klavierstimmer) = 100 (Klavierstimmer). Der Unterschied zwischen einer plausibel hergeleiteten Lösungsidee mit 8

9 MaMut 2012: Aufgaben öffnen lediglich geschätztem Ergebnis einerseits und einer eingekleideten Rechenaufgabe mit eindeutigem und korrektem Ergebnis andererseits soll als Basis für eine erste Charakterisierung offener Aufgaben dienen: Eine Mathematikaufgabe, die eindeutig auf ein (exaktes) Ergebnis abzielt, nennt man geschlossen. Eine Mathematikaufgabe, die nicht geschlossen ist, nennt man offen. Zusätzlich zu den Fermiaufgaben fallen damit weniger extreme und praktikablere Beispiele unter den Begriff offene Aufgaben ; das heißt alle Aufgaben die konvergent auf ein eindeutiges Ergebnis abzielen. Dies sei am Beispiel der geschlossenen, konvergenten Aufgabe Berechne 2 + 13 + 18 + 7 konkretisiert. Sie liegt als einfache Arithmetikaufgabe vor, die im Wesentlichen der Rechenfertigkeit und der Schulung von Rechenkompetenz (oder Kalkülkompetenz) dient. Eine geöffnete Variante wäre die Form Berechne auf verschiedene Weisen 2 + 13 + 18 + 7 und begründe den dir am einfachsten erscheinenden Lösungsweg. Als mögliche Rechenwege wären hier etwa zu erwarten: - Unstrukturiertes, sukzessives Addieren: 2+13 = 15; 15 + 18 = 33; 33 + 7 = 40. - Strukturiertes Addieren: (2+13) + (18+7) = 15 + 25 = 40. - Umstrukturieren: (2+18)+(13+7) = 20 + 20 = 40. Als Begründungen für den einfachsten Rechenweg wären möglich: - Lösung 1 ist am einfachsten, weil ich hier ohne weiteres Nachdenken einfach der Reihe nach addieren kann. - Lösung 2 ist am einfachsten, weil hier nur Fünferzahlen addiert werden und ich die Reihenfolge nicht ändern muss. - Lösung 3 ist am einfachsten, weil ich hier auf einfache Zehnerzahlen komme, die ich im Kopf addieren kann. Als weitere bzw. zusätzliche Öffnung der ursprünglichen Aufgabe wäre denkbar: Gib einen möglichst ungünstigen Rechenweg an. Begründe! mit der möglichen Lösung: Ungünstig wäre folgende

Rechnung: 13 + 18 = 31; 31 + 2 = 33; 33 + 7 = 40. Denn hier kommt man auf keine Fünfer- oder Zehnerzahlen und kann keine Rechenvorteile nutzen. Formalisierung des Begriffs offene Aufgabe Während die bisherigen Ausführungen eher der Funktion dienen sollten, eine (mehr oder weniger vage) Grundvorstellung des Begriffs offene Aufgabe zu vermitteln, soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, offene Aufgaben theoretischer und formaler zu erfassen. Hierzu betrachten wir den Prozess bei der Bearbeitung einer mathematischen Aufgabe zunächst als Folge der drei Elemente: Angabe (Vorgabe, Voraussetzung, N) Rechnung (Rechenweg, Argumentation, N) Ergebnis (Resultat, Lösung, N). In der didaktischen Literatur hat sich mittlerweile ein anderer Sprachgebrauch eingebürgert und man spricht eher von Anfangszustand Transformation Zielzustand einer Aufgabe(nstellung). Offen ist somit bei obiger Arithmetikaufgabe nach dieser Grobgliederung lediglich die Transformation (vom Anfangszustand zum Zielzustand); denn die Angabe und das (numerische) Ergebnis waren von vorneherein determiniert - im Gegensatz dazu ist bei der Fermiaufgabe sowohl der Anfangszustand, als auch die Transformation sowie der Zielzustand im Wesentlichen unbestimmt bzw. nicht eindeutig. In gewissem Sinne ist also die Fermiaufgabe offener als die geöffnete Arithmetikaufgabe. Diese Beobachtung motiviert die folgende Definition, welche die obige Charakterisierung des Begriffs offene Aufgabe präzisiert, tragfähig und analysierbar macht: 10

