Soziale Rechte als Beitrag zur subjektiven Sicherheit. Die Geschichte der sozialen Grundrechte in Österreich

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Transkript:

.SIAK-Journal Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis Kirchmair, Lando (2010): Soziale Rechte als Beitrag zur subjektiven Sicherheit. Die Geschichte der sozialen Grundrechte in Österreich SIAK-Journal Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (3), 68-79. doi: 10.7396/2010_3_G Um auf diesen Artikel als Quelle zu verweisen, verwenden Sie bitte folgende Angaben: Kirchmair, Lando (2010). Soziale Rechte als Beitrag zur subjektiven Sicherheit. Die Geschichte der sozialen Grundrechte in Österreich, SIAK-Journal Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (3), 68-79, Online: http://dx.doi.org/10.7396/2010_3_g. Bundesministerium für Inneres Sicherheitsakademie / Verlag NWV, 2010 Hinweis: Die gedruckte Ausgabe des Artikels ist in der Print-Version des SIAK-Journals im Verlag NWV (http://nwv.at) erschienen. Online publiziert: 3/2013

.SIAK-JOURNAL 3/2010 Soziale Rechte als Beitrag zur subjektiven Sicherheit Die Geschichte der sozialen Grundrechte in Österreich LANDO KIRCHMAIR, Fachbereich Öffentliches Recht, Völkerrecht an der Universität Salzburg. Die Gewährleistung sozialer Rechte hat erhebliche Bedeutung für die Schaffung und die Aufrechterhaltung der sozialen Sicherheit, welche für die Funktionalität eines Gesellschaftssystems von grundlegender Bedeutung ist. Eine rechtlich gestärkte Position der subjektiven Sicherheit kann dazu einen Beitrag leisten. In einer Gesellschaft, die einen sozial abgesicherten Lebensstandard gewährleistet, ist das Risikopotential für ein ihr schadendes Verhalten durch ihre Mitglieder in erheblichem Ausmaß gesenkt. Die Notwendigkeit, soziale Risiken durch eine rechtliche Grundstruktur abzusichern, ist dem Prinzip der sozialen Sicherheit immanent. 1 Vor allem deshalb ist hervorzuheben, dass die Unterstützung von Benachteiligten nicht als Barmherzigkeit, sondern als Recht verstanden werden muss. 2 Soziale Rechte im höchsten Rang der Rechtsordnung, als soziale Grundrechte in der Verfassung, verdeutlichen dies entsprechend. Unter dieser Prämisse wird sich der folgende Beitrag mit der Geschichte der sozialen Grundrechte in Österreich auseinandersetzen. Von der Monarchie bis zur Europäischen Union werden nationale wie internationale Kodifikationen aufgezeigt, aufgrund derer Möglichkeiten bestanden haben, soziale Rechte verfassungsgesetzlich zu verankern. Aktuell sind soziale Grundrechte in der österreichischen Verfassung nicht verankert. Es gibt keine allgemein anerkannte 1. Vom monarchischen Staat zum Kon- Definition der sozialen Grundrechte in stitutionalismus 1867 Lehre oder Gesetz. 3 Vereinfacht gespro- In der Verfassungsgeschichte Österreichs chen, ist das soziale Grundrecht ein im wurden soziale Grundrechte bis zur kon- Verfassungsrang garantiertes Recht des stitutionellen Monarchie 1867 ( Dezem- Einzelnen auf positives Handeln des Staa- berverfassung ) nicht berücksichtigt. tes im Bereich der öffentlichen Fürsorge. Dementsprechend kodifizierte das noch In der Fachterminologie werden soziale heute geltende Staatsgrundgesetz über Grundrechte auch als Leistungsrechte im die allgemeinen Rechte der Staatsbürger 5 engeren Sinn bezeichnet. 4 An dieser Um- vom 21. Dezember 1867 (in weiterer Folschreibung wird sich auch das begriffliche ge mit StGG abgekürzt) ausschließlich Verständnis dieser Arbeit orientieren. liberale Grundrechte. Einer der ersten Entwürfe zum StGG von 1867 enthielt I. SOZIALE RECHTE IN DER allerdings auch vergleichende Hinweise NATIONALEN VERFASSUNGS- auf Verfassungen anderer Staaten, die so- GESCHICHTE ziale Grundrechte bereits gewährleisteten. 6 68

3/2010.SIAK-JOURNAL Die Bedeutung, soziale Rechte verfassungsgesetzlich zu verankern, wird auch durch die berühmte Virginia Bill of Rights vom 12. Juni 1776 aufgezeigt. So statuiert ihr Artikel 1: (a)lle Menschen ( ) besitzen bestimmte angeborene Rechte, ( ) und zwar den Genuß des Lebens ( ) und das Erstreben und Erlangen von Glück und Sicherheit. 7 Auch die französische Verfassung vom 24. Juni 1793, welche ebenfalls als Vorbild diente, 8 garantiert soziale Grundrechte. Auch wenn die sogenannte Jakobinerverfassung nie in Kraft trat, verankerte sie den Unterhalt der ins Unglück geratenen Bürger (Art. 21) sowie die Aufgabe der Gesellschaft, mit ganzer Kraft die Fortschritte der öffentlichen Bildung (zu) fördern und den Unterricht an dem Fassungsvermögen aller Bürger aus(zu)richten (Art. 22). 9 Des Weiteren kann auch die Verfassung des Deutschen Reichs vom 28. März 1849 ( Paulskirchenverfassung ) und die ihr zu Grunde liegende Diskussion bezüglich des Grundrechts auf Arbeit genannt werden. 10 Vor dem Hintergrund, dass soziale Grundrechte in den genannten Verfassungen verbürgt worden sind, stellt sich die Frage, warum in Österreich nicht einmal diskutiert wurde, ob sozialen Aspekten verfassungsrechtlicher Schutz gewährleistet werden sollte. Hauptverantwortlich dafür war wohl der durch die bürgerlichliberale Revolution von 1848 geprägte Gedanke der Freiheit vom Staat, welcher sich auch in der Verfassung von 1867 niederschlägt. 11 Soziale Grundrechte, welche dem Staat eine positive Pflicht abverlangen, wurden damit als unvereinbar angesehen. Dieses Argument des (vermeintlichen) Kontrastverhältnisses der liberalen zu den sozialen Grundrechten hält sich bis heute. Ebenfalls könnte der Einfluss der Säkularisierung in Österreich einen gewissen Einfluss auf die Nichtberücksichtigung sozialer Grundrechte gehabt haben. 