V. Die Finanzierung des VN-Systems Gesamtdarstellungen

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Transkript:

Aus: Klaus Hüfner, Die Finanzierung des VN-Systems, 1971 2003/2005, DGVN-TEXTE 53, Bonn 2005 V. Die Finanzierung des VN-Systems Gesamtdarstellungen Einleitung Die Gründung sowohl des Völkerbundes 1918 als auch der Vereinten Nationen 1945 sind ohne Zweifel das Ergebnis von zwei tiefgreifenden Krisen gewesen. Die beiden Weltkriege haben zur Gründung dieser beiden politischen Organisationen geführt. Aber internationale Organisationen existierten bereits vor dem Ersten Weltkrieg; sie waren Ausdruck eines neuen gesellschaftlichen, technologisch-wirtschaftlichen Bedarfs an internationaler Zusammenarbeit, der sich auf nationalstaatlicher und weltgesellschaftlicher Ebene herausgebildet hatte, und damit auch Ausdruck einer zunehmenden Komplexität der internationalen Beziehungen war. Die ersten internationalen Spezial-Institutionen entstanden im 19. Jahrhundert als Antwort auf den wissenschaftlich-technologischen Fortschritt, der eine stärkere zwischenstaatliche Zusammenarbeit erforderte, die über die nationalen Grenzen hinausging, wie z.b. im Bereich der Kommunikation (Telegraphie 1865, Post 1850/1874; vgl. auch Abbildung V.1-2). Im System der Vereinten Nationen unterscheiden wir drei Kategorien von Spezial-Institutionen (vgl. Abbildung II.1-1): Die erste Kategorie bilden die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen (Specialized Agencies), deren rechtlicher Status in den Kapiteln IX und X der Charta definiert wird. Diese Organisationen stellen autonome, staatliche Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit, eigener Mitgliedschaft, eigenem Haushalt und eigenem Personal dar. Sie sind mit den Vereinten Nationen durch Sonderabkommen, auch Beziehungsabkommen genannt, verbunden. Es handelt sich um insgesamt 17 Sonderorganisationen, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden sind (vgl. Abbildung V.1-1). Die zweite Kategorie von Spezial-Institutionen besitzt nicht den Grad an Autonomie wie die erste. Hier handelt es sich um Spezialorgane der Vereinten Nationen, die aufgrund von Entschließungen der Generalversammlung gegründet wurden und verwaltungs- und haushaltsrechtlich einen Teil der internen Struktur der Vereinten Nationen bilden (vgl. Kapitel IV). 225

Die dritte Kategorie besteht aus den Spezial-Institutionen, welche vom Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) geschaffen wurden, um ihm im Rahmen eines funktional und regional ausdifferenzierten Netzwerkes bei der Ausführung seiner Aufgaben auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet behilflich zu sein, sie bilden gewissermaßen den Unterbau des ECOSOC. Bevor im letzten Abschnitt Gesamtdarstellungen erfolgen, wobei zwischen Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beitragsleistungen der Mitgliedstaaten unterschieden wird, soll im folgenden Abschnitt zusammenfassend auf die erste Kategorie eingegangen werden, welche die Sonderorganisationen umfasst. Auf die zweite Kategorie wurde im vorangegangenen Kapitel IV ausführlich eingegangen, während die dritte Kategorie von Spezial-Institutionen integraler Bestandteil der Vereinten Nationen und damit auch des ordentlichen VN-Haushalts ist (vgl. Kapitel III). Im folgenden Abschnitt werden zunächst sämtliche Sonderorganisationen und damit auch die Bretton-Woods-Institutionen vergleichend behandelt. Damit soll zugleich veranschaulicht werden, warum diese (dritte) Gruppe in den folgenden Analysen der Finanzströme nicht berücksichtigt werden konnte. V.1 Die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen Nach der Charta der Vereinten Nationen sind Sonderorganisationen zwischenstaatliche internationale Organisationen, die mit den