Kohlendioxid und Klima: Ein Blick in die Vergangenheit zum Verständnis der Zukunft Liselotte Diester-Haaß Geographie Wie zuverlässig ist dieser Blick in die Zukunft? Kann ein Blick in die Vergangenheit helfen, die Zukunftsprognosen abzusichern? The present is the key to the past, seit Charles Lyell (1797-1875) ein Leitspruch der Geologen, um das Entstehen der Gesteine zu verstehen, sollten wir angesichts unserer Klimaproblematik umwandeln in the past is a key to the future. Temperaturrekord von 40 C im Sommer im Saarland, Trockenheit wie in der Sahara, Gletscher schrumpfen,... ändert sich unser Klima oder ist es eine Laune der Natur? Versuche, in die Zukunft zu schauen, werden von Modellierern unternommen. Ihre Ergebnisse legen eine globale Erwärmung um bis zu 6 C bis 2100 nahe, verursacht wesentlich durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe und damit durch den Eintrag von Kohlendioxid (CO 2 ) in die Atmosphäre, das als Treibhausgas die Erwärmung verursacht. Die Konzentrationen weiterer Treibhausgase, nämlich Wasserdampf und Methan, steigen mit zunehmender Erwärmung und beschleunigen diese. Wenn wir uns der Vergangenheit zuwenden, ist die Frage entscheidend, wie hoch die CO 2 -Konzentration war, bevor der menschliche Einfluss sich bemerkbar machte. Sind die momentanen Änderungen wirklich relevant? Direkt damit verknüpft ist die Frage nach den Prozessen, die den CO 2 - Haushalt steuern, heute und in der Vergangenheit. Beispiele aus der Vergangenheit können den Zusammenhang zwischen atmosphärischem CO 2 -Gehalt und Klima deutlich machen. Diese Erkenntnisse mögen dann herangezogen werden, um über Reparaturmaßnahmen nachzudenken, darüber, wie der anthropogene Eintrag von CO 2 in die Atmosphäre unschädlich gemacht werden kann. Schließlich kann ein Beispiel aus der jüngeren geologischen Vergangenheit eine mögliche Folge der Erwärmung deutlich machen, die das Weltklima und insbesondere das Klima Westeuropas nachhaltig verändern könnte: die Veränderung der Meeresströmungen im Nordatlantik, die durch den Golfstrom geprägt sind. CO 2 -Gehalt unserer Atmosphäre in den letzten 420.000 Jahren GRIP - und GISP -Eisbohrungen auf Grönland ermöglichen einen Einblick in diesen Datenschatz. In winzigen Luftblasen im Gletschereis ist die Zusammensetzung der Atmosphäre vergangener Zeiten erhalten. Die Vostok -Eisbohrung erlaubt, die atmosphärische CO 2 -Konzentration der letzten 420.000 Jahre zu rekonstruieren. Auch die Temperatur der Luft über der Antarktis kann aus dem Verhältnis der Sauerstoff-Isotope 16 O zu 18 O im Eis (H 2 O) ermittelt werden. Die Kurve (Abb. 1) zeigt Änderungen im CO 2 -Gehalt der Atmosphäre zwischen 180 und 290 ppm (part CO 2 per million parts) im Zeitraum von 0 bis 420.000 Jahren, Änderungen, die regelmäßig in 100.000 Jahr-Zyklen auftreten. Ein Vergleich mit der Temperaturkurve zeigt, dass die hohen CO 2 - Gehalte mit warmen Temperaturen korrelieren, während die kältesten Perioden die niedrigsten CO 2 -Gehalte aufweisen. Die Konzentration des Treibhausgases Methan (CH4) verhält sich genauso wie die des CO 2. Die höchsten Die bis zu 3000 m mächtigen Eiskappen der Polarregionen bilden ein Archiv, in dem der CO 2 -Gehalt der Atmosphäre dokumentiert ist. Wissenschaftliche Bohrungen wie die Vostok -Eisbohrung und die europäische EPICA - Bohrung in der Ostantarktis oder die Abb.1: Vostok-Eisbohrung: CO2 Gehalt der Atmosphäre (blau), Temperatur über der Antarktis (rot), Methan-Gehalt (grün) (Verändert nach Wefer und Berger, 2002) 22 Universität des Saarlandes
