Manuskript Beitrag: BMW sponsert Betriebsrat Umstrittene Sozialkassen Sendung vom 14. Juli 2015 von Michael Haselrieder und Tobias Lill Anmoderation: Hier der Betriebsrat, dort der Arbeitgeber. Für gewöhnlich gibt es in mitbestimmten Unternehmen einen klaren Frontverlauf: Bei BMW aber ist das unübersichtlich. Da gehen beide Seiten nennen wir es mal so - geschmeidiger miteinander um. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Und das geht so: Das Unternehmen stiftet Autoteile. Der Betriebsrat verkauft sie, verwaltet die Einnahmen in dubiosen Kassen und schüttet Geld, Gaben und Gefälligkeiten an die Arbeitnehmer aus. Solche Wohltaten erleichtern sicher die Wiederwahl. Aber der Betriebsrat ist wohl kaum noch unabhängig, zeigen Michael Haselrieder und Tobias Lill. Text: Inmitten der österreichischen Bergwelt liegt Hotel Ammerwald, direkt an der deutschen Grenze. Es gehört BMW. Hier können Mitarbeiter mit ihren Familien günstig Urlaub machen. Den Bau des Hotels hat BMW finanziert. Die Inneneinrichtung wurde von einem Konto des Gesamtbetriebsrats, also der Arbeitnehmervertretung, bezahlt. Eine Drehgenehmigung im Hotel bekommen wir nicht. Diese Aufnahmen wurden uns zugespielt. Nach einer internen Abrechnung, die Frontal 21 vorliegt, zahlte die Arbeitnehmervertretung an verschiedene Firmen rund 370.000 Euro. Wir lassen diese ungewöhnlichen Zahlungen vom Arbeitsrechtsexperten Bernhard Steinkühler prüfen. Der kommt zu einem klaren Ergebnis: O-Ton Bernhard Steinkühler, Fachanwalt für Arbeitsrecht:
Der Betriebsrat verstößt eindeutig gegen das Gesetz. Es ist geradezu undenkbar, dass ein Betriebsrat ein Konto unterhält und Summen dort in sechsstelliger Höhe verwendet werden für die Finanzierung eines Hotels. Der Betriebsrat, der kann vielleicht über eine kleine Handkasse verfügen, aus der dann das Porto bezahlt wird oder Kopierpapier. Doch für das Hotel zahlte der Betriebsrat ganz andere Summen. Die größten Posten: 122.000 Euro für die Möblierung der Zimmer, 32.000 Euro für Matratzen, 69.000 Euro für Tische, Stühle, Barhocker und Ähnliches. Um die Kasse und die Zahlungen kümmerte sich Manfred Schoch. Er ist seit fast drei Jahrzehnten Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, vertritt über 80.0000 Mitarbeiter, ist stellvertretender Aufsichtsratschef bei BMW. Er hat gute Kontakte in die Politik. Schoch ist regelmäßig Gast in Ammerwald, lädt hier zu Sitzungen ein. Selbst um Einrichtungsdetails kümmerte er sich höchstpersönlich: Eine Rechnung für ein Wasserspiel über 8.000 Euro ging zu seinen Händen. Einen Tag später wies Schoch den Betrag zur Zahlung aus der Sozialkasse an. Wir treffen Maria Holzner. Sie war damals Schwerbehindertenbeauftrage bei BMW und bei den Sitzungen des Gesamtbetriebsrats dabei. Über das Konto sei dort nicht gesprochen worden. Um das Hotel