Lymphödem bei Brustkrebs - was tun?



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Transkript:

Lymphödem bei Brustkrebs - was tun? Ein Ratgeber für Patientinnen, Angehörige und andere Interessierte UNI-MED Verlag AG Bremen - London - Boston

Vorwort zur 2. Auflage Mit diesem Ratgeber möchte ich verständlich und möglichst umfassend informieren, zudem für die Erkrankung "Lymphödem bei Brustkrebs" Aufmerksamkeit erreichen. Inzwischen hat das Thema eine deutlichere Präsenz. Viele Veranstaltungen befassen sich mit diesem Themenbereich sowie auch die verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften. Es hat sich gezeigt, dass dieser Ratgeber ganz unterschiedliche Menschen erreicht, in erster Linie Patientinnen und deren Angehörige, aber auch sehr viele, die sie auf dem Weg der Erkrankung behandeln und begleiten. Dieser Ratgeber betritt Neuland, da er von einer Lymphödemerkrankten geschrieben wurde. Er ist kein klassischer Patientenratgeber, aber auch kein Fachbuch. Die Positionsbestimmung fällt bei dieser Auflage vielleicht noch etwas schwer. Die Überarbeitung und Erweiterung des Inhalts ist die Konsequenz und Umsetzung der Reaktionen auf die erste Auflage. Es ist wichtig, dass das Lymphödem als eigenständige Erkrankung verstanden wird. Das Lymphödem bei Brustkrebs ist immer eine sehr individuell verlaufende Erkrankung und das meist unabhängig von der Grunderkrankung. In der Regel ist sie eine chronische und zum Fortschreiten neigende Krankheit; frühzeitige und kompetente Behandlung kann den Verlauf positiv beeinflussen. Nach einer oft schweren und Kräfte raubenden Brustkrebstherapie fordert die Erkrankung vor allem von der Patientin viel. Viele Patientinnen stehen davor wie vor einem sehr großen Berg. Der Gipfel scheint unerreichbar, ausgeschlossen, dass die Kraft für diesen Weg reichen wird. Für erkrankte Frauen ist es auch heute oft noch schwierig, gute Informationen, Ärzte und Lymphtherapeuten zu finden, die sie auf ihrem Weg unterstützen. Jeder hat die Möglichkeit, die Therapie aktiv zu unterstützen, und das kann sich sehr positiv auf den Therapieerfolg auswirken. Die Therapie des Lymphödems ist eine Teamleistung, in dessen Zentrum die Patientin stehen muss. Die nachfolgenden Seiten sollen helfen, die Erkrankung besser kennen zu lernen und vor allem besser damit umgehen zu können. Neben Informationen zur Erkrankung und Therapien finden sie auch Tipps für den Alltag mit dem Krankheitsbild Lymphödem bei Brustkrebs. Wissen macht manchmal Angst. Wissen schafft aber auch Möglichkeiten. Wissen ist die Voraussetzung für die Akzeptanz der nötigen Behandlungen, sowie der damit verbundenen Veränderungen im Leben. Veränderungen im Alltag sowie bei liebgewonnen Gewohnheiten fallen oft unendlich schwer. Es zu versuchen und auch wirklich durch zuhalten, dabei kann Wissen sehr hilfreich sein. Leben mit einem Lymphödem muss Lebensqualität besitzen und dabei wird das Ödem behandelt. Nur so sind Therapien langfristig erfolgreich und können Komplikationen vermieden werden. Es ist oft ein langer schwerer Weg, aber ich kann ihnen versichern es lohnt sich, ihn zu beschreiten. Das Leben mit der Erkrankung Lymphödem ist immer wieder ein Spagat bzw. eine Gratwanderung. Jede muss für sich immer wieder neu abwägen: Wie weit lasse ich Veränderungen und Einschränkungen in mein Leben hinein? Jede wird hier ihren ganz eigenen Weg finden und gehen. Haben sie den Mut und das Interesse, sich auf diesen Weg zu begeben. Sorgen sie gut für sich. Meine besten Wünsche für sie. Übrigens: Es wurde im Text nur die männliche Form bei personenbezogenen Bezeichnungen verwendet, selbstverständlich ist aber auch immer die weibliche Form gemeint. Zu guter Letzt noch der Hinweis: Für die Platzierung von Produkten in diesem Ratgeber habe ich keine Gegenleistungen erhalten. Bremen, im April 2011 Christine Bernsen

