DAS KÖLNER HERZZENTRUM FACHZEITSCHRIFT FÜR DEN ARZT



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Transkript:

DAS KÖLNER HERZZENTRUM FACHZEITSCHRIFT FÜR DEN ARZT 6 Jahre im neuen Herzzentrum Rückblick aus herz-/thoraxchirurgischer Sicht Wie sieht die optimale Koronarintervention 2012 aus? Ein kritischer Überblick Das Kölner Infarkt Modell SONDERAUSGABE 1 Oktober/2012

INHALTSVERZEICHNIS / IMRESSUM Vorwort 4 6 Jahre im neuen Herzzentrum Rückblick aus herz-/thoraxchirurgischer Sicht 6 Univ.-Prof. Dr. med. Thorsten Wahlers Wie sieht die optimale Koronarintervention 2012 aus? Ein kritischer Überblick 18 Univ.-Prof. Dr. med. Erland Erdmann Das Kölner Infarkt Modell 21 Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels, Dr. med. Katharina Seck, Dr. med. Christian Keller, Dr. med. Jan Sparwel Stellenwert der dreidimensionalen Echokardiographie 23 Priv.-Doz. Dr. med. Guido Michels Die peripartale Kardiomyopathie: Ein komplexer Kolibri in unserem Herzinsuffizienzalltag 26 Priv.-Doz. Dr. med. Roman Pfister Bronchoskopische Lungenvolumenreduktion Option bei Patienten mit COPD und Lungenemphysem? 28 Priv. Doz. Dr. med. Konrad F. Frank Kardiovaskuläre Medizin am Herzzentrum der Uniklinik Köln ein Ausblick 30 Univ.-Prof. Dr. med. Stephan Baldus Abdominale Aortenaneurysmen Die Therapie sollte keinem vorenthalten werden wegen seines Alters 34 Prof. Dr. Michael Gawenda, Dr. Payman Majd, Priv.-Doz. Dr. Thomas Lübke, Univ.-Prof. Dr. Jan Brunkwall Therapie und Prognose von Patienten im kardiogenen Schock nach Reanimation Aktuelle Untersuchungen zur Hypothermie-Behandlung 38 Priv.-Doz. Dr. Hannes Reuter Die Klinik und Poliklinik für Kinderkardiologie 40 Prof. Dr. med. Konrad Brockmeier, Prof. Dr. med. Narayanswami Sreeram, Prof. Dr. med. Mathias Emmel Interventionelle und Regenerative Therapie der Herzinsuffizienz 42 Prof. Dr. med. Jochen Müller-Ehmsen Rhythmologie am Herzzentrum der Universität zu Köln 45 Priv.Doz. Dr. med. Fikret Er IMPRESSUM Das Kölner Herzzentrum Fachzeitschrift für den Arzt Herausgeber: Klinikum der Universität zu Köln, Vorstand (V.i.S.P.) Redaktion: Prof. Dr. med. Erland Erdmann Prof. Dr. med. Thorsten Wahlers Universitätsklinikum Köln Herzzentrum Kerpener Straße 62 50924 Köln Tel.: 0221 478 32 511 Fax: 0221 478 32 512 E-mail: erland.erdmann@uni-koeln.de Web: www.herzzentrum-koeln.de Verlag und Anzeigenverwaltung: IPV-Informations-Presse-Verlags Gesellschaft mbh Am Wiesengrund 1 40764 Langenfeld Tel.: 02173 1095-100 Fax: 02173 1095-111 Email: info@ipv-medien.de Web: www.ipv-medien.de Gesamtherstellung: HPH Grafik-Design Syburgweg 44 58119 Hagen Tel.: 02334 50 44 75 Fax: 02334 50 44 76 E-mail: info@hph-grafik-design.de Web: www.hph-grafik-design.de Ausgabe: Oktober 2012 3

VORWORT v.l.n.r.: Erland Erdmann, Thorsten Wahlers, Jan Brunkwall, Konrad Brockmeier, Stephan Baldus Sehr verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen, 2012 das Jahr der Olympischen Spiele in London. Ein Jahr, das von Höchstleistungen im Sport geprägt ist, aber auch durch Veränderungen im Kölner Herzzentrum. Professor Dr. Erland Erdmann, langjähriger Leiter der Klinik für Kardiologie und Kardiologische Intensivmedizin übergibt den Staffelstab an Herrn Professor Dr. Stephan Baldus, der aus dem Hamburger Herzzentrum kommend die Leitung der Klinik zum 1. Oktober 2012 übernehmen wird. Dieser Wechsel wird von allen mit Spannung und Interesse begleitet, denn wie immer fragt man sich, wenn etwas Langjähriges, Bewährtes durch etwas Neues abgelöst wird, welche Einflüsse dieses für alle Beteiligten haben wird. Doch die Ängste sind unbegründet, denn die Klinik für Kardiologie wird im besten Allgemeinzustand übergeben, gekennzeichnet durch eine exzellente Auslastung und ein stetiges Wachstum über die letzten Jahre. Der neue Staffelläufer, Professor Stephan Baldus, zeichnet sich neben seinem grundlagenwissenschaftlichen Interesse an den entzündlichen Mechanismen von Herz- und Kreislauferkrankungen klinisch durch einen Schwerpunkt in der interventionellen Klappentherapie aus und wird damit die begonnene Schwerpunktbildung in beiden Bereichen nachhaltig unterstützen. Somit sind wir zuversichtlich auch weiterhin unter den führenden deutschen Universitätskliniken zum Wohle unserer Patienten tätig sein zu können und setzen auch auf Sie als Partner in dieser gemeinsamen Behandlungsstrategie. Diese Arbeit hat in der Vergangenheit durch verschiedene Bewertungsportale positive Kommentare gehabt und wir hoffen, gemeinsam mit Ihnen, dieses weiter in Zukunft ausbauen zu können. Flankiert durch die Gefäßchirurgie und Kinderkardiologie ist das Herzzentrum gut aufgestellt in der Rundum-Versorgung unserer gemeinsamen Patienten. Univ.-Prof. Dr. Konrad Brockmeier Univ.-Prof. Dr. Jan Brunkwall Univ.-Prof. Dr. Erland Erdmann Univ-Prof. Dr. Stephan Baldus Univ.-Prof. Dr. Thorsten Wahlers 4

