Warum dieses Themenheft? Lernen mit der Maus so könnte man in Anlehnung an die berühmte Kinderserie Sendung mit der Maus das online unterstützte Lernen nennen. Man klickt sich sozusagen am Computer durch Seminarinhalte, beteiligt sich an Foren und kommuniziert über Chaträume. Die Vorteile dieser neuen Lernform liegen auf der Hand. Als Teilnehmerin oder Teilnehmer kann man zeitlich flexibel und unabhängig vom Standort an einer Fort- oder Weiterbildung teilnehmen, ohne allerdings ganz auf das gemeinsame Lernen in einer Gruppe zu verzichten. Dies spart Zeit und Geld. Natürlich sind mit dieser für viele immer noch ungewohnten Technik auch Hürden verbunden. So ist u.a. ein gehöriges Maß an Selbststeuerung und Selbstdisziplin verlangt, und sicherlich lässt sich nicht jedes Thema auf diese Weise sinnvoll behandeln. Aber es ist eine neue Dimension des Lernens, mit der wir uns im Zentrum Bildung seit gut drei Jahren befassen. Mit diesem Themenheft legt das Zentrum Bildung erste Erfahrungen mit dem online unterstützten Lernen vor und zeigt die Chancen und Möglichkeiten dieser neuen Lernform für die Evangelische Bildungsarbeit auf. Es gab etliche Meilensteine, die die Entwicklung des Konzeptes beeinflussten. Angefangen hat es mit einer eigenen Lernplattform, auf der ein erstes Blended-Learning Seminar angeboten wurde. Seit Januar 2009 verfügt das Zentrum Bildung über ein eigenes Bildungsportal. Auf www.evangelisches bildungsportal.org können virtuelle Seminarräume eingerichtet werden, die für das online unterstützte Lernen zur Verfügung stehen. Warum online unterstütztes Lernen im Zentrum Bildung? Wir sehen im Konzept des Blended-Learning, also dem Lernen in Präsensphasen, und dem Lernen in virtuellen Seminarräumen, eine ideale Ergänzung zu den anderen Bildungsangeboten unseres Hauses. Wir hoffen und erste eigene Evaluationen von Veranstaltungen belegen dies auch mit dieser Lernform auch neue Personenkreise anzusprechen. Hinzu kommt, dass durch das Evangelische Bildungsportal eine andere Art der Vernetzung von Themen, Inhalten und auch von Menschen erreicht wird. Solche Synergien bieten uns nur die neuen technischen Möglichkeiten. Online unterstütztes Lernen ist wie Gunter Böhmer und Christian Urbanik treffend anmerken eine Ergänzung und kein Ersatz für die zahlreichen Bildungsangebote, die wir im Zentrum Bildung für die verschiedensten Zielgruppen und Milieus anbieten. Ich hoffe, dass mit dem Themenheft Online unterstütztes Lernen Ihr Interesse geweckt wird, Bildung virtuell einmal selbst auszuprobieren und dass sie beim Lernen mit der Maus gute Erfahrungen machen. Martina Klein Leiterin des Zentrum Bildung der EKHN 3
Online unterstütztes Lernen in der Evangelischen Bildungsarbeit Liebe Leserinnen und Leser, Nach mittlerweile drei Jahren praktischer Erfahrungen mit online unterstütztem Lernen innerhalb des Zentrums Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau möchten wir Ihnen mit diesem Heft einen Überblick über dieses Thema bieten. Online unterstützte Lehr-, Lern- und Kommunikationsformen sind in unserer heutigen Gesellschaft etabliert und nicht mehr wegzudenken, daher ist es wichtig sich als Bildungsträger diesen Kommunikationsformen zu öffnen. Ein Interesse ist es, durch die neuen Methoden und deren erweiterten Möglichkeiten Menschen mit bildungsrelevanten Angeboten besser zu erreichen, um auch in Zukunft auf breiter Basis attraktive Bildungsangebote anbieten zu können. Wir unterteilen dieses Heft in einen theoretischen und einen praktischen Teil. In den theoretischen Einführungen haben wir uns bemüht, eine auch für nicht versierte OnlineanwenderInnen verständliche Sprache und Erklärungen zu verwenden. In dem theoretischen Teil unseres Themenheftes werden wir Ihnen zunächst den Begriff des online unterstützten Lernens näherbringen, um dann auf die Lernherausforderungen des 21. Jh. wie Oskar Negt sie analysiert einzugehen. Die Frage, wie online unterstütztes Lernen erfolgreich