Arch. Tierz., Dummerstorf 44 (2001) Special Issue, 336-343 Bundesanstalt für Fleischforschung, Kulmbach, Institut für Fleischerzeugung und Vermarktung PETER FREUDENREICH, ANDREAS DOBROWOLSKI und WOLFGANG BRANSCHEID Ermittlung der Schlachtkörperqualität beim Lamm - Eine kritische Untersuchung zum EUROP-Klassifizierungssystem Summary Title of the paper: Evaluation of lamb carcass quality - a critical investigation to the EUROP-classification system The grades determined by the EU for lamb carcasses are based on visual grading. Additionally to the uncertainties of Visual and thereby subjective determinations, these grades use criteria, which do not reflect sufficiently the actual market value of the carcasses. The study presented here refers to 745 fully dissected lamb carcasses of different breeds. The aim of the study is to search for new criteria, which are suitable to rank the carcasses according to their real market value. From former investigations on beef and a recently published study on lamb meat (BERG et al., 2001) it is well known that the Video Image Analysis (VIA) is a very efficient tool for the online evaluation of lamb carcasses. Respecting these results model calculations were done on the basis of fully dissected carcasses. Beside the overall payment and the payment after conformation classes, two new modeis were calculated to built up more sophisticated Systems of producer pricing: Payment of the carcasses according to the lean content of the carcass and payment based on the weight of Shoulder, back and leg with a simultaneous correction by the total fat content ofthe carcass. The results show that with the last model the best possible value based differentiation of the carcasses is achieved. For the realisation of video imaging under online conditions, it would be necessary to calculate adapted estimation formulae. Key Words: lamb meat, Classification, carcass quality, value based marketing Zusammenfassung Die von der EU festgelegten Handelsklassen für Lammfleisch basieren, wie die Handelsklassen für Rindfleisch, auf visuellen Einstufungen der Schlachtkörper. Zusätzlich zu den dadurch bedingten Unsicherheiten der Bestimmung verwenden diese Handelsklassen Kriterien, die den tatsächlichen Handelswert der Schlachtkörper nicht hinreichend erfassen. Die vorliegende Untersuchung an 745 vollzerlegten Schlachtkörpern von Lämmern unterschiedlicher Rassen prüft, ob es möglich ist, zu einer eher am Schlachtkörperwert ausgerichteten Einstufung der Schlachtkörper zu kommen. Nach früheren Untersuchungen beim Rind und einer neuen Studie an Lämmern (BERG et al., 2001) kann als gesichert gelten, dass die Videobildauswertung ein verwendbares Instrument zur online-erfassung des Schlachtkörperwertes beim Lamm ist. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse wurden die vorliegenden Modellrechnungen auf der Basis grobgeweblich zerlegter Schlachtkörper durchgeführt. Neben der pauschalen Bezahlung und der Bezahlung nach Handelsklassen wurden an dem Datenkollektiv zwei Modellrechnungen vorgenommen: Einstufung der Schlachtkörper nach dem Muskelfleischanteil der Hälfte und nach dem Gewicht der Teilstücke Bug, Rücken, Keule und unter Korrektur um den Fettanteil des Schlachtkörpers. Die Ergebnisse belegen, dass mit dem letzteren Modell eine wertgerechte Differenzierung der Schlachtkörper erreicht wird. Um derartige Modelle mit Hilfe der Videobildauswertung in die Praxis umzusetzen, wäre nunmehr die Berechnung angepasster Schätzformeln erforderlich. Schlüsselwörter: Lammfleisch, Klassifizierung, Schlachtkörperqualität, Handelswertbestimmung
