Kulturland Brandenburg. Exposé. Themenjahr Reformation vor Ort. Luther und die Folgen für Brandenburg (AT) Stand Dezember 2015

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Transkript:

BKG - Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte gemeinnützige GmbH Geschäftsbereich Kulturland Brandenburg Schlossstraße 12 14467 Potsdam wissenschaftliche Expertise: Dr. Maria Deiters Arbeitsstellenleiterin Potsdam am Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland Kulturland Brandenburg Exposé Themenjahr 2017 Reformation vor Ort Luther und die Folgen für Brandenburg (AT) Stand Dezember 2015 1. Historischer Hintergrund Themenjahr S. 2-4 2. Die Kulturland-Kampagne 2017 S. 4-7

1. Historischer Hintergrund Themenjahr 2017 1.1. Reformation vor Ort Luther und die Folgen für Brandenburg Das Kulturlandthema des Jahres 2017 bindet sich ein in das Reformationsjubiläumsjahr und soll Luther und den Folgen für die Mark nachgehen. Reformation in der Mark? So mag man gewöhnt, innerhalb der Lutherdekade nach Wittenberg zu schauen erstaunt fragen, um dann festzustellen: Luther selbst war nie hier! Doch geschahen nicht nur reformationsgeschichtliche Großereignisse wie die Schlacht bei Mühlberg (1547) auf dem Boden des heutigen Landes Brandenburg, oder bildeten die Ablasspredigten des Dominikanermönchs Johann Tetzel im Wittenberg nahe gelegenen brandenburgischen Jüterbog einen Anlass für die Veröffentlichung der Thesen Luthers 1517. Die von Luther angestoßene Reformation hatte auch tiefgreifende Folgen für die Mark Brandenburg, prägte die Lebenswirklichkeit der Zeitgenossen und die weitere Geschichte Brandenburg-Preußens nachhaltig. So nachhaltig, dass man lange Zeit geneigt war, nahezu ein Gleichheitszeichen zwischen Brandenburg-Preußen und Protestantismus zu setzen. Wie waren die Anfänge? Was zeichnet die brandenburgische Reformation aus? In Brandenburg sind die reformatorischen Ereignisse eng mit dem Fürstenhaus der Hohenzollern und dessen wechselnden Parteinahmen verknüpft. In den 100 Jahren seit ihrer Belehnung mit der Mark hatten die Hohenzollern einen Aufstieg verwirklicht, der sie zunehmend weg von ihren fränkischen Wurzeln hin zu einem Machtausbau in der Mark selbst führte. 1517 waren zwei der wichtigsten Gegenspieler Luthers im Deutschen Reich Hohenzollern: Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg und Mainz, dessen Ablasspolitik Luther zur Publikation seiner berühmten 95 Thesen veranlasste, sowie Albrechts Bruder Joachim I., Kurfürst von Brandenburg. Von Joachim I. soll die Initiative zur Reichsacht gegen Luther auf dem Wormser Reichstag 1521 ausgegangen sein. Unnachgiebig bekämpfte er alle prolutherischen Ansätze in der Mark. Die von ihm 1506 gegründete Universität in Frankfurt (Oder) wurde zum Antiwittenberg. Noch testamentarisch verpflichtete er seine Söhne Johann und Joachim (II.), dem alten Glauben treu zu bleiben. Während Johann in der Markgrafschaft Küstrin sehr bald nach dem Tod seines Vaters die Reformation einführte, zögerte Joachim II. als brandenburgischer Kurfürst noch bis zum Jahr 1539. Seine abwartende Politik war weniger bestimmt von theologischen als von politischen Rücksichten auf den Kaiser, dem die Hohenzollern traditionell nah standen (eine Nähe, die sie als Parvenues unter den Reichsfürsten für ihre Machtbasis benötigten). Die von Joachim schließlich eingeleitete Reformation hat man als Via Media -Reformation oder auch als stille Reformation bezeichnet, weil sie zwar mit dem Laienkelch und der Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben zentralen lutherischen Lehren folgte, doch in vielem in der Beibehaltung von Zeremonien, Prozessionen u.