Das AM Modell der Intonation. Jonathan Harrington

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Transkript:

Das AM Modell der Intonation Jonathan Harrington

Das Autosegmentelle-Metrische (A-M) Modell der Intonation: Haupteigenschaften Bruce (1977), Swedish Word Accents in Sentence Perspective, Gleerup, Pierrehumbert (1980). The Phonetics and Phonology of English Intonation 1. Metrische Phonologie (1977) Prosodische Struktur ist hierarchisch. 2. Autosegmentelle Phonologie (1976) Töne und Segmente sind voneinander unabhängig 3. Nur zwei Töne: H (High) und L (Low) 4. Beziehung zwischen Tönen und der Grundfrequenz 5. Vier häufig vorkommende Melodien

Das AM-Modell und TOBI TOBI = tones and break indices ein auf dem A-M Modell basiertes System für die Transkription der Intonation. tones: Töne der Intonation break indices: die prosodischen Grenzen Training-Materialen G-TOBI: http://www.uni-koeln.de/phil-fak/phonetik/gtobi/index.html

Ausgangspunkt des AM-Modells Syntax, Akzentuierung, Intonation, Phrasierung sind voneinander unabhängig

1. Ramona ist nach Berlin gefahren F: Ist nicht Anne nach Berlin gefahren? 2. A: Nein, Ramona ist nach Berlin gefahren (1. Und 2: selbe Syntax, unterschiedliche Akzentuierung) 3. Ramona ist nach Berlin gefahren? (2. Und 3: Selbe Akzentuierung, unterschiedliche Intonation) 4. Ramona und nicht Anne ist nach Berlin gefahren. (1. Und 4: Selbe Akzentuierung, unterschiedliche Phrasierung)

Lexikon Zuerst ein Überblick vom AM-Modell Syntax/Semantik Intonationslexikon (Mehrere Melodien) Text Satzprosodie Akzentuierung, Phrasierung Eine Melodie pro PP [Günther] [muss noch einkaufen gehen] Assoziation [Günther]L-L% [muss noch einkaufen gehen]l-l% H* H* Phonetische Interpretation

1. Metrisch/hierarchisch Metrisch = Hierarchisch = besteht aus mindestens einem Ursprüngliche Anwendung: die Wortprosodie und betonung (Liberman & Prince, 1977; Selkirk, 1980) Ein Wort Fuß (Fuß) besteht aus, ( ) Fakultativ Ein Fuß starke Silbe (schwache Silbe) Wort Fuß Fs Fw Silbe s w s w Ab er glau b e

1. Metrisch/hierarchisch Metrischer oder hierarchischer Teil vom AM-Modell Äußerung Intonationsphrase(n) Intonationsphrase Intermediärphrase(n) Intermediärphrase mindestens ein Wort Wort mindestens eine Silbe

1.Hierarchische (metrische) Struktur der Prosodie (Die prosodische Hierarchie unterscheidet sich von der Syntax dadurch, dass sie nicht rekursiv ist) Äußerung IP IP Intonationsphrase ip ip ip Intermediärphrase IP-Grenze ip-grenze IP-Grenze [(nur hier und dort) ] [(kann man noch ahnen) (wie schön sie war) ] Unakzentuiert, akzentuiert Nuklear-akzentuiert: das letzte akzentuierte Wort der ip ( dort, ahnen, schön )

Prosodische Grenzen An Intermediärgrenzen ist die prosodische Unterbrechung schwächer als an Intonationsgrenzen Intermediärgrenzen Intonationsgrenzen Phrasenfinale Längung, keine Pause Eine ip scheint oft nicht abgeschlossen zu sein. Phrasenfinale Längung, eine Pause kann vorkommen Eine IP könnte auch oft als alleinstehehende Äußerung erzeugt werden

Beispiel der phrasenfinalen Längung (ip Grenze) Phrasengrenze Keine Pause jetzt kommen meine blühenden Blumen] Verlängerung

IP oder ip? ip [(that s right) (at the traffic light)] IP [(that s right)] [(at the traffic light)]

Sogar einzeln gesprochene Wörter bestehen aus einer IP, ip, und nuklear akzentuiertem Wort Äußerung IP ip [ ( Nein ) ] ( ) ip Grenzen [ ] IP Grenzen Nuklear akzentuiert