habe sich Schoch gekümmert. O-Ton Maria Holzner, ehemalige Schwerbehindertenbeauftragte BMW: Für ihn ist Haus Ammerwald eine Einrichtung, die er auch gerne alle vier Jahre bei der Wahl anbringt, und erklärt den Mitarbeitern, was für ein toller Betriebsrat da ist, der sich da für die Mitarbeiter einsetzt. Wer in Ammerwald Urlaub machen darf, das entscheidet nach bestimmten Kriterien der Gesamtbetriebsrat. Ein Interview möchte Manfred Schoch dazu nicht geben. Stattdessen schickt er uns eine Kopie eines Schreibens der Münchner Staatsanwaltschaft. Die hatte 2011 nach einer anonymen Anzeige keine Ermittlungen eingeleitet: Aufgrund der lückenlosen, transparenten Darstellung der Herkunft und Verwendung der jeweiligen Beträge aus der Sozialkasse des Betriebsrats der BMW AG vermag die Staatsanwaltschaft keinen strafrechtlich relevanten Sachverhalt erkennen. Die Staatsanwaltschaft München erklärt Frontal 21 dazu,
Zitat: Mögliche Verstöße gegen das BetrVG [Betriebsverfassungsgesetz] stellen noch nicht automatisch eine Straftat dar. Darüber hinaus sei auch nicht geprüft worden, ob BMW den Betriebsrat beeinflusst habe, weil kein Strafantrag vorlag. Experten sehen erhebliche arbeitsrechtliche Probleme. O-Ton Prof. Manuel René Theisen, Unternehmensexperte, Ludwig-Maximilians-Universität München: Der Gesetzgeber hat genau an diesem Punkt angesetzt. Er hat gesagt, ein Betriebsrat darf gar nicht in die Versuchung kommen Geld zu haben. Denn dann liegt geradezu nahe, oder es ist menschlich, dass er eben Ausgaben macht und eben manche macht und andere unterlässt. Und das stört genau die Unabhängigkeit. Die 370.000 Euro für die Hoteleinrichtung nahm der Betriebsrat über eine Tombola ein. BMW stiftete die Preise: einen 3er BMW und zwei Motorräder. Der Konzern lehnt ein Interview zu dem Thema ab. Schriftlich heißt es, Zitat: Die Verwendung des Tombolaerlöses für das Hotel ist ( ) eine Beteiligung der Mitarbeiter an dieser Erholungseinrichtung. Die zweckgebundene Stiftung der Preise für die Tombola stellt keine Zuwendung an den Betriebsrat dar. Arbeitsrechtler widersprechen: O-Ton Bernhard Steinkühler, Fachanwalt für Arbeitsrecht: Dadurch, dass der Betriebsrat von BMW Neuwagen erhält, und auch Motorräder für seine Tombola, ist offensichtlich, dass eine Nähe kreiert wird, die dazu führt, dass der Arbeitsgeber - in dem Fall BMW - was erwartet vom Betriebsrat. Wir treffen Murat Yilmaz. Der BMW-Mitarbeiter ist bei der Betriebsratswahl mit einer eigenen Liste gegen die Mehrheitsliste von Manfred Schoch angetreten. Er fühlt sich benachteiligt, weil Schoch über ganz andere Mittel verfüge als er. Das ist natürlich ein unfairer Wettbewerb zwischen den Listen. Und dass wir den Kürzeren dabei ziehen, ist selbstverständlich. Chancengleichheit bei den Wahlen ist nie gegeben worden - noch nie bei der BMW AG.
