Predigt am ; Totensonntag Thema: Die Hoffnung auf eine neue Welt; Michael Paul

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Transkript:

Predigt am 20.11.16; Totensonntag Thema: Die Hoffnung auf eine neue Welt; Michael Paul Offb.21,1-7 1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein. Liebe Gemeinde, vor einigen Tagen traf ich einen Obdachlosen in der Stadt. Da ich ihn schon länger kenne, kamen wir gleich in Gespräch miteinander. Er erzählte mir, dass er einer Dame, die ihm Geld in sein Gefäß geworfen habe, den Segen Jesu Christi gewünscht habe. Und die Dame habe ihm daraufhin gesagt: Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, dann würde ich auch an Jesus glauben. Der Obdachlose erzählte mir das sehr aufgeregt. Und dann sagte er zu mir: Die Leute meinen, wenn man in großes Leid gerät, z.b. obdachlos wird, dann würde man automatisch an Gott oder Jesus glauben. Aber das stimmt nicht. Meine obdachlosen Kameraden glauben längst nicht alle an Gott. Ihr Lieben, ich teile die Meinung dieses sympathischen Mannes: Der Glaube entspringt nicht automatisch einer Leidenserfahrung. Sonst würden ja alle Obdachlose Gläubige sein. Und alle, die an Gräbern von lieben und liebsten Menschen Abschied nehmen, würden plötzlich Gott suchen, beten, vielleicht in der Kirche nach Gottes Licht Ausschau halten, vielleicht die alten Worte der Bibel nach der Hoffnung Gottes abklopfen, vielleicht die Stille suchen, um Gottes leise Worte zu hören oder Menschen aufsuchen, die etwas von Gottes Licht und Liebe ausstrahlen. Aber nein, das tun längst nicht alle. Denn Leid schafft noch keinen Glauben. Not alleine lehrt nicht beten! Manchmal lehrt Not auch den Zweifel. Ich habe es schon erlebt, dass Betende durch Not in ihrem Glauben so tief verunsichert wurden, dass sie, die vorher Gott innig suchten, plötzlich mit Gott zu hadern begannen. Und ich kann es verstehen, Ihr Lieben, denn es gibt fürchterliche Not, nicht verstehbares Leid. Und manchmal brauchen auch Gläu-

bige Zeit, viel Zeit, um wieder langsam Vertrauen zu fassen, um wieder nach Hoffnung zu dürsten, um wieder kleine Funken von Licht in der Dunkelheit des eigenen Lebens zu entdecken. Lassen wir den vom Leid Bedrängten die Zeit? Lassen wir Gott die Zeit mit seinen vom Leid geprüften Menschen? Oder halten wir es nicht aus, stülpen den Leidenden unsere Lichter über, zwingen den gebrochenen Herzen unsere vorschnellen Hoffnungen auf. Auch aufgedrängte Hoffnung kann Gewalt sein! Wem wollen wir damit helfen: Uns selbst oder den Menschen vor uns? Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und dann wird in unserem Text diese neue Welt beschrieben: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein Da sitzen heute einige als vom Tod Umfangene und Bedrängte in unserer Kirche und bekommen solche Hoffnungsworte zugesprochen! Geht das so schnell? Oder geht es manchen von uns vielleicht ähnlich wie der Dame, die um ihre Mutter trauerte. Nach der Trauerfeier kam sie auf mich zu und sagte: Herr Paul, sie haben viele Hoffnungsworte auf der Trauerfeier gesprochen. Aber ich bin noch nicht so weit, die Hoffnung zu sehen. Wir müssen uns an dieser Stelle auch eines bewusst machen: Diese Worte vom neuen Himmel und der neuen Erde sind uns am Ende des letzten Buches, der Offenbarung des Johannes, zugesprochen, ja am Ende der ganzen Bibel. Es sind letzte Worte! Und ich sage es mal so: Um diese letzten Worte sprechen zu können, müssen wir einen Weg gehen. Oder noch einmal anders gesagt: Gott muss mit uns einen Weg gehen. Wie schnell sind wir bei den letzten Worten, wollen die Menschen trösten mit dem Himmel in ihrer Not. Aber der Himmel steht erst am Ende eines langen Weges, auf dem es auf und ab geht, auf dem uns Hoffnungslichter leuchten, auf dem gelacht wird und es unbeschwerliche Tage, ja wunderbare Liebeserweise gibt, gewiss, auf dem wir aber auch durch Täler gehen müssen, durch manchmal fürchterliches Leid, durch Widerstände hindurch, manche auch jetzt unter uns, - wenn wir an die Flüchtlinge denken -, durch Krieg, Vertreibung und Verfolgung hindurch. Manches, was heute in der Weltpolitik geschieht, - wir konnten uns das vor einigen Jahren noch gar nicht vorstellen -, erinnert an die ersten 20 Kapitel des Offenbarungsbuchs. Das Weltmeer tost, und unser kleines Lebensschiff darauf wird wie eine Nussschale hin und hergeworfen. Und erst ganz am Ende, nach diesem Auf und Ab des Weltenmeers, tritt Ruhe ein. Ganz am Ende der Bibel, ganz am Ende der Zeit. Da sieht Johannes diese Vision: Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde und das Meer - dieses Weltenmeer - ist nicht mehr. Das Meer, das Dein Leben umtost hat, Dich manchmal hin und hergeworfen hat, das Dir den Grund unter den Füßen weggezogen hat, Dir alle Kraft und Hoffnung geraubt hat, das Deinen Glauben bedrängt hat, sodass Versuchungen leichtes Spiel mit Dir hatten und Du in die Untiefen der Sünde, des Egoismus, des Streites geraten bist, dieses ungestüme,

