Experimentelle Rechtsetzung. Begriff. Problemstellung. Anwendungsfelder und wichtigste Rechtsfragen

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Transkript:

Experimentelle Rechtsetzung Anwendungsfelder und wichtigste Rechtsfragen Gemeinsame Veranstaltung Forum für Rechtsetzung und Netzwerk Evaluation in der Bundesverwaltung Bern, 25. Juni 2015 Begriff Rechtsetzung «auf Probe» Verbindliche Erlasse, die befristet sind, damit der Vollzug und die Auswirkungen systematisch evaluiert und ausgewertet werden, zur Sammlung von soliden Entscheidfindungsgrundlagen, weil der Gesetzgeber aus Unsicherheit Grundlagen für einen späteren, dauerhaften Entscheid beschaffen will. 2 Problemstellung Gesetzgebung als Experiment Rechtsetzung ist immer mit Unsicherheit behaftet Umgekehrte Normenhierarchie («inversion normative») Vom Verwaltungshandeln über die Versuchsverordnung zum Gesetz anstatt vom Verfassungs- über den Gesetzgeber zur Verwaltung Erlasse «auf Probe» Herkömmlicher Begriff des Gesetzes als dauerhafte Regelung «Trial and Error» als legislatorische Maxime Eine Frage der Politik oder eine Frage des Rechts? Exogene Faktoren Grössere Erwartungshaltung gegenüber dem Staat; unablässig eskalierender Zeitdruck des Gesetzgebers 3 1

Anwendungsfelder (I) Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) Art. 112b 1 Der Bundesrat kann Testphasen zur Beurteilung neuer Verfahrensabläufe vorsehen, wenn diese aufgrund von aufwendigen, organisatorischen und technischen Massnahmen eine Testphase vor dem Erlass einer Gesetzesänderung erfordern. 2 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten der Testphasen in einer Verordnung. Dabei kann er bei der Ausgestaltung des erstinstanzlichen Asylverfahrens und des Wegweisungsverfahrens und damit zusammenhängenden Finanzierungsfragen von diesem Gesetz und dem AuG abweichen. 3 Er kann für Testphasen die Beschwerdefrist von 30 Tagen gemäss Artikel 108 Absatz 1 auf zehn Tage verkürzen, wenn der wirksame Rechtsschutz der betroffenen Asylsuchenden durch geeignete Massnahmen gewährleistet ist. 4 Die Verordnung listet alle Gesetzesbestimmungen auf, von denen abgewichen wird. 5 Die Dauer der Testphasen beträgt höchstens zwei Jahre. 4 Anwendungsfelder (II) Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (IVG, SR 831.20) Art. 68 quater Pilotversuche 1 Das Bundesamt [für Sozialversicherungen] kann zum Zweck der Eingliederung befristete Pilotversuche bewilligen, die von den Bestimmungen dieses Gesetzes abweichen können. ( ) 2 Es kann die Bewilligung für Pilotversuche, die sich bewährt haben, um höchstens vier Jahre verlängern. 3 Für die Finanzierung können Mittel der Versicherung herangezogen werden. Verordnung über lokale Rundfunk-Versuche vom 7. Juni 1982 (RVO, AS 1982 1149) Art. 1 Zweck 1 Diese Verordnung bezweckt, zur Vorbereitung der künftigen Gesetzgebung einige lokale Rundfunk-Versuche für begrenzte Zeit zu ermöglichen. ( ) 5 Anwendungsfelder (III) Verordnung über die Förderung der wissenschaftlichen Begleitforschung zur Drogenprävention und Verbesserung der Lebensbedingungen Drogenabhängiger vom 21. Oktober 1992 (AS 1992 2213) Art. 1 Ziel und Zweck 1 Der Bund unterstützt die wissenschaftliche Begleitforschung zu Massnahmen für die Drogenprävention, die Verbesserung der Gesundheits- und Lebenssituation Drogenabhängiger, ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft sowie die Senkung der Beschaffungskriminalität. 2 Die Begleitforschung soll wissenschaftliche Entscheidungsgrundlagen für die Wahl und Verbesserung von Präventions- und Betreuungsmassnahmen zur Verminderung der Drogenprobleme liefern. Verordnung über die Durchführung eines zeitlich und örtlich beschränkten Versuchs mit Tempo 50 innerorts vom 8. November 1978 (AS 1978 1700) Art. 1 Grundsatz Das [EJPD] wird ermächtigt, anstelle der allgemein Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h innerorts, im Einvernehmen mit den Kantonen in einer beschränkten Zahl von Ortschaften und Regionen für eine beschränkte Zeit versuchsweise eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einzuführen. Der Versuch ist wissenschaftlich auszuwerten. 6 2