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT 6 Jahre im neuen Herzzentrum Rückblick aus herz-/thoraxchirurgischer Sicht Univ.-Prof. Dr. Th. Wahlers Das neue Herzzentrum der Uniklinik Köln wurde im Jahre 2007 bezogen. Mit dem Wechsel vom Bettenhaus, der Ebene 15 und den Operationssälen im Zentral-OP haben sich entscheidende Verbesserungen für die Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen ergeben. Nach der Operation werden die Patienten auf einer Intensivstation versorgt, die 24 Beatmungsbetten für die Herz- und Thoraxchirurgie vorhält. Alle Monitoringeinheiten sind mit modularen Überwachungsgeräten bestückt, die die Überwachung aller Herz-/Kreislauffunktionen online ermöglichen. Darüber hinaus stehen multiple Herz-Zeit-Volumina-Monitoringeinheiten zur Verfügung, die im Einzelfall zur Anwendung gebracht werden. Alle Patienten können invasiv oder nicht-invasiv beatmet werden. Die ärztlichen Mitarbeiter werden hierbei durch modernste Dräger-Technologien unterstützt. Alle Formen der maschinellen Herzunterstützung in Form von IABP, mono- und biventrikulären Herzunterstützungssystemen (Heart-Ware, Total Artificial Heart, extrakorporale Pumpen) stehen hierbei zur Verfügung. In Kooperation mit der Klinik für Nephrologie kommen alle modernen Dialyseverfahren zur Anwendung. Auf der Normalstation stehen auf der Ebene 3.2 insgesamt 35 Normalstations-Betten zur Verfügung. Hiervon sind 10 mit Telemetrie und 5 mit Monitoring-Lösung ausgestattet. Darüber hinaus wird in Kürze ein spezieller Intermdiate Care Bereich zur möglichen Behandlung isolierter Transplantationspatienten und anderen speziellen Krankheitsbildern eingerichtet. Ausstattung der Herz-, und Thoraxchirurgie: Im Herzzentrum stehen insgesamt 3 1 /2 Operationssäle zur Behandlung von Herz- und Thoraxerkrankungen zur Verfügung. Darüber hinaus wird in Kooperation mit den Gefäßchirurgen ein modernster Hybrid-OP genutzt. Der Hybrid- OP ist mit einer Philips-Röntgenanlage in Kombination mit einem Maquet-Operationstisch ausgerüstet, eine Innovation, die weltweit 2007 das erste Mal in Köln eingerichtet wurde. Alle Operationssäle und der Hybridsaal sind mit modernsten Laminar-Flow-Arbeitsbedingungen ausgerüstet, wie sie für derartige hochaseptive Operationen notwendig sind. Auf der Ebene 4.2 stehen weitere 13 Normalstationsbetten zur prä- und postoperativen Versorgung der Patienten zur Verfügung. Die hohe Akzeptanz des Kölner Herzzentrums im Umfeld hat dazu geführt, dass durch die Kooperation mit externen Krankenhäusern die 6

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Übernahme von Patienten zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten ist. Die Auslastung war in den vergangenen Jahren, trotz Steigerung der Bettenzahl, über dem allgemeinen Schnitt des Universitätsklinikums liegend. Ambulanz: Im Ambulanzbereich stehen zahlreiche Diagnostikmöglichkeiten zur Überprüfung von Schrittmacher, Defibrillatoren interdisziplinär zur Verfügung. Darüber hinaus wird die gesamte präoperative kardiovaskuläre Diagnostik in Kooperation mit der Klinik für Kardiologie (Professor Dr. Erdmann) vorgehalten. Personal: Zur Herz- und Thoraxchirurgie gehören insgesamt ca. 35 Ärzte. Darüber hinaus sind in den vergangenen Jahren jeweils 1 bis 2 Gastärzte aus anderen Ländern, respektive anderen Institutionen beschäftigt gewesen. Unterstützt wird das Ärztepersonal durch mehr als 100 Pflegekräfte auf der Intensiv- und Normalstation. Darüber hinaus sind mehr als 35 Pflegekräfte im Operationsbereich rund um die Uhr für die Patienten engagiert. Die großzügige Gestaltung des Herzzentrums mit einem einladenden, an ein Hotel erinnernden Eingangsbereich schafft durch die gelungene Kombination von Glasflächen, Licht und Infrastruktur eine Atmosphäre, die den Krankenhausaufenthalt sicherlich für viele Patienten deutlich angenehmer macht. Service-Stationen an den wichtigsten Schaltpunkten helfen den Patienten, sich im Umfeld des Universitätsklinikums zurecht zu finden und trotz der Vielzahl der angebotenen Behandlungen kann sich jeder Patient als Individuum fühlen, denn: Der Mensch steht für uns im Mittelpunkt Möglich geworden ist das Herzzentrum durch die Unterstützung des Fördervereins und die zunehmende Erkenntnis, dass die organzentrierte Behandlung für den einzelnen Patienten Vorteile bietet. Diese Konzentration in einer zentrumsorientierten Medizin ist mittlerweile von vielen Krankenhäusern aufgegriffen worden und der damit vom Universitätsklinikum Köln umgesetzte Trend beispielgebend für viele andere Institutionen. Die hohe Patientenakzeptanz spiegelt die Richtigkeit dieser Weichenstellung wider. Darüber hinaus sind viele Innovationen im Hause dadurch realisiert worden, dass die Unterstützung vom Förderverein Entscheidungen beschleunigt hat oder im Einzelfall auch komplexe Geräteanschaffungen möglich gemacht hat. Ein Herz hat wer es für andere hat. Dieses Motto des Fördervereins ist sicherlich auch das Motto für jeden einzelnen Mitarbeiter, der in diesem Herzzentrum im Sinne des Patienten, im Sinne der Kooperation mit den Niedergelassenen arbeitet. Entwicklung der Klinik: Bis zum Jahre 2005 wurde die Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie von Herrn Professor Dr. Ernst Rainer de Vivie geleitet. Mit ca. 1000 Herzoperationen pro Jahr war die Klinik schon im Jahr 2005 eine der wichtigsten Kliniken für Herzchirurgie im Lande Nordrhein- Westfalen. Mit der Übernahme und Berufung von Herrn Professor Dr. Thorsten Wahlers im Jahre 2005 konnte mit Unterstützung des Klinikumvor- 7

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT 250 dieser Herzoperationen sind komplexe Kinderherzoperationen, ein Schwerpunkt der Klinik, der unter der erfahrenen Leitung von Prof. Dr. Geradus Bennink steht. Im Vergleich dazu werden in der Bundesrepublik etwa 100.000 Herzoperatioen in 79 Zentren durchgeführt, wobei die Gesamtzahl leicht rückläufig ist (Abb.1). Köln gehört damit mit zu den grössten universitären Herzzentren. Abbildung 1: Entwicklung der Herzchirurgie 1994 bis 2011 Abbildung 2: Herzchirurgie Patienten über 70 Jahre, Bundesrepublik Deutschland standes und der weichenstellenden Politik das Behandlungsspektrum noch einmal nachhaltig ausgebaut werden, so dass mittlerweile ca. 1800 Herzoperationen sowie 200 Thoraxoperationen und etwa 450 Schrittmacher-, und Defibrillatorimplantationen im Universitätsklinikum und der zweiten Betriebsstätte in Kalk durchgeführt werden. Problematik der Altersentwicklung: Die letzten Jahre in der kardiovaskulären Medizin sind gekennzeichnet durch die Demographieentwicklung in den hoch industrialiserten Ländern. War es im Jahre 1985 noch so, dass die über 70-Jährigen nur etwa 5% aller zu behandelnden kardiovaskulären Erkrankungen ausmachte, so wird es 2025 so sein, das dieser Anteil auf mehr als 25% wachsen wird. Diese Entwicklung ist auch in der Herz-und Thoraxchirurgie zu verzeichnen und die Abbildung 2 zeigt die kontinuierliche Zunahme der über 70-Jährigen unter den behandelten Patienten. Im Alter geht die Belastungsfähigkeit des Menschen zurück, so dass versucht werden muss, über angepasste Operationsverfahren komplexe Behandlungen für den einzelnen Patienten, auch im höheren Lebensalter, zu ermöglichen. Innovationen der letzten Jahre: In den vergangenen 6 Jahren sind verschiedene Innovationen in den verschiedenen Behandlungsbereichen der Herz- und Thoraxchirurgie systematisch in das klinische Behandlungskonzept eingeflossen, die im folgenden themenbezogen kurz dargestellt werden sollen. Abbildung 3: Das Herzteam bei der interdisziplinären Beratung 8