12 Unter der Annahme, dass soziale Fürsorge auf starke moralische Grundlagen der christlichen Lehre gestützt wurde 13, vermag eine Trennung von staatlichen und kirchlichen Aufgaben zur Übergehung von sozialen Grundrechten beigetragen haben. Allgemein war die Politik darauf gerichtet, alle konfessionellen Verhältnisse im Wege der staatlichen Gesetzgebung zu ordnen. 14 2. Die Republik Österreich 1. Oktober 1920 Das Bundes-Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 15 (B-VG) stellte eine Pioniertat in der Hinsicht dar, dass der Verfassungsgerichtshof eine umfassende Möglichkeit zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen erhielt. 16 Weil aber soziale Grundrechte auch in dieser Verfassung nicht berücksichtigt worden sind, waren sie von diesem Schutz nicht mit umfasst. Mehrere der damals vorliegenden Verfassungsentwürfe enthielten soziale Grundrechte. 17 Die Entwürfe orientierten sich auch an der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 18 (Weimarer Reichsverfassung), welche wiederum, beeinflusst durch die Paulskirchenverfassung, soziale Grundrechte mitberücksichtigte. Die Verankerung sozialer Anliegen in der Verfassung von 1920 fiel aber schließlich der tiefen Kluft zwischen den Großparteien und deren ideologischen Ansichten zum Opfer. Als vorübergehende Kompromisslösung wurde das StGG von 1867 rezipiert, um das gesamte Verfassungswerk nicht zu gefährden. 3. Vom Bundesstaat Österreich bis zum Staatsvertrag von Wien 24. April 1934 bis 27. Juli 1955 Mit der Verfassung des Bundesstaats Österreich vom 24. April 1934 erhielt Österreich erstmals seit 1867 einen neuen Grundrechtskatalog. 19 Da er aber im We 69

.SIAK-JOURNAL 3/2010 sentlichen dem Grundrechtskatalog von 1867 entsprach 20, enthielt folglich auch dieser keine sozialen Grundrechte. Durch das Bundesverfassungsgesetz über die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich 21 wurde ein trauriges Kapitel in der Geschichte Österreichs für die nächsten sieben Jahre besiegelt. Die Theorie des Nationalsozialismus beschreibt Ermacora zu Recht als Gegensatz zu den bisherigen Errungenschaften auf dem Gebiet der Menschen- und Grundrechte. Die Person als Mensch und Individuum wurde entrechteter Teil einer Masse, des Volks. 22 Die Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 23 verkündete die Wiederherstellung der Republik Österreich im Geiste der Verfassung von 1920, die endgültig am 19. Dezember 1945 in Kraft trat. Neukodifikationen im Bereich der Grundrechte gab es ebenfalls keine. In Anbetracht der schwierigen Lage war die Thematik der sozialen Grundrechte verständlicherweise nicht das vorherrschende Thema. Nennenswert ist in dieser Periode der erneute Beitritt Österreichs zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) am 24. Juni 1947 24, aus welcher Österreich 1938 ausgetreten war. Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag von Wien unterzeichnet. Er trat am 27. Juli 1955 in Kraft und Österreich erlangte seine volle Souveränität in den Grenzen vom 1. Januar 1938 wieder. Die folgenden Beitritte zu den Vereinten Nationen am 14. Dezember 1955 sowie zum Europarat am 16. April 1956 begründen die Basis für den Beitritt zu internationalen und regionalen Menschenrechtsabkommen wie beispielsweise der Europäischen Sozialcharta (ESC) oder dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR, kurz auch Sozialpakt). Diese hatten und haben in der Folge einen beträchtlichen Einfluss auf die innerstaatliche Diskussion zu sozialen Grundrechten. 4. Grundrechtsreform in Österreich 10. Dezember 1964 bis 1. Oktober 1992 Die rechtstechnische Zersplitterung und die Inhomogenität der österreichischen Grundrechtsordnung wie auch neue gesellschaftspolitische Forderungen waren Gründe, sich mit dem Entwurf eines neu zu kodifizierenden Grundrechtekataloges auseinander zu setzen. 25 Auch die EMRK und die damit verbundenen verfassungstechnischen Schwierigkeiten trugen dazu bei, ein Expertenkollegium welches sich am 10. Dezember 1964 konstituierte aus diversen juristischen und politischen Berufssparten zu installieren. 26 Bis zur Bestellung des Redaktionskomitees im Herbst 1974 bestehend aus nunmehr sieben im Wesentlichen dem Expertenkollegium entspringenden Mitgliedern vergingen bereits zehn Jahre. Weitere neun Jahre wurden benötigt, bis am 14. November 1983 erste Formulierungsvorschläge präsentiert wurden. Am 31. Januar 1985 konstituierte sich schließlich die politische Grundrechtskommission, welche nunmehr angesichts der komplexen Materie unter dem Arbeitsauftrag Teilreform statt Gesamtreform die erarbeiteten Vorschläge auf eine Basis des politischen Konsenses (der großen im Nationalrat vertretenen Parteien) bringen sollte. 27 Auch soziale Grundrechte waren ein Thema 28, allerdings vermochte auch der Entwurf des vermeintlich konsensfähigsten Rechts auf Sozialversicherung und Sozialhilfe 29 der massiven Kritik im Schrifttum nicht standzuhalten. Ähnlich verhielt es sich mit dem Entwurf zum Recht auf Arbeit. 30 So wurden diese Entwürfe von der Grundrechtskommission nicht für eine Regierungsvorlage als Bundesverfassungsgesetz (B-VG) vorgeschlagen. 31 Es sind vielschichtige Gründe dafür verantwortlich, dass die 5. Grundrechtsreform-Enquete am 1. Oktober 1992 die letzte war, allerdings wird der ideologischen Kluft der großen Parteien eine tragende Rolle zuzuschreiben sein. 32 70