ä. auch katholische Elemente integrierte. Auch Bilderstürme blieben aus ein Umstand, der bis heute das Erscheinungsbild der brandenburgischen Kirchen mit ihren zahlreichen mittelalterlichen Ausstattungsstücken wesentlich prägt, ja, zu einem kulturlandschaftlichen Identitätsmerkmal der Mark geworden ist. Die Geschichtsschreibung hat Joachim wegen seiner Kompromisshaltung nicht immer gute Zeugnisse ausgestellt. Doch handelte er im Rahmen des reformatorischen Spektrums und seiner Zeit. Wie viele seiner Zeitgenossen einschließlich Kaiser Karls V. wartete er lange (und schließlich vergeblich) darauf, dass ein Reformkonzil die Missstände in der katholischen Kirche beseitigen und die Einheit der Kirche wieder herstellen würde. Gleichzeitig nutzte er geschickt die Auflösung traditioneller Bindungen im Zuge der Reformation zum Ausbau sei- 2

ner Macht nunmehr nicht nur als politischer Landesherr, sondern auch oberster Kirchenfürst. Selbstbewusst schreibt er in einem späteren Glaubensbekenntnis, er hätte seine Kirche errichten wollen - nicht wie in Rom aber auch nicht wie in Wittenberg. Eine reine Fürstenreformation war die brandenburgische Reformation jedoch nicht. Vielmehr traten wie in anderen Regionen auch die Städte als Vorreiter auf in Städten wie Brandenburg a.d.h. und Cottbus holte man evangelische Prediger, in Beelitz soll man sich bereits 1517 geweigert haben, Tetzels Ablasspredigten zu hören, in Frankfurt an der Oder trug wohl nicht zuletzt das humanistische Klima der Universität, gepaart mit einer selbstbewussten Bürgerschaft zu frühen reformatorischen Tendenzen bei. Die Städte waren es dann auch, die gemeinsam mit den Landständen Joachim II. zur Durchführung der Reformation drängten. Die Ungleichzeitigkeit und Differenz in der konfessionellen Entwicklung zwischen dem kurfürstlichen Landesherren einerseits sowie Städten und landsässigem Adel andererseits kann geradezu als ein Kernmerkmal der Brandenburgischen Reformation gelten, das sich zu Beginn des 17. Jh. noch einmal vertiefte. Denn 1613 trat Kurfürst Johann Sigismund von Hohenzollern zum reformierten Bekenntnis über. Er tat dies nicht eigentlich in Abwendung von den lutherischen Ursprüngen der Reformation, sondern weil er diese klarer und reiner verfolgt wissen wollte. Und dies gerade in der Mark, in der er die aus den Zeiten seines Großvaters Joachims II. noch hinterbliebene Unsauberkeit des babstumbs ausfegen wollte. Doch folgte die Bevölkerung ihrem Landesherrn nicht auf diesem Erneuerungsweg, sondern hielt am Luthertum fest. Zu tiefgreifend waren die theologischen Differenzen und die identitätsprägende Wirkung einer konfessionellen Kultur. So schieden sich die Geister etwa an der Frage religiöser Bilder, deren Anwesenheit und Nutzen im Kirchenraum die Reformierten im Unterschied zu den Lutheranern radikal ablehnten. Ein Bildersturm, im Zuge dessen 1615 die Ausstattung des Doms in Berlin/Cölln ausgeräumt wurde, führte zu tumultuarischen Aufständen und verdeutlicht, wie sehr sich die Identität der Bevölkerung mit dem Luthertum und der von diesem geprägten konfessionellen Kultur verknüpfte. Ähnlich wie sein Großvater ging nun auch Johann Sigismund einen gemäßigten Weg: Er verzichtete auf Glaubenszwang und legte die Grundlagen für einen Staat, in dem eine begrenzte religiöse Toleranz die Koexistenz zweier protestantischer Religionen ermöglichte. Das im Augsburger Bekenntnis festgehaltene berühmte Rechtsprinzip cuius regio, eius religio in zeitgenössischer Übersetzung: wes der Fürst, des der Glaub lockerte sich in Brandenburg. Der Kurfürst und Teile seines Hofes waren bis 1817 reformierten Glaubens, die Untertanen mehrheitlich lutherisch. Dies unterscheidet Brandenburg von anderen Territorien