Autorin Christine Bernsen (Jahrgang 1969) lebt in Bremen. Im Jahr 2001 war ich 32 Jahre, frisch verheiratet und mit unserem Wunschkind schwanger. 14 Tage vor dem Geburtstermin im August tastete ich in der rechten Brust eine Veränderung. Die Brustkrebsdiagnose wurde im Januar 2002 gestellt. Nach dem Abstillen folgte die Chemotherapie. Der Tumor hat sich darunter komplett aufgelöst. Dann wurde ich brusterhaltend operiert mit einer beidseitigen Brustverkleinerung. Es wurden mir mit der konventionellen Methode 9 Lymphknoten entfernt, die tumorfrei waren, und dann folgte noch die Bestrahlung. Aufgrund der Tumorbiologie gab es keine weiteren Behandlungsoptionen. Im Dezember 2006 war ein Eierstock auffällig. Nach sorgfältiger Überlegung und Information wurden die Eierstöcke entfernt. Tumorzellen wurden keine gefunden. Das chronische Lymphödem habe ich seit Ende 2002, inzwischen beidseits sowie am Brustkorb und in beiden Händen ausgeprägte Sensibilitäts- und Kraftverluste. Meine Behandlung besteht heute aus regelmäßiger Lymphdrainage (die Häufigkeit ist von dem Ödembefund abhängig), Übungen (Atem- und Entspannungsübungen), Kraft- und Ausdauertraining sowie der Kompressionsbestrumpfung. Folgende Aus- und Weiterbildungen habe ich abgeschlossen: Ausbildung zur Krankenschwester 1990 Weiterbildung zur Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin 1993 Ausbildung zur Rettungsassistentin 1997 Weiterbildung zur Breast Nurse 2005 Kontakt Christine Bernsen Peerweg 48 28357 Bremen 0421 959 19 86 www.lymphoedeminfo.de Hier finden sie u.a. auch Informationsmaterial zum Downloaden. Des Weiteren freue ich mich über ihre Rückmeldungen und Anregungen.

10 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Prolog: Was tun, damit kein Lymphödem entsteht? 14 2. Daten und Fakten zum Lymphödem 18 2.1. Lymphologisch spezialisierte Ärzte....................................................... 18 2.2. Funktion des Lymphsystems............................................................. 18 2.3. Ursachen des Lymphödems.............................................................. 18 2.4. Wie entsteht ein Lymphödem? Wie wird Lymphe transportiert?........................... 18 2.5. Definition des Lymphödems............................................................. 19 2.6. Häufigkeit des Lymphödems............................................................. 19 2.7. Symptome des Lymphödems............................................................ 20 2.8. Diagnosestellung........................................................................ 21 2.9. Lokalisationen des Lymphödems......................................................... 22 3. Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) 24 3.1. Hautpflege.............................................................................. 24 3.2. Verordnungen........................................................................... 25 3.3. Manuelle Lymphdrainage (MLD)......................................................... 27 3.4. Allgemeines zur Entstauungstherapie.................................................... 28 3.5. Bandagierung (lymphologischer Kompressionsverband).................................. 28 3.6. Komplikationen des Lymphödems....................................................... 29 3.7. Stationäre Entstauungstherapie.......................................................... 29 3.8. Apparative intermittierende Kompression (AIK)........................................... 30 3.9. Operative Behandlungsmöglichkeiten.................................................... 30 4. Anpassen der Kompressionsbestrumpfung 32 4.1. Anziehhilfen............................................................................. 32 4.2. Pflege der Kompressionsware............................................................ 35 5. Das besondere Problem Lymphödem an Brust und/oder Brustkorb (Thorax) 38 6. Alltag mit dieser Lebenssituation 42 6.1. Positive Effekte durch das Tragen von Einmal-(Über-)handschuhen........................ 43 6.2. Partnerschaft und Sexualität............................................................. 43 6.3. Sozialrechtliche Aspekte der Erkrankung................................................. 44 6.4. Zur Ruhe kommen....................................................................... 46 6.5. Verletzungen............................................................................ 47 6.6. Wetterumschwung Wechsel der Jahreszeiten........................................... 48 6.7. Leben mit Genuss........................................................................ 48 6.8. Kleidung und Schmuck.................................................................. 49 6.9. Flugreisen und Urlaub................................................................... 49

Inhaltsverzeichnis 11 7. Sport und körperliche Aktivitäten 52 7.1. Krafttraining für Brustkrebspatientinnen.................................................. 54 8. Therapiemöglichkeiten beim Lymphödem 56 8.1. Manuellen Lymphdrainage (MLD)........................................................ 56 8.1.1. Information zur Manuellen Lymphdrainage (MLD).............................................. 56 8.1.2. Grundgriffe der Manuellen Lymphdrainage (MLD).............................................. 58 8.1.3. Kontraindikationen der Manuellen Lymphdrainage............................................. 60 8.2. Bandagierung Lymphologischer Kompressionsverband................................. 60 8.3. Softcompress............................................................................ 64 8.4. Lymph-Taping........................................................................... 66 8.5. Lymphologische Kompressionswaren.................................................... 67 8.5.1. Weshalb ist eine Kompressionsversorgung notwendig?........................................ 67 8.5.2. Druckverlauf.................................................................................. 67 8.5.3. Kompressionsklassen.......................................................................... 67 8.5.4. Herstellung................................................................................... 68 8.5.5. Möglichkeiten der Kompressionstherapie...................................................... 68 8.5.6. Weiteres zur Kompressionsversorgung......................................................... 69 8.6. Strangbildung nach axillärer Lymphknotenoperation..................................... 70 8.7. Unterstützende Selbstbehandlung....................................................... 72 8.8. Unterstützende Atem- und Bewegungsübungen......................................... 74 8.8.1. Übungs-Programm für Mamma-Patienten..................................................... 74 8.8.2. Stufenplan der Behandlung................................................................... 76 8.9. Psychoonkologische Aspekte............................................................ 84 9. Anhang 88 9.1. Listen mit spezialisierten Medizinern und Lymphtherapeuten............................. 88 9.2. Informationsbroschüren................................................................. 88 9.3. Links Kontaktadressen Zeitschriften................................................... 89 9.4. Spezialkliniken für Lymphödempatienten................................................ 90 9.5. Literatur................................................................................. 90 Index 92