337 Einleitung Der deutsche Lammfleischmarkt leidet neben anderen Nachteilen unter dem Fehlen einer hinreichend schlüssigen Produktdefinition. Diese Produktdefinition scheint derzeit in Deutschland kaum von den Abnehmern eingefordert zu werden, weil für diese wiederum keine klaren Absatzziele zu bestehen scheinen. Die visuell bestimmten Handelsklassen wirken als zusätzlicher Störfaktor, soweit sie überhaupt in den Schlachtbetrieben Beachtung finden. Im Gegensatz dazu wissen die importierenden Länder mit Neuseeland an der Spitze offensichtlich sehr genau, welches Marktsegment sie in Deutschland anzielen und wie sie dafür das Produkt sortieren müssen. Zusätzlich ist die hohe Standardisierung im Zuschnitt und in der Genussqualität beeindruckend, die sie erreichen. Da in der Lammfleischbranche bereits Unruhe besteht, die eine Änderung der derzeitigen Situation wünschenswert erscheinen lässt, hat sich die vorliegende Arbeit drei Ziele gesetzt: Untersuchung der EUROP-Handelsklassen in ihrer Aussage zum Schlachtkörperwert, o Prüfung von neuen Systemen der Schlachtkörperbewertung, die den Wert der Teilstücke einbeziehen und damit Übermittlung neuer Denkansätze, die zum Aufbau marktgerechterer Bewertungssysteme führen. Letzten Endes sollen sich daraus Argumente zur Ablösung der EU-Handelsklassen für Lammfleisch ergeben. Material und Methode Die Arbeit fußt nicht auf aktuellen Originaluntersuchungen, sondern nutzt das Datenmaterial früherer eigener Arbeiten. Aus diesen Daten wurde ein synthetischer Datensatz erstellt, der n = 745 Schlachtkörper umfasst (Tab. 1). Tabelle 1 Zusammensetzung der untersuchten Stichprobe von Lammschlachtkörpern (Characterization of the involved lamb carcasses) Handelsklasse E + U R O P Anzahl 33 481 217 14 Schlachtgewicht 25,2 19,6 19,0 18,1 Fleisch % 61,2 56,9 57,9 65,3 Fett % 20,2 21,0 19,0 10,1 Gesamt 745 \9fi 57,5 " 20,1 Die Schlachtkörper wurden unter gleichbleibender technischer Leitung in die EU-Handelsklassen eingestuft und in Anlehnung an die DLG-Scnnittführung (SCHEPER und SCHOLZ, 1984) in die Teilstücke und anschließend grobgeweblich zerlegt. - Auf der Basis dieser Zerlegewerte wurden die unten dargestellten Preismodelle kalkuliert. Die EU-Handelsklassen - ein fragwürdiges Instrument zur Differenzierung des Schlachtkörperwertes beim Lamm Von den beiden Komponenten der EU-Handelsklassen bestimmen die Fleischigkeitsklassen (E - U - R - O - P) den Preis, wenn überhaupt nach Handelsklassen bezahlt
338 wird. Die Fettgewebeklassen ( 1-2- 3-4- 5) bleiben praktisch unberücksichtigt. Vergleicht man aber die Fleischigkeitsklassen in ihren Wertausprägungen, so erweisen sich die Unterschiede als erstaunlich gering: Die Anteile der Teilstücke bleiben über die Fleischigkeitsklassen hinweg praktisch unverändert (Abb. 1), die Gewebeanteile weisen auf deutliche Unterschiede nur für die Hkl. P hin (Abb. 2). Bei dieser Klasse sind der Muskelfleischanteil- und der Knochenanteil zu Lasten des Fettanteils sichtbar höher als bei den anderen Handelsklassen. Insgesamt deutet dies aber nicht auf eine rationale Basis der Wertabgrenzung von Schlachtkörpern