Zwei Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Uferschwalbe Riparia riparia

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Transkript:

Ringfundmitteilung der Beringungszentrale Hiddensee Nr. 20/2006 Zwei Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Uferschwalbe Riparia riparia Ingolf Todte, Katja Bechert & Frank Meisel Hybriden zwischen verschiedenen Schwalbenarten sind bereits vielfach in der Literatur beschrieben worden. In den letzten Jahren stiegen die Nachweise sowohl durch Beringungen im Rahmen des internationalen EURING Swallow Projects (Jenni 1998), als auch durch Freilandbeobachtungen an. Bei fast allen beschriebenen Vögeln handelte es sich um Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Mehlschwalbe Delichon urbicum. Eine umfangreiche Zusammenstellung für Europa erfolgte bereits durch Nicolau-Guillaumet (1998) und wurde durch Kabus (2002) erweitert. Kabus (2002) konnte dann für Europa mindestens 273 Nachweise von Hybriden zwischen Rauch- und Mehlschwalben zusammentragen. Bisher wurden für Europa jedoch lediglich drei Hybriden zwischen Mehl- und Uferschwalbe Riparia riparia und drei zwischen Rauch- und Uferschwalbe beschrieben. Zwei weitere Hybriden zwischen Rauch- und Uferschwalbe gab es im Jahr 2005 in Trebbichau bei Köthen und Colditz bei Grimma, über die hier berichtet werden soll. Gleichzeitig werden erstmals Abbildungen von einem solchen Hybriden gezeigt. Nachweis in Sachsen-Anhalt Im Teichgebiet bei Trebbichau (Kreis Köthen, Sachsen-Anhalt) werden seit mehreren Jahren Schwalben am Schlafplatz im Schilf durch I.T. gefangen. Diese Beringungsaktion erfolgte im Rahmen des internationalen EURING Swallow Projects, in Deutschland unter Leitung der Beringungszentrale Hiddensee (Jenni 1998). Der Schlafplatz bildete sich seit dem Jahr 2002 mit jährlich steigenden Zahlen, z.b. mit einem maximalen Bestand am 16.9.2005 von 30.000 Rauchschwalben und 15.000 Uferschwalben. Die Besetzung des Schlafplatzes beginnt etwa Anfang August mit Höhepunkt Mitte September und endet gegen Ende September. Der Uferschwalbenanteil ist Ende August am höchsten und nimmt bis Ende September kontinuierlich ab. Bei diesem Schlafplatz dürfte es sich um einen der größten in Deutschland handeln. Wurden in den 1960/70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch Uferschwalben- Schlafplätze mit hunderttausenden (Glutz von Blotzheim & Bauer 1985) bekannt, dürften wohl heute solche Zahlen kaum noch bzw. sehr selten erreicht werden. Am 22.8.2005 wurden am Abend 89 Rauch- und 65 Uferschwalben beringt. Dabei konnte auch ein juveniler Vogel mit intermediären Merkmalen von Rauch- und Uferschwalbe gefangen werden. 26 Limicola 20 (2006): 26-31

Maße: Folgende Maße wurden genommen: Flügellänge 125 mm, Tiefe der Schwanzgabelung 44 mm, Länge der Schwanzspieße 62 mm und Gewicht 19,0 g. Der Vogel erhielt den Ring Hiddensee ZC 40418. Beschreibung: Bei der ersten flüchtigen Betrachtung wurde der Vogel zuerst für eine juvenile Rauchschwalbe gehalten, jedoch waren morphologische Abweichungen auffällig. Der Vogel hatte einen bräunlichen Oberkopf, Schwanz und Bürzel (teilweise Merkmale einer Uferschwalbe), vgl. Abb. 1-2. Ein Stirnfleck war nur sehr schwach angedeutet. Mantel und Flügel waren metallisch blau mit eingestreuten braunen Federn, die Steuerfedern trugen weiße Flecken auf der Innenfahne (teilweise Merkmale einer Rauchschwalbe), vgl. Abb. 3-4. Brustband und Kehlfleck sahen rauchschwalbentypisch aus. Die Flügel waren deutlich länger als der Schwanz im Gegensatz zu Uferschwalben und interessanterweise auch zu juvenilen Rauchschwalben. Die Abb. 5 zeigt im Vergleich eine juvenile Uferschwalbe. Am 31.8.2005 konnte am Schlafplatz auch noch ein weiterer Hybrid zwischen Rauch- und Mehlschwalbe gefangen werden (Abb. 6). Abb. 1-4: Hybrid Rauchschwalbe Hirundo rustica x Uferschwalbe Riparia riparia, Trebbichau, Sachsen-Anhalt, August 2005. Digitalfotos Ingolf Todte I. Todte u.a.: Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Uferschwalbe Riparia riparia 27

