"Bockbier" Julian Kurzidim Referat, FH Braunschweig-Wolfenbüttel 28.5.1999 www.kurzidim.de



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Transkript:

"Bockbier" Julian Kurzidim Referat, FH Braunschweig-Wolfenbüttel 28.5.1999 www.kurzidim.de Vorwort Bier ist das deutsche Volksgetränk. Jeder Bewohner unseres Landes trinkt davon jedes Jahr etwa 140 Liter. Doch nicht jeder weiß, daß Bier mehr ist als das Angebot im Supermarkt, daß es allein in Deutschland elf eigenständige Sorten gibt, eigentlich noch mehr, da es viele von ihnen hell und dunkel gibt. Ich persönlich bevorzuge aus dieser Auswahl neben den Weizen- vor allem die starken Bockbiere, eine Biersorte, die selbst im Mai im Schatten des übermächtigen Pils und des aufstrebenden Weizen steht. Über sie möchte ich daher mein Referat halten. Befürchtungen, ich würde zu ungehemmtem Bierkonsum weit über den Durst aufrufen, möchte ich mit einer Beschreibung meiner eigenen Trinkgewohnheiten entgegenwirken: Ich trinke nur selten mehr als eine Flasche Bier am Abend und 3-4 in der Woche, mein Bierkonsum liegt also unter den deutschen Durchschnitt. Ich bin mehr ein Biergenießer als ein Biertrinker. Deshalb möchte ich hier nicht zum übermäßigen Konsum oder gar zum Mißbrauch dieses Getränks aufrufen. Ich möchte vielmehr auf eine Biersorte aufmerksam machen, die meiner Meinung nach mehr Aufmerksamkeit verdient, als ihr im Moment zuteil wird. Wer sich auf das Bockbier oder auch auf andere seltene Biersorten einläßt und mit ihm umzugehen weiß, wird seine Freude daran haben. Inhalt 1. Kurze Beschreibung des Brauvorgangs 1.1. Arbeitsschritte vor der Gärung 1.2. Stammwürze 1.3. Unter-und Obergärung 1.4. Das Reinheitsgebot 2. Das Bockbier - eine deutsche Brautradition 2.1. Definition und Entstehungsgeschichte 2.2. Unterarten des Bockbiers 2.2.1. Doppelbock 2.2.2. Maibock und Weihnachtsbock 2.2.3. Eisbock 2.2.4. Weizenbock 2.3. Problematische Aspekte des höheren Alkoholgehalts 3. Ist Bier Kulturgut oder Konsumartikel? 3.1. Des Reinheitsgebot in der heutigen Zeit 3.2. Der deutsche Biermarkt 3.2.1. Der Wandel vom Export zum Pils 3.2.2. Die Bockbiere auf dem deutschen Biermarkt 1. Kurze Beschreibung des Brauvorgangs

1.1. Arbeitschritte vor der Gärung Das Braugetreide wird in Wasser eingelegt und dadurch zum Keimen gebracht. Anschließend wird es dann geröstet: Ab jetzt ist es Malz genannt. Hier entsteht auch der Unterschied zwischen hellem und dunklem Malz; letzteres wird länger und heißer geröstet. Der erste eigentliche Brau-Arbeitsgang ist das Maischen. Das Malzschrot wird in Wasser bis auf 78 C erhitzt: bei dieser Temperatur wird die Stärke im Malz von ebenfalls malzeigenen Enzymen in den Malzzucker umgewandelt, der später zur Vergärung gebraucht wird. Nach dem Herausfiltern der unlöslichen Bestandteile wird die Maische dann Würze genannt. Diese Würze wird etwa 1-1,5 Stunden gekocht und dabei der Hopfen zugegeben; dieser bewirkt neben dem bitteren Geschmack auch eine längere Haltbarkeit und eine stabilere Schaumkrone. Nach dem Kochen kühlt man die Würze ab, bis die passende Temperatur für die Hefe erreicht ist. Deren Zugabe löst schließlich den Beginn der Gärung aus. 1.2. Stammwürze Die Stammwürze wird vor der Gärung gemessen. Sie bezeichnet den Gewichtsanteil des gärfähigen Zuckers in der Würze: 12% Stammwürze bedeuten, daß in einem Liter Würze 120 Gramm Zucker gelöst sind. Bei der Gärung wird etwa ein Drittel des Zuckers Kohlendioxid zu umgesetzt und ein weiteres Drittel zu Alkohol. Das dritte Drittel verbleibt im Bier. Der Umrechnungsfaktor von Stammwürze in Gewichtsprozent zu Alkohol in Volumenprozent beträgt daher ungefähr 0,4: Pils, Alt und Kölsch erreichen mit 11-12 % Stammwürze etwa 4,5-5 Prozent Alkohol, Export und Weizen mit 12-13% Stammwürze 5-5,5 %, und bei Märzen bzw. Oktoberfestbier liegen die Werte bei 13-14% und 5,5-6%. 