Abb. 2: CO 2 -Gehalt der Atmosphäre im Zeitraum 1750 bis heute, ermittelt aus Eisbohrungen und Atmosphärenmessungen. (Aus: Berner & Streif, 2000) CO 2 -Gehalte der letzten 420.000 Jahre überstiegen nicht die 290 ppm Marke. Und heute? Der blaue Pfeil oben links zeigt, dass wir heute bei 370 ppm CO 2 angekommen sind. In etwa 150 Jahren, seit Beginn der Industrialisierung (Abb. 2), ist der CO 2 -Gehalt um 30 % angestiegen, allein in einem Jahr, 2002, ist er um 4% angestiegen. Dieser Anstieg ist auf das Verbrennen fossiler Kohlenstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle, zurückzuführen, Kohlenstoff, der in der geologischen Vergangenheit dem Kreislauf entzogen worden ist und nun zusätzlich zu dem natürlichen CO 2 Gehalt eingebracht wird. Warum aber schwankte der CO 2 - Gehalt in den letzten 420.000 Jahren zwischen 180 und 290 ppm in Zeiten, als der Mensch noch keinen nennenswerten Einfluss auf die Atmosphäre ausübte? Die Antwort auf diese Frage erfordert einen kleinen Überblick über die Prozesse, die den atmosphärischen CO 2 -Gehalt steuern. Steuerung des atmosphärischen CO 2 - Gehaltes Oberfläche unseres Planeten bedeckt. Diese Austauschprozesse werden wesentlich von zwei Faktoren bestimmt: der Temperatur des Ozeans und der biologischen Produktivität im Ozean. Ein kalter Ozean kann (wie eine Sprudelflasche im Eisschrank) mehr CO 2 aufnehmen als ein warmer Ozean (eine Sprudelflasche in der Sonne). So wird also in kälteren Zeiten im Ozean mehr CO 2 gespeichert und damit der Atmosphäre entzogen. Aber dieser Temperatureffekt reicht nicht aus, die niedrigen CO 2 -Werte in der Vostok -Bohrung während der Kälteperioden zu erklären. Dazu addiert sich die Aufnahme von CO 2 in Algen (einzelligen Pflanzen) und Tieren im Oberflächenwasser der Ozeane. Je mehr Algen in dem lichtdurchfluteten Oberflächenwasser der Ozeane leben (Abb. 3 zeigt das Beispiel einer der häufigsten Algen, Vulkanausbrüche mit ihrer Entgasung von Magmen sind die Hauptquelle von CO 2, das sich in der Atmosphäre, der Biosphäre und im Ozean verteilt. Die CO 2 -Konzentration in der Atmosphäre wird geprägt durch Austauschprozesse mit dem Ozean, der mehr als 70 % der Abb. 3: Kalkalgen (Coccolithophoriden) magazin forschung 1/2004 23
der kalkskelettbildenden und daher für den Geologen sehr wichtigen Gruppe der Coccolithophoriden) desto mehr Tiere finden dort Nahrung und desto höher ist die gesamte Bioproduktion. Infolgedessen wird mehr CO 2 aus dem System Atmosphäre-Ozean entzogen und in Biomasse, nämlich organischen Kohlenstoff, umgewandelt. Dieser organische Kohlenstoff sinkt nach dem Absterben der Organismen in die Tiefe, ein Teil wird bakteriell zersetzt und als CO 2 wieder ins System zurückgeführt, ein Teil aber sinkt auf den Meeresboden, wird dort eingebettet, und damit wird das CO 2 dem Kreislauf