Positionspapier Schiffsgrößenentwicklung In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Größen von Containerschiffen mehr als verdoppelt. Diese rasante Entwicklung der Schiffsgrößen stellt beinah alle europäischen Seehäfen vor enorme Herausforderungen. Dabei geriet aus dem Auge, ob und in wieweit die durch das Schiffsgrößenwachstum ausgelösten Investitionen tatsächlich nachhaltig sind. Denn obwohl die Mehrzahl der Häfen unter der Schiffsgrößenentwicklung leidet, gibt es erst seit rund einem Jahr eine wirklich kontroverse Debatte über die vielfältigen sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen. Dabei wurde das Rennen, von dem vor allem die Reedereien profitieren, von der Sorge der Häfen um Ladungsverluste getrieben. Mit fast jeder wachsenden Schiffsgeneration wurden Kaianlagen und Kräne an privaten und öffentlichen Terminals optimiert, öffentliche Hafenhinterland-Infrastruktur (Straße, Bahn, Wasserwege)- oft mit Einflüssen auf Natur und Umwelt- ausgebaut und Arbeitszeiten modifiziert. Um diesen kaum nachhaltigen Kreislauf zu durchbrechen, fordern die Verbände von der Bundesregierung und den Bundesländern: eine Begrenzung der Schiffsgrößen für die deutschen Seehäfen, um weitere, unter Umständen entbehrliche Anpassungen der Hafensupra- und Infrastruktur zukünftig zu unterbinden. eine europäische Initiative mit einer gemeinsamen Position zu starten, um den Anpassungsdruck der Seehäfen zu reduzieren. eine Beteiligung der Reedereien an den durch sie ausgelösten Folgekosten (u. a. Anpassung Hafensupra- und Hafeninfrastruktur) ökologische Auswirkungen durch Anpassungen dann zu vermeiden, wenn adäquate Alternativen möglich sind. soziale Auswirkungen wachsender Ladungsmengen (punktuelle zeitliche Mehrbelastungen beim Be- und Entladen) zu minimieren und auf dem heutigen Stand einzufrieren.
Entwicklung der Schiffsgrößen Containerschiffgrößen haben sich wie kein anderes Segment der Seeschifffahrt binnen einer Dekade enorm verändert. Betrug die Ladekapazität der Gertrud Maersk im Jahr 2005 noch 10 000 TEU (Twenty Foot Equivelent Unit), verfügten Außergewöhnlich große Fahrzeuge (AGF) wie die CSCL Globe, die MSC Oscar oder MSC Zoe nur zehn Jahre später je über ein Fassungsvermögen von mehr als 19 000 TEU. Doch Titel wie das größtes Containerschiff der Welt haben aktuell keine lange Halbwertzeit. So baut die japanische Werft Imabari derzeit für einen unbekannten Auftraggeber elf Containerschiffe mit 20.000 TEU Kapazität, von denen das erste Schiff Anfang 2018 fertig sein soll. Dagegen hat der französische Reederei-Gigant CMA CGM bei Hanjin in Korea drei Schiffe mit je 20.600 Containern Tragfähigkeit geordert, von denen das erste schon 2017 in See stechen soll. Auch die Reederei OOCL aus Hongkong rüstet nach und hat bei Samsung sechs Schiffe bestellt, die 21.100 TEU tragen können- mit Optionen auf weitere sechs so genannter Ultra Large Container Vessels. (ULCV). Technisch möglich wären nach Ansicht der Prüfgesellschaft DNV GL schon heute 24.000 TEU. Doch nicht nur die Ladekapazität nahm kontinuierlich zu, sondern auch die Länge der Schiffe um die 20.000 TEU (?) (rund 400 Meter), die Höhe der Aufbauten (rund 60 Meter), die Breite (rund 60 Meter) sowie der Tiefgang (bis 16 Meter). Insbesondere spielen die Schiffsbreite in wirtschaftlich genutzten Ästuaren wie Elbe, Weser, Schelde oder Humber eine zunehmend bedeutende Rolle. Containerschiffe sind heute 20 Meter breiter als in den 1990er Jahren und Begegnungen mit vorgeschriebenen