Die denkmalgerechte äußere Instandsetzung der Alten Handelsbörse Leipzig 1992-94 aus konstruktiver Sicht Adalbert Haberbeck, Dipl.-Ing. Architekt BDB, Leipzig 1. Vorbemerkung Nur wenige Monate nach der letzten Fassaden- und Dachsanierung 1976-78 lösten sich die Farbschichten vom Untergrund und durch die Dachdeckung drang Feuchtigkeit ins Innere. Mit der Neigung der Eckfiguren der Dachbalustrade Ende der 80-er Jahre nahm der Bauzustand, abgesehen von den optischen Mängeln, auch gefährliche Formen an. Es begannen die Vorbereitungen zur Sanierung der Alten Handelsbörse, die durch die politische und wirtschaftliche Wende zunächst stagnierten, aber mit dem Segen von Denkmalfördermitteln alsbald an Fahrt gewann. Auf der Grundlage der denkmalpflegerischen Zielstellung von Herrn Dipl.- Kunstwissenschaftler Jens Müller Stadt Leipzig Direktion Kulturbauten / Denkmale vom 02.05.1990 und deren Bestätigung durch Herrn Dr. Glaser Institut für Denkmalpflege als Vertreter des General-konservartors am 21.08 1990 wurde vom Kulturamt der Stadt Leipzig unmittelbar mit der Vorbereitung der Sanierung begonnen. Hierzu wurde die Alte Handelsbörse eingerüstet, die Eckfiguren lagegesichert und durch das Ingenieurbüro für Bauwerkserhaltung Weimar mit bauteilbezogenen Verprobungen die Sanierungsstrategie erkundet. Dem neu gegründeten Hochbauamt Leipzig wurde 1992 die Federführung übertragen. Durch das Hochbauamt wurden Mitte 1992 wiederum folgende Büros mit der Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung beauftragt: Architekt ARGE Arch.-Büro Haberbeck Leipzig / PBS Aachen Bauwerksdiagnostik - Ing.-Büro für Bauwerkserhaltung Weimar Statik HJW und Partner Leipzig / Hannover Holzschutzgutachten Dipl.-Ing. M. Voigt Leipzig Durch die weiterführende Mitwirkung der im Vorfeld beauftragten Gutachter und Fachfirmen, dem Ing.-Büro für Bauwerkserhaltung Weimar und der Stuckateurfirma Volkmar Leipzig konnte in sehr enger Zusammenarbeit mit dem Verfasser der denkmalpflegerischen Zielsetzung, Herrn Jens Müller und dem zuständigen Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege, Herrn Mühlfriedel kurzfristig mit der zielgerichteten Sanierung unter Beteiligung folgender Leipziger Fachfirmen mit der bis 1994 dauernden Sanierung begonnen werden: Stuck Fa. Volkmer Leipzig Naturstein Gebäude Sächs. Bau- und Restaurierungswerkstätten Naturstein Vorplatz F.X. Rauch München / Leipzig Bildhauer Marcus Gläser Leipzig Kunstschlosser Fa. Althammer Leipzig Dachdecker und Dachklempner Fa. Berthold, Leipzig Kunstklempner Fa. Hochkeppler Leipzig Tischler-Fenster Fa. Fritzsch, Rittersgrün Tischler Tür Fa. Klier Leipzig Maler Fa. Busch Leipzig
2. Zur Geschichte der Alten Handelsbörse 1678-1687 6. Mai 1678 Beschluß des Rates der Stadt zum Bau der Börse auf dem Naschmarkt, vermutlich nach Plänen von Johann Georg Starke (Oberlandbaumeister aus Dresden). Bauleitung durch Maurermeister Christian Richter (Leipzig). 13. Oktober 1679 Eröffnung des unvollendeten Gebäudes. Nutzung des Erdgeschosses durch die Kaufleute. 5.Juli 1683 Montage der Statuen ( Apollo, Merkur, Venus und Athene ) und des Zierwerks der Balustrade, geschaffen von dem Leipziger Bildhauer Johann Caspar Sandmann. 1681-1686 abschnittsweise und wechselnde Realisierung der Stuckdecke durch italienische Stukkateure, Endfertigstellung durch Giovanni Simonetti. 1687 Realisierung der sieben allegorischen Deckenbilder durch den Maler Johann Heinrich am Ende. 1815-1816 Bau einer neuen Treppenanlage nach Entwürfen von Dauthe und Weinbrenner. Vermutlich auch erste substantielle Instandsetzungsmaßnahmen an der Fassade. 1887 Neubau einer Börse am Tröndling-Ring und Umbau des Saales der Alten Börse als Sitz der Stadtverordnetenversammlung. Vermutlich umfassende Renovierung des Gebäudes.