Vereinten Nationen durch einen Vertrag gemäß Artikel 63 der Charta in Beziehung gebracht werden, um die in Artikel 55 der Charta genannten Ziele der Vereinten Nationen zu fördern, nämlich a) die Förderung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg; b) die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art sowie die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und Bildung; die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion. Mit der Gründung der Vereinten Nationen wurden die Voraussetzungen für einen breiten Schirm von Sonderorganisationen geschaffen, die auf den Gebieten der Wirtschaft, des Sozialwesens, der Kultur, der Bildung, der Gesundheit und auf verwandten Gebieten weitreichende, in ihren maßgebenden Urkunden umschriebene internationale Aufgaben zu erfüllen haben (Artikel 57 der Charta). Organisationen wie der Weltpostverein (Universal Postal Union; UPU) und die Internationale Fernmeldeorganisation (International Telecommunication Union; ITU), die bereits lange vor dem Völkerbund gegründet waren (vgl. Abbildung V.1-2) und mit diesem nicht in einer rechtlichen Verbindung standen, erhielten ebenso den Status von Sonderorganisationen der Vereinten Nationen wie die gemeinsam mit dem Völkerbund geschaffene Internationale 226

Arbeitsorganisation (International Labour Organisation; ILO). Andere internationale Organisationen, die mit dem Völkerbund in Verbindung standen, wurden zu Sonderorganisationen zusammengelegt oder durch neugeschaffene Sonderorganisationen ersetzt. Im Laufe der Geschichte der Vereinten Nationen entstanden zahlreiche weitere Sonderorganisationen, die zwischen 1945 und 1985 gegründet wurden. Teilweise wurde bereits in Artikel 57 der Charta darauf hingewiesen, wo u.a. von Kultur, Bildung und Gesundheit die Rede ist; dies führte zur Gründung der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation; UNESCO) sowie der Weltgesundheits-organisation (World Health Organisation; WHO). 2003 trat die Welttourismusorganisation (World Tourism Organisation; WTO) dem VN-System als Sonderorganisation bei. Sie existiert seit 1974. Wegen der kurzen Mitgliedschaft im VN-System wurde die WTO in den finanzstatistischen Analysen noch nicht berücksichtigt. Eine entscheidende Grundidee bestand in der Annahme, dass durch die Zusammenarbeit auf den oben genannten Gebieten bestehende Konflikte und Kriegsgefahren schrittweise abgebaut werden können. Die Beseitigung von Armut und der Abbau von sozialer Ungerechtigkeit beispielsweise wurden in diesem Kontext als konkrete Beiträge zur Erfüllung des Friedensmandats der Vereinten Nationen angesehen. Dieser funktionalistische Ansatz forderte daher ein stärkeres Engagement der Mitgliedstaaten bei der Lösung konkret-praktischer Probleme. Artikel 56 der Charta sieht ausdrücklich vor, dass alle Mitgliedstaaten sich verpflichten, gemeinsam und jeder für sich zusammenzuarbeiten, um die in dem oben zitierten Artikel 55 der Charta dargelegten Ziele zu erreichen. Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft in einer oder mehreren Sonderorganisationen setzt nicht notwendigerweise eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen voraus, während umgekehrt eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen eine Mitgliedschaft in einigen Sonderorganisationen fast automatisch erlaubt (z.b. WHO). Die Bundesrepublik Deutschland war z.b. lange vor ihrem Beitritt 1973 zu den Vereinten Nationen Mitglied aller Sonderorganisationen. Die Schweiz ist erst seit 2002 Mitglied der Vereinten Nationen, obwohl sie vorher ebenfalls allen Sonderorganisationen einschließlich der Bretton-Woods-Institutionen beigetreten war. Ebenso wie für die Vereinten Nationen, so gilt auch für alle Sonderorganisationen das Prinzip einer universellen Mitgliedschaft, das jedoch bei einigen von ihnen bis Ende der 80er Jahre noch nicht erreicht worden war. Dies galt u.a. für die monetären Organisationen, wie den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbankgruppe (IBRD, IFC, IDA), wo aufgrund des gewichteten Stimmrechts damals zahlreiche sozialistische Staaten und Entwicklungsländer keine Mitgliedschaft anstrebten. Heute gilt für alle Sonderorganisationen, dass 227