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Bypasschirurgie: Die Bypasschirurgie stellt nach wie vor das wichtigste Arbeitsgebiet der Herz- und Thoraxchirurgie dar. Als Alternative zur Bypassoperation wird vielfach die perkutane Koronarintervention (PCI) zur Anwendung gebracht und man konnte in den letzten Jahren den Eindruck gewinnen, dass hierin womöglich eine vergleichbare Alternative gegeben sei. Vergleichsstudien über größere Gruppen fehlten über viele Jahre, bis 2009 die Syntax-Studie (Synergy between pci with taxus and cardiac surgery) im New England Journal of Medicine publiziert wurde. Syntax Studie: Die Autoren haben untersucht, inwieweit Patienten mit einer koronaren Dreigefäßerkrankung, respektive einer Beteiligung des Hauptstammes der linken Kranzarterie, durch beide Behandlungsverfahren therapiert werden konnten. In den mittlerweile vorliegenden 3-Jahres-Daten zu dieser Studie ergab sich eine signifikant geringere Rate für die Bypasspatienten mit 20 versus 28%. In einer weitergehenden differenzierten Analyse zeigte sich zusätzlich, dass nach 3 Jahren die Rate der Herzinfarkte signifikant geringer in der Gruppe der Operierten. Herzteambildung im Herzzentrum Auf der Basis dieser Studie, zu der mittlerweile 4-Jahres-Daten vorliegend sind, kam man national und international zu dem Ergebnis, dass die Entscheidungsfindung zur optimalen Revaskularisationsmethode patientenorientiert erfolgen muss. Nur durch die konsensuelle und am spezifischen Fall ausgerichtete Beurteilung durch das Herzteams ist der optimale interdisziplinäre Ansatz zur bestmöglichen Versorgung der gemeinsamen Patienten gewährleistet. Diese Zusammenarbeit ist im Herzzentrum routinemäßig durch die Herzkonferenz (Abb.3), aber auch durch die tägliche Absprache im individuellen Patientenfall gegeben, so dass auch unter diesen Aspekten eine vorbildliche Therapie am Herzzentrum vorgehalten wird. Die zur Anwendung kommenden Operationsverfahren sind die Bypass-Operation mit oder ohne Herz-Lungen-Maschine. Da zunehmend nur Dreigefäßerkrankungen mit komplexer Koronarmorphologie operiert werden, zeigt sich auch in Köln der bundesweite Trend dahingehend ab, dass nur etwa 10 bis 20% aller Operationen mit der sogenannten Opcab-Methode durchführbar sind (Abb. 4). Hierbei wird unter sehr genauem Monitoring der Anästhesie die Anlage der Bypassanastomosen unter Verwendung spezieller Stabilisatoren gewährleistet. Vorteile dieser Methodik liegen darin, dass beim prädisponierten Patienten womöglich die geringe Rate perioperativer Schlaganfälle geringer ist. Darüber hinaus sind in Einzelfällen auch positive Einflüsse auf die postoperative Nierenfunktion zu verzeichnen. Abbildung 4: Operationen ohne Herz-Lungen-Maschine in der Bundesrepublik, Aufschlüsselung aller Zentren Allerdings ist die Methode im Vergleich zur konventionellen Herz-Lungen-Maschine nicht unbedingt kostengünstiger, da die zur Verwendung kommenden Einmalmaterialien im Einzelfall auch einmal den Preis einer konventionellen Herz-Lungen-Maschinen-Operation von der Seite der Materialien übersteigen können. So wird diese Technologie in jedem Einzelfall geprüft, ob sie beim Patienten sinnvoll zum Einsatz kommen kann. Die meisten Operationen, ca. 80% werden mit der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt. Auch in der Herz-Lungen-Maschinen-Technologie ist über die vergangenen Jahre eine deutliche Weiterentwicklung hinsichtlich des Einsatzes der verwendeten Materialien, der Beschichtung von Schläuchen, der Minimierung des sog. Priming-Volumens, etz. zu verzeichnen. Köln hat hier in einigen wichtigen Studien mit dem sog. Rocsafe-System teilgenommen und es konnte nachgewiesen werden, dass die Belastung mit modernen Herz-Lungen-Maschinen dem des Opcab-Verfahrens vergleichbar ist. Arterielle Bypässe: Besonderer Augenmerk wird darauf gelegt, dass insbesondere bei jüngeren Patienten < 65 Jahre eine möglichst vollständige Revaskularisation durch sog. arterielle Grafts erfolgt. Als arterielle Grafts stehen beim Menschen insbesondere die beiden Brustwandarterien, die sog. Arteria mammariae als auch die beiden Radialarterien bei intaktem Hohlhandbogen zur Verfügung. In der Vergangenheit sind noch verschiedene andere Arterien chirurgisch evaluiert worden, aber die Langzeitergebnisse haben keine entscheidenden Vorteile gegenüber den Vena saphena magna Grafts aufgewiesen. So konzentriert sich die Verwendung in Köln auf die oben angesprochenen Arteriengrafts. Mit diesen ist eine Einzelversorgung von Gefäßen am Herzen, auch aber eine Versorgung durch die Konstruktion sog. Y- oder T- Grafts möglich. Die Abbildung 5 zeigt die Anlage einer arteriellen Anastomose im Opcab- Verfahren. In jedem Einzelfall sollte allerdings geprüft werden, ob der Patient Risikofaktoren zeigt, die möglicherweise zu einer eingeschränkten Brustkorbheilung führen können, wie es z.b. bei Diabetes, COPD, pavk darstellen. Die individuelle Risikoabwägung ist damit der wichtigste Schritt in der Patientenführung. 9

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Abbildung 5: Anlage einer Bypass-Anastomose an der Herzvorderwand mittels Opcab-Verfahren Hier: Situation vor Knüpfen der Anastomose Herzklappenchirurgie Die meisten Operationen in den letzten 5 Jahren sind in der Klappenchirurgie zu verzeichnen. Die Entwicklung geschieht in drei Gebieten, der sog. minimal-invasiven Mitralklappenchirurgie, der katheterbasierten Aortenklappentherapie sowie der Stent-gestützten Aortenklappenprothesenchirurgie. Die folgenden Übersichten sollen den Leser mit diesen Innovationen, die in den vergangenen 5 Jahren eingeführt wurden, vertraut machen. Minimal-invasive Mitralklappenchirurgie Die minimal-invasive Mitralklappenchirurgie ist 2008 mit Unterstützung des Fördervereins durch die Bereitstellung von geeignetem Instrumentarium in Köln in der Herz- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums eingeführt worden. Grundprinzip ist, dass über eine kleine anterolaterale Thorakotomie rechts der Zugang zur Mitralklappe gewährleistet wird (Abb.6), während der Kreislauf durch die Kanülierung der rechten und Arteria und Vena femoralis in Verbindung mit der Herz-Lungen- Maschine aufrecht erhalten wird. Über diesen kleinen Schnitt ist video-endoskopisch unterstützt es möglich, die Mitralklappe zu rekonstruieren. Dieses Verfahren kommt bei uns bei allen Patienten zur Anwendung, deren präoperative echokardiographische Evaluation zeigt, dass ein isoliertes Klappenvitium vorliegend ist, deren Rekonstruktionsmöglichkeiten von der Seite gegeben sind. Komplexe Patienten wird man auch weiterhin von vorne operieren, insbesondere dann, wenn zusätzliche Operationen am Herzen, wie z.b. die Anlage eines Bypassgrafts oder der Ersatz oder Reparatur einer weiteren Klappe notwendig ist. Darüber hinaus sind die Rekonstruktionsmöglichkeiten von der technischen Breite her im Einzelfall manchmal leichter nach Sternotomie anwendbar, als dies im Einzelfall von der Seite gegeben ist. Der minimal-invasive Zugang hat eine sehr hohe Akzeptanz bei den Patienten, da das kosmetische Ergebnis besser ist als nach einer Sternotomie und die Mobilisierung oftmals schneller von statten geht. Zur Klappenrekonstruktion kommen eine Vielzahl von Methoden zur Anwendung. Hier steht insbesondere die Ringimplantation im Vordergrund, die es ermöglicht, die dilatierte Klappe zu raffen und eine Koadaptation des Segels wieder zu gewährleisten. Darüber hinaus haben wir in den vergangenen Jahren die Technologie der Neo-Chorda-Implantation (Abb.7 und 8) eingeführt, die es erlaubt, zerrissene Sehnenfäden zu ersetzen, um damit hypermobile Segelmomente wieder zu korrigieren. In der Kombination der verschiedenen Operationstechnologien ist praktisch jede insuffiziente Klappe zu rekonstruieren. Besonders gute Ergebnisse sind zu verzeichnen, wenn das posteriore Segel isoliert betroffen ist. Liegt ein gleichzeitiger Befall von Insuffizienzen im anterioren und posterioren Segel vor, ist die Rekonstruktion oftmals anspruchsvoller. Alle Rekonstruktionen werden intraoperativ hinsichtlich ihrer Dichtigkeit geprüft, so dass jeder Patient den Operationssaal mit einer reparierten geprüften Klappe verlässt. Im postoperativen Verlauf erfolgt eine erneute Überprüfung des Rekonstruktionsergebnisses. Langzeitergebnisse zeigen, dass, wenn früh postoperativ eine adäquate Dichtigkeit gegeben ist, die Langzeitergebnisse mit diesem Rekonstruktionsverfahren hervorragend sind. 10

