Kirchliches Arbeitsgericht. beim Erzb. Ordinariat Freiburg. Urteil



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Transkript:

Aktenzeichen: 1/2007 (Bitte bei allen Schreiben angeben) Verkündet am 28.08.2007 (Ebert) Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Kirchliches Arbeitsgericht beim Erzb. Ordinariat Freiburg Urteil In dem kirchlichen Arbeitsgerichtsverfahren Mitarbeitervertretung des XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX vertreten durch die Vorsitzende, Frau XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Prozessbevollmächtigter: XXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX -Klägerin- gegen XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, vertreten durch den Finanz- und Personalvorstand, XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX -Beklagter- Prozessbevollmächtigte: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX hat das Kirchliche Arbeitsgericht der Erzdiözese Freiburg durch die Vorsitzende Richterin am Kirchlichen Arbeitsgericht Dr. Kramer und die beisitzenden Richter am Kirchlichen Arbeitsgericht Welter und Schwär auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2007 für Recht erkannt: 1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Vergütungsstruktur dahingehend zu ändern, dass die nach den Vorstandsbeschlüssen vom 08.04.1992 und 18.01.1993 laufend gewährten Zulagen nicht mehr dynamisch ausgestaltet sind. 2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

2 Tatbestand Die Parteien streiten über die Mitbestimmung bei der Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. Die klagende Mitarbeitervertretung (nachfolgend MAV) besteht aus 11 Mitgliedern. Sie ist zuständig für die in ansässige Zentrale des Beklagten und für das von dem Beklagten betriebene Büro. Der Beklagte (nachfolgend Dienstgeber) beschäftigt in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins regelmäßig ca. 350 Arbeitnehmer. Die Zentrale befindet sich in XXXXXXXXX. Im XXX XXXXXXXX sind regelmäßig ca. 10 Mitarbeiter tätig. Der Vereinszweck und die Vertretungsverhältnisse ergeben sich aus der Satzung. Die Arbeitsverhältnisse des Vereins unterliegen den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR). Mit Beschluss vom 08.04.1992 - Wortlaut - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schreib- und Sekretariatsdienst in den Vergütungsgruppen VIII V c erhalten mit Wirkung vom 01.01.1992 nach 7jähriger Bewährung in der Aufstiegsvergütungsgruppe eine widerrufliche, monatliche Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 5 % der Grundvergütung der Stufe 4 der Aufstiegsvergütungsgruppe. hat der Dienstgeber ab 01.01.1992 außerhalb der Vergütungsgruppen der AVR eine widerrufliche, monatliche Vergütungsgruppenzulage für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schreib- und Sekretariatsdienst in den Vergütungsgruppe VIII V c eingeführt. Durch Beschluss vom 18.01.1993 wurde die Zulagengewährung auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vergütungsgruppen XI V c mit Wirkung ab 01.01.1993 ausgedehnt. Die Regelung erfasst derzeit 132 Beschäftigte. Hiervon erhalten 40 Mitarbeiterinnen aktuell eine Vergütungsgruppenzulage, die zwischen 31,87 und 74,89 monatlich beträgt. Der Dienstgeber zahlt momentan 2.230,44 monatlich an Zulagen aus. Unter Berücksichtigung der noch ausstehenden Anwartschaftsverhältnisse ergibt sich ein künftig zu erwartender monatlicher Gesamtaufwand in Höhe von 7.400,-- (auf die eingereichte Zulagenliste, Aktenblatt 54 bis 57 wird Bezug genommen). Mit Schreiben vom 11.08.2006 (Aktenblatt 20) wurde die MAV darüber informiert, dass der Vorstand des Dienstgebers beabsichtige, die Zulagenregelung mit Wirkung zum 01.10.2006 aufzuheben. An Beschäftigte, die bis zum 30.09.2006 die entsprechende Zulage erhielten, sollte die Zulage weitergezahlt werden, allerdings mit der