das Prinzip der universellen Mitgliedschaft weitgehend verwirklicht worden ist. Die Tatsache, dass es sich bei den Sonderorganisationen um staatliche Institutionen auf der Grundlage von Regierungsabkommen handelt, bedeutet keinesfalls, dass nur Staaten Mitglied werden können. Einige von ihnen, wie z.b. ITU, UPU, UNESCO und WHO, lassen auch Territorien zu, die (noch) nicht die Merkmale eines Staates aufweisen. Eine Besonderheit weist auch die ILO auf, welche von Anfang an das Prinzip der Dreigliedrigkeit (2:1:1) eingeführt hat, wonach jeder Mitgliedstaat durch zwei Regierungsvertreter sowie je einen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer- Vertreter im Plenarorgan vertreten ist. Auch in den anderen Entscheidungsorganen der ILO wird dieses Prinzip 2:1:1 aufrechterhalten. Die Ziele und Aufgaben der Sonderorganisationen als Fachorganisationen, die auf ihren Gebieten der übergeordneten Zielsetzung der Vereinten Nationen, nämlich der Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dienen sollen, sind breit gefächert. Praktisch gibt es keine Tätigkeit eines Staates, die nicht in den Kompetenzbereich einer der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen fällt. Insofern stellt dieser breit gefächerte Schirm der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen einen Tätigkeitsrahmen dar, der sich zum Beispiel in den Bundesministerien in Deutschland wiederfindet. Drei Gruppen von Sonderorganisationen Üblicherweise werden drei Gruppen von Sonderorganisationen unterschieden: 1. die Sonderorganisationen in einem breit definierten sozio-ökonomischen, kulturellen oder humanitären Bereich (FAO, ILO, UNESCO, UNIDO, WHO); 2. technische Sonderorganisationen (ICAO, IMO, ITU, UPU, WIPO, WMO; vgl. Abbildung V.1-2); 3. die Währungs- und Finanzorganisationen (IMF, IBRD, IFC, IDA, IFAD; vgl. Abbildung V.1-1). Wie bereits der Terminus Sonderorganisationen zum Ausdruck bringt, sind die Organisationen mit speziellen fachlichen Kompetenzen ausgestattet, die sie in einem weltweiten Tätigkeitsfeld ausüben sollen. Ziele und Zwecke der Sonderorganisationen sind grundsätzlich nicht politischer Art, was jedoch nicht bedeutet, dass sie unpolitisch agieren. Da es sich um staatliche Organisationen handelt, in denen Regierungen vertreten sind, kommt es selbst bei sogenannten rein technischen Organisationen vor, dass Entscheidungen unter einem allgemeinen politischen Primat erfolgen. Koordinierungsaufgaben im VN-System 228

Wie bereits oben erwähnt, werden die Sonderorganisationen mit den Vereinten Nationen durch Abkommen in Verbindung gebracht, die der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) gemäß Artikel 63 der Charta abschließt. Diese Abkommen bedürfen der Genehmigung durch die Generalversammlung. Der ECOSOC kann die Tätigkeit der Sonderorganisationen koordinieren, indem er Konsultationen mit ihnen führt und an sie, an die Generalversammlung und an die Mitglieder der Vereinten Nationen Empfehlungen richtet (Artikel 63, Absatz 2). Der ECOSOC hatte zum Zweck der Koordinierung der Tätigkeit der Sonderorganisationen untereinander und mit den Vereinten Nationen 1946 den Verwaltungsausschuss für Koordinierung (Administrative Committee on Coordination; ACC)) eingesetzt, der sich aus den Verwaltungsspitzen der Sonderorganisationen und der IAEA sowie dem VN-Generalsekretär zusammensetzt. 