Abb. 5: Uferschwalbe Riparia riparia zum Vergleich,Trebbichau, Sachsen-Anhalt, August 2005. Foto Ingolf Todte Abb. 6: Hybrid Rauchschwalbe Hirundo rustica x Mehlschwalbe Delichon urbicum, Trebbichau, Sachsen-Anhalt, August 2005. Foto Ingolf Todte Nachweis in Sachsen Am Abend des 3. August 2005 gegen 20 Uhr wurde in Colditz bei Grimma (Muldentalkreis, Sachsen) ein weiterer Hybrid zwischen Rauchschwalbe und Uferschwalbe gefangen (K.B. und F. M.). Bei der Örtlichkeit handelt es sich um ein einzelnes Gehöft im Colditzer Forst (Waldmühle). Dieser Rauchschwalbenbrutplatz wird ebenfalls im Rahmen des internationalen EURING Swallow Project bearbeitet. An diesem Tag sollten die aktuelle Brutsituation aufgenommen sowie Jungvögel beringt und Adulte kon trolliert werden. Des Weiteren wurde Probenmaterial im Rahmen der Diplomarbeit von K.B. ( Genetische Analyse einer lokalen Rauchschwalbenpopulation ) gesammelt. Zum Zeitpunkt des Fundes wurde die Räumlichkeit von einem Brutpaar zur Zweitbrut genutzt. Ein weiteres Rauchschwalben-Brutpaar zog im benachbarten Stall zeitgleich seine zweite Brut auf, während ein drittes Brutpaar noch die Jungvögel der ersten Brut fütterte. Insgesamt befanden sich auf dem Gehöft während der Brutsaison vier Brutpaare. Es konnten alle Altvögel markiert werden, was eine genaue Überprüfung der Koloniezugehörigkeit ermöglichte. Während der Kontrollen an diesem Abend wurde ein Vogel mit intermediären Merkmalen von Rauch- und Uferschwalbe entdeckt. Der Vogel drückte sich gemeinsam mit den etwa 18 Tage alten Juvenilen in die Nestmulde, am Nestrand stand zeitweilig eine weitere brutplatzfremde adulte Rauchschwalbe, und die Eltern der Juvenilen befanden sich ebenfalls zeitweise im Raum. Aufgrund des Umstands, dass das Tier sich in einem Nest mit Jungvögeln aufhielt und darüber hinaus als erstes markiert werden sollte, fielen zunächst weder der Altersunterschied noch die morphologischen Abweichungen auf. Beschreibung: Der Vogel wurde im ersten Moment für eine Rauchschwalbe gehalten. Besonders auffallend waren vor allem eine braune glanzlose Kopfbefiederung sowie die braunen glanzlosen Oberflügeldecken, was eher einer Uferschwalbe entsprach. Dabei waren die Flügel auffällig lang und überragten den Schwanz deutlich. Der metallisch 28 blaue Rücken ähnelte hingegen dem einer Rauchschwalbe, ebenfalls der rostbraune Kehlfleck, der jedoch deutlicher blasser als bei einer Rauchschwalbe war. Der Stirnfleck war nur schwach und kleinflächig ausgeprägt, die Bauchfärbung schmutzig weiß. Der Vogel war größer als eine Uferschwalbe. Die Kopf- Rumpf-Proportionen wirkten im Verhältnis zu Limicola 20 (2006): 26-31