bedrohliche Meer ist nicht mehr. Wie aber kommt Johannes zu einer solchen Schau des Endes? Man könnte ja meinen, dass das alles nur seiner Fantasie, seinen Wunschträumen entspringt. So wie die Frau, die zu mir sagte: Ich möchte gerne endlich sterben, nicht mehr diese Last des Alters tragen müssen, nicht mehr leiden müssen. Frieden haben. Wunschträume. Der Tod als einen Frieden, als ein Ausruhen von den Stürmen des Weltenmeeres. Sieht Johannes das so in seinem Offenbarungsbuch? Zeichnet er seine Wunschträume ein in sein Bild von der neuen Welt? Nein, Ihr Lieben, Johannes ist kein Träumender. Er ist ein Seher, ein Sehender. Ganz am Anfang des Offenbarungsbuches heißt es deshalb: Johannes, der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus, alles, was er gesehen hat. Johannes schreibt nur, was er gesehen hat, nicht, was er sich wünscht. Und was sieht er? In seinen ersten 20 Kapiteln seines Offenbarungsbuches sieht er gewiss das tosende Weltenmeer. Er sieht die Stürme, die über die Menschen hinweggehen, die Diktatoren, die Kriege herbeiführen. Er sieht die bedrängte christliche Gemeinde, die versucht wird, die an Kraft verliert durch Gewalten und Mächte und vom Tod bedrängt wird.. Aber zu allererst und ganz im Zentrum sieht Johannes Jesus Christus. Er, der sein Leben für uns alle aus herzlicher, unverdienter Liebe gegeben hat, sitzt nun auf dem Thron und regiert. Diesen für uns alle gekreuzigten Jesus Christus und vom Kreuz auferstandenen Herrn hat Johannes stets im Blick. In ihm hat die bedrängte Gemeinde, haben wir alle einen festen Halt mitten in den Stürmen des Weltenmeers. Und weil Johannes immer wieder auf diesen Jesus blickt, - er zeichnet ein eigenartiges Bild von Jesus der auferstandene Jesus hat in diesem letzten Bibelbuch die Gestalt eines geschlachteten Lammes in dieser Gestalt sitzt Jesus auf dem Thron: Ein eigenartiger König, nicht wahr!, weil Johannes auf diesen König blickt, dieses für uns geschlachtete Lamm, diesen, der in seiner Liebe sein eigene Leben für uns gegeben hat, darum kann er nun auch am Ende den neuen Himmel und die neue Erde sehen. Diese neue Welt entspringt also gerade nicht einem Wunschdenken, das aus dem Leiden der damaligen Zeit hervorgeht. Diese Schau des neuen Himmels und der neuen Erde entspringt vielmehr dem ständigen Blick auf den gekreuzigten und auferstandenen Jesus. Weil Jesus uns bis zum Tode geliebt hat, weil er die tiefste Liebe am Kreuz vollbracht hat, unwiderruflich, unauslöschlich, darum haben wir eine solche Hoffnung. Im Blick auf Jesus sind wir gewiss, dass wir im Letzten nicht irgendwelchen machthungrigen, psychopathischen Tyrannen ausgeliefert sind, die jetzt überall in Erscheinung treten, dass wir auch nicht einem lieblosen, egoistischen Nationalismus in die Hände gegeben werden, sondern dass der Sieger bereits feststeht, und in der Welt, die kommt, die Liebe regieren wird, die Jesus freigesetzt hat, Vergebung herrschen wird, die er am Kreuz erwirkt hat. In dieser neuen Welt wird es keinen IS geben. Denn auch Gewalt, die im Namen der Religion ausgeübt wird, sei es islamische oder christliche Gewalt, hat in Gottes Reich keinen Platz. Aber auch keine Gesetze, die Mauern für Flüchtlinge verfügen, und keine Finanzspekulationen auf dem Rücken der Ar-