1905-1908 Rückbau und umfassende Sanierung des Gebäudes unter der Leitung des Hochbauamtes der Stadt Architekt Scharrenberg. (mit dem Bau des Neuen Rathauses war die Nutzung als Stadtverordnetensaal hinfällig ) Saal Südseite Saal Nordseite ( vor der Zerstörung im zweiten Weltkrieg 1943 )
1943 Brand der Börse infolge eines Bombenangriffes, Verlust des Daches und der Innenausstattung des Obergeschosses 1946-1947 Errichtung eines Notdaches als Bausicherungsmaßnahme. 1955-1956 Wiederaufbau nach Vorgaben des Institutes für Denkmalpflege und Plänen des Stadtbauamtes 1962 Fertigstellung der neuen Innenraumgestaltung. 1976-1978 Sanierung von Dach und Fassade mit barocker Farbgebung ( unmittelbares Versagen der Instandsetzung durch unzureichende Ursachenbeseitigung und Anwendung falscher Farbtechnologie ) 1992-1994 Erneute und tiefgreifende Sanierung von Dach und Fassade im Auftrag des Hochbauamtes der Stadt Leipzig
3. Die Zielstellung Weiterführende,,Barockisierung chromatische Fassadenfassung nach Vorgaben des Landesamtes für Denkmalpflege Ergänzung Wasserspeier mit nachempfundenem Wasserspeier Aussondern der Zinkblechfestons mittels Ersatz durch Abgüsse originaler barocker Putzfestons Ergänzung Löwenköpfe unter Gurtgesims des Sockels rustikale Putzquaderung des Erdgeschosses Verglasung der Fenster mit Butzenscheiben Änderung Tür im OG Oberlicht geschlossen Technische Instandsetzung konstruktive Lagesicherung der Balustrade Abdichtung Dachhaut und Dachentwässerung Rissanierung in der Fassade Schaffung eines stabilen dauerhaften Malgrundes Nutzung Weiterführung der Nutzung während der Bauzeit keine weiterführende innere Instandsetzung
4 Konstruktive Maßnahmen am Dach Diagnose Teilfläche je Ablauf 10*7 = 70 m² Rinne ca 30*15 cm Die wesentliche Ursache für die Durchfeuchtung des Traufbereiches war eine gemessen an der Dachfläche zu groß dimensionierte liegende Rinne auf dem auskragenden Dachgesims. Bei Frost- Tau-Wechsel ist die Rinne auf Grund ihrer Geometrie schnell zugefroren und das Regenwasser wurde über die Fassade entwässert b.z.w. staute zurück. Nach Abbau der Dachbalustrade offenbarte sich das konstruktive Dilemma: Die Balustrade stand außermittig auf der Außenwand, die wiederum durch den Bombenbrand nach außen gewölbt war. Die Mauerwerkskrone bestand aus inhomogenem Mischmauerwerk mit Gefügebrüchen Die Binder der Dachkonstruktion von 1947 waren offensichtlich während des Ausbaus 1956-62 im Auflagerbereich mittels Stahllaschen saniert, während die zusätzlichen Binder für die Unterdecke in dieser Bauphase wieder als Holzkonstruktion in die Mauerkrone eingearbeitet worden waren. Mittlerweile waren aber die Auflager der Unterdeckenbinder aus Holz durch die Einbauweise vermodert und teilweise mit Hausschwamm befallen und eigentlich im Auflagerbereich nicht mehr tragfähig
Therapie Stabilisierung der Mauerkrone durch abschnittsweisen Einbau eines Ringankers Freiräumen Traufbereich Ringankerdarstellung Nordseite Bewehrung und Verankerung Querschnitt Ringanker ( Detailzeichnung Statiker HJW ) fertig betonierter Ringanker mit Auflagersockel für Balustrade
Sanierung der Auflager der Unterdeckenbinder Freilegung Auflager seitlich der Dachbinder 1947 liegen die separaten Unterdeckenbinder 1956 Auflagersicherung Anschuhung Anschuhung Stahllaschen im Auflagerbereich der Unterdeckenbinder ( Detailzeichnung Statiker HJW ) ausgebautes Auflager
Erneuerung Dachentwässerung Alte Rinne Einbau einer kleineren Rinne mit barocker Blendrinne und Rinnenheizung Querschnitt - Modell Ecke-Rinne+Blendrinne Rinne mit Rinnenheizung
5 Konstruktive Maßnahmen an der Fassade Diagnose Ostseite-Oberlichtfenster Osteite-Gefügebruch Nordseite,,Versalzung des Traufgesimsbereiches und Gefügebrüche im Mauerwerk insbesondere im Bereich der Brüstungsfelder und Ecke Traufmauerwerk Zuganker-Sockel-Nord
Therapie Erneuerung Traufgesims Erneuerung Traufgesims Rissanierung -neue Verfugung und Bewehrung in ausgewählten Bereichen Rissanierung - Mauerwerk
6 Schlußbemerkung Die denkmalgerechte Dach- und Fassadeninstandsetzung der Alten Handelsbörse Leipzig ist nunmehr vor gut 12-Jahren abgeschlossen worden. Abgesehen von der nicht durchgreifend sanierten Treppenanlage gibt es hier und da kleine Abnutzungserscheinungen aus Gebrauchs- und Wettereinflüsssen jedoch keine substantiellen Schäden wie vergleichsweise nach vorangegangen Sanierungen. Leipzig im Frühjahr 2007 Adalbert Haberbeck - Architekt BDB