Maßgabe, dass der zum 30.09.2006 geltende Zulagenbetrag künftig unverändert bleibt. Eine mitarbeitervertretungsrechtliche Reaktion auf die Ankündigung erfolgte nicht. Daraufhin wurden mit E-Mail vom 06.11.2006 (Aktenblatt 4) alle Beschäftigten darüber informiert, dass der Vorstand mittlerweile den angekündigten Beschluss gefasst habe und dass die Änderung zum 01.10.2006 in Kraft gesetzt werde. Hiergegen wendet sich die klagende MAV mit ihrer am 15.02.2007 beim hiesigen Kirchlichen Arbeitsgericht eingereichten Klage. Die MAV macht insbesondere geltend, dass gegenüber den begünstigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu keinem Zeitpunkt ein Widerrufsvorbehalt erklärt worden sei. Zwar habe die damalige Mitarbeitervertretung den genauen Wortlaut des Vorstandsbeschlusses mit Schreiben vom 10.06.1992 (Anlage B 1, Aktenblatt 19) erhalten. Gegenüber den betroffenen Beschäftigten habe es hingegen keinerlei schriftliche Äußerungen gegeben. Vielmehr sei die Einführung der Zulage auf einer Mitarbeiterversammlung am Nachmittag des 08.04.1992 bekannt gegeben worden. Aus dem über diese Mitarbeiterversammlung angefertigten Protokoll (Aktenblatt 43 bis 45, auf den Wortlaut wird Bezug genommen) ergebe sich, dass der damalige XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX die Widerruflichkeit der Zusage ausdrücklich aus-

3 geschlossen habe. Damit handele es sich bei der seit 1993 vorbehaltlos gewährten freiwilligen Zulagenzahlung um einen aus betrieblicher Übung entstandenen arbeitsrechtlichen Anspruch, der individualrechtlich allenfalls im Wege der Änderungskündigung entziehbar sei. Die MAV sei bei der Kündigung der betrieblichen Übung nicht gemäß 30 MAVO beteiligt worden. Der Dienstgeber habe im Ergebnis Änderungskündigungen ohne die Beteiligung der Mitarbeitervertretung ausgesprochen. Hilfsweise sei auch das Zustimmungsverfahren nach 36 Abs. 1 Nr. 7 MAVO nicht durchgeführt worden. Bei den Zulagenzahlungen handele es sich um Richtlinien für die Gewährung von Unterstützungen bzw. sozialen Zuwendungen für die niedrigeren Vergütungsgruppen. Ganz hilfsweise macht die MAV geltend, bei der Rückgruppierung von Beschäftigten entgegen 35 Abs. 1 Nr. 3 MAVO nicht beteiligt worden zu sein. Die Klägerin beantragte ursprünglich festzustellen, dass der Beklagte das Beteiligungsrecht der MAV nach 30 Abs. 1 MAVO verletzt habe und die Kündigung der Vergütungsgruppenzulage für alle Mitarbeiterinnen der Vergütungsgruppen XI V c unwirksam sei. Hilfsweise sollte der Beklagte zur Durchführung des Zustimmungsverfahrens nach 36 Abs. 1 Nr. 7 MAVO oder 35 Abs. 1 Nr. 3 MAVO verurteilt werden. Nach gerichtlichem Hinweis wurde schließlich in der mündlichen Verhandlung ein Antrag mit folgendem Wortlaut gestellt: 1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Vergütungsstruktur dahingehend zu ändern, dass für neu eingestellte Arbeitnehmer oder Anwärter der Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppenzulage gemäß Vorstandsbeschlüssen vom 08.04.1992 und 18.01.1993 entfällt. 2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Vergütungsstruktur dahingehend zu ändern, dass sie nach den o.a. Vorstandsbeschlüssen laufend gewährten Zulagen nicht mehr dynamisch ausgestaltet sind. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte macht geltend, die Zulage sei ausweislich des einführenden Vorstandsbeschlusses von vornherein widerruflich ausgestaltet. Dieser Umstand sei der damaligen Mitarbeitervertretung spätestens seit Juni 1992 bekannt gewesen. Etwas anderes sei auch auf der Mitarbeiterversammlung vom 08.04.1992 nicht mitgeteilt worden. Der damalige XXXXXXXXXXX habe lediglich bestätigt, dass die Widerruflichkeit der Zulagen ausgeschlossen werden solle, wobei die Betonung hierbei auf dem Begriff soll liege. Der Beklagte habe von seinem Widerrufsrecht teilweise Gebrauch gemacht. Der Teilwiderruf der Zulage