des Deutschen Reichs, in denen die sog. Zweite Reformation von den jeweiligen Fürsten strikt durchgesetzt wurde und weist auf die weitere Entwicklung voraus, in der nach dem Dreißigjährigen Krieg auf der Basis kurfürstlicher Toleranzedikte Flüchtlinge verschiedener Konfessionen nach Brandenburg kamen und dieses wirtschaftlich und kulturell entscheidend prägten. Es gehört also beides zur Traditionslinie des preußischen Protestantismus das vom Kurfürsten als oberstem Bischof bestimmte zentrale Kirchenregiment ebenso wie eine konfessionelle Bipolarität zwischen fürstlichem, später königlichem Hof und der Mehrheit der Bevölkerung und Geistlichkeit, die immer wieder dazu zwang, sich gegenseitig auszutarieren. Auch an anderer Stelle stellten die reformatorischen Ereignisse des 16. Jahrhunderts die Weichen für die Entwicklung des brandenburgisch-preußischen Staates. Denn in der Reformationszeit war ebenfalls ein Hohenzoller, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Großmeister des Deutschen Ordens. Er wandelte unter dem Einfluss Martin Luthers das Territorium des geistlichen Ritterordens in ein weltliches Staatswesen, mit ihm selbst an der Spitze, um und nahm dieses vom polnischen König zum Lehen. Ein Lehen, das im 17. Jahrhundert an die brandenburgische Linie der Hohenzollern überging und zur Gründung Brandenburg-Preußens führte. 3

1.2. Reformation vor Ort Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat erkannt, dass es nicht nur die eine Reformation gab, sondern ein vielstimmiges Konzert unterschiedlicher Reformationen. Und sie begreift Reformation nicht als alles umstürzenden Moment, sondern als einen Prozess, der seine Voraussetzungen im Spätmittelalter hat und sich über einen längeren Zeitraum konfessioneller Formierungsprozesse hinstreckt. Will man diesem Prozess, dieser Vielstimmigkeit gerecht werden, so ist es eine große Chance, die Reformation vor Ort zu betrachten im Bezugsrahmen der unterschiedlichen Territorien, Regionen, Orte. Aber auch im Zusammenhang mit den jeweils dort handelnden historischen Personen und Institutionen. Eine Erschließung der jeweiligen reformatorischen Ereignisse vor Ort - in der eigenen Region und Umgebung kann gleichzeitig für den heutigen Betrachter die Anknüpfung erleichtern, kann im Zuge des Entdeckens der eigenen Geschichte an authentischen Orten und Quellen, anhand baulicher und künstlerischer Zeugnisse Identifikation mit der, trotz aller Schlüsselbedeutung für die Entwicklung der Moderne uns heute fern liegenden Epoche fördern. Sie kann erleichtern zu verstehen, was Reformation bedeutete, wie sie von den Zeitgenossen erlebt wurde, wie tief sie in die Gesellschaft eingriff nicht nur im unmittelbaren Kirchen- und Religionswesen, sondern etwa auch im Bildungsbereich oder in der Fürsorge; und nicht zuletzt: Was wir heute noch damit verbinden können. Das kann ein nahezu archäologisches Erkunden bedeuten. Denn die Zeit des 16. Jahrhunderts gehört zu den vergessenen Epochen in der Geschichte Brandenburgs. Zu Unrecht, wie prächtige, in dieser Zeit neu ausgestattete Kirchen etwa in Brandenburg, Frankfurt (Oder), Bernau, Wusterhausen oder Finsterwalde und in zahlreichen Dörfern ebenso zeigen wie Zeugnisse der Hofkunst Joachims II. und Werke der Buchdruckerei aus Frankfurt (Oder) oder auch heute noch bestehende Institutionen wie die Universität Viadrina und das Joachimsthalsche Gymnasium. Erhalten sind Schätze wie der Domschatz zu Brandenburg a.d.h., die ihre Wurzeln im Spätmittelalter haben, die Überlieferung jedoch dem bewahrenden Charakter der brandenburgischen Reformation verdanken. 