3/2010.SIAK-JOURNAL 5. Der Österreich-Konvent 2. Mai 2003 bis 22. November 2004 Am 2. Mai 2003 konstituierte sich das Gründungskomitee des Österreich-Konvents mit dem Ziel, eine grundlegende Staatsreform und einen neuen Verfassungstext zu schaffen. Politisch wie auch sachlich und fachlich kompetente Experten sollten im Ausschuss IV unter Rücksichtnahme auf alle einschlägigen nationalen, internationalen und europäischen Regelungen einen (einheitlichen) Grundrechtekatalog erarbeiten. Die 13 Mitglieder des Ausschusses IV unter dem Vorsitz von Bernhard-Christian Funk legten acht Monate nach ihrer konstituierenden Sitzung am 1. Oktober 2003 ihren Bericht vor. Dieser Bericht vom 3. Juni 2004 wurde schlussendlich durch den ergänzenden Bericht am 22. November 2004 vervollständigt. 33 In der Debatte zur Einführung sozialer Grundrechte welche in der 31. bis 35. Sitzung behandelt wurden gab es große Meinungsverschiedenheiten, welche einen einheitlichen Verfassungsentwurf bezüglich dieser Materie verhinderten. 34 Obwohl mehrere soziale Grundrechte diskutiert wurden, entstand lediglich ein konsensfähiger Textvorschlag für das Recht auf Bildung sowie den Schutz der Umwelt. Alle weiteren Textentwürfe mussten mit kein Konsens vermerkt werden. 35 Eine (einheitliche) Neukodifikation auf dem Gebiet der Grundrechte kam aufgrund der ideologisch-politischen Kluft nicht zustande. Die Debatte über die Verankerung der sozialen Grundrechte in der Bundes-Verfassung wurde somit vertagt. Auch der vom Präsidium erreichte Mehrwert an Konsensvorschlägen 36 rettete dies nicht mehr. Der Konvent endete folglich ohne Ergebnis. II. SOZIALE RECHTE IN INTERNATIONALEN UND REGIONALEN VERTRÄGEN 1. Völkerrechtliche Verträge in der österreichischen Rechtsordnung Der Art. 50 B-VG zeigt die Völkerrechtsfreundlichkeit der österreichischen Rechtsordnung. Internationale Verträge gelten nach ihrer Publikation durch das Prinzip der generellen Transformation als Teil nationalen Rechts. Insofern Bestimmungen dieser Verträge gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt haben, müssen sie gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG vom Nationalrat genehmigt werden. Der durch das B-VG vom 4. März 1964 37 eingefügte Absatz 3 zum Artikel 50 B-VG führte ein, dass bei Genehmigungsbeschlüssen für Staatsverträge, die verfassungsändernd oder verfassungsergänzend waren, eine Genehmigung gemäß Art. 44 B-VG (Zwei-Drittel-Mehrheit) und eine ausdrückliche Bezeichnung als solche erforderlich waren. Wenn nun in Folge von einem materiellen Verfassungsbegriff ausgegangen worden wäre, hätten internationale wie regionale Menschenrechtsabkommen als materielles Verfassungsrecht nämlich die Grundrechte ergänzend und somit als verfassungsergänzend angesehen und dementsprechend auch im Verfassungsrang genehmigt werden müssen. 38 Allerdings hätten einerseits Schwierigkeiten in der Definition des Begriffs verfassungsergänzend bestanden und andererseits wurde die Theorie des formellen Verfassungsbegriffs von der herrschenden Auffassung bevorzugt. 39 Basierend auf dem formellen Verfassungsbegriff war es eine rechtspolitische Entscheidung, ob diese Abkommen im Verfassungsrang genehmigt werden sollten. Seit dem 1. Januar 2008 allerdings ist die Verleihung des Verfassungsrangs für völkerrechtliche Verträge überhaupt nicht mehr zulässig. 40 71

.SIAK-JOURNAL 3/2010 Ebenfalls durch das B-VG vom 4. März 1964 wurde das Konstrukt des Erfüllungsvorbehalts eingeführt (aktuell im Art. 50 Abs. 2 Z. 3 B-VG). Dies hat zur Folge, dass sich Einzelpersonen nicht direkt auf Normen dieser völkerrechtlichen Verträge stützen können, wenn sie vom Nationalrat mit Erfüllungsvorbehalt genehmigt worden sind. Lediglich zur Interpretation nationaler Gesetze, welche die Normen des völkerrechtlichen Vertrags erfüllen, können sie von Gerichten herangezogen werden. So wurden beispielsweise sowohl die ESC als auch der Sozialpakt vom Nationalrat nur mit Erfüllungsvorbehalt genehmigt. 41 2. Die Internationale Arbeitsorganisation 16. Juli 1920 Der Staatsvertrag von St. Germain wurde am 10. September 1919 unterzeichnet und trat am 16. Juli 1920 in Kraft. 42 Darin wurden nicht nur die neuen Staatsgrenzen geregelt, sondern auch der Beitritt Österreichs zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) statuiert. Die ILO wurde auf der Friedenskonferenz in Versailles am 11. April 1919 gegründet. 43 Der Gedanke, dass immerwährender Friede nur über den Weg der sozialen Gerechtigkeit zu Stande kommen bzw. anhalten kann, spielte dabei eine zentrale Rolle. Heute zählt die ILO 183 Mitglieder 44 und ihr (mittlerweile) einzigartiger dreigliedriger Aufbau lässt in allen Exekutivorganen Repräsentanten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber als gleichberechtigte Partner neben den Regierungsvertretern mitwirken. 45 Bis heute wurden von der ILO 188 Übereinkommen geschaffen. 46 Der Inhalt der Übereinkommen wird durch einen Mehrheitsbeschluss eines völkerrechtlichen Organs, unabhängig vom Vertragswillen der Mitgliedstaaten festgelegt. 47 Die Mitgliedstaaten müssen diese Übereinkommen ratifizieren, damit sie für sie verbindlich werden. Dies hat zur Folge, dass nicht alle ILO-Übereinkommen eine große Zahl an Ratifikationen vorweisen können. 48 Die von Österreich ratifizierten Übereinkommen haben in Österreich den Rang von Bundesgesetzen. 49 Dadurch, dass diese Übereinkommen nur einfachen Gesetzesrang haben, müssen sie späteren eventuell konfligierenden nationalen Gesetzen weichen. Die Normkonfliktregel lex posterior derogat legi priori kommt hier zum Tragen. Durch die Ratifikation eines Übereinkommens der ILO kommt allerdings auch das spezielle Kontrollsystem der ILO zur Anwendung, das durchaus einen gewissen individuellen Schutz einräumt. Ein Aufsichts- und Überwachungsverfahren wie auch ein Rechtsmittelsystem liegen der ILO zu Grunde. 50 Gemäß Art. 24 und 25 ILO-Verfassung sind sowohl staatliche als auch überstaatliche Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen beschwerdelegitimiert. 