Prolog: Was tun, damit kein Lymphödem entsteht? 13

14 1. Prolog: Was tun, damit kein Lymphödem entsteht? 1. Prolog: Was tun, damit kein Lymphödem entsteht? Ein wichtiger Fakt vorab Der kürzeste Weg zum Lymphgefäßsystem führt über die Haut. Das erklärt auch, warum die Haut bei Verhaltensempfehlungen und Therapien eine so zentrale Rolle spielt. Die Haut benötigt besonderen Schutz und Pflege. Sie sollten sich in ihrer Haut wohl fühlen. Negativen Auswirkungen auf das Lymphgefäßsystem können unter folgenden Oberbegriffen zusammengefasst werden: i Wunde/Verletzung i zu großer Druck i Überwärmung Wenn es zu einer Wunde kommt, muss diese desinfiziert und ggf. mit einer Wundauflage versehen werden. Sollte diese nach drei Tagen nicht reizlos abheilen, muss sie einem Arzt vorgestellt werden. Besonders dann, wenn sich ihr Allgemeinzustand verschlechtert und sie Fieber haben. Auch (zu) großer Druck auf die Haut (z.b. durch zu schwere Taschen, Druck von Nähten, Schmuck) sowie die Überwärmung der Haut können negative Auswirkungen auf das Lymphgefäßsystem haben. Dass ein Lymphödem entsteht, hängt von vielen Faktoren ab; wenn diese oben genannten negativen Einflüsse ausbleiben, wird das Risiko reduziert. Trotz allem Fortschritt bleibt es vielfach noch unklar, warum genau die Frau ein Lymphödem bekommt und die andere nicht. Die folgenden Faktoren können dazu führen, dass ein intaktes Lymphgefäßsystem ins Ungleichgewicht gerät und damit ein Lymphödem entsteht. Leistungsfähigkeit Transportkapazität Lymphpflichtige Lasten Die Lebensweise aber auch Lebensumstände (Ernährung, Belastung, Sport, Psyche) haben einen nicht unwesentlichen Einfluss auf ihr Lymphsystem und damit auf die Entstehung eines Lymphödems. Aus meiner Erfahrung gibt es nicht den Rat, wie sie dem Lymphödem am besten vorbeugen können. Seien sie aufmerksam aber entspannt in Sachen Lymphödem. Sollte ein Lymphödem auftreten, bleiben sie gelassen. Lymphgefäße Lymphknoten Lymphknoten Lymphgefäße Lymphgefäßsystem des Körpers Lymphgefäßsystem der Brust Abb. 1.1: Anatomische Übersicht. Modif. nach IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen).

15 Jede Veränderung, die sich nicht nach einigen Tagen zurückbildet, sollte einem Arzt vorgestellt werden. Alle Verhaltensempfehlungen und Therapien müssen immer individuell zusammengestellt werden. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden: Leben mit einem Lymphödem muss Lebensqualität besitzen und dabei wird das Ödem behandelt. Nur so sind Therapien langfristig erfolgreich und können Komplikationen vermieden werden.

2.8. Diagnosestellung 21 2.8. Diagnosestellung Eine genaue Befragung (Anamnese) und eingehende Untersuchung durch ihren Arzt muss im Vordergrund stehen. Die Schilderung ihres persönlichen Empfindens im Zusammenhang mit der Gewebebeobachtung ist das entscheidende Kriterium. Hier ist unter anderem das Stemmer'sche Zeichen ( Abb. 2.3) zu nennen. Zusätzlich gibt es auch unterschiedliche bildgebende Diagnostik- Verfahren (z.b. Ultraschall, Doppleruntersuchung, Lymphangiographie, Lymphszintigraphie). Diese Verfahren werden in der Regel nur bei einer unklaren Ursache für das Lymphödem (z.b. Fortschreiten der Tumorerkrankung und vor Operationen) angewandt werden. Sie als Patientin haben ihr ganz eigenes Körperempfinden. Vertrauen sie sich und ihrem Körper. Achten sie bei sich auf folgende Punkte: Verändert der betroffene Bereich seine Form? Lassen sich Dellen bilden, und wie verhalten sich diese? Läuft diese Delle nur sehr langsam wieder voll, ist es ein eiweißreiches Ödem. Im Vergleich dazu füllt sich die Delle z.b. bei einem Herzkreislaufödem sehr schnell wieder, da das Ödem hauptsächlich aus Wasser besteht. Haben sie Schmerzen und/oder Missempfindungen in diesem Bereich? Verändert sich evtl. ihre Hautstruktur? Teilen sie bitte diese von ihnen festgestellten Beobachtungen ihrem behandelnden Arzt mit. Stemmer'sches Zeichen Das Stemmer'sche Zeichen beschreibt einen Hautfaltentest. Ursprünglich kommt dieser Test aus der Phlebologie (Lehre von den Venenerkrankungen). Der Elsässer Arzt Dr. med. Robert Stemmer, Facharzt für Phlebologie, beschrieb diesen Test als Nachweis, wie weit eine Erkrankung fortgeschritten ist. Er testete die Haut an der zweiten Zehe, indem er versuchte eine Falte abzuheben. Ist dies leicht möglich und sind die Falten auf beiden Seiten gesunde und betroffene gleich dünn, so spricht man vom negativen Stemmer'schen Zeichen. Ist eine Hautfalte dicker, lässt sich schwer oder nicht abheben, so spricht man vom positiven Stemmer'schen Zeichen. In diesem Fall befindet sich eiweißhaltiges Ödem im Gewebe. Dieser Test wird auch in der Lymphologie angewendet, um aufzuzeigen, ob eine Region schon lymphödematös verändert ist oder noch nicht. Er kann an jeder Stelle, wo sich ein Lymphödem bildet, angewendet werden. Da ein Armlymphödem immer körperstammnah beginnt, sollte dieser Test an der Innenseite des Oberarms im Seitenvergleich durchgeführt werden. Genau wie der Arm sind aber auch Brust- und Rückenregion auf der operierten Seite zu beobachten, da sie ebenfalls zum Abflussgebiet der Axillarlymphknoten gehören. Abb. 2.3: Klinische Diagnose des Lymphödems. Stemmer'sches Zeichen: nicht oder schwer abhebbare Haut und Kutisverdickung am 2. oder 3. Finger dorsal als Zeichen der Fibrosierung. Quelle: W Döller. Mammakarzinom: klinische und apparative Diagnostik des Lymphödems. http://universimed.com 8 Mär 2010, mit freundlicher Genehmigung.