1.3. Ober- und Untergärung Mit ober- und untergärig wird die Art der benutzten Hefe bezeichnet: obergärige Hefe schwimmt nach der Gärung auf dem Bier, untergärige sinkt ab zum Boden des Gärgefäßes. Dieser Unterschied hat Folgen für die Gärung des Bieres und das Bier selbst. Die Obergärung findet bei 15-25 C in etwa 2-3 Tagen statt. Obergäriges Bier läßt sich also ohne künstliche Kühlung das ganze Jahr über herstellen. Sein Nachteil liegt jedoch in der geringeren Haltbarkeit, da die obergärige Hefe verschiedene Stoffe in der Würze unangetastet läßt. In Bayern war diese Brauart den herzoglichen Hofbräuhäusern vorbehalten, alle anderen durften nur untergärig brauen; in Norddeutschland dagegen wurde bis ins 19. Jahrhundert fast nur obergärig gebraut. Wenn also die Gröninger-Brauerei ihre Hanseaten-Weisse als Alt-Hamburger Weizenbier anpreist, hat das seine volle Berechtigung. Die Untergärung dagegen benötigt Temperaturen von 5-10 C und eine Zeit von bis zu 10 Tagen; danach wird das Bier zur Reifung 3-6 Wochen bei etwa 0 C gelagert ( Lagerbier ). Aufgrund der notwendigen Kälte konnte untergäriges Bier bis zur Erfindung des Kühlaggregats im 19. Jahrhunderts nur im Winter gebraut werden. Dann aber begann es seinen Siegeszug und verdrängte in Norddeutschland das obergärige Bier fast vollständig - bis auf einige Überreste: Berliner Weiße, Kölsch und Alt - beim letzteren weist schon der Name auf die alte, obergärige Brauart hin. 1.4. Das Reinheitsgebot Im Jahre 1516 erließ der bayerische Herzog Wilhelm IV. die berühmt gewordene Verordnung, nach der zu kainem Pier merer Stuckh dann allain Gersten-Hopfen-Wasser genomen und gepraucht solle werden. Die Ausdehnung dieses Gebots auf ganz Deutschland zeigt die Bedeutung des Reinheitsgebots für Bayern: Dies war 1918 eine der drei bayerischen Bedingungen, um im Deutschen Reich zu verbleiben. Da nur der Herzog und seine Hofbräuhäuser das Recht zum obergärigen Brauen besaßen, wurde hier das Reinheitsgebot nicht so eng gesehen, und es entstand das Weizenbier. Bis heute trennt das Reinheitsgebot, das heute im Deutschen Biersteuergesetz verankert ist, zwischen ober- und untergärigem Bier und erlaubt fürs erste nur Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser, fürs letztere auch andere Malze und Zucker. Zum Reinheitsgebot auch 3.1. 2. Das Bockbier - eine deutsche Brautradition

2.1. Definition und Entstehungsgeschichte Ohne Einbeck gäbs kein Bockbier, behauptet stolz das Einbecker Brauhaus, und tatsächlich ist diese südniedersächsische Stadt der Geburtsort des Bocks. Es begann im Mittelalter, als Einbeck ein bedeutendes Zentrum der Bierherstellung war. Es war natürlich nicht das einzige Brauzentrum Norddeutschlands, unter anderem war auch Hamburg für sein Bier berühmt. Und wie in Hamburg war es auch in Einbeck Vorschrift, daß der städtische Braumeister das von den Bürgern hergestellte Bier zu verkosten und nur bei ausreichender Qualität zum Verzehr und Verkauf freizugeben hatte. Im Mittelalter gab es nur zwei Arten, Bier länger haltbar