beruhe auf der dringenden Notwendigkeit der Personalkosteneinsparung, da die jährliche Deckungslücke der Personalkosten etwa 300.000,-- betrage. Dem stehe gegenüber, dass die Finanzierungszuschüsse stufenweise reduziert und anderweitige Einnahmen infolge der Gesundheits- und Pflegeversicherungsreformen stetig vermindert würden. Bei stagnierenden bzw. zurückgehenden Einnahmen einerseits und Tarifsteigerungen andererseits werde die Deckungslücke der Personalkosten immer größer. Vor diesem Hintergrund sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Beklagte die bestehenden Zulagen einfriere und weitere Zulagen nicht gewähren wolle, was im übrigen eine individualrechtliche Fragestellung sei. Mitarbeitervertretungsrechtlich sei 30 MAVO nicht einschlägig, da der Beklagte keine Änderungskündigungen ausgesprochen habe, was im Zuge der Widerruflichkeit der Zulagendynamisierung auch nicht notwendig gewesen sei. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass die MAV mit Schreiben vom 11.08.2006 angehört worden sei, jedoch nicht innerhalb der Frist des 30 Abs. 2 MAVO reagiert habe. Auch andere Mitbestimmungstatbestände seien nicht einschlägig. Insbesondere falle die Gewährung übertariflicher Zulagen nicht unter den Begriff der sozialen Zuwendungen im Sinne von 36 Abs. 1 Nr. 7 MAVO.

4 Die Zustimmungspflicht ergebe sich auch nicht im Zusammenhang von 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO Eingruppierung bzw. 35 Abs. 1 Nr. 3 MAVO Rückgruppierung. Mit dem völligen Wegfall der außertariflichen Zulage für einen abgrenzbaren Personenkreis (Anwartschaftsberechtigte, Neueinstellungen) und dem einheitlichen Wegfall der Dynamisierung sei kein Sachverhalt der Mitbeurteilung der MAV im Sinne der o. a. Normen betroffen. Die MAV habe selbstverständlich das Recht, mitzubeurteilen, ob die interpretationsbedürftigen Vergütungsmerkmale im jeweiligen Einzelfall zutreffend festgelegt seien und ob der Dienstgeber das zutreffende Entgeltschema verwende. Ein derartiger Fall liege jedoch nicht vor. Es gehe weder um die zutreffende Einzelfalleingruppierung noch um die Änderung eines Vergütungsgruppenschemas. Der Wegfall der Zulage betreffe die Beschäftigten linear. Aus der Sicht des staatlichen Arbeitsrechts sei die Maßnahme in Bezug auf die seitherige Verteilungsrelation neutral, so dass Vergleichbares auch nach 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungsfrei sei. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat mit Beschluss vom 17.04.2007 (Aktenblatt 26) prozessleitende Anordnungen erlassen. In der mündlichen Verhandlungen schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich (auf das Sitzungsprotokoll Aktenblatt 60 bis 62 wird verwiesen), der frist- und formgerecht widerrufen wurde. Das Gericht hat ohne Beweisaufnahme entschieden. Entscheidungsgründe Klageantrag Nr. 2 hat in der Sache Erfolg, da die Entdynamisierung der bereits gewährten Zulagen unter Verstoß gegen 35 Abs. 1 Nr. 3 MAVO ins Werk gesetzt wurde (nachfolgend 1). Die entsprechende Änderung der Vergütungsstruktur ist zu unterlassen (nachfolgend 2). Klagantrag Nr. 1 hat keinen Erfolg, da die MAV allenfalls im Rahmen künftiger konkreter Einoder Rückgruppierungen Mitbestimmungsrechte nach 35 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 MAVO haben kann. Anwärter oder evtl. Neueinstellungen sind aktuell nicht von Rückgruppierung oder falscher Eingruppierung betroffen. Die Maßnahme befindet sich im Stadium unternehmerischer Planung und kann als solche nicht von der MAV vorbeugend verhindert werden (nachfolgend 3). Die 30 oder 35 Abs.1 Nr. 7 MAVO sind nicht einschlägig. 