51 Dank dieses Überwachungssystems scheint es laut Dorfmann nicht angebracht, den Arbeitsnormen der ILO jegliche individuelle Interessenseinrichtung abzusprechen, noch sie ausschließlich als völkerrechtliche Sozialstandards objektivrechtlichen Charakters einzustufen. Vielmehr nehmen sie eine Mittelstellung zwischen echten sozialen Grundrechten und bloßen Staatenverpflichtungen im Sozialbereich ein. 52 3. Die Europäische Menschenrechtskonvention 3. September 1958 Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) am 3. September 1958 53 und die rückwirkende Verleihung des Verfassungsranges der EMRK 54 wurde der Grundrechtsschutz wesentlich verbessert. Die EMRK initiiert vom Europarat schützt allerdings vorwiegend bürgerliche und politische Rechte. 55 Den Vorschlägen, soziale Grundrechte mit in die EMRK aufzunehmen und damit deren sehr guten Rechtsschutz 72

3/2010.SIAK-JOURNAL system zugänglich zu machen, wurden vom Ministerkomitee des Europarates Absagen erteilt. 56 Dies widerspricht der Unteilbarkeit der Menschenrechte, die auf internationaler Ebene proklamiert wird. 57 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat ebenfalls festgestellt, dass die strikte Trennung zwischen bürgerlich-politischen und wirtschaftlichsozialen Grundrechten nicht möglich sei. 58 Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsprechung des EGMR bezüglich positiver Schutzpflichten. Er leistet einen Beitrag bezüglich sozialer Grundrechte, indem er Garantien der EMRK nicht nur als Abwehrrechte, sondern auch als staatliche Schutzpflichten beinhaltende Bestimmungen interpretiert. 59 In seinen Urteilen Demir und Baykara vom 12. November 2008 60 wie Enerji Yapi- Yol Sen vom 21. April 2009 61 judiziert er sogar ausdrücklich ein Streikrecht als von der EMRK (Art. 11 EMRK) garantiert. Im Urteil Gaygusuz 62 entscheidet der EGMR, dass auch öffentlich-rechtliche Ansprüche (in diesem Fall die Notstandshilfe) dem Eigentumsschutz der EMRK (Art. 1, 1. Zusatzprotokoll EMRK) unterliegen, wenn diese durch eigene Beitragsleistungen des Anspruchsberechtigten (mit)begründet worden sind. 63 4. Die Europäische Sozialcharta 29. Oktober 1969 Wie die EMRK stammt auch die Europäische Sozialcharta (ESC) vom 18. November 1961 64 vom Europarat. Die ESC regelt eine Fülle von sozialen Rechten und wurde von Österreich am 29. Oktober 1969 ratifiziert. Sie kann grob in Arbeitsbedingungen und sozialen Zusammenhalt unterteilt werden. Die ESC stellt zwar das Pendant zur EMRK dar, kann aber aus mehreren Gründen nicht als ihr gleichwertig bezeichnet werden. 65 Zum einen müssen, um eine möglichst hohe Zahl an Mitgliedstaaten zu erreichen, bei ihrer Ratifikation bis auf einen Kernbereich nicht alle in der ESC garantierten Rechte übernommen werden. Zum anderen sind garantierte Rechte nur so stark wie ihre Durchsetzbarkeit und diese ist im Fall der Sozialcharta dem Individuum völlig verwehrt. Eine Individualbeschwerde zu einem internationalen Gerichtshof, wie von Art. 34 EMRK garantiert, gibt es für die in der ESC gewährleisteten Rechte nicht. Eine Kollektivbeschwerde ist zwar durch das zweite Zusatzprotokoll zur ESC, das am 1. Juli 1998 in Kraft trat, ermöglicht worden. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen wie internationalen Nicht-Regierungs-Organisationen wird dadurch eine Beschwerdelegitimation erteilt. Österreich hat dieses zweite Zusatzprotokoll zwar am 7. Mai 1999 unterzeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert. 66 Das Staatenberichtsverfahren des Art. 21 ESC kann als Überwachungssystem nützlich sein, dem Anspruch, Grund- bzw. Menschenrechte effektiv zu schützen, kann es allerdings nicht gerecht werden. Einzelnen wird dadurch kein Rechtsanspruch gewährt und ein Nichtberichten bzw. eine Rüge durch das Kontrollorgan haben nur politische, aber keine rechtliche Bedeutung. 67 Österreich hat die ESC im Gegensatz zur EMRK nicht in die Verfassung integriert. Vielmehr wurde die Sozialcharta am 29. Oktober 1969 unter Erfüllungsvorbehalt gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG ratifiziert. 68 Folglich können sich Einzelpersonen nicht direkt auf die ESC stützen. Einzig bei der Auslegung der zu seiner Erfüllung ergangenen Gesetze sind die Rechte der ESC zu beachten. 69 Gründe für dieses zurückhaltende Vorgehen sind sowohl in den einschneidenden Auswirkungen auf das innerstaatliche Recht, die die Etablierung der EMRK im Verfassungsrang verursacht hat 70, als auch in den ver 73

.SIAK-JOURNAL 3/2010 schiedenen Ansichten der politischen Großparteien zu sehen. Eine erste große Chance, soziale Grundrechte in Österreich aufgrund internationaler Normen zu garantieren, wurde somit verpasst. Zum 30 jährigen Jubiläum der Sozialcharta wurde von der Ministerkonferenz des Europarates in Turin beschlossen, die ESC an die wesentlichen sozialen Veränderungen anzupassen. Die nunmehrige revidierte Sozialcharta (RESC) trat am 1. Juli 1999 in Kraft. Sie wurde ebenfalls am 7. Mai 1999 von Österreich unterzeichnet, ihre Ratifikation steht aber wie die des zweiten Zusatzprotokolls noch aus. 5. Die Weltpakte der Vereinten Nationen 10. September 1978 Bereits die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 beinhaltet eine bemerkenswerte Reihe von sozialen Rechten. Sie wurde allerdings als rechtlich unverbindliche Deklaration verabschiedet. Ihr folgten die sogenannten Weltpakte der Vereinten Nationen. Am 3. Januar 1976 trat der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR, kurz auch Sozialpakt) und am 23. März 1976 der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR, kurz auch Zivilpakt genannt) völkerrechtlich in Kraft. Ähnlich dem Verhältnis von EMRK und ESC sind aber auch die im Zivilpakt gewährleisteten Rechte vor allem bezogen auf das Rechtsschutzsystem 71 besser gestellt als die Rechte im Sozialpakt. Während der Zivilpakt zusätzlich zum obligatorischen Staatenberichtsverfahren auch ein Staatenbeschwerdeverfahren und ein Individualbeschwerdeverfahren zum Menschenrechtsausschuss kennt, gibt es im Sozialpakt nur ein Staatenberichtsverfahren. Seit 1985 werden diese Berichte über den Sozialpakt vom Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte behandelt. Dass es überhaupt eine Trennung beider Menschenrechtspakte gibt, geht auf eine knappe Mehrheit westlicher Staaten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1951 zurück. 