1999 wurde der ACC durch den Koordinierungsrat der Leiter der Organisationen des VN-Systems (UN System s Chief Executives Board for Coordination; CEB) abgelöst, dem die Leiter der Vereinten Nationen, Spezialorgane, Sonderorganisationen einschließlich Bretton-Woods-Institutionen sowie die Welthandelsorganisation (WTO) angehören (vgl. Dokument II.1-2). Trotz der engen rechtlichen und faktischen Verbindung zwischen den Vereinten Nationen und den Sonderorganisationen bestehen zahlreiche Koordinierungsprobleme. Diese ergeben sich u.a. aus der Tatsache, dass die Staatenvertreter in den Sonderorganisationen meist nicht vom Außenministerium, sondern von den betreffenden Fachministerien bestellt werden. Solange auf der nationalen Ebene der einzelnen Mitglieder eine entsprechende Koordinierung nicht stattfindet, entscheiden diese Mitgliedstaaten innerhalb der Sonderorganisationen je nach politischen und/oder fachlichen Gesichtspunkten höchst unterschiedlich. Da die Sonderorganisationen inzwischen ein starkes Eigenleben entwickelt haben, scheiterte bisher die angestrebte Koordinierung sowohl am Widerstand dieser Sonderorganisationen als auch an dem der Fachministerien der einzelnen Mitgliedstaaten. Beziehungsabkommen In den fast einheitlich abgefassten Abkommen gemäß Artikel 63 der Charta werden sowohl die Bedingungen zur Koordinierung der Tätigkeit der einzelnen Sonderorganisationen und der Vereinten Nationen als auch die Bedingungen zur Koordinierung zwischen den einzelnen Sonderorganisationen präzisiert. Sie enthalten u.a. ein Mitspracherecht der Vereinten Nationen bei der Aufnahme von Nichtmitgliedstaaten der Vereinten Nationen in die Sonderorganisationen, ferner ein gegenseitiges Recht zum Vorschlag der Aufnahme von Fragen in die Tagesordnung sowie eine Verpflichtung der Sonderorganisationen, Empfehlungen der Vereinten Nationen den zuständigen Organen der Sonderorganisationen zwecks Beschlussfassung zuzuleiten und auch sonstige 229

Organe der Vereinten Nationen in ihren Aufgaben zu unterstützen. Die Sonderorganisationen haben das Recht, den Internationalen Gerichtshof (IGH) um Gutachten für Rechtsfragen zu ersuchen. Die Abkommen enthalten ferner das gegenseitige Recht auf Austausch von Materialien und Dokumenten und enthalten Bestimmungen über die Koordinierung der Verwaltungsdienste und technischen Dienste sowie den Austausch von statistischen Materialien, um Doppelarbeit für die Mitgliedstaaten, die Sonderorganisationen und die Vereinten Nationen zu vermeiden. Es soll auch ein möglichst einheitliches internationales Personalrecht geschaffen werden, um den Austausch von Personal zu ermöglichen. Weitere Charta-Bestimmungen Neben dem oben genannten Artikel 63 der Charta gibt es noch weitere zehn Artikel, die sich direkt oder indirekt (Artikel 60) auf die Sonderorganisationen beziehen. Im Artikel 17, Absatz 3, heißt es, dass die Generalversammlung alle Finanz- und Haushaltsabmachungen mit den in Artikel 57 bezeichneten Sonderorganisationen prüft und genehmigt. Weiterhin: Sie prüft deren Verwaltungshaushalt mit dem Ziel, Empfehlungen an sie zu richten. Die Empfehlungen beziehen sich auf die Koordinierungsfunktion durch die Generalversammlung; sie haben keine Kontrollfunktion gegenüber den Sonderorganisationen zum Inhalt, wofür die Generalversammlung keine Zuständigkeit besitzt. In Artikel 58 der Charta heißt es, dass die Organisation Empfehlungen abgibt, um die Bestrebungen und Tätigkeiten dieser Sonderorganisationen zu koordinieren. Artikel 60 weist darauf hin, dass für die Wahrnehmung dieser Aufgaben die Generalversammlung und unter ihrer Autorität der Wirtschafts- und Sozialrat verantwortlich sind. In Artikel 62 erhält der Wirtschafts- und Sozialrat die Befugnis, über internationale Angelegenheiten auf den Gebieten