1. Da die Maßnahme den Betroffenen vertragliche Entgeltbestandteile entzieht, ist sie als Rückgruppierung von 40 Zulagenempfängern mitbestimmungspflichtig. Zudem werden die Verteilungsrelationen des außertariflichen Vergütungssystems verändert (nachfolgend a). Ob die Festschreibung individualrechtlich Bestand hat, ist auch in Ansehung von 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits (nachfolgend b). a) Nach 35 Abs. 1 Nr. 3 MAVO ist die Entscheidung des Dienstgebers über die Rückgruppierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zustimmungspflichtig. Nach 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO kann die Mitarbeitervertretung die Zustimmung nur verweigern, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, kircheneigene Ordnungen, eine Dienstvereinbarung oder sonstiges geltendes Recht verstößt. Eine Rückgruppierung von Mitarbeitern liegt vor, wenn die Vergütung von der gegenwärtigen in irgendeine niedrigere Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe vorgenommen wird. Unter den Begriff Rückgruppierung können auch strukturelle Änderungen des Vergütungsgruppenschemas und die Neuordnung von Entgeltgruppen fallen (Bleistein/Thiel, MAVO 5. Auflage, 35 Rn. 11,12; vgl. den Streitgegenstand des Verfahrens M 02/06 des Urteils des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes vom 30.11.2006). Da die MAV allerdings anders als ein Betriebsrat nach 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wegen der Repräsentation der Mitarbeiterseite in den arbeitsrechtlichen

5 Kommissionen bei Änderung des Vergütungssystems generell kein Mitbestimmungsrecht hat (Urteil des Kirchl. Arbeitsgerichtshofes, a.a.o., Rn. 12), ergeben sich eigenständige mitarbeitervertretungsrechtliche Kriterien der Mitbestimmung bei Entgeltsystemen: Zum einen ist die Mitarbeitervertretung im Zuge einzelner Ein- oder Rückgruppierungsvorgänge nicht nur zur Kontrolle des Normenvollzuges berufen. Vielmehr ist sie nach 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO auch berechtigt, die dem jeweiligen Ein- oder Rückgruppierungsvorgang zugrunde gelegte Vergütungsordnung auf ihre Vereinbarkeit mit gesetzlichen und kirchenrechtlichen Vorschriften zu überprüfen. Auf diesem Weg kann die Mitarbeitervertretung mithin die arbeitsrechtliche Wirksamkeit des Widerrufs von Gesamtzusagen beurteilen und ggf. die Zustimmung verweigern. Zum anderen sind auf den Ein- und Rückgruppierungsbegriff des 35 Abs. 1 Nr. 1-3 MAVO jedenfalls dann die zu 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entwickelten Kriterien anzuwenden, wenn die arbeitsrechtlichen Kommissionen eine 7 der Grundordnung entsprechende Beteiligung der Mitarbeiterseite an der Vergütungsfindung nicht gewährleisten können. Dies gilt insbesondere für übertarifliche Vergütungsstrukturen, die den arbeitsrechtlichen Kommissionen entzogen sind. In diesen Fällen müssen die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht beispielsweise im Urteil vom 28.02.2006 (1 ABR 4/05) festgelegt hat, die Rechte der MAV sichern. Vorliegend greift der mit Schriftsatz vom 11.08.2006 angekündigte und mittlerweile umgesetzte Vorstandsbeschluss in die aktuell geltende Rechtsposition der ca. 40 Zulagenbezieher ein. Die laufend gewährte Zulage wird vom %-Betrag der Grundvergütung der Stufe 4 der Aufstiegsvergütungsgruppe abgekoppelt und damit entdynamisiert. Die betragsmäßige Festschreibung der derzeit gewährten Zulage ändert die arbeitsvertragliche Situation der betroffenen Mitarbeiter unmittelbar. Die Änderung der Vergütungsgrundlagen der derzeitigen Zulagenbezieher ist als mitbestimmungspflichtige Rückgruppierung zu werten. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Anwendung der zu 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entwickelten Grundsätze auf übertarifliche Vergütungssysteme im Zuge der Beurteilung des Mitarbeitervertretungsrechts von 35 Abs. 1 Nr. 1-3 MAVO. Der Beklagte hat das bisherige außertarifliche Lohngefüge verändert. Die Zulagenempfänger werden hinter dem allg. Erhöhungsprozentsatz zurückbleiben, was das Verhältnis zur ausbezahlten Gesamtvergütung ändern wird. b) Da ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand vorliegt, kann die Maßnahme vor Durchführung des Verfahrens nach 33 MAVO nicht umgesetzt werden. Im Zuge des nunmehr durchzuführenden Zustimmungsverfahrens hat die Mitarbeitervertretung pflichtgemäß die Gesichtspunkte des 35 Abs. 2 Nr. 1 MAVO und damit auch die individualrechtliche Wirksamkeit des Vorgangs zu überprüfen. Kommt die Mitarbeitervertretung im Rahmen des Zustimmungsverfahrens zu dem Ergebnis, das Einfrieren der Zulagen sei wegen Verstoßes gegen eine widerrufsfeste Gesamtzusage rechtswidrig, wird sie die Zustimmung verweigern können. 2. Da die Beklagte die Zulagenentdynamisierung am 01.10.2006 mitbestimmungswidrig ins Werk gesetzt hat, steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zu. Die Mitarbeitervertretung kann zu erwartenden oder eingetretenen Verstößen des Arbeitgebers gegen Mitbestimmungsrechte aus 35 Abs. 1 Nr. 1-3 MAVO grundsätzlich mit Hilfe eines allg. Unterlassungsanspruchs begegnen (BAG, Urt. vom 28.02.2006 1 ABR 4/05 mit Nachweisen unter Rn, 13). Der allg. Unterlassungsanspruch verlangt eine bevorstehende Verletzungsgefahr. Diese ist im Streitfall ohne Weiteres anzunehmen. Die Dienstgeberin hat in die Vergütungsstruktur einseitig und unter Verletzung des Mitbestimmungsrechtes der Mitarbeitervertretung eingegriffen.

6 3. Klageantrag Nr. 1 war abzuweisen. Das Mitbestimmungsrecht des 35 Abs. 1 Nr. 1 3 MAVO setzt jeweils konkrete Eingruppierungs- oder Rückgruppierungsvorgänge voraus. Erst dann kann die Mitarbeitervertretung im Zuge des Einzelsachverhaltes/mehrerer Einzelsachverhalte zur Überprüfung der zugrundegelegten Vergütungsordnung gelangen. Bezogen auf die anwartschaftsberechtigten Beschäftigten (Beschäftigte in der Bewährungszeit) und neu eingestellte Arbeitnehmer liegt ein der Mitbestimmung zugänglicher aktueller Sachverhalt nicht vor. Erst wenn einzelne Mitarbeiter die Bewährungszeit absolviert und damit ggf. Anspruch auf die Zulage hätten, kann die Mitarbeitervertretung geltend machen, der Mitarbeiter sei zustimmungsbedürftig rückgruppiert worden. Für neu eingestellte Arbeitnehmer ist der konkrete Einstellungsvorgang mit der Eingruppierungsbeteiligung abzuwarten. Erst im Zuge des dann entstehenden Mitbestimmungsrechts nach 35 Abs. 1 Nr. 1 MAVO kann die Fehlerhaftigkeit des Vorstandsbeschlusses thematisiert werden. Vor diesem Hintergrund konnte Klageantrag Nr. 1 keinen Erfolg haben. 4. Die Revision wurde für beide Parteien nach 47 Abs. 2 KAGO zugelassen. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Reichweite des Einund Rückgruppierungsbegriffes in 35 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 MAVO. Rechtsmittelbelehrung: Sie können gegen das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts die Revision zum Kirchlichen Arbeitsgerichtshof einlegen, wenn diese in dem Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts zugelassen worden ist. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Die Revision ist binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Kirchlichen Arbeitsgericht - Adresse: Kirchliches Arbeitsgericht der Erzdiözese Freiburg beim Erzb. Ordinariat Freiburg, Schoferstraße 2, 79098 Freiburg, Telefax: 0761 2188-505 oder dem Kirchlichen Arbeitsgerichtshof Adresse: Kirchlicher Arbeitsgerichtshof für die deutschen Diözesen, Kaiserstraße 161, 53113 Bonn, Telefax: 0228 103-273 schriftlich einzulegen. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Revision muss innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet werden. Die Begründung ist bei dem Kirchlichen Arbeitsgerichtshof einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. gez. Dr. Kramer gez. Welter gez. Schwär Vorsitzende Richterin am Beisitzender Richter am Beisitzender Richter am Kirchlichen Arbeitsgericht Kirchlichen Arbeitsgericht Kirchlichen Arbeitsgericht