22 2. Daten und Fakten zum Lymphödem Messverfahren zur Dokumentation Zur Unterstützung bei der Diagnosestellung und im Therapieverlauf ist es hilfreich, den Hand-, Arm- und ggf. Rumpfumfang zu dokumentieren. Beachten sie bitte, dass auch ohne ein Lymphödem die Umfänge an den Händen/Armen nie seitengleich sind. Besonders wichtig ist die Dokumentation für die Kostenerstattung sowie weitere sozialrechtliche Aspekte. Darüber kann zudem die Effektivität der begonnenen Therapie, aber auch die anderer unterstützender Maßnahmen dokumentiert werden. i Beispiel Hand- und/oder Armmessung: Es werden vier Messpunkte auf beiden Seiten ermittelt, Null-Punkt für die Messung ist die Fingerkuppe des Mittelfingers (Handaußenseite). Von dort aus werden alle 15 cm mit einem (wasserfesten) Stift Markierungen aufgezeichnet, wo im Verlauf immer wieder an der gleichen Stelle das Maßband angelegt werden soll. So ergeben sich etwa folgende Punkte: 1. Mitte Handrücken 2. Mitte Unterarm 3. Mitte Oberarm 4. Oberarm in Höhe des Schultergelenks Damit werden dann die Stellen erfasst, an denen sich bei den meisten Patientinnen Flüssigkeitsansammlungen bilden können. 2.9. Lokalisationen des Lymphödems Die Lokalisationen des Lymphödems scheinen sich seit der flächendeckenden Einführung der Sentinel-Operation zu verändern. Die Arm- Handödeme nehmen ab, dagegen kommt es immer häufiger zu Brust- und Brustwandödemen. Quelle: Prim. Dr. W. Döller 2010-03-08 universimed.com; Mammakarzinom: klinische und apparative Diagnostik des Lymphödems. Für sie ist es wichtig, sich gut zu beobachten, trotzdem gelassen zu bleiben und nicht panisch auf ein mögliches Ödem zu reagieren. Wichtig ist es, zeitnah zu reagieren, d.h. jede Veränderung, die sich nicht nach einigen Tagen bessert, sollte einem Arzt vorgestellt werden. Bei der Lokalisation kann es alle Formen geben, oft kommt es auch nur zu isolierten Befunden, z.b. Hand und dort auch nur bestimmte Punkte (z.b. Fingergrundgelenke, Daumenballen). Es kann auch nur zu einem isolierten Rumpf-, Brust- bzw. Brustwandödem (Thorax) kommen. Zur Dokumentation dieser Messwerte ist es sinnvoll, einen Bogen anzulegen. Dokumentationshilfen werden von verschieden Stellen angeboten ( Kap. 9. "Anhang"). Ihr Arzt oder Lymphtherapeut haben da sicher Vordrucke, mit denen sie immer arbeiten.