der Wirtschaft, des Sozialwesens, der Kultur, der Bildung, der Gesundheit und auf verwandten Gebieten Empfehlungen an die in Betracht kommenden Sonderorganisationen zu richten. Ferner wird in Artikel 59 der Charta auf die Möglichkeit hingewiesen, dass durch Verhandlungen neue Sonderorganisationen errichtet werden, sobald sie zur Verwirklichung der in Artikel 55 der Charta dargelegten Ziele erforderlich sind. Artikel 64 der Charta bezieht sich auf die Berichte der Sonderorganisationen an den Wirtschafts- und Sozialrat. Artikel 66 der Charta ermächtigt den Wirtschafts- und Sozialrat, mit Genehmigung der Generalversammlung alle Dienste zu leisten, um die ihn Sonderorganisationen ersuchen. Artikel 70 der Charta sieht vor, dass Vertreter der Sonderorganisationen ohne Stimmrecht an den Beratungen des Wirtschafts- und Sozialrats sowie der von ihm eingesetzten Kommissionen teilnehmen und umgekehrt. Der Vollständigkeit halber soll noch auf Artikel 91 der Charta hingewiesen werden, der dem Treuhandrat die Möglichkeit gibt, die Sonderorganisationen in Angelegenheiten, für die sie zuständig sind, in Anspruch zu nehmen. 230

Allerdings hat dieses Hauptorgan 1994 seine Arbeit mit der Zulassung Palaus als 185. VN-Mitglied abgeschlossen und soll bei der nächsten Charta-Revision ersatzlos gestrichen werden ( sleeping beauty ). Organisatorisch-institutionelle Gemeinsamkeiten Obwohl jede Sonderorganisation ihre eigene Satzung/Verfassung hat, deren Inhalt vor allem von den Zielen und Aufgaben der Organisation abhängt, soll in dieser Einleitung vor allem vergleichend auf die Gemeinsamkeiten eingegangen werden. In allen Sonderorganisationen existiert ein Plenarorgan (Conference / Assembly / Congress), in dem jeweils alle Mitgliedstaaten vertreten sind. In der Mehrzahl der Sonderorganisationen haben im Plenarorgan alle Staaten jeweils eine Stimme (one state one vote). Ausnahmen hierzu bilden die Währungs- und Finanzorganisationen (IMF, IBRD, IDA, IFC), in denen die Stimmen gewichtet sind und deren Zahl von der Höhe der Einlagen der Einzelmitglieder abhängt. Auch beim IFAD ist dies der Fall. Die Treffen der Plenarorgane finden alljährlich (IMF, ILO, Weltbankgruppe, WHO) oder alle zwei Jahre (z.b. FAO, UNESCO) oder sogar in größeren Intervallen statt (z.b. ICAO, ITU, UPU). Ferner haben die Sonderorganisationen ein Exekutivorgan (Council, Board), das für die Überwachung der Durchführung der Politik zwischen den Sitzungen des Plenarorgans verantwortlich ist. Schließlich existiert in allen Organisationen ein Mitarbeiterstab (Personal, Sekretariat), an dessen Spitze ein Generalsekretär oder -direktor steht, der auf mindestens drei und höchstens sechs Jahre gewählt wird und von einigen Ausnahmen abgesehen (IFAD, ITU, UNESCO,UNIDO, UPU) unbeschränkt wiedergewählt werden kann. Finanzierungsmodi und -quellen Die Finanzmittel der Sonderorganisationen werden in der Mehrzahl der Fälle aus drei Quellen gespeist: 1. Die ordentlichen Haushalte setzen sich auf der Einnahmenseite vor allem aus Beiträgen der Mitgliedstaaten zusammen, die aufgrund des Beitragsschlüssels ermittelt werden, der sich an der wirtschaftlichen Zahlungsfähigkeit orientiert (vgl. Abschnitt II.2). Dabei beträgt gegenwärtig die Obergrenze 22 Prozent, die Untergrenze in den meisten Fällen 0,001 Prozent. Ausnahmen bilden die Währungs- und Finanzinstitutionen, die sich ihre Mittel u.a. über staatliche Wiederauffüllungsrunden (IDA, IFAD) oder durch die Aufnahme von Darlehen auf internationalen Kapitalmärkten und bei den Regierungen ihrer Mitgliedstaaten (IBRD, IFC) beschaffen. 2. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zahlen freiwillige Beitragsleistungen an Spezialorgane der Vereinten Nationen (z.b. UNDP, UNFPA, UNICEF), die ihrerseits allerdings mit deutlich abnehmender Tendenz den Sonderorganisationen die Durchführung bestimmter Programme und Projekte insbesondere im Rahmen der multilateralen Technischen 231

