Kapitel-/ Fakten Regioneneinstieg
Natur und Umwelt HINTERGRUND 17 Natur und Umwelt Das im vorliegenden Band umrissene Gebiet reicht von den Alpen im Norden bis zum Apennin, dem bergigen Rückgrat der italienischen Halbinsel. Dazwischen schiebt sich von der Adria bis fast zum Ligurischen Meer die weite Poebene, fruchtbare Region und eine der wichtigsten Lebensadern des ganzen Landes. Nord- und Mittelitalien umfasst elf der insgesamt 20 Regionen Italiens. Diese sind im Einzelnen: Aostatal, Trentino-Südtirol, Venetien, Friaul-Julisch Venetien, Piemont, Ligurien, Lombardei, Emilia- Romagna, Tos kana, Marken und schließlich Umbrien. Nicht mehr in diesem Band behandelt wird die südlich angrenzende Region Latium, wohl aber die dort liegende Landeshauptstadt Rom. Und nicht vergessen werden dürfen auch die beiden selbstständigen Zwergstaaten San Marino und der Vatikan, die als Enklaven von italienischem Gebiet umschlossen sind, jedoch durch Freundschaftsverträge und wirtschaftliche Verflechtungen mit Italien so eng verbunden sind, dass Besucher von der Staatsgrenze kaum Notiz nehmen. Die Alpen und der Apennin sind im Tertiär aufgefaltet worden, in jener Periode der Erdgeschichte, die vor 65 Mio. Jahren begann und vor knapp 2 Mio. Jahren endete. Die Gebirgsbildung hängt mit Bewegungen in der Erdkruste zusammen bzw. mit der Kontinentaldrift. Im Falle Italiens bzw. des Apennins und der Alpen war und ist bis heute die Kollision der nach Norden driftenden Afrikani schen Platte mit der Eurasischen Landmasse ausschlaggebend. Afrika schiebt sich unter Europa. Dementsprechend sind die Alpen und der Apennin geologisch gesehen junge Gebirge. Ihre Auffaltung erfolgte in Schüben, wobei tiefe Brüche in der Erdkruste entstanden, begleitet von Erdbeben und vulkanischer Tätigkeit. Während der Kaltzeiten der letzten 2 Mio. Jahre die letzte Eiszeit endete vor etwa 10 000 Jahren waren nicht nur die Alpen, sondern auch die höchsten Lagen des Apennin (u. a. Abruzzen) von Eispanzern bzw. Firnfeldern bedeckt. Sehr schön ist das Erbe der Eiszeit im italienischen Teil der Alpen zu sehen, wo heute noch mehr als 110 km² Gletscherfelder vorhanden sind. Von langsam fließenden Gletscherströmen ausgehobelte Trogtäler und die tiefen, heute u. a. von Gardasee, Comer See und Lago Maggiore ausgefüllten Gletscherzungenbecken sowie die Moränenwälle an vielen Talausgän- Die»Fiera Milano«, größtes Messegelände Italiens, steht für den Wirtschaftsstandort Mailand. Ausdehnung und Fläche Ein Blick in die Erdgeschichte
18 HINTERGRUND Natur und Umwelt gen sind eben so Zeugnisse der Eiszeit wie die in den Hochlagen des Apennin anzutreffenden Kare und Gletscherschliffe. Die Erdkruste ist in Italien bis heute nicht zur Ruhe gekommen. Immer wieder wird Norditalien von Erdbeben erschüttert. 1976 starben über 1000 Menschen bei einem Erdbeben in Friaul, 1997 wurden bei einem Beben in Umbrien zahlreiche Kunstdenkmäler schwer beschädigt, 2004 bebte die Erde um Salò und Garone am südlichen Gardasee. Im Mai 2012 erschütterten Erdstöße der Stärke 5,8 die Emilia-Romagna. Durch eine Folge von Nachbeben kamen insgesamt mehr als 30 Menschen ums Leben, Tausende wurden obdachlos. Auch der Vulkanismus in einigen Gegenden Italiens bzw. postvulkanische Erscheinungen wie Thermal- und Mineralquellen,
Natur und Umwelt HINTERGRUND 19 Solfataren (Schwefeldampf-Aushauchungen) und Soffionen (Borquellen) sind Folgen der Erdkrus tenbewegungen. Im nördlichen Italien breiten sich größere Vulkangebiete aus, so etwa die Colli Euganei und die Monti Berici zwischen Venedig und Verona, ferner die Toskana und das Latium. Die italienischen Alpen spannen sich als etwa 800 km langer Hochgebirgsbogen von der Küste Liguriens hinüber zum Isonzo, der Grenze zwischen Italien und Slowenien. Die italienischen Westalpen bestehen größtenteils aus kristallinem Gestein wie Granit, Gneis und Glimmerschiefer. Die schroffen Gipfel, Pyramiden und