entzogen, ein Prozess, den man biologische Pumpe genannt hat. Je stärker die biologische Pumpe arbeitet, desto mehr CO 2 wird dem System entzogen und der atmosphärische CO 2 -Gehalt sinkt. Diese biologische Pumpe arbeitete besonders stark während der Kaltzeiten der letzten 420.000 Jahre. Dies kann in Ablagerungen vom Meeresboden nachgewiesen werden. Somit sind die niedrigen CO 2 -Gehalte in unserer Vostok -Bohrung wahrscheinlich als temperatur- und produktivitätsgesteuert zu erklären. Und wie sah es in der älteren geologischen Vergangenheit aus? Wie hoch war der CO 2 -Gehalt unserer Atmosphäre lange bevor der Mensch die Erde bevölkerte, z. B. zu der Zeit als das erste Pferdchen, das wir aus dem Weltkulturerbe Grube Messel bei Darmstadt kennen, durch den tropischen Wald strich und am See von Messel seinen Durst löschte? Wie war der CO 2 -Gehalt der Atmosphäre zu der Zeit, als auf der Antarktis vor 34 Millionen Jahren die ersten Eispanzer wuchsen? Gab es schon in diesen Zeiträumen, die der Geologe das Erdzeitalter Tertiär nennt ( 65-1.8 Mill. Jahre vor heute), einen Zusammenhang zwischen Klima, CO 2 und Biologischer Pumpe? CO 2 -Gehalt der Atmosphäre im Tertiär Abb. 5: CO 2 Gehalt der Atmosphäre in den letzten 60 Millionen Jahren. Pfeil: vorindustrieller Wert. (Nach Pearson &Palmer, 2000) Das Klima-Archiv der polaren Gletscher reicht z.zt. nur bis ca. 420.000 Jahre zurück. Für ältere Abschnitte der Erdgeschichte hilft eine chemische Methode, den CO 2 -Gehalt zu rekonstruieren (Pearson und Palmer, 2000). Die Kalkschalen von einzelligen Tieren, den planktischen Foraminiferen (Abb. 4), die in großen Mengen im Oberflächenwasser der Ozeane leben, enthalten geringe Mengen Bor, dessen Konzentration in den Kalkschalen vom ph- Wert (Säuregehalt) des Meerwassers abhängt. Der ph des Meerwasser wiederum wird gesteuert vom CO 2 -Gehalt im Oberflächenwasser, da CO 2 mit dem Wasser zu HCO3 - reagiert, einer schwachen Säure. Da Ozeanwasser und Atmosphäre in Austausch stehen, lässt sich der atmosphärische CO 2 - Gehalt aus dem Borgehalt der Foraminiferenschalen errechnen. Das Material für diese Untersuchungen stammt aus Bohrungen, die im Rahmen des Internationalen Tiefsee-Bohrprojektes (Ocean Drilling Program, ODP, das 24 Universität des Saarlandes
auch von der Bundesrepublik mitfinanziert wird) in allen Teilen der Ozeane niedergebracht wurden und werden. In der Zeit vor 50-40 Millionen Jahren, als in Mitteleuropa ein feucht-warmes Klima herrschte und bei Darmstadt das erste Pferdchen lebte, war nach diesen Untersuchungen der CO 2 -Gehalt 6-10 mal höher als in vorindustrieller Zeit (Abb. 5) Leider ist das Zeitintervall 40-24 Mio. Jahre noch nicht untersucht. Damit ist der Zeitpunkt der ersten Vereisung der Antarktis noch nicht erfasst. Aber um 24 Mio. Jahre ist der CO 2 -Gehalt mit 430 ppm nur ca. zwei mal höher als in vorindustrieller Zeit und schwankt anschließend zwischen 200 und 320 ppm (Abb. 5). Über die Stärke der biologischen Pumpe wissen wir aus diesem Zeitraum recht gut bescheid dank Untersuchungen an Bohrungen aus dem Ocean Drilling Program (Diester- Haaß, 1992; 1995; 1996; Diester-Haaß and Zahn, 1996; Diester-Haaß and Zahn, 2001). Die