Mindestabständen schränken Hafenzufahrten weiter ein. Doch sind so große Containerschiffe überhaupt sinnvoll? Sowohl das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen, das International Transport Forum (ITF) der OECD, die Allianz Versicherung oder Verkehrsfachleute beschäftigen sich bereits seit Längerem mit den auch negativen sozioökonomischen Effekten wachsender Schiffsgrößen. In unterschiedliche Studien haben sie sich den Herausforderungen und Folgen wachsender Schiffsgrößen genähert und Vorteile sowie Risiken identifiziert. Abgesehen von einer zunehmend kritischen ökonomischen Bewertung der Entwicklung sehen Gewerkschaften westlicher Industrienationen angesichts zunehmender Arbeitszeitspitzen und damit verbundener Restrukturierung der Personalplanung die Entwicklung der Schiffsgrößen mit Sorge. Unterschiedliche Perspektiven verdeutlichen, dass ökonomisch, ökologisch oder sozial
nachhaltiges Wachstum mit immer größer werdenden Mega-Carriern in Häfen kaum mehr zu erreichen sein wird. Deswegen wäre zum Beispiel aus Sicherheitsgründen eine Begrenzung der Schiffsgrößen für ungeeignete Häfen sinnvoll..notwendige Konsequenzen bleiben jedoch aufgrund fehlender großräumiger Gesamtplanung und lokaler Egoismen von Hafenstandorten aus. Die Allianz Global Corporate & Specialty veröffentlichte zu den Risiken wachsender Schiffsgrößen 2015 eine eigene Studie. Neben möglichen Totalverlusten ganzer Schiffe mit bis zu einer Milliarde Dollar Ausfallkosten werden auch Szenarien wie mehrtägige Havarien und Blockaden von Hafenzufahrten durchgespielt. Wie real derartige Szenarien sind, zeigte die Havarie der CSCL Indian Ocean auf der Elbe Anfang Februar 2016. Nur der Zufall wollte es, dass der durch einen technischen Defekt bedingte Ausfall der Steuerungsanlage durch eine gezielte Havarie des Lotsen in breiterem Fahrwasser vergleichsweise glimpflich ausging. Bergungsschiffe, die ULCV im Ernstfall leichtern oder löschen könnten, gibt es weltweit in keinem Hafen, obwohl die Risiken offensichtlich sind. Auch das International Transport Forum der OECD veröffentlichte angesichts rasant wachsender Schiffsgrößen im Mai 2015 eine Studie mit dem Titel The Impact of Mega-Ships. Nach Einschätzung der Wissenschaftler führte die Verdopplung des Volumens zwar zu einem Drittel Kosteneinsparungen, wobei Einsparungen im Zusammenhang mit Transportkapazität bei wachsender Schiffsgröße abnehmen. Lediglich über Effizienzmaßnahmen am Schiff (Design, Antriebe) ließen sich ggf. weitere Kosten senken. Gestiegen seien durch die wachsenden Schiffsgrößen dagegen die Kosten privater und öffentlicher Häfen, bzw. privater und öffentlicher Terminals in den Häfen sowie der vornehmlich von der öffentlichen Hand unterhaltenen Hafenhinterlandinfrastruktur. Ob an der Kaikante, im Hafenbereich oder auf dem Weg der Waren aus dem Hafen heraus- überall musste mit erheblichem finanziellem Aufwand nachgebessert und angepasst werden. Mit erheblichen Umweltschäden und sozialen Veränderungen vor allem durch stärkere Spitzen beim Be- und Entladen. Profiteure waren bisher einzig und allein die großen Reedereien. Denn die ökonomischen, ökologischen und sozialen Folgen des ungezügelten Schiffsgrößenwachstums teilen sich die öffentliche Hand, die von den Reedereien abhängigen privaten Unternehmen, die im Hafen abhängig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Natur und Umwelt. Die Reeder beteiligen sich bisher nicht an den Folgekosten, die durch den Einsatz der Containerriesen entstehen.