mit Hilfe der Fleischigkeitsklassen hin. Bei den Fettgewebeklassen wäre dies anders, da hier der Fettanteil kontinuierlich und deutlich von den Handelsklassen 1 bis 5 von 9,7 % bis 33,1 % ansteigt und dieser Anstieg fast ausschließlich zu Lasten des Muskelfleischanteils geht (Absinken von 65,6 % auf 48,1 %). Aus dieser Sicht erscheinen die Fleischigkeitsklassen als ein wenig geeignetes Kriterium zur Beschreibung des Schlachtkörperwertes beim Lamm. I Keule n Rücken/Filet Bug Brust/DünnungCD Kamm/Hals 100% E + U R O Abb. 1: Anteile der Teilstücke (%) in den Fleischigkeitsklassen (Percentage of different carcass cuts depending on conformation grading) Technische Voraussetzungen für neue Bewertungssysteme Die Bewertung der Lammschlachtkörper sollte daher mit apparativen Methoden erfolgen, um subjektive Bewertungsseinflüsse eliminieren und marktgerechte Zielgrößen einsetzen zu können. Wie bei Schwein, Rind und Pute kommt hierfür die Videobildauswertung in Frage (vergl. BRANSCHEID und v. LENGERKEN, 1998). Die Ergebnisse von BERG et al. (2001) mit dem System VSS 2000 (Fa. e+v, Oranienburg) belegen die sehr guten Schätzgenauigkeiten flir die Schätzung der Teilstückgewichte beim Lamm mit Hilfe der Videobildauswertung (Tab. 2). In eigenen Untersuchungen an Rinderschlachtkörpern mit einem System desselben Herstellers konnte gezeigt werden, dass dort auch die Gewichte des Fleisches zum Verkauf und der Fettabschnitte sicher schätzbar sind (Tab. 3). Obwohl zu dem letzteren Aspekt Untersuchungen an Lammschlachtkörpern noch fehlen, ist es bereits heute berechtigt, sich vertieft mit dem Einsatz derartiger Bewertungssysteme zu befassen, um die Praxis zu weiteren Schritten in neue Entwicklungen hinein zu motivieren.
339 Muskelfleisch Sehnen Fett cz=i Knochen Schjachtgew. (kg) 35 E + U Abb. 2: Anteile der Gewebe (%) in den Fleischigkeitsklassen (Percentage of different carcass tissues depending on conformation grading) Tabelle 2 Schätzung von Teilstückgewichten an Lammschlachtkörpern mit Hilfe des VIA-Systems VSS 2000 (n =121; BERG et al, 2001) [Estimation of weight of different carcass joints using the VIA-system VSS 2000 (n =121; BERG et al, 2001)] Tcilstück Keule Kotelett Schulter DUnnung Gewicht (Mittelwert, kg) 5,8 2,3 3,2 2,2 Korrelation R 2 0,98 0,96 0,97 0,94 Schätzfehlcr Syx (kg) 0,18 0,14 0,13 0,18 Rel. Schätzt. Syx (%) Tabelle 3 Schätzung von Gewebegewichten (kg) im Schlachtkörper von Jungbullen mit Hilfe der Videobildausweitung (AUGUSTINI et al., 1999) [Estimation of tissue weights of whole carcasses from young bulls using video images (AUGUSTINI et al., 1999)] Gewebefraktion Fleisch zum Verkauf Fettabschnitte bezogen auf Mittelwert Gewicht Mittelw. (s) kg 117 (22,3) 23,1 (8.7) Schätzfehler absolut kg 4,2 3,3 3,1 6,1 4,1 8,2 Schätzfehler relativ '' % Einsatz verschiedener Bezahlungssysteme am theoretischen Modell Für die Bezahlung von Lammschlachtkörpern gibt es derzeit zwei Möglichkeiten: die Bezahlung pauschal nach Schlachtgewicht und die Bezahlung nach Handelsklassen, wobei von diesen nur die Fleischigkeitsklassen tatsächlich eine Preisdifferenzierung aufweisen. Um die neuen Möglichkeiten der apparativen Bestimmung des Schlachtkörperwertes überhaupt nutzen zu können, wurden zwei weitere theoretische Modelle der Preisbildung erarbeitet. Die beiden neuen Modelle wurden so eingerichtet, dass am 3,6 14,4