Anzahl der Kalkgehäuse benthischer, das heißt auf dem Meeresboden lebender, Foraminiferen, einzelliger Tiere, (Abb. 6) gibt Hinweise auf die biologische Produktion im Oberflächenwasser der Ozeane. Je mehr Kohlenstoff als organisches Material auf den Meeresboden sinkt, je besser ist der Tisch gedeckt für die am Meeresboden lebenden Tiere, je größer ist ihre Zahl pro Flächen- und Zeiteinheit. Es ist möglich, aus der Anzahl der benthischen Foraminiferen pro Flächen- und Zeiteinheit die biologische Produktion im Oberflächenwasser in g C/m 2 * Jahr näherungsweise zu berechnen. Abb. 6: Einige Beispiele benthischer Foraminiferen Abb. 7: Karte der Paläogeographie vor 50,2 Millionen Jahren. Rote Punkte: Lage der ODP Bohrungen, die eine Zunahme der marinen Produktivität bei 34 Mill. J. zeigen. (Karte aus:www.scotese.com) Diese Frage wurde an fünf Bohrungen untersucht. Die Lage der fünf Bohrungen ist auf Abb. 7 dargestellt, die eine Rekonstruktion der Land-Meervermagazin forschung 1/2004 25
Abb. 8: Temperatur- und Produktivität im Südpolarmeer im Zeitraum 40-31 Millionen Jahre. (aus Diester-Haaß & Zahn, 1996) teilung vor 50 Millionen Jahren zeigt. Wichtig ist, dass die Meeresverbindung zwischen Südamerika und der Antarktis, die Drake-Passage, bis vor 34 Millionen Jahren nicht existierte- die Kontinente hingen zusammen. Nord- und Südamerika hingegen waren durch eine breite Meeresregion, die Panama-Straße, getrennt, die sich erst ab 2.4 Millionen Jahren schloss. Die Ergebnisse zur Paläoproduktivität im Oberflächenwasser im Bereich der fünf Bohrungen zeigen ein überstimmendes Bild, das in Abbildung 8 dargestellt ist. Die marine biologische Produktion (grüne Kurve) in den untersuchten Ozeanbereichen war sehr gering im Zeitraum vor 40-43 Millionen Jahre. Bei 34 Millionen Jahren sehen wir einen sprunghaften Anstieg um den Faktor 3-6, genau in dem Zeitraum, als sich die ersten antarktischen Eispanzer bildeten und sich die Drake- Passage öffnete. Die biologische Pumpe lief also plötzlich sehr rasch, entzog dem globalen Kohlenstoff-Haushalt 3-6 mal mehr Kohlenstoff, der auf dem Meeresboden eingebettet und damit dem Kreislauf entzogen wurde. Ein Absinken des atmosphärischen CO 2 - Gehaltes kann angenommen werden eine Annahme, die durch paläobotanische Untersuchungen gestützt wird (Roth et al., in press). Die Dichte der dem Gasaustausch der Pflanzen dienenden Spaltöffnungen an den Blattunterseiten der Laubbäume korreliert mit dem CO 2 -Gehalt der Atmosphäre. Die Spaltöffnungsdichte bei Pflanzen des mitteleuropäischen Raumes ist im oberen Eozän deutlich geringer, zeigt also einen höheren CO 2 -Gehalt an als bei Pflanzen aus dem unteren Oligozän. Das rasche Absinken der Temperatur bei 34 Mio. Jahren (rote Kurve) könnte damit erklärt werden. Aus Abbildung 8 wird noch ein weiterer wichtiger Aspekt deutlich: nach einer langsamen, graduellen Änderung in Produktivität und Temperatur folgt plötzlich ein Sprung in der Produktivität und Temperatur eine Beobachtung, die auch in anderen Zeiträumen gemacht wurde und die für unser zukünftiges Klima bedeutsam werden könnte: Unser Klimasystem neigt dazu, sich plötzlich und abrupt zu verändern, wenn ein Grenzwert