2. Die Kulturland-Kampagne 2017 Im Rahmen der Kulturlandkampagne 2017 wünschen wir uns deshalb Projekte und Aktionen, die sich dieser Reformation vor Ort widmen. Dies kann sich auf einzelne Städte oder Regionen beziehen vorstellbar sind dabei auch Cluster und Verbünde von Projekten. Gleichzeitig könnten sich aus den jeweiligen Orten, ihrer besonderen Geschichte oder auch des überlieferten Denkmalbestandes thematische Schwerpunkte ergeben. Von Projekten, die einem übergreifenden Thema gewidmet sind, wünschen wir uns einen deutlichen historischen Bezug zu konkreten Orten/Regionen bzw. zur Mark Brandenburg insgesamt. Die Kulturlandprojekte können sich verknüpfen und zusammenarbeiten mit zwei Vermittlungsinitiativen für 2017, die eine ähnliche Perspektive einnehmen: das Projekt Prediger und Bürger Reformation im städtischen Alltag der AG Städte mit historischen Stadtkernen (siehe zu Details http://prediger-und-buerger.de/) und der Verbund von kirchlichen Projekten zum Reformationsjubiläum der Ev. Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Auskünfte: Reformationsbeauftragter der EKBO Pfarrer Dr. Bernd Krebs b.krebs@ekbo.de) Beide Projektverbünde stehen in enger Zusammenarbeit mit Kulturland e.v. 2014 haben sich das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) und Kulturland Brandenburg (KLB) zur Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte (BKG) 4

zusammengeschlossen. Dies baut ein bereits gut erprobtes Prinzip der Zusammenarbeit weiter aus, wonach eine Ausstellung des HBPG Teil der jeweiligen Kulturlandaktivitäten ist, eine Art Schaufenster- und zugleich eine Dachfunktion für die dezentralen Projekte im Land Brandenburg übernimmt. Dies ist auch für das Jahr 2017 geplant. 2.1. Orte, Territorien, Landschaften Folgenden Themenfeldern sollten sich die geplanten Projekte widmen: Darstellung der Vielfalt reformatorischer Prozesse in Brandenburg ( Ungleichzeitigkeit im Gleichzeitigen ) Das bezieht sich ebenso auf die Kernmark mit ihren städtischen Zentren und Landschaften (mit durchaus sehr unterschiedlichen Reformationsverläufen) wie auf das heutige Land Brandenburg mit seinen durch unterschiedliche territoriale Zugehörigkeiten geprägten historischen Räumen. Zu letzteren gehört etwa die Niederlausitz, die im 16. Jh. teilweise zu Sachsen gehörte, in großen Teilen dem (altgläubigen) böhmischen König unterstand und dennoch zu jenen Gebieten gehörte, in denen besonders früh reformatorische Impulse gesetzt wurden und wo z.b. auch im Zusammenhang mit der sorbischen Minderheit die Förderung der Volkssprachlichkeit durch die Reformation eine besondere Relevanz erlangte. Erinnerung an besondere, mit der Reformation verknüpfte Ereignisse Betrachtung des jeweils konkreten Reformationsverlaufs in einzelnen Orten und historischen Landschaften. Dabei könnte folgenden Fragen nachgegangen werden: Was waren Initialzündungen? Von wem gingen Impulse aus? Welche Einflüsse gab es (etwa durch den Landesherren, den Bischof oder besondere Bezüge zu Reformatoren)? Was überhaupt lässt sich als Beginn reformatorischer Wandlungen in Brandenburg fassen (etwa die Berufung lutherischer Prediger)? Wie verlief die Reformation als städtisches Ereignis in den kleineren Landstädten? Welche neuen Institutionen und Strukturen entstanden? Mit welchen Institutionen lässt sich die Reformation in Brandenburg (bis heute) verbinden (z.b. im Sinne von Bildung, Nächstenliebe und Barmherzigkeit die Einrichtung von Schulen oder karitativer Einrichtungen)? Welche baulichen Kristallisationspunkte finden wir (bis heute) in Brandenburg (z.b. Pfarrkirchen, Klosterkirchen, Schul- und Hospitalgebäude, Friedhöfe usw.)? Welche Voraussetzungen gab es in der mittelalterlichen Geschichte des jeweiligen Orts bzw. der jeweiligen Region? 