zu machen: entweder durch mehr Hopfen oder höheren Alkoholgehalt. Während Hamburg die erste Methode wählte (und so die friesisch-herbe Geschmacksrichtung schuf), griffen die Einbecker zur zweiten Möglichkeit, und brauten für den Handel Starkbier. Dieses Bier, wie im Norden üblich ein obergäriges Weizenbier, fand seine Freunde in ganz Deutschland und darüber hinaus. Ab etwa 1550 belieferten die Einbecker auch den bayerischen Hof mit ihrem Bier. Und auch hier fand es seine Freunde. Es wird behauptet, daß das Münchner Hofbräuhaus einen Einbecker Braumeister abwarb; diese Geschichte wird jedoch manchmal angezweifelt, so daß ich sie hier nur erwähnen möchte. Fest steht jedoch: Im Jahr 1614 gelang es dem Braumeister des Hofbräuhauses, ein dem Einbecker Bier gleichwertiges starkes Bier herzustellen. Starkbier wurde bald auch außerhalb des Hofbräuhauses gebraut. Da gewöhnliche Bayern jedoch nur untergärig und wegen des Reinheitsgebots nur mit Gerstenmalz brauen durften, wurde das Bockbier hier zu den untergärigen Gerstenbier, das es noch heute ist. Der bayerische Dialekt verwandelte den Namen Einbeck zu Oanbock, was sich mit der Zeit zu Bock verkürzte. Die Biereinteilung des Deutschen Biersteuergesetzes schreibt für Bockbier einen Stamm-würzegehalt von mindestens 16 Prozent vor. Daraus ergibt sich dann bei vollständiger Vergärung ein Alkoholgehalt von mindestens 6,5%. Es gibt helle und dunkle Bockbiere und eine ganze Reihe Geschmacksrichtungen. Der Begriff Bockbier ist also praktisch eine Sammelbezeichnung für Starkbiere aller Art. Zur Reifung gelagert wird es meist länger als ein normalstarkes Bier - hier sind die 6 Wochen das übliche Minimum, normal aber um die drei Monate. Aufgrund des höheren Zuckergehalts ist ein Bockbier süßer als ein gleich stark gehopftes normalstarkes Bier. Der höhere Alkoholgehalt ist zwar ein Charakteristikum des Bockbiers, doch nicht immer herauszuschmecken - z.b. schmeckt der Kloster Andechs Bergbock hell fast wie ein normalstarkes Helles und der Ritter Dunkel aus dem Brauhaus Torgau fast wie ein Schwarzbier. 2.2. Unterarten des Bockbiers 2.2.1. Doppelbock Bald nach der Einführung des Bockbiers in Bayern begannen auch die dortigen Klöster mit dessen Produktion, denn ein Starkbier mit höherem Nährstoffgehalt war in der Fastenzeit sehr willkommen. So taten dies auch die minderen Brüder des heiligen Franz von Paula (heute besser bekannt als Paulaner ), deren Bier sogar noch ein wenig stärker war als die anderen Münchner Bockbiere. Dieses Sankt-Vaters-Bier fand auch außerhalb des Klosters seine Liebhaber. Obwohl die Paulaner keine Verkaufsberechtigung besaßen, ging doch, zunächst versteckt, dann immer weiter öffentlich, immer mehr ihres extrastarken Bieres gegen Geld aus dem Kloster heraus. (Hier kam den Mönchen allerdings zugute, daß sie keine Biersteuer zu bezahlen brauchten.) Schließlich wurde dem Kloster dann 1780 doch Ausschank und Verkauf genehmigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Paulaner-Brauerei bereits die größte in München. Für Doppelbock ist ein Stammwürzegehalt von mindestens 18% vorgeschrieben - das ergibt einen Alkoholgehalt von etwa 7-8%. Der Urvater des Doppelbocks heißt seit dem frühen 19. Jh. Salvator, und diese Bezeichnung löste den Brauch aus, daß die Namen der Doppelbockbiere auf -ator enden: z.b. der Triumphator von Löwenbräu oder Fortunator der Ayinger-Brauerei. Aus der Tradition des Fastenzeitbiers entwickelte sich in München die Starkbiersaison im März, bei der der Salvatoranstich der Paulaner-Brauerei das wohl bekannteste Ereignis ist. 2.2.2. Maibock und Weihnachtsbock