340 Gesamtmaterial (n = 745) exakt dieselbe Geldmenge ausgeschüttet wird, wie bei der Pauschalbezahlung. Die Berechnungen wurden nach Preisen einer zufällig gewählten Woche durchgeführt, in der die Bezahlung pauschal nach Schlachtgewicht im Bundesmittel DM 6,10 betrug und gleichzeitig die Fleischigkeitsklassen folgende Notierungspreise erzielten: E/U = 6,55 DM; R = 6,57 DM; 0 = 6,39 DM; P = 4,73 DM Die neuen Modelle haben vor allem den Sinn, das Schlachtmaterial entsprechend dem Teilstückwert anders zu rangieren. Folgendermaßen wurde vorgegangen: Modell "Fleischwert" Der Muskelfleischanteil der Hälfte ist die Grundlage der Bezahlung. Beträgt der mittlere Preis 6,10 DM/kg Schlachtgewicht, so sind unter Berücksichtigung der Gewebeverhältnisse des vorliegenden Schlachtmaterials je kg reinen Muskelfleischs (aus der Zerlegung) 10,43 DM anzusetzen. Mit diesem Betrag wird der Preis aller Teilstücke auf Basis der tatsächlichen Gewebeverhältnisse berechnet. H Modell "Edelteilstücke" Dieses Modell berücksichtigt nur den Wert der Edelteilstücke und lässt die anderen Teilstücke unberücksichtigt (Abb. 3). Es folgt insofern einem bereits bei Schweineschlachtkörpern eingesetzten Bezahlungsmodus (Gerät AutoFom; BEUCK, 2000). Keule, Rücken und Bug haben am vorliegenden Datenmaterial einen Anteil am Schlachtgewicht von zusammen 63,2 % (vergl. auch Abb. 4). Setzt man die nach Angaben von HACK et al. (1992) berechneten relativen Verkaufswerte der Teilstücke ein (Abb. 3), so führt dies zu einem virtuellen Schlachtkörper, der nur noch 43,9 % des Schlachtgewichtes repräsentiert, da nur der Rücken mit einem relativen Wert von 100 %, die beiden anderen Teilstücke jedoch mit verminderten Werten eingehen. Wirtsch.Gewicht Keule x 0,725 x-1,0 J x 0,375 63,2% des SG 43,9% des SG 100% des SG Abb. 3: Ableitung des Teilstückwertes aus den Proportionen der drei Hauptteilstücke (Determination of the value of different carcass joints using the proportion of three main cuts) Um von dem reduzierten Schlachtkörper wieder zu einer Entsprechung zum vollständigen Schlachtgewicht zu kommen, müssen die drei Teilstückanteile nachfolgend mit dem für das vorliegende Material spezifischen Faktor 2,28 (Hochrechnung von 43,9 %
34 1 auf 100 %, Abb. 3) multipliziert werden. Der damit gegebene, neuerlich virtuelle Schlachtkörper kommt im Mittel des Materials auf 100 % des Schlachtgewichtes, obwohl nur die drei Edelteilstücke berücksichtigt werden. Der Endpreis kann berechnet werden, indem der Basispreis (hier 6,10 DM) je kg virtuellen Schlachtgewichtes ausbezahlt wird. Während sich am Schlachtkörper mit genau durchschnittlichen Teilstückanteilen daher derselbe Gesamtpreis je Schlachtkörper wie bei der Pauschalbezahlung ergibt, kommt es bei den meisten Schlachtkörpern zu höherer bzw. niedrigerer Bezahlung. Dies hängt von den jeweils ausgeprägten Anteilen der drei Teilstücke ab, die dadurch Preis bestimmend werden. I Rücken Keule Bug D Kamm/Hals Resf) Gewicht Fleischwert Edelteilst. Abb. 4: Anteile der Teilstücke (%) am Schlachtgewicht und an den Wertpunktierungen nach zwei Bezahlungsmodellen (Percentage of different carcass joints on carcass weight or grading value according to two modeis of payment) Die Unterschiede der Preismodelle "Fleischwert" und "Edelteilstücke" in ihrer Gewichtung der Teilstücke werden deutlich, wenn man diese Gewichtung