2.2. Personen, Institutionen, Zeitgenossen der Reformation Dieser Schwerpunkt verknüpft sich eng mit den Orten, Territorien und Landschaften (2.1.). So kann in der Gesamtschau durchaus bei mehreren Projekten idealerweise zu erkennen sein, wie wesentliche reformatorische Prozesse und deren variierende Verläufe von ganz konkreten Personen bestimmt wurden. Etwa von Bischöfen, die entschieden am alten Glauben festhielten (Havelberg), oder aber sich dem neuen Glauben öffneten (Brandenburg a.d.h.), von Stadtbürgern, Pfarrern und Adligen mit weitem Horizont (und häufig auch persönlichen Bindungen nach Wittenberg), die sich z.b. in Frankfurt (Oder), Brandenburg a. H. oder auch in der Niederlausitz bereits früh für die Reformation einsetzten. In diesem Sinne führt dies u.a. zu einer Untersuchung der Fragen nach dem Handeln des Einzelnen in der Geschichte und bei allen vorauszusetzenden sozialen und politischen Bindungen nach dem Einfluss der reformatorischen Freiheit des Christenmenschen. 5

Interessant wäre es dabei, die verschiedenen Stände zu betrachten. Vor allem: den Kurfürsten und seine Familie (etwa mit Blick auf die Ehefrauen Joachims I. und II. sowie Johann Sigismunds, die jeweils an abweichenden Konfessionen festhielten) die Hofbeamten (die z.b. im Rahmen von Visitationen die reformatorische Politik umund durchzusetzen hatten), die Bürger und Adligen die Pfarrer (als tragendem, reformatorisch neu definiertem Berufsstand) verschiedene Künstlerpersönlichkeiten (wie den Hofkünstlern Michel Ribestein und Hans Schenk, die um neue Bildprogramme und Ausdrucksformen rangen) Buchdrucker (wie Johann Eichhorn in Frankfurt an der Oder, der mit der Auswahl seiner Druckwerke in die theologischen Debatten eingriff). Anders als von den eben genannten gesellschaftlichen Eliten, von denen wir relativ viele reformatorische Zeugnisse besitzen, wissen wir wenig von den Menschen, die nicht im Rampenlicht standen: Bauern, Handwerker und einfache Bürger, Kinder und Frauen, Alten und Kranke, Bediensteten und Randgruppen der städtischen Gesellschaft. Sie haben normalerweise keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Umso spannender ist die Aufgabe, ihren Spuren vor Ort nachzugehen - in der Sachkultur, in Gerichtsakten, in Kirchenbüchern. Welche Rolle spielte Luther und die von ihm angestoßene Bewegung in ihrem Leben? Was hat sich für sie durch die Reformation im Alltag oder im Religionsverständnis verändert? Die Frage nach den Akteuren des reformatorischen Geschehens ist nicht von der Untersuchung der Institutionen des kirchlichen und des konfessionell bestimmten gesellschaftlichen Lebens zu trennen, deren Wandel und Neuorganisation ein wesentlicher Themenstrang in der Reformationsgeschichte ist (etwa die Domstifte und Klöster, die Hospitäler, die Schulen oder auch die Frankfurter Universität). Hier gilt es, nicht nur nach neuen und alten Institutionen zu fragen, sondern auch Klischees aufzulösen. Klischees, die häufig noch auf die polemisch geprägten Debatten der Reformationszeit selbst zurückzuführen sind etwa in der Verdammung der Klöster. Hier besonders wäre der Blick auch auf das Spätmittelalter und den Vorabend der Reformation zu richten. Wie z.b. auf die brandenburgischen Domstifte und Klöster als Orte hoher kultureller Bildung, in denen sich nicht zuletzt mit humanistischen und kirchenreformerischen Ansätzen die lutherische Reformation vorbereitete. Oder z.b. auch als Orte karitativer Tätigkeit und Seelsorge, die mit der Reformation nicht neu erfunden, sondern anders organisiert wurde. Bis hin zum reformatorischen Gegenentwurf, dem Klosterstift Neuzelle, dem heutigen Barockwunder, das aufgrund seiner Zugehörigkeit zur böhmischen Krone von der Reformation ausgenommen blieb und sich zu einem bedeutenden katholischen Zentrum in einem zunehmend protestantischen Brandenburg entwickelte. 