Neben der Fastenzeit ist das Bockbier mit zwei weiteren Jahreszeiten verbunden: dem Frühling und der Weihnachtszeit. Denn wie schon beim Doppelbock erwähnt, war und ist ein nahrhaftes und wärmendes Starkbier im Winter und an dessen Ende recht beliebt. So werden auch heute für diese beiden Jahreszeiten spezielle Bockbiere gebraut. Der Maibock war ursprünglich wie früher die meisten Biere dunkel. Zum Frühling, wenn es endlich wieder hell und warm wird, paßt jedoch ein helles Bier besser; so ist heute eine leicht rötliche Farbe charakteristisch. Das Gegenteil des Maibocks ist der Weihnachtsbock. Er wird auf das Sternzeichen Steinbock zurückgeführt, dessen Zeit in der Astrologie im Dezember beginnt. Auch er paßt von der Farbe her zur Jahreszeit: alle mir bekannten Weihnachtsböcke sind dunkel. 2.2.3. Eisbock Wie auf alle Lebewesen übt der Alkohol auch auf die Bierhefe seinen Einfluß aus. Je mehr der Alkohol bei der Gärung entsteht, um so mehr betäubt er die Hefe. Bei etwa 8 Prozent stellt diese den Gärprozeß dann ganz ein. Daß es trotzdem stärkere Biere gibt, liegt an einer Technik, mit deren Hilfe sich Bier konzentrieren läßt: Das Bier wird bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt gelagert. Da der Gefrierpunkt von Alkohol tiefer liegt als der von Wasser, gefriert nur ein Teil des Wassers. Sobald sich genügend Eiskristalle gebildet haben, wird das Bier aus dem Gefriergefäß abgelassen und dabei das Eis herausgefiltert. Es ergibt sich ein konzentriertes, stärkeres Bier. Der bekannteste Vertreter dieses Biertyps ist sicherlich das Kulmbacher EKU 28. Dieses extrem starke Bier, dessen Alkoholgehalt mit 11% angegeben wird, der aber auch schon einmal 13% erreichen kann, wird zwar aus hellem Malz gebraut, doch ist die Konzentration der Malzbestandteile so hoch, daß das Bier fast halbdunkel ist. 2.2.4. Weizenbock Der erste Weizenbock war das ursprüngliche Einbecker Starkbier; doch dieses wurde im 19. Jh. in Einbeck vom untergärigen Bier verdrängt. Wiederbelebt wurde der heutige Weizenbock dann erst 1907, als die Brauerei Schneider in München (heute Kelheim) ihren Aventinus einführte. Wie jedes andere Weizenbier, aber anders als das normale Bockbier ist er ein obergäriges Bier. 2.3. Problematische Aspekte das höheren Alkoholgehalts Wer Bockbier trinkt, sollte sich des höheren Alkoholgehalts bewußt sein. Hier hat der besondere Geschmack diese Getränks eine weitere Bedeutung; doch reicht er allein nicht aus, um auf den Alkohol hinzuweisen, denn wie gesagt ist er nicht aus allen Bockbieren herauszuschmecken. Eine Gefahr besteht dann, wenn dem Trinker der höhere Alkoholgehalt nicht bekannt ist. Er trinkt dann wie gewohnt seine Halbe oder gar eine ganze Maß, wundert sich vielleicht über den Geschmack, weiß aber aus Erfahrung, daß er ein Bier doch recht gut verkraften kann. Gefährlich wird diese Unkenntnis, wenn die Überzeugung dazukommt, daß an nach einem Bier noch Auto fahren kann! Wenn sich die höhere Menge Alkohol dann im Nachhinein bemerkbar macht, kann es schon zu spät sein. Mehrere bayerische Biergärten haben dies erkannt und schenken am Wochenende kein Starkbier aus - unter anderem das Kloster Andechs. Kein Wunder, schmeckt doch dessen Bergbock fast wie ein normales Helles. 3. Ist Bier Kulturgut oder Konsumartikel?