24 3. Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) 3. Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) Die Basistherapie zur Behandlung von Lymphödemen ist die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie. Sie umfasst: Hautpflege Manuelle Lymphdrainage Kompressionstherapie mit lymphologischem Kompressionsverband und/oder lymphologischer Kompressionsbestrumpfung Bewegungstherapie Die Therapie des Lymphödems ist auch abhängig vom Stadium der Erkrankung. Je nach Befund, das heißt z.b. wie ist das Ödem in seiner Beschaffenheit, welche Bereiche sind wie stark betroffen, wird die Therapie geplant. Die Therapie und Entlastungen planen Nachdem die Diagnose gestellt wurde, muss gemeinsam mit ihnen und den Behandelnden (Arzt, Physio- und Lymphtherapeut) ein Therapie- und Behandlungsplan aufgestellt werden, in dem auch ihre ganz persönliche Situation bei der Auswahl der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten berücksichtigt wird. Frühzeitig muss dabei auch die lymphologische Kompressionsversorgung mit dem Sanitätsfachhandel geplant werden (Bearbeitungszeit, Kostenvoranschlag sowie Lieferzeiten sind zu berücksichtigen). Als Beispiele sind hierzu die Art und die Stundenzahl ihrer evtl. Berufstätigkeit oder die Versorgung des Haushaltes (z.b. Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen) zu nennen. Hier gilt es nach entlastenden Hilfsmitteln bzw. Unterstützungen zu suchen, die die nun nötige Therapie begleiten, z.b. durch den Einsatz von Haushaltshilfe, Tagesmutter, Kurzzeitpflege für Angehörige und Veränderungen am Arbeitsplatz. 3.1. Hautpflege Wie schon erwähnt, hat diese einen besonderen Stellenwert bei der Therapie des Lymphödems, da die Haut der kürzeste Weg zum Lymphsystem ist. Sie müssen sich in ihrer Haut wohl fühlen. Ihre ganz individuelle Hautpflege ist wichtig. Sie sollte aber bitte die physiologischen Funktionen erhalten bzw. wieder herstellen. Dabei soviel Feuchtigkeit wie nötig und so wenig Fett wie möglich verwenden. Ein höherer Fettanteil in den Produkten könnte dazu führen, dass es zu vermehrtem Schwitzen in diesem Bereich kommt und generell kann dadurch die "Atemfunktion der Haut" eingeschränkt werden. So können im gestauten Bereich leichter Reizungen bzw. Entzündungen entstehen, die unter Umständen behandlungsbedürftig sind und unbedingt die Vorstellung bei einem Arzt erfordern. Für viele Frauen sind Reiz- und Duftstoffe (auch natürliche Essenzen) nach den Therapien nicht unproblematisch, deshalb bitte möglichst darauf verzichten. Auf ihr Parfüm müssen sie in der Regel nicht verzichten und sie können ja auch ausprobieren, was sie vertragen. Tipp: Ideal sind in der Regel ph-neutrale, möglichst parfümfreie Produkte mit einem Urea- Anteil. Es gibt sowohl in der Apotheke als auch im Drogeriemarkt gute und günstige Pflegeprodukte, die auch bei Allergien sowie Neurodermitis keine Probleme machen. Auch die Anwendung von Deodorants kann evtl. Probleme bereiten. Hier ist es günstiger, auf alkoholfreie und nicht parfümierte Produkte zurückzugreifen. Therapieziel ist, eine Befundbesserung bzw. Stabilisierung zu erreichen. Vor allem soll aber eine Verschlechterung des Befundes vermieden werden.

42 6. Alltag mit dieser Lebenssituation 6. Alltag mit dieser Lebenssituation Das Lymphödem beeinträchtigt in jeder Phase der Erkrankung alle Bereiche des Lebens. Es ist immer präsent, vom Aufstehen bis in den Schlaf hinein. Es fordert dabei nicht nur von der Patientin: Umdenken Abgeben Anpassung Annehmen von Veränderungen. Diese Zeilen werden alle Lymphödempatienten unterschreiben, unabhängig von ihrem Ödembefund und ihrer Behandlungsphase. Nach einer oft schweren und kräfteraubenden Brustkrebstherapie nun noch ein Lymphödem. Was für Ressourcen können sie für sich nutzen? Wo können sie ihre Kraftdepots auffüllen? Wo finden sie Unterstützung? Wie können sie dieses praktisch und psychisch bewältigen? Die Erkrankung Lymphödem ist eine enorme zusätzliche Belastung, die Reaktionen auslösen kann wie: Verzweiflung, Wut, Ohnmacht, Depression und Resignation. Das ist völlig normal und nachvollziehbar, aber kein Grund aufzugeben. Suchen sie Hilfe und nehmen sie diese auch an. Organisieren sie ihre körperlichen und psychischen Belastungen individuell für sich neu. Wo sind Unterstützung und Hilfe nötig? Fachliche und persönliche Unterstützung sind für sie in dieser Situation sehr wichtig. Denn so können sie leichter ihren individuellen Weg mit dieser Krankheit finden und gehen. Die Unterstützung kann von ganz unterschiedlichen Personen geleistet werden: Freunden, Familie, anderen betroffenen Patientinnen bzw. deren Partnern, Selbsthilfegruppen, aber vor allem auch von Fachleuten, z.b. Psychologen, Erziehungsberater, Therapeuten, Sanitätshandelfachkräften u.a.. Alle jetzt nötigen Therapien und Behandlungen können nur so gut und so effektiv sein, wie sie und ihr Umfeld diese durchhalten und unterstützen. Auch die Unterstützung ihrer Behandelnden kann sie hier zusätzlich motivieren. Denn oft sind damit lebenslange Behandlungen, Therapien und ebenso Veränderungen ihres Alltages verbunden. Die Brustkrebserkrankung hat ihr Körperbild, Körperwahrnehmung, Körpervertrauen, Selbstverständnis und vielleicht auch ihr Selbstbewusstsein verändert. Diese Veränderungen müssen für Außenstehende nicht immer sofort sichtbar sein. Nun verändert das Lymphödem aber gerade ihr Äußeres. Der Kompressionshandschuh/-strumpf stellt möglicherweise sowohl für sie als auch für andere eine sichtbare Veränderung und ein deutliches Zeichen einer körperlichen Behinderung dar. Möglicherweise erleben sie dies als ein Stigma, mit dem sie sich praktisch und psychisch auseinander setzen müssen. Oft fühlen sich erkrankte Frauen in ihrer Lebensqualität dadurch erheblich eingeschränkt. Manchmal wird dies u.a. der Grund dafür sein, warum die Therapien, Behandlungen und Verhaltensempfehlungen nicht konsequent eingehalten werden. Ich weiß, wie schwer gerade dieser Teil der Therapie ist, aber er ist nötig. Eine große Hilfe kann es für sie sein, wenn sie es schaffen, die Therapien in ihren Alltag zu integrieren und sie sich dabei der Unterstützung ihres Umfeldes und ihrer Behandelnden sicher sein können. Der Alltag mit Kind(ern) jeden Alters in dieser Situation ist eine ganz besondere Herausforderung. Kinder gehen oft erfrischend normal mit dem Kompressionshandschuh/-strumpf um. Für sie und ihr Umfeld kann es aber durch die Erkrankung und Therapien bedingt zu einer erheblichen physischen wie auch psychischen Mehrbelastung kommen.