72 Materiell-rechtlich deckt sich der Sozialpakt großteils mit der Europäischen Sozialcharta und wurde daher auch von Floretta und Öhlinger treffend als Welt-Sozialcharta bezeichnet. 73 Beide Pakte wurden am 20. Mai 1976 dem Nationalrat gemäß Art. 50 B-VG zur Genehmigung vorgelegt. Die bedeutsame Frage war, ob diese Pakte im Verfassungsrang gemäß Art. 44 B-VG genehmigt werden sollten. 74 Die für den Verfassungsrang benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit kam trotz bereits damaligem Fürsprechen für soziale Grundrechte und kontroversen Diskussionen nicht zustande. 75 Beide Weltpakte wurden somit am 10. September 1978 in einfachem Gesetzesrang ratifiziert und traten am 10. Dezember 1978 für Österreich in Kraft. Wie die ESC wurden sie mit einem Erfüllungsvorbehalt gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG versehen. 76 Einzelpersonen können sich somit wiederum nicht direkt auf die darin gewährleisteten Rechte stützen. Erneut verhinderten ideologische Ansichten der politischen Parteien die Verankerung sozialer Grundrechte in Österreich. 6. Die Europäische Grundrechtecharta und der Vertrag von Lissabon 1. Dezember 2009 Aufgrund der Initiative des Europäischen Rates von Köln konstituierte sich am 17. Dezember 1999 der erste Europäische Konvent. Unter Einbeziehung sowohl europäischer als auch nationaler wie internationaler Institutionen 77 spielte der Europäische Konvent eine tragende Rolle bei einem außerordentlich wichtigen europäischen Integrationsprojekt. 78 Unter dem Vorsitz des deutschen Altbundespräsidenten 74

3/2010.SIAK-JOURNAL und ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Roman Herzog wurde der erste Europäische Konvent in nur neun Monaten seiner Aufgabe gerecht. Somit kam es am 7. Dezember 2000 zur feierlichen Proklamierung der Charta der Grundrechte (GRCh) durch das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission in Nizza. 79 Bezogen auf soziale Grundrechte war wichtig, dass der Europäische Rat von Köln neben den alteingesessenen Freiheits-, Gleichheits- und Verfahrensgrundrechten auch wirtschaftliche und soziale Rechte mit in die Charta aufgenommen wissen wollte. 80 Nach ebenfalls divergierenden Diskussionen über die Rolle sozialer Grundrechte zwischen den Ländervertretern 81 entschied man sich auf europäischer Ebene, soziale Grundrechte in die Grundrechtecharta aufzunehmen. Streng an die Vorgaben des Europäischen Rates von Köln gebunden wurden soziale Grundrechte nach dem Kompromissvorschlag des deutschen Delegierten Meyer, beruhend auf dem sogenannten Drei-Säulen-Modell 82, in der GRCh verankert. 83 Vielfach wurden auch Bedenken bezüglich einer Kompetenzüberschreitung durch einen (zu) allumfassenden Grundrechtskatalog geäußert. Durch ein vermittelndes Statement deutscher Delegierter wurde allerdings klargestellt, dass die Charta (n)icht mehr Macht, sondern bessere Kontrolle 84 gewährleisten werde. Folglich sollte die Grundrechtecharta auch nur auf Rechtsakte der EU und nicht auf Rechtsakte der Mitgliedstaaten anwendbar sein. Des Weiteren stellen soziale Rechte in der Charta für ihre Mitgliedstaaten nur eine Art sozialen Sockel dar, welcher nicht unterschritten werden darf. Insoweit soziale Bestimmungen der Grundrechtecharta mit Schutzcharakter zum Tragen kommen, ist zu bedenken, dass diese von der Union nur im Rahmen ihrer Kompetenzen und unter dem Vorbehalt des Subsidiaritätsprinzips zu garantieren sind. 85 So greifen Leistungsrechte wie beispielsweise das soziale Grundrecht auf Pflichtschulunterricht, auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung und das Grundrecht auf ärztliche Versorgung mangels Unionszuständigkeit nicht. 86 Durch das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 wird die Grundrechtecharta von ihrem rechtlich unverbindlichen Deklarationscharakter in den Primärrang des europäischen Unionsrechts gehoben. Das Manko der mangelnden Durchsetzbarkeit bezüglich der in ihr gewährleisteten sozialen Grundrechte bleibt allerdings bestehen. Eine Grundrechtsbeschwerde für die in der GRCh garantierten Rechte wurde mit dem Verweis auf das aktuelle Rechtsschutzsystem nicht geschaffen. Auch die Zugangsvoraussetzungen der zwar nunmehr erweiterten Individualnichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV 87 für Einzelne zum EuGH bleiben zumindest vorübergehend eingeschränkt. 88 Im Ergebnis kann aber die Aufnahme der sozialen Grundrechte in die Europäische Grundrechtecharta als durchaus positiv bewertet werden. Inwiefern Einzelnen daraus Schutz gegenüber dem Handeln der Organe der EU gewährleistet wird und ob sich die sozialen Grundrechte in der GRCh auch auf nationales Recht auswirken werden 89, wird erst nach einschlägiger Rechtsprechung des EuGH abschließend beurteilt werden können. III. KONKLUSION Der rote Faden ist in der Geschichte der sozialen Grundrechte und ihrer Verankerung in der österreichischen Verfassung erkennbar. Gleichwohl dieser kein allzu positives Bild darstellt. Einerseits konnten mehrere innerstaatliche Projekte, die es zum Ziel hatten, soziale Anliegen in der Verfassung zu etablieren (noch) nicht verwirklicht werden. Andererseits wurden so 75