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Abbildung 6: Minimal-invasive Mitralklappen-Rekonstruktion über Mini-Thorakotomie rechts Abbildung 7: Mitralklappenrekonstruktion. Implantation von 4 Neochordae im P2-Segment Abbildung 8: Mitralklappen-Rekonstruktion, Ringimplantation und trianguläre Resektion im P2-Segment 11

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Kathetergestützter Aortenklappenersatz 2008 wurde durch unsere Klinik der kathetergestützte Aortenklappenersatz zunächst transapikal, später transfemoral eingeführt. Das Grundlegende dieser Methode besteht darin, dass die stenotische Klappe durch einen sog. Ballonkatheter im rapped pacing des Herzens, ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine, dilatiert wird. Hiernach werden die jeweiligen Bestecke gewechselt und dann wird eine gecrimpte Klappe im Bereich der nativen Klappe mit einem Ballon aufgeblasen und im alten Kalk der Wand verankert. Abbildung 11: Edwards Sapien-Klappe: Kathetergestütztes Aortenklappenimplantat auf Dilatationsballon Dieses Therapieverfahren ist 2002 in die Klinik eingeführt worden und hat in den vergangenen Jahren eine rapide Zunahme gehabt, da es insbesondere beim älteren Menschen eine Operation auch dann noch ermöglicht, wenn eine konventionelle Operation aus Belastungsgrün- Abbildung 12: Medtronic Ventor: Kathetergestütztes Klappenimplantat Abbildung 9: Gesamtzahl der Aortenklappen-Ersatzoperationen in der Bundesrepublik 2006 bis 2011. Vergleich von Sternotomie und kathetergestützten Klappen. Abbildung 13: Transapikale Aortenklappenimplantation. Hier: Positionierung der Klappe im Aortenannulus Abbildung 10: Die Mitarbeiter der Herz/Thoraxchirurgie bei der Arbeit im Hybrid-Saal 12

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT den ausgeschlossen ist (Abb.9). Derzeit ist dieses Operationsverfahren auf der Basis allgemeiner Konsensusregelung nur für den konventionell nicht operablen Patienten vorgesehen, da die Letalität in Größenordnungen von 7 bis 15% liegt, während sie für den konventionellen Aortenklappenersatz nur ca 2 bis 4% beträgt. Darüber hinaus ist derzeit unklar, wie lange diese katheterinterventionell eingebrachten Klappen halten, da Langzeitergebnisse nicht bekannt sind. Auch wenn die verwendeten Materialien denen der konventionellen Klappen entsprechen, ist derzeit unklar, inwieweit der sog. Crimping-Faktor einen nachteiligen Einfluss auf die Langzeitfunktion ausübt. Vom Herzzentrum der Universität zu Köln sind mittlerweile mehr als 300 solcher interventionell eingebrachten Klappen im Hybridop und Herzkatheter auch in Kooperation mit anderen Häusern interdisziplnär implantiert worden (Abb.10). Die verwendeten Klappentypen sind einmal die sog. Edwards Sapien-Klappe, die Medtronic- Corevalve-Klappe als auch die sog. Symetis- Klappe (Abb. 11-13). Es steht zu erwarten, dass mit Fortschreiten der Technologie weitere Klappentypen auf den Markt kommen und im Rahmen von Studien werden diese unter strengen Sicherheitsauflagen im Universitätsklinikum Köln evaluiert. Für die alten Patienten stellt dieses Behandlungsverfahren eine segensreiche Methode dar. Dies konnte nicht zuletzt im Rahmen einer großen Patientenveranstaltung, bei der Patienten zusammen kamen, die zusammen mehr als 4000 Jahre gemeinsam gelebt hatten, demonstriert werden. Stent-basierte Aortenklappenimplantation Konventionelle Aortenklappen aus Perikard, die derzeit den höchsten Entwicklungsstand der sog. biologischen Prothesen widerspiegeln, halten nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ca. 12 bis 17 Jahre. Die Langzeithaltbarkeit ist von den sog. Antikalzifizierungsbehandlungen abhängig, aber insbesondere auch von dem Patientenalter, bei dem diese Bioprothesen Verwendung finden. Es konnte gezeigt werden, dass die Langzeithaltbarkeit im Alter über 65 Jahre signifikant besser ist als in den jüngeren Jahren, was derzeit auf immunologische Faktoren bei jungen Patienten zugeführt wird. Aortenklappen-Operationen dauern von der sog. Ischämie-Periode etwa 45 Minuten. Mit der zunehmenden Zahl älterer Patienten ist nun überlegt worden, wie man auch diese relativ kurze Herzstillstandzeit verkürzen kann und deshalb ist mit der Stent-Technologie im Rahmen der katheterbasierten Technik eine neue Klappenprothese entstanden, die sog. Stent-gestützte Aortenklappenprothese. Die sog. Stent-gestützte Aortenklappenprothese ist eine Kombination aus einem Stent und einer konventionellen Bioprothese. Sie wird im Rahmen einer konventionellen Operation mit der Herz-Lungen-Maschine eingesetzt, wobei dies zum Teil auch minimalinvasiv über einen sehr kleinen Schnitt erfolgt (Abb.14a und 14b und 15). Der Vorteil ist, dass die Klappe nur noch mit 3 Nähten im Unterschied zu 12 bis 15 Nähten bei der konventionellen Prothese in der Basis verankert wird und die Dichtigkeit über die Aufdehnung eines Stents hergestellt wird. Dadurch wird die sog. Aortenklemmzeit signifikant um ein Drittel bis etwa die Hälfte Abbildung 14a: Implantation einer Stent-gestützten konventionellen Perikard-Aortenklappe 13