2.3. Kirchenräume Kristallisationsorte für Frömmigkeit, Gesellschaft und Gedächtnis Jeder, der im 16. oder 17. Jahrhundert einen Kirchenraum betrat, nahm bereits auf den ersten Blick war, zu welcher Konfession dieser gehörte: lutherisch, reformiert oder katholisch. Heute müssen wir diese Botschaften oft erst wieder lesen lernen. Doch dies lohnt sich besonders und sollte im Themenjahr aufgegriffen werden. Kirchenräume, ihre Architektur und Ausstattung, die Vielfalt der enthaltenen Kunst- und Kulturgüter geben anschaulich und in einer Dichte wie in keinem anderen Raum Auskunft über zahlreiche wichtige Themenfelder: über theologisch-geistige Vorstellungen und gelebte Frömmigkeit, über die Allgegenwart des Christlichen/der Kirche im persönlichen Lebenszyklus (von der Taufe bis zum Tod), über die religiösen und die weltlich-repräsentativen Dimensionen des Gedächtnisses, 6

über die geistige und strukturell-institutionelle Verknüpfung von Kirche und Gesellschaft (auch in ihren Unterschieden etwa zwischen städtischem und ländlichem Raum), über die Möglichkeiten und Wege der persönlichen Zuwendung zu Gott und zur Teilhabe am Heil über die tiefgreifend die Identität prägende und Identität signalisierende Bedeutung liturgischer Rituale, religiöser Bräuche und Reliquien und nicht zuletzt zu Wandlungen und Kontinuitäten in diesen Vorstellungen und Praktiken vom Mittelalter über die Reformation und das konfessionelle Zeitalter hinweg, bis heute Deshalb sollte den Kirchenräumen im Kulturland-Themenjahr 2017 durchaus eine eigene thematische Sektion gewidmet sein. Gewünscht sind außerdem Projekte, die die Chance nutzen, die genannten Fragen zu untersuchen und den Reichtum der in den Kirchen vor Ort erhaltenen Kulturgüter (vom Altar über das Epitaph bis hin zum Kirchenbuch oder der Kirchenbibliothek) zu nutzen, um diese in ihren einzelnen historischen Schichten freizulegen, zu veranschaulichen oder in Szene zu setzen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist auch das Lesenlernen prägender Elemente unserer Kulturlandschaft: der Dorf- und Stadtkirchen, deren Schutz und die Frage, was bedeuten uns die Kirchen in einer zunehmend säkularen Gesellschaft. 2.4. Themenfelder Aus den reformatorischen Vorgängen, speziell aus den Eigenheiten der märkischen Reformation bieten sich verschiedene Themenfelder an, die im Rahmen der oben angeführten Schwerpunkte näher beleuchtet und durch eigene Akzentsetzungen ergänzt und erweitert werden können, z.b.: Das Kreuz mit der Reformation Brandenburgs besonderer Weg Brandenburgs Gesichter der Reformation Wo Luther niemals hinkam Brandenburgs Orte der Reformation Wie viel Reformation steckt heute noch in Brandenburg? Widerstreit und Toleranz Aufbruch und Beharren Tradition und Neuerung Die Dinge des Lebens Glaube, Heil und die Sinne (die Künste) Luther und die Folgen: Was bedeutet uns die Reformation? Reformation oder Reformen? Mit den Projekten und Aktionen der Kulturlandkampagne soll eine prägende Epoche in der brandenburgischen Geschichte wiederentdeckt, im Bewusstsein des Landes und seiner Orte und Regionen verankert und nachhaltig aktiviert werden. Das Nachdenken über die Reformation und auf das folgende Zeitalter mit seinen konfliktreichen, konfessionellen Pluralisierungs- und Identitätsbildungsprozessen ist von hoher Aktualität und Wichtigkeit für die Antworten auf so elementare Fragen unserer Gesellschaft, wie: Wer sind wir? Was macht uns aus? Worin wurzelt unsere Kultur? Was sind deren tatsächlich zu verteidigenden Werte und Errungenschaften? 7