3.1. Das Reinheitsgebot in der heutigen Zeit Nicht nur die EU setzt dem alten bayerischen Bier-Grundgesetz immer mehr zu. Auch das deutsche Biersteuergesetz, die heutige Heimat des Reinheitsgebots, erlaubt den Einsatz von Filterhilfsstoffen, die mechanisch oder adsorbierend wirken und bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden. Mit solchen Stoffen wie z.b. Polyvinylpolypyrrolidon werden jene Stoffe herausgefiltert, die durch schnelles Verderben dem Geschmack schon im Supermarktregal schädigen könnten und natürlich um es länger haltbar zu machen. Niemand muß heute mehr wie einst die Einbecker auf natürliche Konservierungsmethoden zurückgreifen. Die moderne Form des Reinheitsgebots deckt die chemische Nachbehandlung. Der technisch unvermeidbare Anteil, der dem Originalgesetz von 1516 natürlich zuwiderläuft, wird dabei in Kauf genommen. Eine weitere Gefahr für das Reinheitsgebot entsteht durch gentechnisch veränderte Gerste, Hopfen oder Hefe. Über diese Praktiken gelangt verständlicherweise kaum etwas nach außen, denn das Reinheitsgebot ist der Stolz der deutschen Brauwirtschaft und eine Grundlage des Weltruhms des deutschen Biers. Wenn aber die Öko-Brauerei Pinkus aus Münster ihr Bier mit den Worten beschreibt, daß es nicht mit Filterhilfsmitteln und Eiweißstabilisierungssstoffen behandelt wuirde, so ist das doch ein bedenkliches Zeichen. 3.2. Der deutsche Biermarkt Nach wie vor trinkt der Deutsche am liebsten das Bier aus seiner Heimat - doch ob er es auch am liebsten kauft, scheint eine andere Frage zu sein. Zur Zeit herrscht die Entwicklung, daß der Bierkonsum sinkt: in den 90ern von 120 auf 110 Mio. hl. Zwei Segmente können ihren Verkauf allerdings noch steigern: auf der einen Seite die Marken mit Premium-Anspruch, die wir alle aus dem Fernsehen kennen, auf der anderen Seite die Billigmarken, die sich über den Preis verkaufen; Adelskronen und Oettinger sind längst nicht mehr die einzigen, inzwischen schließen sich auch etablierte Brauereien diesm Trend an und bringen ein eigenes Billigbier heraus, z.b. das Grenzquell Pils der Hamburger Bavaria-St. Pauli. Das dazwischenliegende Segment, eigentlich das klassische deutsche Biersegment, gerät dadurch immer mehr in die Zange. Dies beantwortet auch die Frage, warum das Bier der lokalen Brauerei manchmal so weit hinten steht. Als Gegenbewegung dazu entwickelte sich seit Beginn der Neunziger eine Reihe von kleinen Gasthausbrauereien, die nur für den eigenen Ausschank brauen. Bei ihnen ist es unnötig, das Bier zu filtrieren oder chemisch zu behandeln, da es eh bald nach dem Brauen ausgeschenkt wird. Hier begegnet dem Biertrinkern noch das Brauhandwerk, welches in den Großbrauereien verloren scheint. Die Brauereilandschaft befindet sich in einem Wandel. So ging z.b. von 1992 nach 1993 deren Anzahl um 46 auf 1280 ab. Da in diesem Zeitraum jedoch 50 neue Brauereigaststätten hinzukamen, entspricht das einer Schließung von 96 Brauereien. Der Trend geht also von mittelgroßen Brauereien zu großen und sehr kleinen. Die Frage, ob und wenn ja ab wann Hopfen und Malz auch in Deutschland verloren sein werden, bleibt bei dieser Entwicklung weiterhin interessant. 