men werden dort vorkommen. Diese neue Welt ist die Konsequenz eines einzigen Lebens und eines einzigen Sterbens und eines einzigen Liebens, des Lebens und Sterbens und Liebens dieses Jesus von Nazareth. Und wer wissen will, was im Letzten Bestand und Wert hat, der darf nicht auf die Putins oder die Erdoans oder al Sadats oder die Trumps blicken, sondern muss auf diesen einen blicken, der auf Golgatha schrie: Es ist vollbracht! Und wer wird diese neue Welt ererben, Ihr Lieben? Am Ende unseres Predigttextes steht nur ein karger Hinweis! Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn, sie wird meine Tochter sein. Was heißt das: Wer überwindet? Überwinden nicht nur die Heiligen? Sind hier die gemeint, die sich dem tosenden Weltenmeer entgegenstemmen? Sind hier die angesprochen, die die Versuchungen zum Bösen niederringen und rein bleiben? Sind hier die angesprochen, die im Glauben immer fest bleiben, selbst an den Gräbern ihrer Lieben noch Zuversicht ausstrahlen, die sich weder von Leiden noch von der Macht des Todes in ihrem Glaubensleben beirren lassen? Bei diesen Fragen werde ich an eine Begebenheit im Leben von Dietrich Bonhoeffer erinnert. Er berichtet von einem Gespräch mit dem französischen Pfarrer Jean Laserre. Beide hatten sich 1931 in Amerika kennengelernt und sich gefragt, was sie in ihrem Leben eigentlich wollten. Laserre sagte: Ich möchte ein Heiliger werden. Und Bonhoeffer antwortete: Ich möchte glauben lernen. Später führt er näher aus, was er damit meint: Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann, einen Gerechten oder Ungerechten, einen Kranken oder einen Gesunden- dann wirft man sich ganz Gott in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern die Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane. Und ich denke, das ist Glaube, das ist Umkehr, so wird man ein Mensch, ein Christ. Wer überwindet : Das heißt meines Erachtens genau das, was Bonhoeffer sagt: Glauben lernen. Diesem Weltenmeer können wir uns nicht entgegenstemmen. Wir schwimmen bei manchem mit, leider. Wir werden es gewiss alle einmal bereuen, wie sorglos wir mit unseren finanziellen Möglichkeiten umgegangen sind, dass wir nicht mehr gegeben haben, nicht mehr geliebt haben. Wir werden alle einmal über unsere versäumte Liebe erschrecken, dass wir selbst unseren liebsten Menschen so viel schuldig geblieben sind. Wir werden einmal alle bekennen müssen: Wir haben nicht genug geliebt, nicht genug geglaubt, nicht genug gehofft. Aus uns Heilige zu machen, ist Utopie. Aber das eine können wir, Du und ich: Glauben lernen. Ja, wir bleiben hier Lernende. Ich möchte lernen mit Johannes, dessen Worte wir heute bedenken, auf Jesus zu blicken, auf den, der in seiner Liebe an mir und auch an all denen, die mir das Leben manchmal schwer machen, festhält, so fest, dass er das Kreuz für uns trägt. Ich möchte lernen, auf Jesus zu blicken, wie er dem Versucher standgehalten hat, damit ich

mich nicht einfach gehen lasse, sondern dem Bösen Widerstand leiste, dem Lieblosen entgegentrete, dem Egoistischen etwas entgegensetze. Ich möchte im Blick auf Jesus lernen, barmherziger zu werden, die Schwachen im Glauben, die Schwachen im Leben nicht abzuschreiben, sondern sie anzunehmen, für sie zu hoffen, sie zu ermutigen. Besonders möchte ich lernen, mit mir selbst barmherziger zu werden, weil Jesus mich liebt, obwohl ich so manches Dunkle, Unschöne und Böse an mir trage. Und ich möchte im Blick auf den leidenden Jesus lernen, meine eigenen Leiden zu tragen, ohne dabei die Hoffnung zu verlieren. Da bin ich noch gar nicht gut drin: Im Leiden tragen. Aber im Blick auf Jesus möchte ich lernen, das Kreuz, das Gott mich tragen heißt, mit ein bisschen mehr Glauben zu tragen, mit der Hoffnung, die Jesus uns doch geschenkt hat. Ich möchte lernen, den neuen Himmel und die neue Erde, die auf das Leben und Sterben Jesu folgt, im Blick zu haben und auch an Gräbern nicht zu verzagen. Ich möchte lernen, meine Lieben, die gestorben sind, in Gottes Hände zu legen, weil ich doch Jesu Liebe vertrauen kann, dass er die Teilhabe an der neuen Welt und dem neuen Himmel schenkt und sie nicht auf unserem Mühen und Machen gründet. So heißt es doch auch in unserem Predigttext: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, dann würde ich auch an Jesus glauben., sagte die Frau zu dem Obdachlosen am Anfang meiner Predigt. Nein, die Not und die Leiden alleine lehren uns nicht glauben. Der Blick auf Jesus, das Wort Jesu lehrt uns glauben. Ich möchte glauben lernen, sagt Dietrich Bonhoeffer. Darum lasst uns bei diesem Jesus suchen, was weder die Not noch das eigene Bemühen uns schenken kann. Amen.