.SIAK-JOURNAL 3/2010 zialrechtliche, internationale Verträge in Österreich nicht derart in die Verfassung integriert, dass von sozialen Grundrechten gesprochen werden könnte. 90 Die nunmehr jahrzehntelang anhaltende Diskussion über die verfassungsgesetzliche Gewährleistung sozialer Rechte, vor allem in Anbetracht der jüngeren Beiträge im Schrifttum, lässt eine durchaus positive Haltung erkennen. Eine Verankerung sozialer Grundrechte scheiterte aber regelmäßig an der politischen Konsensfähigkeit. Aus rechtspolitischer Sicht sind soziale Grundrechte von enormer Relevanz, da der Staat die Freiheit gewährleistend auch dahingehend verstanden werden sollte, dass die Freiheit eines jeden Individuums nur bei gleichberechtigter Chancenverteilung gesichert ist. Bürger müssen (mittlerweile) auch vor dem Risiko der Freiheit geschützt werden. 91 Plakativ gesprochen kann auch gesagt werden: Ohne Brot keine Freiheit. 92 Mit der Gewährleistung sozialer Grundrechte in der europäischen Grundrechtecharta und deren Inkrafttreten durch den Vertrag von Lissabon wurde auf europäischer Ebene eine richtungweisende Entscheidung getroffen. Inwieweit sich dies auch auf die nationale Ebene auswirken wird und ob dadurch der innerstaatlichen Ebene ein Anstoß gegeben werden kann, wird sich weisen. Nicht nur in Anbetracht der Universalität der Menschen- wie Grundrechte, sondern vor allem auch zur Stärkung der subjektiven Sicherheit eines jeden wäre dies gewinnbringend. Nicht zuletzt könnte die gestärkte individuelle Sicherheit dadurch zur Gewährleistung der sozialen Sicherheit insgesamt beitragen. 1 Vgl. Reynaud, E. (Hg.) (2007). The Tight to Social Security Current Challenges in International Perspective in Riedel, Social Security as a Human Right. Drafting a General Comment on Article 9 ICESCR Some Challenges 1 ff; 10 f; Kannan, K. P. (2007). Soziale Sicherheit in einer Welt mit fortschreitender Globalisierung, Internationale Revue für Soziale Sicherheit (60), 2 3; 21 ff; 22 f; Metz, K. H. (2008). Die Geschichte der sozialen Sicherheit, 95 ff. 2 Vgl. die Aussage von Benjamin Disraeli (späterer zweifacher britischer Premierminister) 1837: Its primary object is formed not only on a political blunder, but a moral error it went on the principle that relief to the poor is a charity. I maintain that it is a right!, zitiert nach van der Ven, F. J. (1963). Soziale Grundrechte, 16. 3 Vgl. Arango, R. (2001). Der Begriff der sozialen Grundrechte, 19; Dorfmann, J. (2006). Der Schutz der sozialen Grundrechte eine Untersuchung aus völkerrechtlicher und europarechtlicher Sicht, 41. 4 Siehe die Definition bei Alexy, R. (1996). Theorie der Grundrechte 3, 454 bzw. bei Dorfmann, J. (2006). Der Schutz der sozialen Grundrechte eine Untersuchung aus völkerrechtlicher und europarechtlicher Sicht, 45. 5 Siehe RGBl 142/1867 bzw. Art. 149 B-VG. 6 Unter anderem wird auf den Grundrechtekatalog der Frankfurter Paulskirchen- Verfassung hingewiesen, siehe den ersten Referentenentwurf von Sturm, E. (1997). Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Nachlaß Plener, Karton 44, zitiert nach Haider, B. Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates vom Jahre 1867, 118 f. 7 Deutsche Übersetzung bei Heidelmeyer, W. (Hg.) (1972). Die Menschenrechte, 54 bzw. auf http://www.dadalos-d.org/ deutsch/menschenrechte/grundkurs_mr2/ Materialien/dokument2.htm (Stand Anfang Juni 2010). 8 Siehe Brauneder, W. (1987). Die historische Entwicklung der modernen Grundrechte in Österreich, Politische Bildung (54), 14. 9 Deutsche Übersetzung bei Heidelmeyer, W. (Hg.) (1972). Die Menschenrechte, 62 bzw. auf http://www.verfassungen.eu/f/ fverf93-i.htm (Stand Anfang Juni 2010). 10 Vgl. Verfassung des Deutschen Reiches ( Paulskirchen-Verfassung ) RGBl Nr. 16, 28.04.1849, 101 147. 11 Vgl. dazu auch Novak, R. (1972). Das Problem der sozialen Grundrechte, 4. 12 Vgl. dazu allg. Böckenförde, E.-W. (2004). Kirche und christlicher Glaube in den Herausforderungen der Zeit Beiträge zur politisch-theologischen Verfassungsgeschichte 1957 2002, 215 ff. 76

3/2010.SIAK-JOURNAL 13 Vgl. Kassimatis, G. (2010). Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Sozialstaates, 24, in: Iliopoulos-Strangas, J. (Hg.) Soziale Grundrechte in Europa nach Lissabon Eine rechtsvergleichende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen und des europäischen Rechts. 14 Vgl. Ulbrich, F. (1904). Österreichisches Staatsrecht 3, 195 ff. 15 BGBl 1920/1. 16 Vgl. Adamovich, L. (1990). Recht und Politik im Bereich der Grundrechte, in FS Klecatsky, 4 f. 17 Der Entwurf der sozialdemokratischen Partei KNV (Art. 151 ff), welcher am 7. Juli 1920 in der konstituierenden Nationalversammlung eingebracht wurde, siehe Nr. 904 Beilagen ders; vgl. auch noch den sog. Renner-Mayr-Entwurf (Art. 152 ff), welcher am 8. Juli 1920 in der Wiener Zeitung, Nr. 153 veröffentlicht wurde; Texte bei Ermacora, F. (1967). Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920), 152 ff und 193 ff. 18 Vgl. Novak, R. (1972). Das Problem der sozialen Grundrechte, 4; Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, Art 157 ff, (RGBl 1383). 19 Vgl. Brauneder, W. (1980). Österreichische Verfassungsgeschichte 2, 27. 20 Adamovich, L. K./Funk, B.-C. (1985). Österreichisches Verfassungsrecht 3, 77 ff. 21 BGBl 1938/75. 22 Ermacora, F. (1974). Menschenrechte in der sich wandelnden Welt I Historische Entwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 409 f. 23 StGBl 1945/1. 