Zusammenarbeit finanzieren. Diese Einnahmen erscheinen in den außerordentlichen Haushalten der Sonderorganisationen. 3. Schließlich gibt es freiwillige, zum Teil projektgebundene Beitragsleistungen von einzelnen Mitgliedstaaten und zunehmend von privaten NGOs, Stiftungen sowie Unternehmen an einzelne Sonderorganisationen, die dort ebenfalls wie aus Dienstleistungen erwirtschaftete Erträge in den außerordentlichen Haushalten aufgeführt werden. In den meisten Sonderorganisationen erfolgt die Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge. Die Mitglieder sind verpflichtet, nach einem bestimmten Schlüssel sich jährlich an den Kosten der Sonderorganisationen zu beteiligen. Dieser Schlüssel ist von Organisation zu Organisation unterschiedlich, da er von der Gesamtmitgliederzahl abhängt. Viele Sonderorganisationen (ILO, FAO, WHO, UNESCO, UNIDO) orientieren sich am Beitragsschlüssel der Vereinten Nationen. Die technischen Sonderorganisationen (ITU, UPU, WIPO) legen Beitragsklassen fest, in die sich die Mitglieder nach Selbsteinschätzung einstufen. Die Währungs- und Finanzorganisationen erheben keine Mitgliedspflichtbeiträge, sondern finanzieren ihre Verwaltungskosten aus ihren Erträgen. Neben den oben genannten Beitragsklassen-Systemen existieren noch sog. Mischsysteme bei einigen technischen Sonderorganisationen. So setzt sich der Beitragsschlüssel für die einzelnen Mitgliedstaaten der Internationalen Zivilluft-Organisation (International Civil Aviation Organisation; ICAO) zu 75 Prozent aus der Zahlungsfähigkeit auf des Grundlage des VN-Schlüssels und zu 25 Prozent aus der Bedeutung in der Zivilluftfahrt zusammen, die durch die festgestellte Tonnen- Kilometer-Kapazität gemessen wird, wobei internationale Luftfahrtdienste gegenüber nationalen Diensten eine Gewichtung von 75 Prozent zu 25 Prozent aufweisen. Ähnlich ist auch die Beitragstabelle bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation (International Maritime Organization; IMO) aufgebaut; sie bezieht sich zu 87,5 Prozent auf die bei Lloyds registrierte Schiffstonnage, gemessen in Bruttoregistertonnen, und zu 12,5 Prozent auf einen modifizierten VN-Beitragsschlüssel. Die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organisation; WMO) arbeitete bis 1995 mit einem 50:50-Schlüssel, d.h. je zur Hälfte mit einem eigenen WMO-Schlüssel und mit einem Schlüssel entsprechend der VN-Beitragstabelle. In den darauffolgenden Jahren erfolgte eine schrittweise Anpassung der Beitragssätze, so dass inzwischen die WMO-Beitragstabelle auf der Grundlage der VN-Beitragstabelle erstellt wird. Entwicklung der Haushalte und Pflichtbeiträge In den Tabellen V.1-1 und V.1-2 werden die verabschiedeten ordentlichen Haushalte und die veranlagten Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten in den Sonderorganisationen einschließlich IAEA für 232

den Zeitraum 1971 bis 2005 ausgewiesen. Dabei fällt eine Sonderorganisation durch erhebliche Diskrepanzen auf: es handelt sich um die Weltorganisationen für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organisation; WIPO), deren Haupteinnahmequelle nicht die veranlagten Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten sind, sondern die von den privaten Nutzern der internationalen Regierungsdienste gezahlten Gebühren sowie die Verkaufserlöse aus Veröffentlichungen. Im Jahre 2003 z.b. betrug der Haushalt 222 Mio. US-Dollar, darunter waren als Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen lediglich 13,2 Mio. US-Dollar, d.h. weniger als 6 Prozent, ausgewiesen. Insgesamt hat sich das Volumen der Haushalte der in Tabelle V.1-1 aufgeführten Sonderorganisationen