Anwendungsfelder (IV) Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) Art. 79b (neu) Elektronische Überwachung 1 Die Vollzugsbehörde kann auf Gesuch des Verurteilten hin den Einsatz elektronischer Geräte und deren feste Verbindung mit dem Körper des Verurteilten (elektronische Überwachung) anordnen: ( ) Art. 387 ( ) Ergänzende Bestimmungen des Bundesrates 4 Der Bundesrat kann versuchsweise und für beschränkte Zeit: a. neue Strafen und Massnahmen sowie neue Vollzugsformen einführen oder gestatten und den Anwendungsbereich bestehender Sanktionen und Vollzugsformen ändern; b. einführen oder gestatten, dass der Vollzug von Freiheitsstrafen an privat geführte Anstalten, die den Anforderungen dieses Gesetzes betreffend den Vollzug der Strafen (Art. 74 85, 91 und 92) genügen, übertragen wird. Diese Anstalten unterstehen der Aufsicht der Kantone. 5 Die kantonalen Ausführungsbestimmungen für die Erprobung neuer Sanktionen und Vollzugsformen und den privat geführten Strafvollzug (Abs. 4) bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Bundes. 7 Anwendungsfelder (V) Genève: Loi concernant la législation expérimentale du 14 décembre 1995 (RSG A 2 35) Article unique Bern: Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (Organisationsgesetz, OrG) vom 20. Juni 1995 (BSG 152.1) Art. 44 Versuchsverordnungen Solothurn: Gesetz über die wirkungsorientierte Verwaltungsführung (WoV-G) vom 3. September 2003 (BGS 115.1) 83 Versuchsverordnungen Diverse Schulversuche in den Kantonen 8 Wichtigste Rechtsfragen (I) Legalitätsprinzip Rechtssicherheit Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Rechtsgleichheit und Willkürverbot Grundrechtsschutz Verfassungsrechtliche Voraussetzungen Initiativrecht des Bundesrates Testbedürfnis Testgeeignetheit und erforderlichkeit Reversibilität Evaluation und Befristung Gesetzgebungsmethodische Kriterien und Richtlinien 9 3

Wichtigste Rechtsfragen (II) Legalitätsprinzip «Versuchs-Bonus» oder gleiche gesetzliche Grundlage wie für Dauererlasse? Gesetzgebung ist und bleibt Sache der Bundesversammlung (Art. 164 Abs. 1 BV) Möglichkeit zum Erlass von Versuchsregelungen mit hinreichend bestimmte, in einem formellen Gesetz enthaltene Ermächtigung (Art. 164 Abs. 2 BV) Keine Versuchsregelung gestützt auf Vollzugskompetenz (Art. 182 BV) BR Koller: «[K]ein Idealzustand rechtsstaatlicher Gesetzgebung ( ) Dort, wo aber die ordentliche Gesetzgebung allzu sehr hintennachhinkt, kann der Bundesrat nicht anders, als die notwendigen Erlasse mit Versuchscharakter zu erlassen.» (AB N 1989 843) 10 Wichtigste Rechtsfragen (III) Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit Öffentliches Interesse am Versuch und öffentliches Interesse an der Dauerregelung Versuch geeignet, Grundlagen für den Gesetzgeber für die definitiv gedachte Regelung zu liefern Erforderlich das Interesse an einer Dauerregelung zu erreichen, wenn der Gesetzgeber noch nicht sicher ist, was die geplante Regelung bewirkt 11 Wichtigste Rechtsfragen (IV) Rechtsgleichheit Rechtsgleichheit immer betroffen, wenn Versuch örtlich begrenzt ist und damit eine Ungleichbehandlung einhergeht. Ungleichbehandlung und ein sachlichen Differenzierungsgrund, wenn für den Versuch und Auswertung erforderlich Gebot der Rechtsgleichheit bezieht sich auf die Gleichbehandlung der Rechtsunterworfenen, nicht auf die Gleichheit nicht personenbezogener, sachlicher Anordnungen (BGE 108 IV 52 E. 4a S. 55 zum Versuch Tempo 50 innerorts) Freiwilligkeit? Nein. 12 4

Wichtigste Rechtsfragen (V) Initiativrecht des Bundesrates (Art. 181 BV) «Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung Entwürfe zu ihren Erlassen.» Kernfrage des Staatsrechts, zur Erfüllung der Staatsleitungs- und Regierungsobliegenheiten aus Verfassung und Gesetz Bundesrat begleitet die meisten Vorlagen von Anfang bis Abschluss Er leitet das Vorfahren der Gesetzgebung (Art. 7 RVOG); die experimentelle Rechtsetzung ein Teil davon Entwickelt zukunftsgerichtete Lösungen für das staatliche Handeln (Art. 5 Satz 2 RVOG) Widerspruch zum Legalitätsprinzip Lösung durch den Gesetzgeber selbst mit Begründung hinreichender Kompetenzdelegation Nicht möglich über die Vollzugskompetenz (Art. 182 BV) 13 Wichtigste Rechtsfragen (VI) Testbedürfnis, Testgeeignetheit und erforderlichkeit «Komplexer» Sachverhalt Notwendig ist die Unsicherheit des Gesetzgebers; er verfügt nicht über die essentiellen Entscheidungsgrundlagen und verwertbare Erfahrungen Wesentliches anerkanntes Testbedürfnis als ein öffentliches Interesse Geeignet, wenn erstrebte Erkenntnisse überhaupt durch angestrebten Test erreicht sind Erforderlich, wenn keine anderen Möglichkeiten wie Modellrechnungen oder Planspiele ausreichen Kein Substitut für politische Wertungen oder symbolische Gesetzgebung. 14 Ausblick Appell an die Politik: Vertrauen in die Exekutive mit Ermächtigung unter genau definierten Rahmenbedingungen versuchsweise Regelungen zu erproben. Der Exekutive muss es möglich sein mehr noch: es ist ihr Recht und ihre Pflicht, vorausschauende und zukunftsgerichtete Lösungen zu erarbeiten, der Verantwortung nachzukommen und damit auch versuchsweise Regelungen einzuführen. Ziel: Rationalität der Gesetzgebung nur der Weg dahin ist unterschiedlich 15 5

Besten Dank Sandro Körber, s.koerber@bluewin.ch Körber, Sandro, 2015, Experimentelle Rechtsetzung, LeGes, H. 3, im Erscheinen Handout zum mitnehmen 16 6