Felshörner konnten auf Grund ihrer besonders festen Konsistenz auch der abtragenden Kraft der Gletscher widerstehen. Östlich des Lago Mag giore liegen weichere Schichten aus Kalkstein auf dem kristallinen Grundgebirge, deren Berge nicht so hoch und deren Täler nicht so tief wie in den Westalpen sind. Einen Sonderfall bilden die nach dem französischen Geologen Déodat de Dolomieu (1750 1801) benann ten Dolomiten mit ihrem harten Dolomit-Gestein, wo kantige Gipfel fluren und tiefe Täler entstanden. Am höchsten sind die italienischen Alpen im Piemont, wo sie schroff in Richtung Po abfallen (Mont Blanc, 4807 m ü. d. M.). Ihre größte Ausdehnung erreichen sie in der östlich an die Lombardei anschließen den Region Trentino-Südtirol. Die Hochgebirgswelt wird von der Etsch entwässert, dem zweitlängsten Fluss Italiens, der in den Ötz taler Alpen an der italienisch-österreichischen Grenze entspringt und südlich von Venedig in die Adria mündet. Östlich der Etsch nehmen die italienischen Alpen den Norden von Venetien, Friaul und Julisch-Venetien ein. Das malerische Herz der italienischen Ostalpen bilden die Dolomiten mit ihren hohen Zinnen und senkrechten Felswänden. Den Nordostrand des italienischen Alpenraums markieren die Karnischen Alpen, die im 2693 m hohen Monte Peralba (Hochweißstein) gipfeln. Schließlich bilden die Julischen Alpen die Nordostgrenze Italiens zu Slowenien und Österreich. Die wichtigsten Pässe der italienischen Ostalpen sind der Reschen, der Brenner, der Plö cken, das Nassfeld und der Taldurchgang bei Tarvisio. Alpen Der Po, mit 652 km Länge und einem Einzugsgebiet von 75 000 km² Italiens längster und bedeutendster Fluss, entspringt im südwestlichen Piemont in den Cottischen Alpen nahe der italienisch-französischen Grenze, mäandriert zunächst durch das südliche Piemont, fließt dann durch die Lombardei und Venetien und mündet schließlich in einem riesigen Delta in die Adria. Der größte Teil der heutigen Poebene war vor der Alpenfaltung ein Meeresarm der Adria. Der Fluss ist eine Lebensader par excellence, günstige klimatische Bedingungen und gute Böden machen die Poebene zur reichsten Acker bauregion Italiens. In der Lombardei und in Venetien ist der Oberitalienische Tiefebene (Poebene)
20 HINTERGRUND Natur und Umwelt Adriatische Küstenebene Die sanfte Hügellandschaft der Langhe vor dem Panorama der Alpen Po ein ausgesprochener Dammfluss. Dies bedeutet, dass sein Wasserspiegel um einiges höher als das umliegende Land ist. Trotz Eindeichung haben sich in der Vergangenheit verheerende Überschwemmungen nicht vermeiden lassen. Die breite norditalienische Küstenebene an der Adria ist ebenso wie die Poebene in erster Linie das Ergebnis der bereits seit mehreren Millionen Jahren stattfindenden Abtragung der Alpen bzw. des Apennin. Po und andere wasserreiche Flüsse wie Etsch und Tagliamento haben große Mengen Schutt, Sand und Geröll in Richtung Adria verfrachtet und Deltas bzw. Sumpflandschaften geschaffen. Durch die Meeresbrandung und den Wind entstanden feinsandige Lidos (Nehrungen), hinter denen sich von Brackwasser erfüllte Lagunen ausbreiten. Diese Lidos und Lagunen an der oberen Adria gehören zu den Urzellen des modernen Bade- und Massentourismus. Apennin Südlich des Po steigt die Ebene allmählich an und erreicht über ein schmales Hügelland den Apennin, der etwa in der gleichen Zeit wie der Alpenbogen herausgehoben worden ist. Er bildet heute das markante Rückgrat des italienischen Stiefels. Am Ende der Tertiärzeit wurde der nördliche und mittlere Apennin nochmals vom Meer überflutet. Danach begann sich das Gebirge wieder zu heben, wobei die Hebungsphasen sowohl regional als auch zeitlich ganz unterschiedlich waren. Diese Krustenbewegungen halten an. Den Unterbau des Gebirges bilden in erster Linie Kalksteine und metamorphe Gesteine wie Dolomit. Erst in geologisch junger Zeit entstandener Flysch, Sandstein sowie weiche Mergel- und Tonablage-