zwischen 1971 und 2005 nominal etwa verzehnfacht. Das höchste Wachstum weist ohne Zweifel die WIPO auf, die 1971 einen Haushalt von etwa 2,5 Mio. US-Dollar hatte, der bis 2005 auf 245,7 Mio. US-Dollar anstieg. Damit weist die WIPO unter den technischen Sonderorganisationen das bei weitem höchste Haushaltsvolumen auf. Zahlungsmoral der Mitgliedstaaten Unter den Mitgliedstaaten mit Rückständen bei den Beitragszahlungen müssen zwei Verhaltensmuster unterschieden werden, nämlich einerseits Zahlungsverzug aufgrund besonderer Umstände (Naturkatastrophen, Bürgerkriege, etc.) und andererseits bewusste Zahlungsverweigerung bzw. -verzögerung. Die Tabellen V.1-3 und V.1-4 beziehen sich auf die Zahlungsmoral der Mitgliedstaaten in den Sonderorganisationen, gemessen an den Anteilen der jeweils bis zum 30. Juni und 30. September des laufenden Jahres eingenommenen Pflichtbeiträge. Tabelle V.1-3 bezieht sich auf die Großen Fünf (FAO, ILO, UNESCO, UNIDO und WHO) sowie IAEA, während Tabelle V.1-4 die Zahlungsmoral der Mitgliedstaaten in den technischen Sonderorganisationen aufzeigt. Geht man von den Mindestwerten 50 Prozent für den 30. Juni und 75 Prozent für den 30. September aus, so muss man einerseits erhebliche Schwankungen innerhalb einzelner Sonderorganisationen und andererseits eine in den meisten Fällen schlechte Zahlungsmoral bei den Großen Fünf und IAEA festhalten. Ähnlich sieht die Situation bei den technischen Sonderorganisationen ICAO und WMO aus. Ganz anders, nämlich äußerst positiv, ist die Situation bei den vier beschriebenen Sonderorganisationen IMO, ITU, UPU und WIPO zu bewerten, in denen die Mitgliedstaaten eine sehr hohe Zahlungsmoral aufweisen. Wegen der in der Mehrzahl der Sonderorganisationen zu beobachtenden niedrigen Zahlungsmoral wurden zahlreiche Maßnahmen diskutiert, um die Mitgliedstaaten zu veranlassen, ihre Pflichtbeiträge pünktlich und vollständig zu zahlen. Zur Erhöhung der Zahlungsmoral sind einerseits 233

administrativ-rechtliche Maßnahmen, die bei Rückständen zu Sanktionen führen, wie z.b. dem Verlust des Stimmrechts, andererseits ökonomische Anreiz-Systeme denkbar. Der Verlust des Stimmrechts ist die bei allen Sonderorganisationen und IAEA gebräuchliche Androhung bei Rückständen. Sie erfolgt üblicherweise nach zwei Jahren, wobei es einige Differenzierungen gibt. Bei der IMO greift der Mechanismus bereits nach einem Jahr, bei der UNESCO bereits bei unter zwei Jahren (current plus immediate preceding calendar year). Bei einigen Sonderorganisationen bleibt es nicht nur beim Verlust des Stimmrechts. In der FAO kann auch die Mitgliedschaft im Rat verloren gehen, beim Weltpostverein, der WMO und IMO auch das passive Wahlrecht. Darüber hinaus fordern der Weltpostverein und die ITU Zinsen für Rückstände bei den Beitragszahlungen. In einigen Sonderorganisationen wurden in den 90er Jahren ökonomische Anreiz-Systeme für die Beitragszahlungen eingeführt: Beispiel IMO: Verteilung von Zinseinkommen an die Mitgliedstaaten proportional zu den Zahlungen für das laufende Jahr, wobei aber gleichzeitig den Mitgliedstaaten nahegelegt wurde, ihre Zinsanteile dem Programm für Technische Zusammenarbeit als freiwillige Beitragsleistungen zukommen zu lassen. Beispiel WMO: Gutschriften für pünktliche Zahler entsprechend dem Zahlungseingang, finanziert durch die Zinseinnahmen aus dem Allgemeinen Fonds. Auch andere Sonderorganisationen (FAO, ILO, UNESCO, ICAO, UPU, WHO) hatten ähnliche Anreiz-Systeme eingeführt. Ob bzw. inwieweit dadurch ein erkennbar positiver Einfluss auf die Zahlungspünktlichkeit der Mitgliedstaaten ausgeübt werden konnte, erscheint nicht zuletzt wegen externer Einflüsse (u.a. plötzliche Veränderungen in der Mitgliedschaft nach 1989/1990, keine oder zu geringe Zinseinnahmen) fraglich. 234