überschritten wird. Reduzierung der atmosphärischen CO 2 -Gehaltes durch menschliches Eingreifen? Den seit ca. 150 Jahren anhaltenden kontinuerlichen Anstieg des CO 2 -Gehaltes auf Werte, wie sie vor 24 Millionen Jahren herrschten, könnte man nur durch Rückkehr in eine Steinzeitkultur aufhalten. Abmindern könnte man ihn vielleicht, wenn alle Industrienationen, auch und vor allem die USA, das Kyoto- Protokoll exakt umsetzen würden. Neue Möglichkeiten zur Reduzierung des CO 2 -Gehaltes der Atmosphäre werden derzeit diskutiert und erprobt. So versuchen die Norweger, CO 2 aus Kraftwerken zu verflüssigen und in Hohlräume unter der Nordsee, die dort durch Entnahme von Erdöl- und -gas entstanden sind, einzubringen. Die USA versuchen, verflüssigtes CO 2 in 900 m Wassertiefe in den Pazifik einzuleiten ein problematisches Unternehmen, da einmal mit der ozeanischen Zirkulation das CO 2 wieder an die Oberfläche und somit auch in die Atmosphäre zurückgelangen kann, zum anderen, weil es den Chemismus des Tiefenwassers verändert und somit die Tierwelt gefährdet. Prof. Dr. Liselotte Diester-Haaß, Honorarprofessorin in der FR Geographie der Universität des Saarlandes, studierte Geographie, Geologie und Französisch in Freiburg, Grenoble und Köln sowie Meeresgeologie (Promotion) in Kiel. Seit 1975 Forschungen im Rahmen des DFG Schwerpunktprogrammes Internationales Tiefseebohrprogramm (Deep Sea Drilling Project, Ocean Drilling Project, Integrated Ocean Drilling Project). Publikationen u.a. zur Klimageschichte der Sahara und Namib-Wüste, zur Geschichte der Hochproduktivitätsgebiete (Auftriebsgebiete) vor NW und SW Afrika sowie vor Peru, zum Mittelmeerausstrom und Sapropelen im Mittelmeer, zur Vereisungsgeschichte der Antarktis. Zur Zeit steht die Frage des Zusammenhanges zwischen mariner biologischer Produktivität und Klima im Zentrum ihrer Forschungstätigkeit. Lehraufträge an der Universität des Saarlandes (seit 1984) und den Universitäten Trier und Mannheim. 2001 Ernennung zur Honorarprofessorin für Geographie der Universität des Saarlandes und für Paläobiogeographie der Universität Trier. 26 Universität des Saarlandes
Ein drittes Experiment, die sog. Eisendüngung, geht auf Martin (1994) zurück und wird derzeit von verschiedenen Nationen geprüft, zuletzt auch von der Bundesrepublik mit dem Eisbrecher-Forschungsschiff Polarstern. Der Grundgedanke besteht darin, die marine biologische Produktion, das Wachstum der Algen, durch Düngung mit Hilfe von Eisen zu steigern. Eisen ist ein limitierender Faktor für das Algenwachstum. Viele Ozeanbereiche sind an Eisen untersättigt. Die Eisen-Düngung soll also das Algenwachstum vermehren, in der Annahme, dass wie bei der oben beschriebenen biologischen Pumpe CO 2 aus dem Oberflächenwasser der Ozeane und damit aus der Atmosphäre in Biomasse umgewandelt wird, zum Meeresboden absinkt und dort eingebettet wird. Die Experimente, bei denen große Mengen flüssige Eisen- Sulfat-Lösung in den Ozean ausgebracht wurden, zeigten in der Tat eine starke Zunahme der Algenproduktion, aber beim Herabsinken der nach wenigen Tagen bis Wochen absterbenden Algen wurde ein großer Teil noch in der Wassersäule bakteriell zersetzt