den übrigen Körperteilen unverhältnismäßig bzw. wichen im Vergleich zu einer Rauchschwalbe ab. Da der Vogel zunächst für ein Jungtier gehalten wurde, wurden besondere Vorkehrungen, wie beim Umgang mit flugfähigen Tieren üblich, nicht getroffen. Somit entflog der Vogel, ohne dass eine weitere Dokumentation und Beringung erfolgen konnte. Es ist nicht genau bekannt, ob es sich um eine juvenile oder adulte Schwalbe handelte. Aufgrund der fehlenden Schnabelwülste sowie des geschickten Flugs wird vermutet, dass es sich um ein Alttier gehandelt hat. Es ist auszuschließen, dass dieser Hybrid der Brutkolonie zugehörte, da zu diesem Zeitpunkt alle Rauchschwalben auf diesem Hof bereits beringt waren. An den Folgeabenden wurden täglich Kontrollen auf diesem Hof durchgeführt, allerdings wurde der Hybrid nicht wieder beobachtet. In den Stallungen konnte eine weitere unberingte Schwalbe gefangen werden, die demzufolge nicht zu der Brutkolonie gehörte. Obwohl die Fremdschwalben zum Teil am Nestrand standen, konnte eine Beteiligung an der Fütterung (Bruthelfer) nicht beobachtet werden. Es wird vermutet, dass es sich um einige nicht mehr brütende Schwalben handelte, die umherzogen und die Nacht in den Räumen geschützt verbringen wollten, was vor allem durch die schlechte Wetterlage erklärt werden kann. Der August zeigte sich sehr nass mit durchschnittlich 17 C. Es regnet an 13 Tagen, nennenswert sind hierbei 15,5 l/m² am 3.8.2005. Dabei regnete es den ganzen Tag und die Nächte wurden recht kühl. Von den Brutpaaren wurden diese Fremdschwalben im Raum und unmittelbar am Nest geduldet, was ein Anzeichen für kooperatives Verhalten ist. Kooperation unter Artgenossen geht mit altruistischen Verhaltensweisen einher. Hier zeigen die Schwalben ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Frühere Nachweise Weitere Nachweise von Hybriden zwischen Rauch- und Uferschwalbe in Europa erbrachten Chytil (1990), Heneberg (1997) und Saurola (2000). Chytil (1990) gab folgende Beschreibung: Metallisch blauer Rücken, rote Kehle (Rauchschwalbe), aber der gesamte Körper bräunlich (Uferschwalbe). Der Hybrid wurde in einer Uferschwalbenkolonie an einer Röhre beobachtet, es dürfte sich dabei wohl um einen Brutvogel gehandelt haben. Heneberg (1997) beschrieb seinen Vogel wie folgt: Metallisch blauer Rücken (Rauch schwalbe), Schwanz länger als bei einer Uferschwalbe, die Kehle war nicht rötlich gefärbt sondern weiß (Uferschwalbe), der Körper war bräunlich (Uferschwalbe) und der Vogel war größer als eine Uferschwalbe. Auch hier wurde der Vogel in einer Uferschwalbenkolonie beobachtet, wahrscheinlich auch ein Brutvogel. Von Saurola (2000) liegt keine Beschreibung vor, da es sich lediglich um eine tabellarische Aufzählung der im Berichtsjahr beringten Vögel in Finnland nach Arten bzw. Hybridarten handelt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle beschriebenen Hybriden zwischen Rauch- und Uferschwalben eine überwiegend metallisch blaue Grundfärbung mit unterschiedlichen bräunlichen Anteilen hatten. Eine ausführliche Diskussion zu den Ursachen und der Häufigkeit der Hybridisation bei Schwalben erfolgte bereits durch Kabus (2002). Bei wahrscheinlich fast allen Schwalbenhybriden handelt es sich wohl um Produkte aus interspezifischen Vergewaltigungen der Schwalbenarten untereinander. Mittels DNA-Fingerprinting konnten bereits vielfach außerpaarliche Kopulationen (EPC s) im Paarungssystem der Vögel nachgewiesen werden (Lubjuhn & Sauer 1999). Dass Schwalben regelmäßig EPC s I. Todte u.a.: Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Uferschwalbe Riparia riparia 29

innerhalb einer Art praktizieren, konnten bereits mehrere Autoren feststellen (Zusammenfassung s. Kabus 2002). Das Auftreten von Hybriden muss deshalb vor diesem Hintergrund gesehen werden. Sonstige Nachweise von Schwalben-Hybriden in Europa Rauch- x Mehlschwalbe Bis Ende 2005 wurden mindestens 284 Nachweise bekannt, davon konnten Nicolau-Guillaumet (1998) und Kabus (2002) 273 ermitteln. Seit diesen Auswertungen sind für Deutschland mindestens zwölf weitere hinzugekommen (Barthel 2003 a, b, 2004, 2005 a, b, Panov 1989, Müller 2006), sowie ein eigener Nachweis des Autors (I.T.) von 2005. Mehl- x Uferschwalbe Bislang wurden für Europa drei Fälle beschrieben bzw. bekannt: 25.8.1970 bei Olomouc, Tschechien (Rumler u.a. 2002), 4.11.1974 Innsbruck, Österreich (Myrbach 1975), 31.8.1992 am Slivnica See, Slowenien (Vogrin 1992). Rauch- x Uferschwalbe Auch hier sind für Europa bislang nur drei Vorkommen beschrieben bzw. bekannt geworden: 27.5.1988 (Altvogel) bei Breclav, Tschechien (Chytil 1990),? (Altvogel?) bei Teplice, Tschechien (Heneberg 1997), 1999 (Jungvogel) Finnland (Saurola 2000). Für die Bereitstellung bzw. Hinweise zur Literatur möchten wir uns bei Peter H. Barthel, Rüdiger Holz (Museum Heineanum, Halberstadt) und Andrè Kabus herzlich bedanken. Bei den Freilandarbeiten unterstützten uns Karl-Heinz Bouda und Stefan Fischer. Zusammenfassung Zwei Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Uferschwalbe Riparia riparia werden beschrieben. Damit dürfte es sich um die ersten dokumentierten Nachweise für Deutschland handeln. Die Hybriden wurden am 22.8.2005 bei Trebbichau (Kreis Köthen, Sachsen-Anhalt) und am 3.8.2005 in Colditz (Muldentalkreis, Sachsen) gefunden. Als Ursache für die Hybridisation zwischen beiden Arten wird eine interspezifische Vergewaltigung angesehen. Es werden alle bekannt gewordenen Hybridnachweise der drei häufigsten mitteleuropäischen Schwalbenarten für Europa mitgeteilt. Insgesamt sind bisher mindestens 284 Hybriden zwischen Rauch- und Mehlschwalben Delichon urbicum, drei zwischen Mehl- und Uferschwalben und fünf zwischen Rauch- und Uferschwalben bekannt geworden. Schwalbenhybriden sind wahrscheinlich häufiger als bisher angenommen. Summary: Hybrid between Barn Swallow Hirundo rustica and Sand Martin Riparia riparia On August 22, 2005, a juvenile hybrid between Barn Swallow Hirundo rustica and Sand Martin Riparia riparia was trapped near Köthen (Sachsen-Anhalt, Germany) and on August 3, 2005, a adult (?) hybrid near Grimma (Saxony, Germany). These are the first and second such cases for Germany. Hybrids in swallows are the result of interspecific forced copulations. Until now 285 hybrids between Barn Swallow and House Martin Delichon urbicum, three between House Martin and Sand Martin and five between Barn Swallow and Sand Martin were recorded. 30 Limicola 20 (2006): 26-31