11 MaMut 2012: Aufgaben öffnen Definition: Eine (Mathematik-) Aufgabe nennt man offen, wenn der Anfangszustand, die Transformation oder der Zielzustand nicht eindeutig vorgegeben (vorbestimmt) ist. Anders formuliert heißt das: Wenn mindestens eines der drei genannten Aufgabenelemente offen ist, spricht man von einer offenen Aufgabe. Auf der Basis dieser Definition lassen sich nun systematisch 7 Typen offener Aufgaben entwickeln, die im Anschluss mit Beispielen erläutert werden (in der folgenden Tabelle steht V für (eindeutig) Vorgegeben und O für Offen ): Aufgabentyzustanmatiostanart Anfangs- Transfor- Zielzu- Aufgaben- VVV V V V geschlossen VVO V V O offen VOV V O V offen VOO V O O offen OVV O V V offen OVO O V O offen OOV O O V offen OOO O O O offen Entsprechend der Definition (und in Einklang mit der eingangs gegebenen Charakterisierung) sind also alle Aufgabentypen offen, bei denen nicht gleichzeitig (wie üblicherweise in Schulbüchern) sowohl die Angabe, als auch der Rechenweg als auch das Ergebnis eindeutig vorbestimmt sind; aus Sicht dieser Definition erscheint es am Rande bemerkt erwähnenswert, dass nur ein einziger Aufgabentyp nicht offen ist und dass sich ausgerechnet auf diesen die üblichen unterrichtlichen Aktivitäten konzentrieren. Eine wesentliche Frage bzgl. offener Aufgaben ist die Frage nach dem Wozu und Warum?. Wozu und warum sollten offene Aufgaben im Unterricht eingesetzt werden? Zur Beantwortung sei hier - um Dopplungen zu vermeiden auf den Artikel von HERGET in diesem Tagungsband verwiesen. Im vorliegenden Artikel soll das Augen-

merk eher auf eine theoretische Klärung des Begriffs offene Aufgabe sowie auf die Werkzeuge gerichtet werden, mit denen man traditionelle Aufgaben öffnen kann (vgl. hierzu auch den Artikel von POSTUPA in diesem Tagungsband). Der Begriff offene Aufgabe als kreatives Werkzeug Versucht man, die Fermiaufgabe einem der entwickelten Aufgabentypen zuzuordnen, wird man sicherlich OOO wählen; bei der angegebenen Arithmetikaufgabe wird eine Zuordnung zum Typ VVV sinnvoll erscheinen, denn die Angabe ist eindeutig vorgegeben, der Rechenweg ist eindeutig (es ist eine Summe zu bilden) und führt zum determinierten numerischen Resultat 40. Es macht sicherlich auch Sinn, bei der Arithmetikaufgabe nicht die 40, sondern die verschiedenen Rechenwege innerhalb der Summenbildung als den eigentlichen Kern der Aufgabe anzusehen und sie dementsprechend dem Typ VOV zuzuordnen. Wie so oft in der Didaktik sprechen gute Gründe sowohl für die eine wie die andere Sicht und eine endgültige Entscheidung, beziehungsweise hier: Typzuordnung, muss ungeklärt bleiben. Diese Unterscheidung ist auch nicht von Bedeutung, denn es soll in keiner Weise darum gehen, vorgegebene Aufgaben in eine der genannten Schubladen einzuordnen wozu sollte das in der Praxis auch gut sein? Die Bedeutung der obigen Systematik liegt eher in ihrer konstruktiven und kreativen Funktion, als Werkzeugkasten, also als Hilfestellung zur Entwicklung und Gestaltung offener Aufgaben. Diese zentrale Idee des Werkzeugkastens zur Konstruktion offener Aufgaben soll im Folgenden am Eingangsbeispiel der Arithmetikaufgabe Berechne 2 + 13 + 18 + 7 exemplarisch vorgestellt werden. Vorweg sei betont, dass die folgenden Aufgaben der hier intendierten Zielsetzung eher theoretischer, denn praktischer Natur erscheinen. Sie stellen bewusst den Versuch dar, an einem eher sterilen (und evtl. langweiligen ) Beispiel das Typische der Überlegungen systematisch darzustellen. 12