24 BGBl 1949/223. 25 Vgl. Holzinger, G. (1991). Grundrechtsreform in Österreich, in: Machacek, R./Pahr, W./Stadler, G. (Hg.) 70 Jahre Republik Grund- und Menschenrechte in Österreich, 460 ff. 26 Vgl. Loebenstein, E. (1991). Die Behandlung des österreichischen Grundrechtskataloges durch das Expertenkollegium zur Neuordnung der Grund- und Freiheitsrechte, in Machacek, R./Pahr, W./Stadler, G. (Hg.) 70 Jahre Republik Grund- und Menschenrechte in Österreich, 367 ff. 27 Vgl. Holzinger, G. (1991). Grundrechtsreform in Österreich, in: Machacek, R./Pahr, W./Stadler, G. (Hg.) 70 Jahre Republik Grund- und Menschenrechte in Österreich, 467. 28 Vgl. ebd., 468. 29 Siehe Republik Österreich, Bundeskanzleramt, Verfassungsdienst (Hg.) (1988). Grundrechtsreform-Enquete 3, Soziale Grundrechte: Sozialversicherung, Sozialhilfebeiträge anläßlich der 3. Grundrechtsreform-Enquete. 30 Siehe Republik Österreich, Bundeskanzleramt, Verfassungsdienst (Hg.) (1991). Grundrechtsreform-Enquete 4, Wirtschaftliche und Soziale Rechte Recht auf Arbeit: Referate und Diskussionsbeiträge anläßlich der 4. Grundrechtsreform-Enquete am 13. Juni 1990. Vgl. Öhlinger, T./Stelzer, M. (2010). Der Schutz der sozialen Grundrechte in der Rechtsordnung Österreichs, in: Iliopoulos-Strangas, J. (Hg.) Soziale Grundrechte in Europa nach Lissabon Eine rechtsvergleichende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen und des europäischen Rechts, 497 ff. 31 Vgl. ebd., 483 ff. 32 Vgl. Gutknecht, B. (2001). Soziale Grundrechte in Österreich, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.) Soziale Grundrechte in der Europäischen Union, 123 ff; ebenso Klima, V. (1998). 4001/AB XX. GP- Anfragebeantwortung durch den Bundeskanzler Viktor Klima am 15.06. 1998, 1; abrufbar unter http://www. parlament.gv.at/pg/de/xx/ab/ab_04 001/fname_ 136364.pdf (Stand Anfang Juni 2010). 33 Siehe ergänzender Bericht des Ausschusses IV vom 22.11.2004, 7. 34 Siehe ebd., 78. 35 Siehe ebd., 146 156. 36 Siehe Endbericht des Österreich-Konvents, Teil 3, 98 ff. 37 BGBl 1964/59. 38 Auch die Europäische Sozialcharta wäre dieser Theorie zu Folge zu Unrecht im Verfassungsrang genehmigt worden. 39 Vgl. Floretta, H./Öhlinger, T. (1978). Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen Ein Beitrag zum Stand der Grundrechte in Österreich, insbesondere zu den sozialen Grundrechten, 17 ff sowie 35 ff. 40 Siehe BGBl 2008/2. 41 Vgl. dazu auch Öhlinger, T./Stelzer, M. (2010). Der Schutz der sozialen Grundrechte in der Rechtsordnung Österreichs, in: Iliopoulos-Strangas, J. (Hg.) Soziale Grundrechte in Europa nach Lissabon Eine rechtsvergleichende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen und des europäischen Rechts, 509 f. 42 StGBl 1920/303. 43 Siehe Teil XIII Arbeit des Friedensvertrages von Versailles, die Wurzeln der ILO reichen allerdings bis ins 19. Jahrhundert zurück. 44 Siehe http://www.ilo.org/ilolex/english/mstatese.htm (Stand Anfang Juni 2010). 45 Vgl. Piringer, G. (2000). Die Internationale Arbeitsorganisation und Österreich, Dis., 31 ff. 46 Vgl. http://www.ilo.org/ilolex/english/ newratframee.htm (Stand Anfang Juni 2010). 47 Vgl. ebd., 41. 48 Österreich hat 53 von 188 Übereinkommen ratifiziert; im Vergleich dazu haben beispielsweise Deutschland 83 und Frankreich 124 Übereinkommen ratifiziert. 49 Vgl. Öhlinger, T./Stelzer, M. (2010). Der Schutz der sozialen Grundrechte in 77

.SIAK-JOURNAL 3/2010 der Rechtsordnung Österreichs, in: Iliopoulos-Strangas, J. (Hg.) Soziale Grundrechte in Europa nach Lissabon Eine rechtsvergleichende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen und des europäischen Rechts, 512. 50 Vgl. Machacek, R. (1991). Die Internationale Arbeitsorganisation, in: FS Schwarz, Arbeit, Recht und Gesellschaft, 761 ff. 51 Vgl. ebd., 763 f. 52 Dorfmann, J. (2006). Der Schutz der sozialen Grundrechte eine Untersuchung aus völkerrechtlicher und europarechtlicher Sicht, 98. 53 BGBl 1958/210. 54 BGBl 1964/59. 55 Als ansatzweise soziale Grundrechte können der Artikel 2 des 1. Zusatzprotokolls Recht auf Bildung (erstmals seit dem Grundrechtepatent der Reichsverfassung 1849 wieder im Verfassungsrang ); Das Verbot der Zwangsarbeit (Art. 4 EMRK); das Recht auf ein faires Verfahren insbesondere das Recht auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 6 EMRK); das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK), die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit bzw. der Schutz der Gewerkschaften (Art. 11 EMRK) genannt werden. 56 Vgl. beispielsweise die Empfehlung 1415 vom 23. Juni 1999 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, in welcher die Ergänzung der EMRK um ein Zusatzprotokoll mit sozialen Grundrechten vorgeschlagen wird. http://assembly.coe.int/ Main.asp?link=/Documents/AdoptedText/ ta99/erec1415.htm (Stand Anfang Juni 2010). 57 Vgl. Bsp. die Proklamation von Teheran, 22. April bis 13. Mai 1968: Weil Menschenrechte und Grundfreiheiten unteilbar sind, ist die vollständige Verwirklichung der bürgerlichen und politischen Rechte ohne den Genuss der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte unmöglich. UN Doc. A/CONF. 32/41 at 3; ähnlich die Resolution 32/130 der UN- Vollversammlung über die Verwirklichung der Menschenrechte vom 16.12.1977, UN Doc. A/RES/32/130/PV.105; so auch die Wiener Erklärung vom 12. Juli 1993 in Z 32, UN Doc. A/CONF.157/23. 58 EGMR U 25.04.1978, Tyrer v. The United Kingdom, Nr. 5856/72. 59 EGMR U 26.03.1985, X and Y v. The Netherlands, Nr. 8734/79; EGMR U 20.03.2008, Budayeva and Others v. Russia, Nr. 15339/02, 21166/02, 20058/02, 11673/02 and 15343/02. 