Literatur Barthel, P.H. (2003 a): Bemerkenswerte Beobachtungen Juni und Juli 2003. Limicola 17: 209-216. Barthel, P.H. (2003 b): Bemerkenswerte Beobachtungen August und September 2003. Limicola 17: 2271-281. Barthel, P.H. (2004): Bemerkenswerte Beobachtungen Juni und Juli 2004. Limicola 18: 215-221. Barthel, P.H. (2005 a): Bemerkenswerte Beobachtungen Juni und Juli 2005. Limicola 19: 242-251. Barthel, P.H. (2005 b): Bemerkenswerte Beobachtungen August und September 2005. Limicola 19: 302-312. Chytil, J. (1990): Hybrid Hirundo rustica x Riparia riparia and atavism in Hirundo rustica? Sylvia 27: 117-118. Glutz von Blotzheim, U.N., & K.M. Bauer (1985): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 10. Aula, Wiesbaden. Heneberg, P. (1997): Prvni pozorovani krizence vlastovky (Hirundo rustica) a brehule (Riparia riparia) v severnich Cechach. Vedy Sci. Nat. 20: 99-100. Jenni, L. (1998): EURING-Projekt Rauchschwalbe, Anleitung für die Feldarbeit (deutsche Textfassung einer überarbeiteten Version: P. Friedrich, Beringungszentrale Hiddensee). 26 S., Sempach. Kabus, A. (2002): Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Mehlschwalbe Delichon urbica. Limicola 16: 276-285. Lubjuhn, T., & K. P. Sauer (1999): DNA fingerprinting and profiling in behavioural ecology. In J.T. Epplen & T. Lubjuhn (Hrsg.), DNA profiling and DNA fingerprinting: 39-53. Basel. Müller, S. (2006): Bemerkenswerte Beobachtungen im Sommer und Herbst 2005 (Auswahl). Rundschr. 1/2006 OAMV, Rostock. Myrbach, H. (1975): Ein Bastard Mehlschwalbe und Uferschwalbe. Monticola 4 (40): 10-11. Nicolau-Guillaumet, P. (1998): L hybridation Hirondelle rustique Hirundo rustica x Hirondelle de fenetre Delchion urbica: mythe ou realite. Alauda 66: 283-297. Panov, E.N. (1989): Natural hybridisation and ethological isolation in birds (russ.). Nauka, Moskau. Rumler, Z., F. Hanak & Z. Vermouzek (2002): Hybrid of House Martin (Delichon urbica) and Bank Swallow (Riparia riparia). Zpravy MOS 60: 197-200. Saurola, P. (2000): Rengastuksen juhlavuosi 1999. Linner-vuosikirja 1999: 67-78. Vogrin, M. (1992): Sand Martin x House Martin. Acrocephalus (Ljubljana) 13 (54): 156. Ingolf Todte, Erwitter Straße 2, D-06385 Aken/Elbe, E-Mail Ingolf.Todte@t-online.de Katja Bechert, Ruststraße 11,D- 04229 Leipzig, E-Mail katjabechert@freenet.de Frank Meisel, Ökologische Station Birkenhain, Am Lerchenberg, D-04552 Borna, E-Mail oekostation-birkenhain@gmx.de I. Todte u.a.: Hybriden zwischen Rauchschwalbe Hirundo rustica und Uferschwalbe Riparia riparia 31