3.2.1. Der Wandel vom Export zum Pils Man könnte einwenden, in Deutschland dominiert halt das Pilsener. Doch das war nicht immer so: Erst in den 70er Jahren erreichte das Pils jenen hohen Marktanteil, den es heute besitzt. Noch 1970 wurde in Deutschland zu 50% Export getrunken, und das Pils lag nur bei 25%; zehn Jahre später hatte sich das Verhältnis umgekehrt. Als Hauptgrund gilt die sogenannte Edelfreßwelle : Die Nachkriegshaltung, überhaupt etwas zu essen zu haben, verschwand, jetzt mußte alles edel und hochwertig sein. Das übliche Export, das normale Bier im Nachkriegsdeutschland, die Biere mit Premium-Anspruch lagen nun im Trend. Brauereien, die sich diesem Trend frühzeitig anschlossen, konnten überdimensionale Zuwächse erzielen: z.b. wuchs die Warsteiner Brauerei seit dieser Zeit zu Deutschlands größter heran. Wie an diesem Beispiel abzulesen, sind die Biervorlieben der Deutschen keineswegs bis in alle Zeiten festgeschrieben. Es wäre dem Bockbier zu wünschen, daß es auch einmal einen solchen Aufschwung erlebt. 3.2.2. Das Bockbier auf dem deutschen Biermarkt Wie gesagt ist das Bockbier kein Massenbier - im Gegenteil: Nur 0,7%, also etwa 750.000 hl des

deutschen Bierverkaufs entfallen auf untergäriges Bockbier. Bei obergärigem Weizenbock ist der Anteil so gering, daß er in der Statistik auf 0,0% abgerundet wird. Immer noch wird das meiste Bockbier im Winter und im Frühling getrunken. Die meistverkauften Bockbiere in Deutschland sind nach wie vor die drei Einbecker Sorten; hier stellt sich jedoch die Frage, ob sie wirklich die besten sind oder ob sie auf der Popularität der Entstehungsgeschichte mitschwimmen. In Getränkemärkten sind zu den Marktchancen des Bockbiers verschiedene Aussagen zu hören. Während die einen den Maibock aus ihrem Programm nehmen, da er sich nicht rentiert, berichten andere von steigenden Absatzzahlen von Frühling zu Frühling. Doch auch hier gilt, daß der Absatz im Vergleich zum Pils sehr gering ist. Daß das nicht so sein muß, zeigt ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern. In diesem Bundesland man glaubt es kaum liegt der Starkbieranteil im Bierabsatz bei 7,5% und damit etwa genauso hoch wie der Alkoholanteil im Starkbier. Währenddessen zeigt der sinkende Leichtbierabsatz, daß der Deutsche ein richtiges Bier schätzt, wenn er nicht gerade Auto fahren muß und zum Alkoholfreien greift. All diese Zahlen lassen den Schluß zu, daß auch das Bockbier, trotz seines scheinbren Nachteils des höheren Alkoholgehalts, einem höheren Publikumszuspruch fähig ist. Ich schätze, daß sich sein Anteil auf etwa 3% erhöhen könnte Doch hierzu ist erst einmal eine angemesene Vermarktung des Bocks von seiten der Brauereien und Getränkemärkten nötig. Wünschen wir dem Bockbier, daß es bald diese Aufmerksamkeit erfährt. Literaturliste HEINRICH, Hansjörg: Bier - vom Göttertrank zum Gen-Gebräu. In: P.M. - Peter Moosleitners interessantes Magazin 2/1997, Gruner&Jahr Verlagsgruppe, München HLATKY, Michael, REIL, Franz: Bierbrauen für jedermann. Leopold Stocker Verlag, Graz, 1995 HÖLLHUBER, Dietrich, KAUL, Wolfgang: Die Biere Deutschlands. Hans Carl Verlag, Nürnberg 1992 JACKSON, Michael: Bier international. Hallwag Verlag, Bern und Stuttgart, 1994 JACKSON, Michael: Das große Buch vom Bier. Hallwag Verlag, Bern und Stuttgart, 1977 JASPER, Dirk: Bier-Journal Deutschland. Tewi Verlag, München, 1993 Benutzte Internet-Adressen: www.bier.de www.paulaner.de www.hofbraeuhaus.de