Der Betriebsrat verfügte nicht nur über das Hotel-Konto. Bis heute gibt es ein ganzes System von Sozialkassen in den BMW- Werken. Für die Münchener Sozialkasse hat der Betriebsrat selbst festgelegt, woher das Geld kommt: Die Einnahmen der Kasse ergeben sich aus Spenden des Vorstandes der BMW AG und sonstigen Eingängen. Dazu gehört auch der sogenannte Schrottverkauf. Wie hier am vergangenen Donnerstag in München verkauft der Betriebsrat ausgemusterte Autoteile und Marken-Kleidung an die Mitarbeiter. Die Ware bekommt er kostenlos von BMW. Murat Yilmaz erklärt uns das System: Heute habe ich mir ein Paar Schuhe gekauft. O-Ton Frontal 21: Was haben die gekostet? Die haben 15 Euro gekostet. O-Ton Frontal 21: Und wie wird da bezahlt? Beim Schrottverkauf läuft alles bar ab. In der Welt von BMW hantieren Betriebsräte, die kein Vermögen haben dürfen, mit hohen Geldbeträgen. Aus ihren Sozialkassen können sich Mitarbeiter beispielsweise den Zahnersatz oder Brillen mitfinanzieren lassen. Wer die Zuschüsse bekommt, entscheidet der Betriebsrat. Diese Betriebsräte nehmen dann das Bargeld mit, gehen zu den einzelnen Mitarbeitern, händigen das aus. Dann sagt man: Du weißt, schau, wir kümmern uns drum, du weißt, wen du zu wählen hast beim nächsten Mal. Also, letztendlich ist es eine direkte Wahlmanipulation schon Jahre bevor. Gesamtbetriebsratschef Manfred Schoch weist den Vorwurf zurück und erklärt, Zitat: Die Unterstützungsleistungen ( ) können listenunabhängig von allen Betriebsrätinnen und -räten vorgenommen werden. Diese Leistungen haben eine lange, positive Historie. Im Wahlkampf wurden diese von keiner Liste thematisiert.
Auch wenn es sozialen Zwecken dient - Experten finden es problematisch, dass BMW dem Betriebsrat Waren für den Schrottverkauf kostenlos überlässt. O-Ton Prof. Manuel René Theisen, Unternehmensexperte, Ludwig-Maximilians-Universität München: Es kann nicht auf der einen Seite Schrott sein, was sozusagen nur in der richtigen Hand verkauft wieder Wert bekommt. Dann hat der Vorstand hier schon sehr haarscharf an einem Untreuetatbestand, nämlich Verwendung von Betriebsvermögen ohne eine entsprechende Gegenleistung zu bekommen, gehandelt. Es sei denn, er würde sagen, ja dafür habe ich ja eben willfährige Arbeitnehmer oder zumindest einen sehr wohlgewogenen Betriebsrat. Wir konfrontieren BMW mit den Vorwürfen. Schriftlich heißt es, Zitat: Interne und externe Stellen prüfen die Kontoführung der Sozialkasse regelmäßig. Dadurch ist eine ordnungsgemäße Abwicklung sichergestellt. Trotzdem wird kontinuierlich die Rechtslage geprüft und erforderliche Anpassungen werden eingeleitet. Dabei hatte BMW schon vor sieben Jahren erkannt, dass es ein Problem gibt: Am 6. Mai 2008 schreibt der Leiter Nationale Steuern BMW eine E-Mail an den Referenten des Gesamtbetriebsrats und weist darauf hin, dass der Betriebsrat gemäß 41 BetrVG [Paragraf 41 Betriebsverfassungsgesetz] direkt kein eigenes Vermögen verwalten darf, um seine Unabhängigkeit und die ehrenamtliche Tätigkeit nicht zu gefährden. Manfred Schoch, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende, hätte also gewarnt sein müssen. O-Ton Prof. Manuel René Theisen, Unternehmensexperte, Ludwig-Maximilians-Universität München: Für ein Vorbild, für eine Vertretung aller Arbeitnehmer sich mit einer solchen Kasse, ja, zumindest dem Vorwurf auszusetzen, gefügig gemacht zu werden, ist ein so massiver Vertrauenseinbruch, dass ich mir schlecht vorstellen kann, dass man hier auch mit den Personen, über die hier geredet wird, zur Tagesordnung übergehen kann. Auch Murat Yilmaz fordert Konsequenzen. Für ihn handelt es sich hier um schwarze Kassen : Also, es stimmt soweit, dass der Betriebsrat laut dem Gesetz
vermögenslos ist, aber nicht bei der BMW AG. Ich gehöre zum Betriebsratsgremium. Aber ich gehöre zu den Kreisen vom Gremium, die sagen, verdammt noch mal, jetzt reicht es uns: Wir wollen eure schwarzen Kassen nicht. BMW und das Sponsoring des Betriebsrats - die umstrittenen Methoden eines Weltkonzerns. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.