Springer-Lehrbuch
Horst Haberhauer Ferdinand Bodenstein Maschinenelemente Gestaltung, Berechnung, Anwendung 15., bearbeitete Auflage Mit 520 Abbildungen und 118 Tabellen 3
Professor Dr.-Ing. Horst Haberhauer Fachhochschule Esslingen Hochschule für Technik Fachbereich Maschinenbau Kanalstraße 33 73728 Esslingen E-mail: horst.haberhauer@hs-esslingen.de Ferdinand Bodenstein isbn-13 978-3-540-68611-8 15. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York isbn-13 978-3-540-34463-3 14. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberreichtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1905, 1913, 1920, 1922, 1930, 1951, 1956, 1968, 1979, 1996, 2001, 2003, 2005, 2007 and 2009 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. din, vdi, vde) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Herstellung: le-tex publishing services ohg, Leipzig Umschlaggestaltung: WMXDesign, Leipzig, Germany Gedruckt auf säurefreiem Papier 7/3100/YL 5 4 3 2 1 0
Vorwort zur 15. Auflage Neue Normen, Berechnungsvorschriften und Literatur erfordern eine ständige Aktualisierung des vorliegenden Lehrbuches. Großer Wert wurde darauf gelegt, das komplexe Stoffgebiet der Maschinenelemente zum einen kompakt und praxisnah, aber dennoch theoretisch fundiert und gut verständlich darzustellen. So bildet dieses Lehrbuch ein stabiles Fundament für die Vertiefung in Spezialgebiete. Rezepthaftes Anwenden von Beispielen und Formeln sind bei der Lösung ingenieurspezifischer Probleme nicht zu empfehlen. Daher wurde bewußt auf die Darstellung fertiger Gleichungen verzichtet. Es wurde versucht, bei allen Berechnungen die Entstehung sowie die Voraussetzungen und die Gültigkeitsbereiche der Berechnungsgleichungen aufzuzeigen. Ohne die Kenntnis der physikalischen Grundlagen und der Berechnung zugrunde liegenden Rechenmodelle sowie die dafür notwendigen, meist vereinfachenden Annahmen, ist eine ingenieurmäßige Problemlösung in der Regel nicht möglich. Auch für die Anwendung und Interpretation der Ergebnisse von Berechnungsprogrammen, die heute aus den Konstruktionsbüros nicht mehr wegzudenken sind, ist ein solides Grundlagenwissen unbedingt erforderlich. Für die 15. Auflage wurden Normen aktualisiert, einige Textstellen im Hinblick auf bessere Verständlichkeit und Eindeutigkeit überarbeitet (z.b. Biegeschwingungen bei Wellen) sowie einige Kapitel erweitert. So wurde die Tabelle 1.16 neu eingefügt, aus der die erreichbaren Toleranzen, abhängig vom Fertigungsverfahren, angegeben sind. Das Nieten wurde um das Durchsetzfügen, das in der Serienfertigung von Blechverbindungen immer größere Bedeutung erlangt, ergänzt. Die Klemmverbindungen wurden überarbeitet und die Spannexzenter neu aufgenommen, da in der Literatur bisher keine Berechnungsmodelle bezüglich der Exzenterkräfte vorliegen. Ebenso wurden die Bremsen im Kapitel Kupplungen erweitert. Dem Springer-Verlag danke ich für die gute Zusammenarbeit bei der Herstellung dieses Buches. Vielen Dank für konstruktive Kritik, insbesondere meinem Kollegen Roland Mastel für wertvolle Anregungen und Diskussionen. Hinweise auf Druck- und Verständnisfehler sowie eventuellen Ergänzungen nehme ich auch in Zukunft gerne entgegen. Esslingen, im Sommer 2008 Horst Haberhauer
VI Vorwort zur 15. Auflage Wichtiger Hinweis: Über die Homepage des Springer-Verlages (www.springer.com/978-3-540-68611-8) kommen Sie zur Website des vorliegenden Buches. Dort finden Sie Ergänzungen zum Thema Maschinenelemente (z.b. eine Formelsammlung und mehr), die Sie kostenlos herunterladen können.
Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen................................ 1 1.1 Definition der Maschinenelemente................. 1 1.2 Konstruieren............................. 1 1.2.1 Definition des Begriffs Konstruieren............. 1 1.2.2 Konstruktionsprozeß..................... 2 1.2.3 Rechnerunterstütztes Konstruieren............. 5 1.3 Das Gestalten............................. 6 1.3.1 Funktions- und anforderungsgerechtes Gestalten...... 7 1.3.2 Beanspruchungsgerechtes Gestalten............. 7 1.3.3 Festigkeitsgerechtes Gestalten (Dimensionierung)..... 12 1.3.4 Werkstoffgerechtes Gestalten................. 24 1.3.5 Herstellgerechtes Gestalten.................. 29 1.3.6 Recyclinggerechtes Gestalten................. 34 1.3.7 Zeitgerechtes Gestalten (Formschönheit).......... 35 1.4 Normung............................... 36 1.4.1 Grundlagen der Normung................... 36 1.4.2 Normen und ihre rechtliche Bedeutung........... 37 1.4.3 Normzahlen (NZ)....................... 39 1.4.4 Toleranzen und Passungen.................. 42 1.4.5 Technische Oberflächen.................... 61 2 Verbindungselemente......................... 67 2.1 Schweißverbindungen........................ 68 2.1.1 Schweißverfahren....................... 69 2.1.2 Schweißbarkeit......................... 70 2.1.3 Schweißnahtgüte........................ 72 2.1.4 Schweißstoß und Schweißnaht; Zeichnerische Darstellung. 73 2.1.5 Berechnen von Schweißverbindungen............ 78 2.1.6 Gestalten von Schweißverbindungen............. 95 2.2 Lötverbindungen........................... 100 2.2.1 Lote, Lötverfahren und Anwendungen............ 100 2.2.2 Berechnen von Lötverbindungen............... 101 2.2.3 Gestalten von Lötverbindungen................ 102
VIII Inhaltsverzeichnis 2.3 Klebeverbindungen.......................... 104 2.3.1 Klebstoffe............................ 105 2.3.2 Berechnen von Klebeverbindungen............. 105 2.3.3 Gestalten von Klebeverbindungen.............. 107 2.4 Reibschlußverbindungen....................... 108 2.4.1 Keilverbindungen....................... 109 2.4.2 Kegelsitz............................. 115 2.4.3 Konische Spannelementverbindungen............ 118 2.4.4 Verbindungen mit federnden Zwischengliedern...... 121 2.4.5 Preßverbindungen (Zylindrische Preßverbände)...... 124 2.4.6 Klemmverbindungen..................... 138 2.5 Formschlußverbindungen...................... 143 2.5.1 Paß- und Scheibenfederverbindungen............ 143 2.5.2 Profilwellenverbindungen................... 148 2.5.3 Bolzen- und Stiftverbindungen................ 153 2.5.4 Elemente zur axialen Lagesicherung............. 160 2.6 Nietverbindungen........................... 163 2.6.1 Herstellung und Gestaltung von Nietverbindungen..... 163 2.6.2 Berechnen von Nietverbindungen.............. 169 2.6.3 Durchsetzfügen (Clinchen).................. 170 2.7 Schraubenverbindungen....................... 171 2.7.1 Definition der Schraube; Bestimmungsgrößen....... 172 2.7.2 Gewindearten.......................... 174 2.7.3 Genormte Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben... 177 2.7.4 Werkstoffe und Festigkeitswerte............... 181 2.7.5 Berechnen von Schraubenverbindungen........... 183 2.7.5.1 Verspannungsschaubild................ 184 2.7.5.2 Gewindekräfte und -momente............ 191 2.7.5.3 Spannungen in Schraubenverbindungen; Bemessungsgrundlagen................ 196 2.7.6 Schraubensicherungen.................... 204 2.7.7 Gestalten von Schraubenverbindungen........... 208 2.7.8 Bewegungsschraube...................... 208 2.8 Elastische Verbindungen (Federn).................. 216 2.8.1 Kennlinie; Arbeit; Dämpfung; allgemeine Dimensionierungsgrundlagen.......... 216 2.8.2 Federschaltungen....................... 219 2.8.3 Metallfedern.......................... 221 2.8.4 Gummifedern.......................... 250