und gelangte als CO 2 zurück in die Atmosphäre. Außerdem entstanden beim raschen Wachstum der Algen verschiedene unerwünschte Verbindungen wie Dimethylsulfid (DMS), das die Wolkenbildung verstärkt, Methylbromid, das die Ozonschicht schädigt, sowie Isoprene, die zu Treibhausgasen zersetzt werden (Dalton, 2002). Mögliche Folge des steigenden atmosphärischen CO 2 -Gehaltes für die ozeanische Zirkulation Abb. 9: Schematische Darstellung der Zirkulation in den Ozeanen. Rot: Oberflächen-, blau: Tiefenzirkulation ( s. Text für Erläuterungen) (Aus:Haug et al., 1998) Abb. 10: Temperatur im Zeitraum 15.000 bis 8.500 Jahre vor heute (BP) ermittelt in Grönländischer Eisbohrung an hand von Sauerstoffisotopen (d18o). Zum Vergleich Temperatur (d18o) in Gerzensee Ablagerungen. (Verändert nach R. S. Bradley, 1999) Der CO 2 -Gehalt unserer Atmosphäre steigt, eine Erwärmung der Ozeane um 0,6 C seit etwa 100 Jahren ist nachweisbar. Eine Folge ist, dass das Meereis im Europäischen Nordmeer und im Arktischen Ozean immer dünner wird. Außerdem tauen zunehmend die Permafrostböden der Nordhemisphäre auf, immer mehr Schmelzwasser gelangt ins Meer. All dies hat einen Einfluss auf die globale Ozean-Zirkulation, insbesondere aber auf den Nordatlantik, der geprägt ist durch den Golfstrom, der auch als Warmwasser-Heizung Europas wirkt. Mitteleuropa liegt auf der Breite Neufundlands und hätte ohne Golfstrom ein diesem vergleichbares Klima. Der Golfstrom hat seinen Ursprung in der Karibik (vgl. Abb. 9), wo infolge hoher Temperaturen viel Wasser verdunstet und somit das Wasser warm und salzreich ist. Dieses warme, salzreiche Wasser strömt nach Norden bzw. NE bis an die Nordspitze Norwegens (wo es die eisfreien Häfen garantiert!). Im Europäischen Nordmeer schließlich ist der Golfstrom soweit abgekühlt, dass das Wasser sehr schwer wird (kaltes und salzreiches Wasser ist schwerer als kaltes salzärmeres Wasser) und absinkt. Als sog. Nordatlantisches Tiefenwasser fließt die abgekühlte Wassermasse in magazin forschung 1/2004 27
2-3000 m Wassertiefe durch den gesamten Atlantik nach Süden (Abb. 9, blaue Linien) bis ins Südpolarmeer, dann bis in den westlichen Pazifik, strömt nach Norden und steigt im Nordwest-Pazifik als nährstoffreiches Wasser auf an die Oberfläche Das führt zu einer hohen biologischen Produktion. Als Oberflächenwasser (rote Linie) strömt es, sich erwärmend, durch den Indischen Ozean, fließt um Südafrika herum bis in die Karibik. Dieses System wird auch als das Große Förderband der Zirkulation bezeichnet. Dieses Förderband nun wird durch die globale Erwärmung gefährdet. Denn der Motor des Zirkulationssystems sitzt im Europäischen Nordmeer, im Nordatlantik, dort wo das Golfstromwasser infolge der Abkühlung schwerer wird und absinkt. Die Erwärmung, die die Wassertemperatur steigen lässt und somit die Dichte verringert, die Erwärmung, die das Meereis schmelzen lässt, was Süßwasserzufuhr und damit Dichte-Erniedrigung bedeutet, die Erwärmung, die zu vermehrtem Flusswassereintrag ins Nordmeer führt, was wiederum die Dichte erniedrigt, diese Erwärmung führt also dazu, dass die Absinkrate des Golfstromwassers vermindert wird. Seit 1950 ist die Menge