Ökonomische Belastungen entstehen durch die Kosten für die Herrichtung der Hafen- und Hafenhinterland-Infrastruktur Terminals: Kaimauern müssen viel massiver gegründet werden Kräne brauchen längere Ausleger und produzieren höhere Hebelkräfte. Ein neuer Terminalkran kostet rund 14 Millionen Euro Kräne müssen höher gebaut werden, um auch die hohen Containerlagen abräumen zu können Mehr Platzbedarf im Terminalbereich angesichts von bis zu 6000 zu be- oder entladenen Containern eines ULCV (Flächennutzungsdruck, Terminalerweiterung) Häfen Brücken-Anpassungen (Höhen) Eines der modernsten Containerterminals Europas, Altenwerder, kann z. B. aktuell von den ULCV der neuesten Generation angesichts mangelnder Höhe der Brücke nicht angefahren werden. Havarie-Risiken Havarie-Risiken steigen wegen höherer Windanfälligkeit der Schiffe. Größere Schlepper und Entlade-Kräne müssen bereitgestellt werden. Aktuell gibt es jedoch weltweit kein Havarie-Schiff, das ein ULCV bergen, bzw. entladen könnte. Stoßzeiten Zur Bewältigung der Stoßbelastungen von kurzzeitig sehr hohen Ladungsmengen wird mehr Umschlags- und Zwischenlagerungs-Fläche benötigt. Dadurch stehen auch landseitige Infrastrukturen unter Ausbaudruck. Anpassungen von Wassertiefen Fahrrinnen, Hafenbecken und Wannen an den Kaimauern müssen in Tiefe und Breite ausgebaut und angepasst werden. Zudem entsteht ein deutlich höherer Aufwand für Unterhaltsbaggerungen. Verkehrsinfrastruktur
Anpassungen von Straßen- und Bahninfrastruktur im Hafenbereich, um Stoßbelastungen von kurzzeitig sehr hohen Ladungsmengen abfließen lassen zu können. Ökologische Belastungen entstehen durch Erhebliche Umweltschäden in europäischen Naturschutzgebieten Eingriffe in die Gewässerstruktur zur Herstellung der benötigten Fahrwassertiefe: - Befestigung der Ufer gegen Erosion angesichts erhöhter Strömung. - Unterhaltungsbaggerungen, die in Lebensräume eingreifen und Arten beeinträchtigen. - verschlechterte Sauerstoffversorgung, die sich u.a. durch das ungünstigere Verhältnis von Oberfläche zu Tiefe ergibt. - die Brackwasserzone, die sich landeinwärts verschiebt. Be- und Verhinderung der Ziele zur Verbesserung der Gewässer in Europa gemäß der WRRL zusätzliche Transporte angesichts des Preisverfalls der Transportkosten mehr Ausstoß von klimaschädlichen Gasen und Luftschadstoffen. Containerterminals, die mehr Fläche brauchen Verlust von ökologisch wertvollen Bereichen Zusätzliche Infrastruktur, die landseitig weiterer Verlust ökologisch wertvoller Bereiche höhere Brücken, die ebenfalls mehr Fläche benötigen und bei neuer Produktion die Klimabilanz verschlechtern. erhöhte Havarie-Risiken von Schiffen mit Schweröl-Tanks sowie weltweit fehlender Havarie-Schiffe mit entsprechender Höhe: Erhebliche Vergrößerung der Gefahr einer Umweltkatastrophe in den Flussmündungen (Ästuaren) durch den Austritt von Treibstoff oder Schadstoffen im Falle einer Havarie Soziale Belastungen entstehen durch diskontinuierliche Stoßbelastungen, die durch die schwer planbare Abfolge von Hochleistungs- und Leerlaufphasen zu Stress führen die Abfertigung in kurzen Zeitfenstern. Der Abfertigungsstress zur reibungslosen Begegnung in engen Fahrwassern wird erhöht.
Niedrige Transportkosten, die für regionale Märkte in einen zunehmenden Wettbewerb mit internationalen Billig-Produzenten führen. Ökologische und soziale Standards werden vermieden, indem die Produktion in ungeregelte Regionen verlagert wird.