mit den mittleren Teilstückgewichten vergleicht (Abb. 4). Im Vergleich zum tatsächlichen Gewicht werden im Mittel im Modell "Fleischwert" die Keule stark und der Bug geringfügig überproportional berücksichtigt, während der Rücken unterproportional zum Tragen kommt; dies wird im Modell "Edelteilstücke" korrigiert, indem hier das Hauptgewicht deutlich auf Rücken und Keule liegt, während der Bug etwas geringer als dem Gewicht entsprechend und die anderen Teilstücke gar nicht einbezogen werden. Das Modell "Edelteilstücke" wurde allerdings nicht in dieser Grundform belassen, sondern mit Preiszu- bzw. -abschlagen in Entsprechung zum Fettanteil des Schlachtkörpers versehen. Entsprechend der Häufigkeitsverteilung des vorliegenden Materials bleibt unterhalb von 15 % Fett der ursprünglich berechnete Preis je kg unverändert, zwischen 15 bis 25 % Fett wird ein Zuschlag von 0,04 DM/kg gewährt und oberhalb von 25 % Fett werden 0,14 DM/kg abgezogen. Die verschiedenen Bezahlungsmodelle wurden nun an dem gegebenen Material von Schlachtkörpern eingesetzt, indem die Daten aus der grobgeweblichen Zerlegung für die Berechnungen herangezogen wurden. In der Betrachtung der Preise je kg Schlachtgewicht zeigen sich deutliche Unterschiede in den drei gewählten Gewichtsklassen (Abb. 5). Die Auszahlungspreise sind für die Bezahlung nach EUROP" natürlicherweise am höchsten, da diese Notierungspreise stets nur für ein kleines und höherwerti-
342 ges Segment (unter 5 % Marktanteil) gezahlt werden und nicht Markt repräsentativen Bedingungen unterliegen. Die beiden höheren Gewichtsgruppen werden nach EUROP" besser bezahlt. Nach dem Modell Fleischwert" wird ebenfalls die höchste Gewichtsgruppe am besten bezahlt, während im Modell Edelteilstücke" diese Gruppe am schlechtesten wegkommt. - EUROP O Fleischwert - - Pauschal + Edeltellst. 6.70 6.50 6,30 6,10 5,90 <16kg 16-21 kg 21kg Abb. 5: Preise für Schlachtkörper unterschiedlicher Gewichtsklassen nach unterschiedlichen Bezahlungssystemen [Prices (DM/kg) of carcasses of different weight classes according to different payment Systems] In der Strukturierung nach Fettanteil im Schlachtkörper (Abb. 6) bewertet EUROP" alle Stufen etwa gleich, das Modell Fleischwert" zeigt mit zunehmendem Fettanteil eine fast lineare starke Abnahme des Preises und das Modell Edelteilstücke" bewertet die mittlere Fettstufe am höchsten und deklassiert die höchste Fettstufe am stärksten. -Flolschwert - - Pauschal I Edeltellst. o e.so & <15% 15-25% >25% Ftttinttll (V.) Im Schlichtk. Abb. 6: Preise (DM/kg) für Schlachtkörper mit unterschiedlichem Fettgehalt nach unterschiedlichen Bezahlungssystemen [Prices (DM/kg) of carcasses with different fat content according to different payment Systems] In beiden Betrachtungsweisen zeigt sich, dass das Modell Edelteilstücke" Vorteile hat: Die Schlachtkörper und Gewichte über 21 kg werden in der Tendenz bestraft und nicht wie bei den anderen Modellen bevorzugt, so dass ein berechtigter Druck gegen zu hohe Schlachtalter gesetzt wird. Insbesondere die Fleischqualität mit höherem Anteil an gesättigten Fettsäuren und dadurch bedingter Talgigkeit sprechen dafür, das Schlachtalter niedrig zu halten. Auch die Bewertung hinsichtlich der Fettgehalte erfolgt bei dem Modell Edelteilstücke" differenzierter, da nur hier die mittlere Verfettung sich hinreichend positiv abhebt. Darüber hinaus ist gerade dieses Modell je nach