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Abbildung 14b: Minimal-invasiver Zugang zur Aortenklappe durch Mini-Sternotomie im oberen Sternumdrittel Abbildung 15: Triton-Stent-gestützte Aortenklappe, seitliches Röntgenbild verkürzt. Zudem ist es möglich, diese Klappe auch minimal-invasiv, d. h. über einen kleinen Schnitt, einzusetzen. Die Herz- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Köln ist im Rahmen einer internationalen Studie an der Evaluation dieser Klappe beteiligt und mittlerweile sind mehr als 50 Patienten mit dieser Klappenprothese mit sehr guten Ergebnissen versorgt worden. Das Flussverhalten dieser Klappe ist im Vergleich zu konventionellen Prothesen insofern besser, als dass in Regel eine Nummer größere Prothesen verwendet werden können, da weniger Nähte in der Basis zu setzen sind. Die Nachverfolgung dieser Patienten wird zeigen, dass diese Vorteile auch im Langzeitverlauf zur Verbesserung führen. Herzunterstützung und Transplantation In den vergangenen 5 Jahren hat sich von der technologischen Seite einiges im Bereich der Herzunterstützung getan. Während vor vielen Jahren noch die sog. extrakorporalen Pumpen bei Patienten mit Herzversagen zur Anwendung kommen, sind in den letzten Jahren die sog. Rotations-Pumpen, die nach der Zentrifugaltechnik arbeiten, zum Einsatz gekommen. Diese Zentrifugalpumpen haben den Vorteil, dass sie im Perikard implantiert werden können und einen sehr viel geringeren Platzbedarf aufweisen als die früheren Aggregate. Hierdurch wird das Infektionsrisiko nachhaltig gesenkt, ohne dass die haemodynamische Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Das am meisten verwendete System in den vergangenen 5 Jahren ist das sog. Heartware-System. Hierbei handelt es sich um ein elektrisch betriebenes Zentrifugalsystem, welches an der Spitze des linken Ventrikels implantiert wird und über einen Dacron-Schlauch das Blut in die Aorta aszendens fördert. Das System wird durch einen externen Controller gesteuert, an dem die Batterien untergebracht sind und erlaubt es dem Patienten sich über mehrere Stunden unabhängig zu bewegen, bis die Batterien wieder aufgeladen werden müssen. Zum Einsatz kommt dieses System beim terminalen Linksversagen und die besten Ergebnisse werden bei dem Patienten erzielt, die im chronischen Herzversagen elektiv operiert werden. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass die sog. notfallmäßige Linksherzunterstützungstherapie mit einem sehr hohen Letalitätsrisiko verbunden ist, so dass wir diese nur noch im Einzelfall nach Ausschöpfung aller konventionellen Therapiemaßnahmen zur Anwendung bringen. Hingegen sollte auf der anderen Seite die Vorstellung eines Patienten zur elektiven Assist-Device-Implantation frühzeitig erfolgen. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Patient im chronischen Herzversagen rezidivierend stationär aufgenommen werden muss, weil die konventionelle medikamentöse Therapie nicht mehr ausreicht. 14

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Abbildung 18: Übersicht über die univentrikulären Herzunterstützungen in der Bundesrepublik Deutschland von 2004 bis 2011 Bundesweit sind die Zahlen für die Herzunterstützung linksventrikulär zunehmend, 2011 wurden mehr als 600 Implantate eingesetzt (Abb.18) Transplantation Neben der Herztransplantation, die in Köln schon seit vielen Jahren durchgeführt wird, haben wir im Jahre 2012 die ersten Lungen transplantiert. Die Lungentransplantation ist ein Therapieverfahren für die austherapierte Lungenerkrankung, wozu hauptsächlich die Lungenfibrose und das chronische Lungenemphysem zählen. Aufgrund der langen Wartezeiten, sowohl im Bereich der Herztransplantation als auch im Bereich der Lungentransplantation, ist eine frühzeitige Vorstellung dieser Patienten in unserer Transplantatiopnsambulanz angezeigt. Die Wartezeiten für eine Herztransplantation betragen derzeit ca. 5 bis 9 Monate in Abhängigkeit von der Blutgruppe. Ähnliches gilt für die Lungentransplantation. Die Rehabilitation dieser oft chronisch kranken Patienten ist im Einzelfall schwierig, da postoperativ über einen langen Zeitraum mit der Unterstützung der Rehabilitation die präoperativ verlorene Kraft wieder gewonnen werden muss. Nichts desto trotz stellt diese Behandlungsform eine segensreiche Therapie dar und es ist uns ein Anliegen, durch eine frühzeitige Vorstellung dieser Patienten in der Herz- und Lungeninsuffizienz eine gute Planung im Einzelfall gewährleisten zu können. Thoraxchirurgie Einen weiteren Schwerpunkt der Klinik stellt die Lungenchirurgie dar. Das Team um Professor Wahlers wurde im Jahr 2011 verstärkt durch Herrn Prof. Dr. Hekmat, der sich über viele Jahre, zuletzt am Universitätsklinikum Jena, in das Gebiet der Thoraxchirurgie und insbesondere das Gebiet der minimal-invasiven Thoraxchirurgie eingebracht hat. Mit der Ausgestaltung dieses Schwerpunktes unter Herrn Professor Hekmat ist die minimal-invasive Therapie von Lungentumoren weiter ausgebaut worden und praktisch alle Formen des Bronchial-Carcinoms werden heute über minimal-invasive Zugänge operiert. Darüber hinaus haben wir für die Therapie von Lungenmetastasen einen speziellen Laser angeschafft, der es erlaubt, auch komplexe Lungenmetastasen ohne großen Parenchymverlust, blut- und resektionsverschließend zu resezieren. Die enge Kooperation mit dem Centrum für Integrierte Onkologie erlaubt eine individuelle Patientenführung und sorgfältige Nachtherapie. Eine sehr enge Kooperation besteht auch mit der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, wo Herr PD Dr. Frank die Kranken prä- und postoperativ im Rahmen der Diagnostik und Nachsorge betreut. Darüber hinaus besteht eine enge Kooperation mit der Schwester-Klinik in Köln-Kalk, wo gleichfalls Lungenoperationen in der Zusammenarbeit mit der dortigen Pneumologie durchgeführt werden. Schrittmacher- und Defibrillator-Therapie Das Herzzentrum der Universitätsklinik Köln hat einen weiteren Behandlungsschwerpunkt in der Schrittmacher- und Defibrillator-, respektive Zwei- und Dreikammer-Aggregat-Therapie. Es werden pro Jahr mehr als 400 Aggregate implantiert, darüber hinaus werden zahlreiche Revisionsoperationen für andere Häuser im Sinne der Maximalversorgung durchgeführt. Bundesweit zählen damit zu den Spitzenzentren (Abb.16). Abbildung 16: Übersicht über die Cardioverter-Defibrillator-Operationen in der Bundesrepublik Zur Anwendung kommen Aggregate verschiedener Hersteller und in jedem Einzelfall verfolgt die kritische interdisziplinäre Abstimmung welches Aggregat am besten zur Anwendung kommt. Der stationäre Aufenthalt für eine Schrittmacher/Defibrillator-Implantation beträgt ca 2 Tage, wenn keine zusätzlichen Erkrankungen bei dem Patienten gegeben sind. In der Regel werden die Aggregate in Lokalanästhesie in einem speziellen OP implantiert. Besondere Erfahrungen liegen auch bei Schrittmacher-Problem-Patienten vor. Als Haus der Maximalversorgung erhalten wir sehr viele Zuweisungen aus anderen Häusern, die über keine Herzchirurgie verfügen und bei komplexen Schrittmacher-Revisions-Operationen Probleme haben. Durch den Einsatz moderner Sondenextraktionssysteme gelingt es in vielen Fällen, auch die Sonden zu entfernen, die in anderen Häusern Schwierigkeiten bereiten. Mit diesem Programm, das Herr PD Dr. Madershahian mit einer hohen persönlichen Expertise betreut, werden diese Operationen durchgeführt. 15