gestaltet werden kann und welche Medienkompetenzen seitens der Lehrenden und Lernenden notwendig sind, bilden den Abschluss der theoretischen Einführung in die Thematik. Der praktisch ausgerichtete zweite Teil dieses Heftes beginnt mit der Darstellung eines virtuellen Seminarraums: Hier werden wir Ihnen die Möglichkeiten eines solchen Raumes darstellen. Besonderes Augenmerk möchten wir auf die Praxisbeispiele legen. Es werden unterschiedlichste Erfahrungen von Erfolg bis Misserfolg dargestellt. Wir werden Ihnen vier exemplarische Projekte in unserem Bereich des online unterstützten Lernens vorstellen: Mit 550.000 Euro in die Erwachsenenbildung Online Tagebuch der Blog als virtuelles Reisetagebuch Bad Practice statt Best Practice Online unterstütztes Lernen in der Konfirmandenarbeit Wir hoffen, Ihnen mit diesem Heft einen Überblick über das Themenfeld zu ermöglichen und Ihnen Anregungen für den Einsatz von online unterstützen Lehr-, Lern- und Kommunikationsformen in ihrer Bildungspraxis zu bieten. Es grüssen Sie Christian Urbanik und Gunter Böhmer 4
Christian Urbanik Online unterstütztes Lernen Eine Einführung Die folgenden Ausführungen werden Ihnen eine kurze Einführung in die Thematik des online unterstützten Lernens bieten. Hierzu werden einige Grundbegriffe aufgeführt: angefangen bei dem Begriff des e-learning über den Begriff des Blended Learning hin zu den Lernplattformen und Portalen möchten wir Ihnen das Thema des online unterstützten Lernens näherbringen. Im Verlauf dieser Einführung werden wir ebenfalls auf die Vor- und Nachteile computer- bzw. internetbasierter Anwendungen eingehen. Eine Frage, die sich sicherlich nicht nur Neulinge des Fachfeldes stellen, ist: Was ist eigentlich e-learning? Der Begriff des e-learning ist keineswegs eindeutig definiert, er kann je nach dem eigenen Verständnis ganz unterschiedliche Nuancen erhalten. In einer Informationsveranstaltung von hessen-it 1 definierte ein Teilnehmer e-learning als ein didaktisch, methodisch aufgearbeitetes elektronisches Angebot. Laut seiner Definition reicht es somit nicht aus, Informationen auf dem elektronischen Weg zu erlangen oder zu erlernen, sie müssen zuvor aufgearbeitet worden sein. Ehlers wählt eine ähnliche Definition des Begriffs: e-learning ist kein wissenschaftlicher Begriff [ ] Er umfasst alle Formen des Lernens mit Hilfe elektronischer Medien. Sowohl online als auch offline. Es ist eine Lernform, bei dem die neuen Informations- und Kommunikationsmedien in Lernarrangements eingebunden werden, entweder zur Unterstützung des Lernprozesses oder als ausschließliche Form der Vermittlung. 2 Der Begriff des Lernarrangements gewinnt eine zentrale Bedeutung: neue Möglichkeiten werden in die vorhandenen integriert, ohne klassische Lernformen dabei zu verdrängen; vielmehr geht es um eine Ergänzung der bisherigen Methoden. Sie stellen keine eigenständige und neue Form des Lehrens und Lernens dar. Unter e-learning ist demnach ein didaktisch-methodisch aufgearbeitetes elektronisches Angebot zu verstehen, welches in ein Lernarrangement eingebettet ist. 1 Die Aktionslinie des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung für den IT-Markt in Hessen 2 Ehlers 2004 5
In der folgenden Tabelle sind die Vor- und Nachteile elektronischer Angebote gegenübergestellt. 1 PRO Kurse sind im Gegensatz zu traditionellen Lehrmitteln interaktiv. Abstrakte Inhalte werden mit Hilfe von Simulationen anschaulich gemacht. Die traditionellen linearen Denk- und Lernkonzepte werden aufgebrochen und flexiblere, netzwerkartige Konzepte verwirklicht. Lernkontrollen können individualisiert werden und Wiederholungsaufgaben variieren. Kurse werden an bestimmte Lernbedürfnisse angepasst. Lernen kann mit betrieblichem Knowledge Management (Wissensmanagement) verbunden Es kann asynchron zusammen gearbeitet CONTRA Lernende müssen erst üben, mit den verschiedenen Medien umzugehen. Die Technik und die Techniker bestimmen den Markt. Zu wenig