6.2. Partnerschaft und Sexualität 43 6.1. Positive Effekte durch das Tragen von Einmal-(Über-)handschuhen Wie ist es möglich, den Alltag mit so einer Einschränkung zu gestalten? Vermeiden sie es bitte, für diese Tätigkeiten den Kompressionshandschuh immer wieder anund auszuziehen, da dies eine Ödemzunahme zur Folge haben kann. Zu kurz gewählte Finger am Handschuh verschieben das Lymphödem nur weiter in die Finger, dadurch wird die Funktion (Kraft und Feinmotorik) nur noch schlechter. Diese Veränderung in den Alltag zu integrieren scheint auf den ersten Blick vielleicht unmöglich. Hier hat es sich bewährt, einen passenden Einmalhandschuh über dem Kompressionshandschuh zu tragen. Vinyl ist besser geeignet als Latex, da die Handschuhe wiederverwendbar und allergenfrei sind. Wichtig ist es hierbei, Produkte ohne Puderung zu verwenden, da Puder die empfindlichen Fasern der Kompressionsware angreift. Diese können sie in der Apotheke oder auch im Internet in 100er-Kartons bestellen (Preisvergleiche lohnen sich). Es gibt sie in drei Größen, eine passt sicher auch über ihren Handschuh drüber. Tipp: Die Belege aller krankheitsbedingten Mehrkosten sammeln (Fahrkosten, Zuzahlungen, Kosten für zusätzliche Therapien und Heil-/Hilfsmittel), diese dann bei der Einkommensteuer geltend machen. Bis heute bin ich vor allem in diesem Punkt sehr konsequent. Natürlich hätte ich es gerne anders, vor allem unser Sohn würde sich das sehr wünschen. Aber es ist wie es ist, und mein Lymphödem an der Hand ist dadurch kein Thema mehr. Seitdem unser Sohn 18 Monate alt ist, erledige ich alles im Alltag so. Bei allen Tätigkeiten, wo die Versorgung nass oder schmutzig werden kann, trage ich Einmalhandschuhe über dem Kompressionshandschuh. Abb. 6.1: Privates Foto 2004. 6.2. Partnerschaft und Sexualität Die Krankheit Brustkrebs verändert möglicherweise auch ihre Partnerschaft und Sexualität. In Abhängigkeit von der Therapiephase und dem Ausprägungsgrad ihres Lymphödems werden von ihnen und ihrem Partner Kreativität und Rücksichtnahme nötig sein. Ihre Partnerschaft kann in allen Belangen durch die Diagnose Lymphödem beeinflusst werden. Hier sind beide aufgefordert, sich verständnisvoll und liebevoll dieser Prüfung zu stellen. Oft ist gerade der Aspekt der evtl. dauerhaften Behinderung der Partnerin eine schwere Last für die Beziehung. Scheuen sie sich bitte nicht, sich in dieser belastenden Situation von Dritten Unterstützung zu holen. Diese Hilfe kann von ganz verschiedenen Menschen geleistet werden Freunden Familie anderen betroffenen Patientinnen bzw. deren Partnern Fachleuten für Partnerberatung oder entsprechende Beratungsstellen Es gibt verschiedene Broschüren zu diesem Thema, eine sehr gute wurde vom norwegischen Krebsverein herausgegeben. "Krebs und Sexualität" können sie unter dem folgenden Link als PDF- Datei finden: http://www.neocorp-onkologika.de/fileadmin/downloads/patientenbroschuere_krebs_sex.pdf