60 EGMR U 12.11.2008, Demir and Baykara v. Turkey, Nr. 34503/97. 61 EGMR U 21.04.2009, Eenerji Yapi-Yol Sen c. Turquie, Nr. 68959/02. 62 EGMR U 16.09.1996, Gaygusuz v. Austria, Nr. 17371/90. 63 Grillberger, K. (2008). Österreichisches Sozialrecht 7, 6. 64 Am 26. Februar 1965 trat sie in Kraft und wurde bis dato von 27 Staaten umgesetzt. Siehe http://conventions.coe.int/ Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT= 035&CM=8&DF=6/17/2008&CL=GER (Stand: Anfang Juni 2010). 65 Vgl. Öhlinger, T. (1988). Die Europäische Sozialcharta, in: FS Ermacora, F. Fortschritt im Bewusstsein der Grundund Menschenrechte, 214. 66 Siehe zur Kollektivbeschwerde Grillberger, K. (2001). Die Kollektivbeschwerde nach der Europäischen Sozialcharta, in: FS Cerny, J. Sozialpolitik ist Gesellschaftspolitik, 82 ff. 67 Vgl. Dorfmann, J. (2006). Der Schutz der sozialen Grundrechte eine Untersuchung aus völkerrechtlicher und europarechtlicher Sicht, 101 f. 68 Vgl. dazu NR XI. GP. 149. Sitzung 10. Juli 1969, 12.924 ff; BGBl 1969/460. 69 Siehe Öhlinger, T./Stelzer, M. (2010). Der Schutz der sozialen Grundrechte in der Rechtsordnung Österreichs, in: Iliopoulos-Strangas, J. (Hg.) Soziale Grundrechte in Europa nach Lissabon Eine rechtsvergleichende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen und des europäischen Rechts, 511. 70 Vgl. Öhlinger, T. (1988). Die Europäische Sozialcharta, in: FS Ermacora, F. Fortschritt im Bewusstsein der Grundund Menschenrechte, 222 ff. 71 Mehr dazu Nowak, M. (2002). Einführung in das internationale Menschenrechtssystem, 95 ff. 72 Demzufolge ist es auch möglich, bereits anhand der Anwendungsvorschriften zu differenzieren: Während Art. 2 Abs. 1 IPWSKR lautet: Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, ( ), unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, ( ), verlangt Art. 2 Abs. 1 IPBPR: Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie ( ) zu gewährleisten. 73 Floretta, H./Öhlinger, T. (1978). Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen Ein Beitrag zum Stand der Grundrechte in Österreich, insbesondere zu den sozialen Grundrechten, 14. 74 Ebd., 11. 75 Vgl. NR XIV. GP. 97. Sitzung 28. und 29. Juni 1978, 9562 ff. 76 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BGBl 590/1978; Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, BGBl 591/1978. 77 Der Konvent bestand (nämlich) aus 15 Beauftragten der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, einem Beauftragten des Präsidenten der Europäischen Kommission, 16 Mitgliedern des Europäischen Parlaments sowie 30 Mitgliedern der nationalen Parlamente (zwei aus jedem [damaligen] Mitgliedstaat). 78

3/2010.SIAK-JOURNAL Durch die Beteiligung von Vertretern des EuGH und des Europarates (jeweils zwei) sowie die Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Ausschusses der Regionen und des Europäischen Bürgerbeauftragten als auch den Gedankenaustausch mit zukünftigen Beitrittsländern wurde einer möglichst breiten Konsensbasis Genüge getan. Vgl. Ziffer A. I des Beschlusses des Europäischen Rates von Tampere, 15. und 16.10.1999, EuGRZ (1999), 615. 78 Vgl. Bernsdorff, N./Borowsky, M. (2002). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 46 ff. 79 Veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ABl 2000, Nr. C 364, 01. 80 Europäischer Rat von Köln (1999), Beschluss am 04.06.1999, abgedruckt in EuGRZ, 364 f. 81 Während von deutschen, österreichischen und britischen Delegierten eine Beschränkung auf klare, einklagbare Freiheits- und Abwehrrechte gefordert wurde, sprachen sich französische, spanische, portugiesische, italienische und griechische Delegierte für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Menschenrechten einerseits und sozialen Rechten andererseits aus. Vgl. Winner, T. (2005). Die Europäische Grundrechtecharta und ihre soziale Dimension, 123. 82 Dieses verankert soziale Grundrechte in der Präambel: ( ) gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität, im Kapitel Solidarität sowie in Form der sogenannten Querschnittsklausel. 83 Vgl. Winner, T. (2005). Die Europäische Grundrechtecharta und ihre soziale Dimension, 123 ff. 84 Diskussionsverlauf der 5. Sitzung des Konvents am 20./21. März 2000, in: Bernsdorff, N./ Borowsky, M. (2002). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 164 ff. 85 Vgl. Winner, T. (2005). Die Europäische Grundrechtecharta und ihre soziale Dimension, 205 ff. 86 Vgl. Wiederin, E. (2009). Soziale Grundrechte in der Europäischen Union, in: Eilmansberger, T./Herzig, G. (Hg.) Soziales Europa, Beiträge zum 8. Österreichischen Europarechtstag 2008, 132. 87 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, veröffentlicht im Amtsblatt C 83 vom 30. März 2010. 88 Vgl. Thiele, A. (2010). Das Rechtsschutzsystem nach dem Vertrag von Lissabon (K)ein Schritt nach vorn?, 1 EuR, 30 ff. 89 Vgl. Wiederin, E. (2009). Soziale Grundrechte in der Europäischen Union, in: Eilmansberger, T./Herzig, G. (Hg.) Soziales Europa, Beiträge zum 8. Österreichischen Europarechtstag 2008, 131; allgemein dazu Streinz, R./Ohler, C./ Herrmann, C. (2010). Der Vertrag von Lissabon 3, 124 ff. 90 So ähnlich auch Öhlinger, T./Stelzer, M. (2010). Der Schutz der sozialen Grundrechte in der Rechtsordnung Österreichs, in: Iliopoulos- Strangas, J. (Hg.) Soziale Grundrechte in Europa nach Lissabon Eine rechtsvergleichende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen und des europäischen Rechts, 512. 91 Vgl. Adamovich, L. K./Funk, B.-C. (1985). Österreichisches Verfassungsrecht 3, 369. 92 Dieses Zitat wird Fidel Castro zugeschrieben, zitiert nach: Novak, R. (1972). Das Problem der sozialen Grundrechte, 16. 79