Qualität am Markt (veraltetes Argument). Lehrende befürchten, arbeitslos zu werden (selbst beamtete Lehrer). Zu wenig Pädagoginnen und Pädagogen im e-learning Bereich. Die Präsentation der Lerninhalte wird oft von technischen und nicht von didaktischen Faktoren bestimmt. Es besteht die Gefahr, dass die Lernenden sich sozial isolieren, da konventionelle Lernorte nach wie vor wichtige Orte sind, an dem soziale Kontakte geknüpft Es kann zeit- und ortsunabhängig gelernt Es kann just in time gelernt Es kann arbeitsprozessorientiert gelernt Dokumentationen und Wiederholungen sind vereinfacht. Lernobjekte sind wiederverwendbar. Audio- und Videodokumente sind leicht einzubinden. 6 1. vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/e-learning#vor-_und_nachteile_von_e-learning
Im Kontext von e-learning ist es sinnvoll, folgende Begriffe zu definieren: CBT: Computer based Training Hiermit ist die klassische Lernsoftware gemeint, die von CD und offline ihr Lernangebot abspielt. WBT: Web based Training Hier wird das Lernprogramm nicht mehr lokal auf dem eigenen Rechner betrieben, sondern findet online statt. Solche Trainings können synchron oder asynchron angeboten LMS: Learning Management System Mit einem solchen System kann ein ganzer Kurs mit interdisziplinären Inhalten angeboten LCMS: Learning Content Management System Mit diesem System können die Inhalte selbst verwaltet und neue Kurse aus bestehenden Inhalten neu generiert CSCL: Computer Supported Cooperative Learning Darunter versteht man Lernansätze, bei denen das kooperative Lernen durch den Einsatz von computergestützten Informations- und Kommunikationssystemen unterstützt wird. WBC: Web Based Collaboration Hier ist die Zusammenarbeit einer Gruppe von Personen an einer Lernaufgabe über das Internet gemeint. 7
Was ist eigentlich online unterstütztes Lernen/ Blended Learning? Eine exakte und eindeutige wissenschaftliche Definition des Blended Learning, ähnlich wie im Fall von e-learning, besteht auch hier zurzeit noch nicht. Allgemein bezeichnet der Begriff Blended Learning einen Ansatz der Lernorganisation, bei dem die Vorteile von Präsenzveranstaltungen und e-learning kombiniert Unter diesem Prinzip versteht man die Verflechtung aus CBT oder WBT und klassischen Präsenzveranstaltungen. Die Vorteile der Präsenzphase liegen im sozialen Kontakt zwischen den Teilnehmenden, worauf die Onlinephase aufbauen und somit ihre Vorteile verstärkt einbringen kann. Unter anderem wird eine sinnvolle Verknüpfung von Präsenzlehre und elektronischen Lernkonzepten vorausgesetzt. Die Grundlagen von Blended Learning Wie bereits erwähnt, sind für Veranstaltungen, die in Form von Blended Learning angeboten werden sollen, Präsenz- und Onlinephasen vorgesehen. Dabei soll ihre Planung abgestimmt Bei Onlinephasen unterscheidet man zwei grundsätzliche Methoden, einerseits der synchronen und andererseits der asynchronen Art. Asynchrone Methoden beruhen auf vorgefertigtem Lehrmaterial. Interaktion mit dem/der Lehrenden findet eher intermittierend z.b. per Mail statt. Der/die Lernende kann und muss seine/ihre Aktivität weitgehend selbst bestimmen. 1 Die Interaktion findet nicht nur zwischen dem/der Lehrenden und dem/der Teilnehmenden statt, vielmehr bietet sich die Möglichkeit, sich innerhalb der Teilnehmendengruppe auszutauschen. Synchrone Methoden beruhen auf der direkten Interaktion zwischen Lehrendem/der und Lernendem/der. Die hierbei entstehenden geschlossenen Regelkreise ermöglichen eine flexible, der jeweiligen Adressaten/innengruppe angepasste Arbeitsweise mit der Möglichkeit einer direkten Erfolgskontrolle. 2 In dieser Methode ist ebenfalls die Interaktion zwischen den Teilnehmenden zu berücksichtigen. Mit Blended Learning wird nicht das klassische, instruktionale Lernkonzept verfolgt, d.h. die Rolle des/der Lehrenden als Sender steht hier nicht im Vordergrund. 1 Karrasch, Krautgartner u. Prowaznik 2005. 2 Karrasch, Krautgartner u. Prowaznik 2005. 8