74 8. Therapiemöglichkeiten beim Lymphödem Zum Schluss kommen die Kurzzugbinden und damit der Hauptteil der Kompression. Jetzt brauchen wir unbedingt Zug auf der Binde. Die erste Binde ist die 6 cm breite Kurzzugbinde. Die wird wieder vom Daumen in der Handfläche gesichert und dann in mehreren versetzten Touren um Handgelenk und Mittelhand gewickelt. Danach wird an dem Ende dieser Binde der Anfang der breiteren Kurzzugbinde festgeklebt und weiter geht's den Arm hinauf. Wenn der Ellenbogen beweglich bleiben soll, die "Acht" am Ellenbogen nicht vergessen! Ist die Binde zu Ende, wird am Ende der zweiten Kurzzugbinde wieder der Anfang der letzten Kurzzugbinde festgeklebt. Wichtig: Eine Bandage mit perfektem Zug sollte weder rutschen noch kneifen, noch schmerzen, noch kribbeln. Wenn es noch nicht perfekt ist, haben sie Geduld; suchen sie aus, was ihnen am besten gefällt! Dieses Kapitel 8.7. wurde erst möglich durch: Anke Kleine, Lymphtherapeutin und Fachlehrerin ML/KPE und Physiotherapiepraxis Almut Schöler 8.8. Unterstützende Atem- und Bewegungsübungen Eine Frau mit einer Brustkrebserkrankung und einem Lymphödem ist dadurch sehr individuell eingeschränkt. Zur Vorbeugung können sie schon in der der Klinik nach der Operation oder auch in der Anschlussheilbehandlung ein Bewegungsprogramm erlernen, das sie zuhause regelmäßig durchführen können. In dem Bewegungs- und Sportprogramm werden sie individuell für sich sicher das passende finden. Dabei ist die kompetente Anleitung durch geschulte Trainer/ Physiotherapeuten wichtig. Der Lymphödemverlauf sollte bei dem Sportprogramm beobachtet werden, um ggf. das Training zu verändern oder anzupassen. Ihre Kraft und die Beweglichkeit müssen erhalten bleiben. Wenn sie Einschränkungen haben, sollten sie versuchen, diese mit einem individuellen Übungsplan wieder zu verbessern. Damit sie eine gute Lebensqualität (be)erhalten. Nachfolgend sehen sie einige beispielhafte Übungen. Diese sollen nur eine Anregung darstellen. Es gibt eine Vielzahl von guten Übungen, die auch einen positiven Effekt auf den Lymphabfluss haben und die sie zuhause machen können. Es ist sehr wichtig, dass sie mit ihrem Lymphtherapeuten einen für sie abgestimmten Übungsplan erarbeiten und diesen auch mit ihm einüben. Bei der Durchführung der Übungen ist wichtig, dass sie diese ruhig und ohne ruckartige Bewegungen ausführen. Schmerzen sollen dabei nicht entstehen, tasten sie sich an ihre Schmerzgrenze heran, um diese langfristig zu beeinflussen. Besprechen sie bitte mit ihrem Lymphtherapeuten, wie viele Wiederholungen der Übungen sie ausführen und wie oft sie diese pro Tag in Ihren Alltag integrieren. Bei all diesen Übungen unterstützt eine gute und tiefe Bauchatmung die positive und entstauende Wirkung. Der Transport der Lymphe durch die verschiedenen Lymphgefäße erfolgt u.a. durch Muskeltätigkeit, durch Kontraktionen der Gefäße selbst, durch die Bewegung des Zwerchfells (Atmung) und durch den Unterdruck, der während des Atemvorganges im Brustkorb entsteht. Da sich an den Wänden der Lymphgefäße Klappen befinden, kann die Lymphe nur in eine Richtung transportiert werden auf die Venen am Hals zu, in denen sie sich dann mit dem Blut das zum Herzen fliest mischt. Über ihre Atmung können sie ihre Entspannung beeinflussen; zusätzlich können die Frauen, die dies mögen, auch den Lymphfluss visualisieren (Körperreisen). Gönnen Sie sich diese Auszeiten im Ihrem Alltag ( auch unter Kap. 7. "Sport und körperliche Aktivität"). Im Folgenden stellt Heribert Jung sein Übungs- Programm für Mamma-Patienten stationär und ambulant zur Verfügung. Es freut mich sehr, dass dies möglich ist und sie sich auf diesem Wege darüber informieren können. 8.8.1. Übungs-Programm für Mamma-Patienten Stationär und Ambulant Heribert Jung Physiotherapeut, Lymphdrainage und Ödemtherapeut. Alle Rechte an diesem Programm (Text & Bild) liegen bei Heribert Jung.