6 JAHRE IM NEUEN HERZZENTRUM RÜCKBLICK AUS HERZ-/THORAXCHIRURGISCHER SICHT Pulmonale Hypertonie und Operation Die Klinik für Kardiologie hat einen besonderen Schwerpunkt in der Behandlung der pulmonalen Hypertonie. Der zuständige Oberarzt, Herr Prof. Dr. Rosenkranz, betreut in seiner Ambulanz eine Vielzahl von ambulanten Patienten, denen in den meisten Fällen über eine chronische Medikamentenapplikation bei bestehendem pulmonalen Hypertonus geholfen werden kann. In den Fällen, in denen chronische Lungenembolien zu einer Erhöhung des pulmonal-arteriellen Drucks geführt hat, der konventionell nicht mehr therapiert werden kann, ist im Einzelfall die sog. pulmonale Thrombendarteriektomie angezeigt. Wir haben dieses Therapieverfahren in den vergangenen 5 Jahren eingeführt und in der Kooperation mit der Klinik für Kardiologie und Pulmologie eine Vielzahl von Patienten erfolgreich operiert. Über die enge interdisziplinäre Abstimmung ist es das Ziel, den geeigneten Operationszeitpunkt zu definieren, denn das Operationsrisiko im Sinne des postoperativen Lungen- oder Herzversagens erhöht sich signifikant, wenn der Widerstand der Lungenstrombahn 1000 dyn x sec x cm-5 überschreitet (Abb.17). In einer gemeinsamen Konferenz werden diese Kranken besprochen und die Indikation zur Operation gestellt. Unter dem Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und einer Operation mit intermittierendem Kreislaufstillstand werden die Verdickungen der Lungenschlagader entfernt. Hierdurch kommt es relativ früh postoperativ zu einer nachhaltigen Senkung des Lungenschlagaderhochdrucks aber auch in Einzelfällen zu einem Reperfusionsschaden der Lunge, so dass der individuellen Intensivtherapie bei dieser Therapieform eine hohe Bedeutung zukommt. Wir haben es uns als Zentrum zum Ziel gesetzt, interdisziplinär in Abstimmung die Entscheidungsfindung für diese Kranken zu treffen. Entsprechende Zuweisungen sollten an die Pulmonale Hypertonie-Ambulanz der Kardiologie und Pulmologie erfolgen. Zusammenfassung Die vorliegende Übersicht mag Ihnen aufgezeigt haben, dass eine Vielzahl von Innovationen in den vergangenen 6 Jahren im Herzzentrum zur Anwendung bei der Behandlung Ihrer und unserer Patienten eingeführt werden konnte. Die zunehmende Altersproblematik, die zunehmende Komplexität von Erkrankungen, respektive die Multimorbidität unserer Patienten macht im Einzelfall die immer differenzierte Abstimmung der Therapieverfahren notwendig. Im Herzzentrum haben wir hierfür eine Interaktionsform gefunden, die es ermöglicht, in jedem Einzelfall die beste Therapiewahl sei es konservativ, sei es operativ zu treffen. Ein Herz hat wer es für andere hat! Wir versuchen, ein Herz für jeden Einzelnen zu haben, damit wir jeden einzelnen Patienten als Individuum behandeln, um jedem Patienten in seiner Individualität und in seiner spezifischen Krankheit gerecht zu werden. An diesem Anspruch möchten wir uns messen lassen und setzen auf das Vertrauen in die Interaktion zwischen Ihnen und uns. Korrespondierender Autor: Abbildung 17: Thrombendarteriektomie-Zylinder, der aus der Lungenstrombahn bei einer PTE-Operation entfernt wurde Univ.-Prof. Dr. med. Thorsten Wahlers Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie Universität zu Köln Kerpener Straße 62, 50937 Köln E-Mail: thorsten.wahlers@uk-koeln.de 16

PRESSEINFORMATION Aktualisierte ESC-Leitlinie bei systolischer Herzinsuffizienz: Neue ESC-Leitlinie stärkt Rolle von Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten Belgrad/Berlin: 4. Juni 2012: Die durch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der akuten und chronischen Herzinsuffizienz betont die Bedeutung der Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten (MRAs). Die additive Empfehlung für MRAs wurde auf alle Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz und niedriger Auswurffraktion (LVEF < 35 %) ausgeweitet, wenn sie trotz der Therapie mit einem Betablocker und ACE-Hemmer (oder AT 1 - Blocker, falls ACE-Hemmer unverträglich) symptomatisch bleiben (Empfehlungsgrad IA). 2 Damit berücksichtigt das ESC-Gremium insbesondere die Ergebnisse der EMPHASIS-HF-Studie mit Eplerenon (Inspra ). Diese erbrachte den Evidenznachweis für symptomatische Patienten der NYHA-Klasse II mit systolischer Dysfunktion. Darauf basiert ebenfalls die im Februar 2012 erteilte Zulassungserweiterung für Eplerenon in dieser Indikation (s. Fachinformation). Vieles hat sich seit der letzten, 2008 publizierten Version getan, so Prof. John McMurray, Glasgow, 1 der als Chairman des ESC-Gremiums die wichtigsten Neuerungen vorstellte. Bei der Aktualisierung der Empfehlungen wurde besonderes Gewicht auf neue Erkenntnisse aus evidenzbasierten Studien gelegt. Ziel der neuen Leitlinien ist es, das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz sowie das Mortalitätsrisiko zu reduzieren. 2 MRAs werden in den Leitlinien bei allen Patienten empfohlen, die trotz Therapie mit einem ACE-Hemmer (oder AT 1 -Blocker, falls ACE-Hemmer nicht toleriert werden) und einem Betablocker, persistierende Symptome (NYHA-Klassen II-IV) und eine LVEF < 35 % aufweisen (IA). Neu im Fokus bei chronischer Herzinsuffizienz: Senkung von Morbidität und Mortalität 2 Dies ist umso bedeutender, da trotz der Fortschritte bei der Behandlung die chronische systolische Herzinsuffizienz weiterhin durch eine schlechte Prognose charakterisiert ist. Laut neuester epidemiologischer Daten ist ein Jahr nach Hospitalisierung gut die Hälfte der Patienten entweder tot oder wird rehospitalisiert, gab Prof. Piotr Ponikowski, Wroclaw, Polen, anlässlich des Satellitensymposiums zur praktischen Umsetzung der Leitlinien zu bedenken. Hierbei spielt die zunächst adaptive und im chronischen Verlauf pathologische neurohormonale Aktivierung in der Entwicklung der Herzinsuffizienz eine zentrale Rolle, so Ponikowski. 1 Mineralkortikoidrezeptor-Antagonisten: IA- Evidenzgrad durch EMPHASIS-HF untermauert Wurde in der Vorgängerversion der Leitlinie der additive Einsatz von MRAs auf Patienten in den NYHA-Stadien III-IV begrenzt (RALES-Studie 6 mit Spironolacton, Evidenzgrad IB), deckt jetzt das Studien-Duo EM- PHASIS-HF/RALES (Evidenzgrad IA) in den aktuellen ESC-Leitlinien das gesamte Spektrum der symptomatischen Herzinsuffizienz (NYHA II-IV) mit systolischer Dysfunktion und niedriger Auswurffraktion ab. Auch wenn Patienten mit leichter Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse II und systolischer Dysfunktion im Rahmen der bisherigen Standardtherapie mit einem ACE-Hemmer bzw. AT 1 -Blocker und Betablocker optimal behandelt werden, weisen sie eine schlechte Prognose auf. Der Krankheitsverlauf wird durch häufige Hospitalisierungen verkompliziert, und die Lebenserwartung bleibt deutlich reduziert. Während einer medianen Studiendauer von 21 Monaten konnte bei diesen Patienten in der EMPHASIS-HF-Studie (Eplerenone in Mild Patients Hospitalization And SurvIval Study in Heart Failure) der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz durch die additive Therapie mit Eplerenon um 37 %, die Gesamtmortalität um 24 % sowie die Inzidenz von Herzinsuffizienz-bedingten Klinikeinweisungen um 42 % signifikant gesenkt werden. 3 Wiederholte Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz, ein wichtiges Indiz für den Krankheitsverlauf, waren im Rahmen des verlängerten 25-monatigen Follow-up unter Eplerenon um 38 % seltener. 4 Auch Subgruppen mit weiteren Risiken wie Patienten mit höherem Alter, Diabetes mellitus und eingeschränkter renaler Funktion profitierten gleichermaßen, erläuterte Prof. Faiez Zannad, Nancy, Frankreich. 1 Leitlinienimplementierung: Optimaler Benefit durch genaues Therapiemonitoring In der täglichen Praxis sollte man sich sowohl im Hinblick auf den Einsatz von Eplerenon als auch auf die erforderliche Titration zur optimalen Dosis weder vom Risiko einer Hyperkaliämie noch von etwaiger Verschlechterung der Nierenfunktion abschrecken lassen, empfahl Zannad. 1 Der klinische Benefit der Eplerenon-Therapie ist davon unabhängig. Werden Kaliumspiegel wie vorgeschrieben kontrolliert, ist eine signifikant höhere Inzidenz schwerer Hyperkaliämien (> 6,0 mmol/l) nicht zu befürchten. Dies konnte in der EMPHASIS-HF-Studie gezeigt werden. Literatur: 1 ESC Heart Failure Congress 2012. Belgrad, 19.-22. Mai 2012 2 McMurray J et al. Eur Heart J. 19. Mai 2012 (Epub ahead of print) 3 Zannad F et al. N Engl J Med. 2011;364:11-21 4 Pitt B et al. ESC Congress 2011. Paris, 27.-31. August 2011 5 Pitt B et al. N Engl J Med. 2003;348:1309-21 6 Pitt B et al. N Engl J Med. 1999;341:1349-55 7 Fachinformation Inspra 25 mg/50 mg (Februar 2012)