2. Autosegmentell Ürsprüngliche Anwendung in der Analyse vom lexikalischen Ton in afrikanischen Tonsprachen (Goldsmith, 1976; Leben, 1975). Segmente aber nicht unbedingt deren Töne können getilgt werden - daher müssen Töne und Segmente voneinander unabhängig (= autosegmentell) sein, zb: Ton-Darstellung in Margi +Suffix Ton-Ebene H L H L H L H L Assoziation Segment-Ebene c e d e + a r i c e d e r i

2. Autosegmentell Im AM-Modell gibt es 3 Sorten von Tönen, die mit unterschiedlichen Ebenen der prosodischen Hierarchie assoziiert werden (Assoziation = Autosegmentelles Verhältnis) = assoziiert mit Intonationsphrase Intermediärphrase = Grenzton = Phrasenton primär betonte Silbe eines akzentuierten Wortes = Tonakzent

2. Autosegmentell Ein Grenzton, G%, wird mit jedem ] assoziiert Ein Phrasenton, P-, mit jedem ) Ein Tonakzent,T*, mit der primär bet. Silbe des akz. Wortes Äußerung IP IP ip ip ip [(nur hier und dort) ] [(kann man noch ahnen) (wie schön sie war) ] P- P- P- T* T* T* T* G% G%

3. Das AM zwei-ton Modell Äußerung IP IP ip ip ip [(nur hier und dort) ] [(kann man noch ahnen) (wie schön sie war) ] H* od. L* H- oder L- H% oder L% H* od. L*

Nur zwei Töne? 4 Töne im früheren System vom Trager & Smith (1951) H High MH Mid-high ML Mid-low L Low H F0 ML MH f0 Bereich Vom Sprecher L

Probleme mit dem 4-Ton-Modell 1. Zu viele Kombinationen: Es müsste 6 verschiedene, linguistisch relevante, fallende Konturen geben ML MH H MH H MH ML H ML L L L Es gibt aber keine auditiven Beweise, dass die Unterschiede zwischen zb L H L und L MH L distinktiv sind.

Probleme mit dem 4-Ton-Modell (fortgesetzt) b. Modellierung von stepping F0 (Liberman & Pierrehumbert, 1984) Jedoch könnte es laut dem 4-Ton-Modell in Trager & Smith höchstens 4 Stufen geben: H MH ML L

Die Lösung dazu im zwei-ton-modell Koartikulationsregeln Ein H und L können perzeveratorische koartikulatorische Einflüsse ausüben Ein H ist etwas tiefer nach einem L (downstep) Ein H ist etwas höher nach einem H (upstep)

Regel: Jedes L bewirkt einen Downstep auf das nächste H H L H L H L H L H L

4. Die Töne und die Grundfrequenz Wo wird die Grundfrequenz von den Tönen hauptsächlich beeinflusst? Tonakzent (H*, L*, auch andere) : In der Nähe der primär-betonten Silbe des akzentuierten Wortes Phrasenton (H-, L-) : Die Silben nach dem letzten Tonakzent bis zur vorletzten Silbe. Grenzton (H%, L%) : Die letzte Silbe [Melanie?]L-H% [Melanie nominieren?]l-h% H* H*

5. Phrasen und Grenztonkombinationen Am Ende jeder IP müssen wir daher immer zwischen 4 Kombinationen wählen: L-L%, L-H%, H-L%, H-H% 1. L-L% 2. L-H% 3. H-L% 4. H-H% L- oder H- [(nur hier und dort) ] [(kann man noch ahnen) (wie schön sie war) ] L% oder H%

Vier häufig vorkommende Melodien A. Fallend (H* L-L%) H* [(M e l a n i e )L] L% B. Fallend-steigend (H* L- mit H%) H* [(M e l a n i e )L-]H% C. Eben (H* H- mit L%) H* [(M e l a n i e )]H-L% D. Steigend (L* H- mit H%) L* [(Melanie )] H%

fallend [(Ramona besucht Melanie)L-]L% H* H* steigend [(Ramona besucht Melanie)H-]H% H* L* eben [(Ramona besucht Melanie)H-]L% H* H* fallend -steigend [(Ramona besucht Melanie)L-]H% H* H*