343 Bedarf feiner steuerbar. Regulierende Kriterien sind das Raster der Verfettungsstufen und die ökonomischen Gewichtungsfaktoren, die beide unterschiedlichen Marktsituationen angepasst werden können. Schlussfolgerungen Die visuell bestimmten EU-Handelsklassen für Schaffleisch haben in Deutschland nie eine echte Bedeutung erlangt. Es wurden stets nur etwa 3 % der Schlachtkörper nach diesen Handelsklassen notiert. Wenn der deutsche Lammfleischmarkt zukünftig eine bessere Strukturierung seines Angebotes anstrebt, so sollte er auf apparative Methoden zurückgreifen. Mit der Videobildauswertung ist ein Meßsystem verfügbar, dass sich bei anderen Fleischarten bereits bewährt hat und für das auch erste zufriedenstellende Schätzergebnisse aus dem Ausland vorliegen (BERG et al 2001). Die Modellrechnungen zeigen, dass dieses System zu einer schlüssigeren Wertdifferenzierung der Schlachtkörper beitragen könnte, wie es jetzt schon bei Rindern und Schweinen absehbar ist. Da die Möglichkeiten der Datenverarbeitung heute nicht mehr als begrenzender Faktor zum Tragen kommen, können Modelle der Wertdifferenzierung ohne weiteres komplexe Struktur haben. Der in dieser Arbeit favorisierte Vorschlag der Schlachtkörperbewertung auf der Basis der Gewichte der Edelteilstücke in Kombination mit dem Anteil an Fettgewebe im Schlachtkörper dürfte technisch mit Hilfe des von BERG et al. (2001) eingesetzten Systems realisierbar sein. Allerdings müssten in jedem Fall für Deutschland spezifische Schätzformeln erarbeitet werden. Die Übernahme dieses Vorschlages in die Praxis setzt aber strukturelle Änderungen voraus, da nur mit einer stärkeren Bündelung der Schlachtkapazitäten die apparative Schlachtkörpereinstufung lukrativ wird. Sie ist nämlich nicht nur, wie hier dargestellt, ein Instrument der Erzeugerpreisbildung, sondern gleichzeitig der Vorsortierung der Schlachtkörper für die Weitervermarktung. Vor allem in diesem Bereich können wirtschaftliche Vorteile freigesetzt werden. Literatur AUGUSTiNI, C; DOBROWOLSKI, A.; BRANSCHEID, W.; SPINDLER, M.: Rinderklassifizierung mit der Videobildauswertung: Probleme der Schätzung unterschiedlicher Kategorien. Mitteilungsblatt der Bundesanstalt für Fleischforschung Kulmbach, 38 (1999), Nr. 144, 215-220 BERG, P., EGER, H.; L0KTING, J.S.; R0E, M.: Automatic grading of sheep by vision. 47th Intern. Congr. Meat Sei. Technol. (Krakow), (2001) (in print) BEUCK, J.: Teilstückgewichte sind entscheidend - AutoFom-Einsatz ermöglicht Westfleisch neues Abrechnungsmodell für Schlachtschweine. Fleischwirtschaft, 5 (2000), 21-23 BRANSCHEID, W.; LENGERKEN, G. v.: Die Erfassung der Schlachtkörperzusammensetzung und die Einstufung in Handelsklassen. In: Qualität von Fleisch und Fleischwaren / Wolfgang Branscheid (Hrsg.). - Frankfurt am Main: Deutscher Fachverl., (1998), Bd. 1,97-163 HACK, K.-H.; HAMMANN, A.C.; HULLEMANN, G.; STAFFE.E.: Zerlegen, Standardisieren, Kalkulieren. Frankfurt/M.: Deutscher Fleischer-Verband, 1992 SCHEPER, J.; SCHOLZ, W.: DLG-Schnittführung ftlr die Zerlegung von Rind, Kalb und Schwein. Frankfurt/Main: DLG-Verlag, (1984) Anschrift der Autoren Dr. PETER FREUDENREICH, ANDREAS DOBROWOLSKI, Prof. Dr. WOLFGANG BRANSCHEID Bundesanstalt für Fleischforschung, Institut für Fleischerzeugung und Vermarktung E.-C.-Baumarm-Str. 20, D-95326 Kulmbach