WIE SIEHT DIE OPTIMALE KORONARINTERVENTION 2012 AUS? Wie sieht die optimale Koronarintervention 2012 aus? ein kritischer Überblick Prof. Dr. Erland Erdmann Zur Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim 11. 14. April 2012 war ich gebeten worden, ein möglichst kontroverses Statement zur heute optimalen Therapie der Patienten mit Angina pectoris und Hauptstammstenose abzugeben, damit wir das Für und Wider unter Fachleuten anschließend (aus)diskutieren könnten. Nun muss man wissen, dass die Hauptstammstenose (siehe Abb. 1) eigentlich eher als eine Operationsindikation und nicht als eine Domäne der interventionellen Kardiologie, also als für einen Stent ungeeignet, angesehen wird. Mir war der Kontrapart zugedacht worden, ich sollte also den Standpunkt vertreten, eine Hauptstammstenose gehört operiert. Obwohl ich aus erfahrungsbedingten Sicherheitsgründen eher konservativ denke und deshalb die herzchirurgische Versorgung von Patienten mit komplexer koronarer Herzerkrankung in der Regel für besser halte als die katheterinterventionelle, musste ich mich den meisten Argumenten, die für eine Dilatation der Herzkranzgefäße und eine Stentimplantation sogar bei Hauptstammstenosen vorgebracht wurden, doch weitgehend anschließen. Die Fortschritte der Aufdehnung, Wiedereröffnung und Stabilisierung eingeengter oder verschlossener Herzkranzgefäße sind inzwischen so großartig, dass der Herzchirurg heutzutage nur noch bei sehr komplexen Situationen, die der Kardiologe (z. Zt. noch) nicht beherrscht, gefordert ist. Wie ist es eigentlich dazu gekommen? Geschichtliches Prof. Forßmann (1904 1979) bekam 1956 zwar den Nobelpreis dafür, dass er 1929 einen Katheter von der Armvene aus in das Herz vorgeführt hatte, das betraf aber nur die rechte Vorkammer und den rechten Ventrikel. Auch ergaben sich aus seiner damaligen Pioniertat keine diagnostischen oder therapeutischen Konsequenzen. Prof. Grüntzig (1939 1985) gelang 1977 erstmalig bei einem symptomatischen Patienten mit einer 80% Stenose der linken vorderen Herzkranzarterie (LAD) mit einem selbst verfertigten Ballonkatheter die im Übrigen auch nach 10 Jahren noch erfolgreiche Aufdehnung des Koronargefäßes. Sehr bald stellte sich aber heraus, dass die lediglich dilatierten Koronarstenosen sich in >50% der Fälle wieder verengten (Restenose). Dies war besonders bei proximal gelegenen Stenosen und insbesondere bei der Hauptstammstenose wegen der Infarktgefährdung problematisch. Deshalb haben wir bereits in den 80iger Jahren die Dilatation der Hauptstammstenose wieder verlassen. Als Prof. Ulrich Sigwart vor genau 25 Jahren erstmalig erfolgreich Stents in die Koronarstenosen implantierte, glaubten wir initial, dass das Restenoseproblem beherrscht sei. Leider kam es aber zum einen in einem hohen Prozentsatz zum akuten thrombotischen Verschluss und zum anderen in etwa 30% der Fälle zur späteren Restenose der Stents. Der Akutverschluss ließ sich vermeiden, als man herausfand, dass die duale Plättchenhemmung (mit Aspirin und Ticlopidin oder Clopidogrel) diesen praktisch immer verhinderte. Die Restenosen wurden sehr viel seltener durch Beschichtung der Stents mit proliferationshemmenden Substanzen (Paclitaxel, Sirolimus etc.). Da diese Proliferationshemmer aber auch das Überwachsen des Stentmaterials durch das körpereigene Gefäßendothel verhindern, muss die doppelte Thrombozytenaggregationshemmung wenigstens 6, besser 12 Monate lang fortgeführt werden. Trotzdem bleiben akute thrombotische Verschlüsse mit 50% Infarktinzidenz eine große Gefahr der beschichteten Stents, besonders, wenn, aus welchen Gründen Abbildung 1: Die 90 % LCA-Hauptstammstenose ist einer Dilatation und Stentimplantation sehr gut zugänglich und bedarf keiner Bypassoperation 18