des Tiefenwassers, das durch die Island-Faroer-Schwelle nach Süden fließt, um mindestens 20% gesunken (Hansen et al., 2001). Das bedeutet, dass der Motor des Förderbandes schwächer geworden ist. Geht diese Entwicklung weiter, ist ein völliges Erlöschen der Golfstrom-Zirkulation möglich, mit Folgen für das Klima weltweit und besonders in Europa, die noch schwer abschätzbar sind. Die oben beschriebene Erkenntnis, dass das Klima und ebenso die Meereszirkulation nach langsamer, gradueller Änderung plötzlich sprunghaft in ein anderes System springen kann, ist ein zusätzlicher Warnhinweis, der uns zum Nachdenken und Handeln anregen sollte. Wieder hilft uns die Vergangenheit, mögliche zukünftige Prozesse zu verstehen (Abb. 10). Ein Versiegen der Golfstrom-Zirkulation hat es vermutlich vor ca. 13.000 Jahren, in der sog. Jüngeren Dryas-Zeit, gegeben (Rahmsdorf, 1997). Mit dem Abschmelzen der nordhemisphärischen Inlandeismassen am Ende der letzten Kaltzeit gelangte so viel Schmelzwasser in den Nordatlantik, dass der Golfstrom innerhalb einiger Jahrzehnte bis Jahrhunderte versiegte und die Temperatur gemessen in der Grönländischen Eisbohrung- um 5 sank. Etwa 1000 Jahre später war die Dichte des Wassers wieder so hoch, dass die Golfstrom-Zirkulation erneut in Gang kam. Innerhalb von nur 50 Jahren stieg die Temperatur um 7 an. Diese Temperatursprünge sind auch im mitteleuropäischen Raum nachzuweisen, z.b. in Ablagerungen des Schweizer Gerzensees, wo die Sauerstoffisotope zeitgleich mit der über Grönland eine rasche Temperaturabnahme signalisieren. Diese Erwärmung und die Bildung großer Mengen Schmelzwasser ging auf natürliche Prozesse zurück, nämlich auf die Änderung der Orbitalparameter (Exzentrizität der Erdumlaufbahn, Neigung der Erdachse, Präzession des Frühlingspunktes), die die Kalt- und Warmzeiten steuern. Diese Orbitalelemente steuern unser Klima in Richtung auf eine neue Kaltzeit, die in ca. 50.000 Jahren eintreten würde, wenn nicht der anthropogene CO 2 -Eintrag in das natürliche, astrophysikalisch gesteuerte System massiv eingreifen und zu der beobachteten Erwärmung führen würde. Um mit W. Broecker zu sprechen: das Klima ist ein unberechenbares, wildes Tier und wir pieksen es mit Stöcken und reizen es. Wir reizen das wilde Tier mit kontinuierlich steigendem CO 2 -Eintrag und müssen mit unberechenbaren Reaktionen rechnen, wenn nicht umgehend falls es nicht schon zu spät ist eine Umkehr in der weltweiten Energiepolitik stattfindet. Zitierte Literatur Berner, U. und Streif, H. (Hrsg), Klimafakten. Schweizerbart sche Verlagsbuchhandlung, 238 S, 2000. Bradley, R.S., Paleoclimatology. Harcourt Academic Press, San Diego, 613 pp., 1999. Dalton, R., Ocean tests raise doubt over use of algae as carbon sink. Nature, 420, p.722, 2002. Diester-Haaß,L., Late Eocene-Oligocene sedimentation in the Antarctic Ocean,Atlantic sector (Maud Rise,ODP Leg 113,Site 689): development of surface and bottom water circulation. In: Kennett, J.P. (Ed.), The antarctic paleoenvironment: a perspective on global change change. Antarctic Research Series,vol. 56. Am. Geophys. Union, Washington. 185-202, 1992. 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