8.8. Unterstützende Atem- und Bewegungsübungen 75 Mit dem vorliegenden Beitrag liefern wir ihnen ein Übungsprogramm für Mamma-Patienten. Der Stufenplan und die Übungen sind das Ergebnis jahrelanger Erfahrung des Autors in der Arbeit mit Brustkrebs-Patienten aus der senologischen Abteilung der Kliniken der Landeshauptstadt Düsseldorf. Seine Aufgabe umfasste die tägliche krankengymnastische und lymphologische Arbeit mit Mamma-Ca-Patientinnen, wie auch die Aufklärung der Patienten über risikomilderndes Verhalten nach Lymphknotenresektion. i Ziele der physiotherapeutischen Behandlung sind: die komplikationslose Abheilung Schmerzlinderung Vorbeugung von Ödemen/Stauungen der betroffenen Region Mobilisation der Schulter und des Wundgebietes (Brustkorb und/oder Achsel) Die frühe postoperative Bewegungstherapie darf jedoch nicht zu Schmerzen führen, wie Brennen, Reißen, Stechen. Das Bewegungsausmaß des Armes an der operierten Seite sollte in den ersten Tagen 90 Abduktion ( Abb. 8.34) und 90 Anteversion ( Abb. 8.35) nicht überschreiten, bei Inlays (Expander oder z.b. Silikonimplantat) nur bis max. 70. Abb. 8.34: Im rechten Winkel zur Seite abspreizen = 90 Abduktion. Abb. 8.35: Im rechten Winkel nach vorne abspreizen = 90 Anteversion. Bewegungsdefizite (-einschränkungen) in der Schulter entstehen u.a. durch: Entzündungen, Schmerzen und/oder Schwellungen im Operationsbereich. Auch unvermeidbare Nerven- und Muskelläsionen (-verletzungen) sowie später auftretende Narbenkontrakturen (-zusammenziehungen) können die Beweglichkeit verringern. Psychogene Gründe (z.b. Angst) können ursächlich sein bzw. verstärkend wirken. Nicht nur in den ersten Tagen in der Klinik, sondern auch zu Hause, ist auf schmerzfreies Üben zu achten. Grundsätzlich gilt, besonders aber für das erste Jahr nach der Operation: Spannung und/oder Zukurzgefühl: ja, Schmerz: nein! Beidseitiges Üben ist immer vorzuziehen, entsprechend neurophysiologischer Gesetzmäßigkeit (Funktionsweise des Nervensystems). In der Klinik ist die Thromboseprophylaxe (Vorbeugung der Bildung von Blutgerinnseln in Blutgefäßen) wichtig. Die Physiotherapie unterstützt diese mit Anleitungen zur Atemgymnastik, Hinweisen zur Lagerung des Armes, es folgen Schultergelenk- und Thoraxmobilisation (Durchbewegen des Oberkörpers). Vorsicht ist geboten bei Patienten, die gleichzeitig Schmerzmittel nehmen. Die Verschiebung der Schmerzgrenze kann hierbei leicht zu Fehleinschätzungen führen, d.h. es wird zu viel des Guten getan, "der Bogen wird überspannt"! Informieren sie als Patientin immer ihren Therapeuten vor/bei/nach dem Üben über Schmerzen und ihre aktuellen Schmerzmittel. Ein besonders differenziertes Vorgehen ist bei Patientinnen mit Brustaufbau angezeigt.

76 8. Therapiemöglichkeiten beim Lymphödem Als Begleittherapie des Schulter-Arm-Syndroms bei Mamma-Ca-(Brustkrebs-)Patienten sind die Reflexzonenmassage und/oder Interferenzstromtherapie sowie leichte Lymphdrainagegriffe zur Schmerzlinderung die Mittel der Wahl. Die Schulter- und Thoraxmobilisation erfolgt im Wechsel von: Entspannung und Spannung Bewegung und Lockerlassen 8.8.2. Stufenplan der Behandlung Um die genannten Ziele zu erreichen, sollte die Behandlung der Mamma-Ca-Patienten nach einem zeitlichen Stufenplan vollzogen werden. 1. Stufe postoperativ (1. bis 3. Tag) In leichter Abduktion den Arm in Schulterhöhe lagern, aus dieser Lage heraus passive Bewegungen im absolut schmerzfreien Bereich. Förderung des venösen und lymphatischen Rückflusses durch Öffnen und Schließen der Faust im Sekundenrhythmus. Differenziertes Vorgehen ist besonders bei allen brusterhaltenden Operationsverfahren angezeigt. 2. Stufe (ab ca. 4.Tag) Ziel der Mobilisation ist die Herstellung der normalen Arm- und Schultergebrauchsbewegung. Übungen auf dem Bett sitzend oder im Stehen, mit der nicht operierten Seite beginnen. Schulter hochziehen, herunterschieben, nach vorne und hinten bewegen, danach vorsichtiges Schulterkreisen. Langsames Strecken und Beugen im Ellenbogen, Abduktion bis max. 90, bei Inlays max. 70. 3. Stufe (ab ca. 5. Tag) Weiterhin zunächst unter Anleitung eines Therapeuten, Übungen sind auch in der Gruppe möglich. Ausgangsstellung aller hier aufgeführten Übungen: im Sitzen auf Stuhl ohne Armlehnen besser Hocker und beide Arme seitlich am Körper locker hängen lassen. i Übung 2 Beide Arme bis in die Fingerspitzen durchspannen und in Richtung Fußboden schieben, Spannung 4-5 Sekunden halten, Atmen nicht vergessen, locker lassen und Arme leicht ausschütteln. Zwischendurch: Leichtes Pendeln der Arme, erst parallel, dann gegenläufig, Körper leicht mitschwingen lassen. i Übung 3 Beide Schultern in Richtung Ohrläppchen hochziehen, Arme dabei locker hängen lassen, weiter atmen, Spannung 4-5 Sekunden halten, Schultern zurück in Ausgangsstellung locker lassen, entspannen. i Übung 1 Gesamte Schultermuskulatur anspannen, sich "schmal" machen. Spannung zwei bis drei Atemzüge lang anhalten, entspannen und durch leichtes Schulterrollen Muskeln lockern.