WIE SIEHT DIE OPTIMALE KORONARINTERVENTION 2012 AUS? auch immer, Aspirin oder Clopidogrel abgesetzt werden (müssen). Da die Lebenserwartung nach Implantation eines unbeschichteten Stents (BMS = bare metal stent) oder eines beschichteten Stents ( DES = drug eluting stent) nach ~3 Jahren gleich ist, hängt die Differentialtherapie davon ab, ob große oder kleine Gefäße, kurze oder lange Stenosen gestentet werden müssen oder ob der Patient Vorhofflimmern hat oder ob eine nichtkardiale Operation bevorsteht. In den letzten beiden Fällen sollte wegen des höheren Blutungsrisikos kein DES gegeben werden. Es bleibt also in der Regel eine ärztliche Einzelfallentscheidung, welcher Stent implantiert wird. So kompliziert dieser Sachverhalt erscheinen mag, so sollte man doch darauf hinweisen, dass Restenosen heutzutage nur in 10 15% auftreten und in der Regel durch eine erneute Dilatation, eventuell mit einem beschichteten Ballon, sehr gut behandelt werden können. Die langsam sich entwickelnde Restenose des BMS kündigt sich meist rechtzeitig durch erneute Angina pectoris oder eine Ischämiereaktion an, so dass man gut intervenieren und der Patient nach 1 2 Tagen Krankenhausaufenthalt wieder nach Hause gehen kann. Abbildung 2 a: Eine komplexe Hauptstammstenose, die sich nicht zur Stentimplantation eignet und besser operiert werden sollte Stentimplantation oder Bypass-Operation? Wenn technisch möglich wird heute bei symptomatischen Koronarstenosen in der Regel ein Stent implantiert. Die Bypass-Operation ist komplikationsbehafteter, dauert länger (u.a. mehrere Wochen Kliniksaufenthalt) und ist sehr viel teurer. Dafür gibt es deutlich weniger Restenosen. Allerdings können sich in ~10% auch Bypasses akut verschließen, und nach 10 Jahren sollen ~50% der aortokoronaren Venenbypasses nicht mehr durchgängig sein. Da in der Regel neben arteriellen- auch Venenbypasses (zusätzlich) verwendet werden müssen, ist dieser Aspekt nicht unwichtig. Deshalb empfiehlt man dem Koronarpatienten heute nur dann eine Bypassoperation, wenn z. B. bei einer Dreigefäßerkrankung zu viele Stents gesetzt werden müssten und/oder die Komplikationsgefahr zu groß wird, oder, wenn die Stentimplantationen z. B. wegen anatomisch ungünstiger Lage der Stenosen zu schwierig und damit gefährdend würden. Der erfahrene und verantwortungsbewusste Kardiologe weiß sehr genau, bei welchen Fällen er einen oder mehrere Stents implantiert oder wann er lieber den Herzchirurgen involviert. Derartige komplizierte Fälle werden heute regelhaft in der Herzkonferenz mit allen Fachkollegen ausführlich besprochen, so dass eine gemeinsam verantwortete Entscheidung natürlich unter Einbeziehung des Patientenwunsches getroffen werden kann. Man spricht dann von einer Entscheidung des Herzteams, die immer auch schriftlich fixiert wird. Abbildung 2 b: die RCA des Pat. mit der komplexen Hauptstammstenose war ebenfalls hochgradig atherosklerotisch verändert. Hier empfiehlt sich eine Bypassoperation Was tun bei einer Hauptstammstenose? Kurz und (etwas) vereinfacht zusammengefasst besteht aus meiner Sicht wahrscheinlich Konsens zwischen den meisten Herzchirurgen und Kardiologen hinsichtlich folgender möglicher Situationen: 1. es handelt sich um eine isolierte gut mit einem Stent angehbare Hauptstammstenose (siehe Abb.1): dann wird (nach Aufklärung des Patienten über die Alternativen) ein Stent implantiert 2. es besteht eine koronare Mehrgefäßerkrankung mit zusätzlicher Hauptstammstenose, alle Stenosierungen erscheinen gut zugänglich für eine Dilatation bzw. eine Stent- Implantation: in der Regel werden dann die notwendigen Stents implantiert, die Bypassoperation ist aber eine gute Alternative 3. Die Hauptstammstenose erscheint komplex, z.b. in der Bifurkation der LAD und der CX und/oder es bestehen Koronarstenosierungen, die sich nicht zur Dilatation anbieten (siehe. Abb. 2a und 2 b): damit ist eine eindeutige Indikation zur Bypassoperation gegeben. 19

WIE SIEHT DIE OPTIMALE KORONARINTERVENTION 2012 AUS? Die meisten Kardiologen werden die unter 1) und (wenn alternativ) unter 2) genannten Situationen also mit gutem Gewissen koronarinterventionell angehen. Das erscheint mir nach den durch die Literatur belegten Ergebnissen kontrollierter Studien auch indiziert. Die SYNTAX-Studie unterstreicht diese Meinung ebenfalls (1), da die Patienten mit den unter 1. und 2. genannten Koronarbefunden auch nach drei bzw. 4 Jahren eine mindestens genauso gute Prognose nach Stentimplantation hatten (2). Hingegen wird die unter 3) beschriebene Situation aus meiner Sicht auf absehbare Zeit eine Domäne der Herzchirurgie bleiben. Hier waren die Studienergebnisse nach Bypassoperation besser. sollten komplexe Situationen mit oder ohne Hauptstammstenose immer vorher mit den Herzchirurgen besprochen werden. Dies dient nicht nur der gegenseitigen Wertschätzung sondern auch der Reduzierung von vermeidbaren Notfallsituationen. Die professionelle, emotionslose gemeinsame Entscheidung in einem Herzteam sollte überall eine Selbstverständlichkeit sein. Warum ist eine konservative (= operative) Therapieentscheidung oft besser? Eine primär operative Koronarrevaskularisation hat eine geringe Letalität (je nach Alter und Begleiterkrankungen <5%) und eine gute postoperative Prognose hinsichtlich Beschwerdefreiheit und Leistungsfähigkeit. Das sieht bei notfallmäßigen Bypassoperationen ganz anders aus. Deshalb sollte man sich bemühen, diese so gut es geht zu vermeiden. Die Qualität eines gut geführten Herzkatheterlabors lässt sich auch daran ablesen, wie häufig bei komplexen Interventionen Notfallsituationen entstehen, die dann die mit deutlich schlechteren Ergebnissen belastete akute Bypass-Operation nötig machen. Derartige ungute Situationen sollten die extreme Ausnahme bleiben, da sie oft auch die Selbstüberschätzung der Interventionalisten anzeigen. Weiterhin glaube ich nach mehrfacher gutachterlicher Erfahrung, dass eine Hauptstammstenose nur in einem Haus mit Herzchirurgie angegangen werden sollte. Die Kölner Situation Korrespondierender Autor: Prof. Dr. med. Erland Erdmann Herzzentrum der Universität zu Köln Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin Kerpener Straße 62, 50937 Köln Tel.: +49 221 / 47 83 25 11 Fax: +49 221 / 47 83 25 12 E-Mail: erland.erdmann@uni-koeln.de www.herzzentzrum-koeln.de und http://herztv.de/ Foto: N. Hanano In Köln besprechen wir alle Hauptstammstenosen auf unserer Herzkonferenz und legen dort gemeinsam das optimale Procedere fest. Wirkliche kardiologische/herzchirurgische Kontroversen hat es in den letzten Jahren diesbezüglich nicht gegeben. Aus meiner Sicht Literatur: 1. Serruys et al., N Engl J Med 2009;360:961-72 2. Kappetein et al., European Heart Journal (2011) 32, 2125-2134 20