Inhaltsverzeichnis IX 3 Dichtungen................................ 255 3.1 Dichtungen zwischen ruhenden Bauteilen............. 256 3.1.1 Unlösbare Dichtungen..................... 256 3.1.2 Bedingt lösbare Dichtungen.................. 256 3.1.3 Lösbare Dichtungen...................... 257 3.2 Dichtungen zwischen bewegten Bauteilen............. 265 3.2.1 Berührungsdichtungen.................... 266 3.2.2 Berührungslose Dichtungen.................. 274 3.2.3 Hermetische Dichtungen................... 277 4 Elemente der drehenden Bewegung................. 279 4.1 Achsen................................. 279 4.2 Wellen................................. 284 4.2.1 Bemessung auf Tragfähigkeit................. 285 4.2.2 Bemessung auf Verformung.................. 293 4.2.3 Dynamisches Verhalten.................... 298 4.2.4 Wellengestaltung........................ 304 4.2.5 Sonderausführungen...................... 307 4.3 Lager.................................. 309 4.3.1 Gleitlager............................ 309 4.3.1.1 Schmierstoffe: Eigenschaften, Arten und Zuführung....................... 311 4.3.1.2 Druck-, Geschwindigkeits- und Reibungsverhältnisse im Tragfilm.......... 316 4.3.1.3 Mischreibung und Übergangsdrehzahl....... 338 4.3.1.4 Wellen- und Lagerwerkstoffe............. 340 4.3.1.5 Gestaltung....................... 341 4.3.2 Wälzlager............................ 348 4.3.2.1 Radiallager....................... 351 4.3.2.2 Axiallager....................... 356 4.3.2.3 Lagerbezeichnung................... 358 4.3.2.4 Lagerberechnung................... 360 4.3.2.5 Gestaltung von Wälzlagerungen........... 372 4.4 Kupplungen.............................. 382 4.4.1 Starre Kupplungen....................... 383 4.4.2 Bewegliche Kupplungen (Ausgleichskupplungen)...... 386 4.4.3 Elastische Kupplungen..................... 392 4.4.4 Formschlüssige Schaltkupplungen.............. 399 4.4.4.1 Fremdbetätigte Schaltkupplungen.......... 399 4.4.4.2 Momentbetätigte Schaltkupplungen......... 403 4.4.4.3 Richtungsbetätigte Schaltkupplungen........ 403
X Inhaltsverzeichnis 4.4.5 Kraftschlüssige Schaltkupplungen (Reibungskupplungen). 404 4.4.5.1 Fremdbetätigte Reibungskupplungen........ 407 4.4.5.2 Momentbetätigte Reibungskupplungen....... 417 4.4.5.3 Drehzahlbetätigte Reibungskupplungen...... 418 4.4.5.4 Richtungsbetätigte Reibungskupplungen...... 421 4.4.6 Bremsen............................. 423 5 Elemente der geradlinigen Bewegungen.............. 429 5.1 Paarung von ebenen Flächen..................... 429 5.1.1 Führungen mit Gleitlagerungen............... 429 5.1.2 Führungen mit Wälzlagerungen............... 435 5.2 Rundlingspaarungen......................... 440 5.2.1 Gleitende Rundlingspaarungen................ 440 5.2.2 Rundführungen mit Wälzlagerungen............ 443 6 Elemente zur Übertragung gleichförmiger Drehbewegungen 445 6.1 Stirnradgetriebe............................ 447 6.1.1 Verzahnungsgeometrie geradverzahnter Stirnräder.... 447 6.1.1.1 Allgemeines Verzahnungsgesetz........... 449 6.1.1.2 Verzahnungsarten................... 455 6.1.1.3 Bezugsprofil und Herstellung............. 463 6.1.1.4 Unterschnitt und Grenzzähnezahl.......... 466 6.1.1.5 Profilverschiebung................... 468 6.1.1.6 Zahnradpaarung.................... 472 6.1.1.7 Innenverzahnung................... 479 6.1.2 Verzahnungsgeometrie schrägverzahnter Stirnräder.... 483 6.1.2.1 Grundbegriffe und -beziehungen.......... 485 6.1.2.2 Paarungen schrägverzahnter V-Räder........ 490 6.1.2.3 Verzahnungstoleranzen................ 491 6.1.3 Kräfte und Momente...................... 495 6.1.4 Grundlagen der Tragfähigkeitsberechnung (DIN 3990)... 499 6.1.4.1 Allgmeine Faktoren.................. 501 6.1.4.2 Zahnfußtragfähigkeit................. 507 6.1.4.3 Flankentragfähigkeit................. 514 6.1.5 Auslegung und Gestaltung................... 519 6.2 Kegelradgetriebe........................... 525 6.2.1 Verzahnungsgeometrie geradverzahnte Kegelräder..... 525 6.2.2 Kegelräder mit Schräg- und Bogenverzahnung....... 530 6.2.3 Kräfte am Kegelrad....................... 533 6.2.4 Tragfähigkeitsberechnung (DIN 3991)............ 534 6.3 Schraubradgetriebe.......................... 535 6.3.1 Verzahnungsgeometrie von Schraubenräder........ 536
Inhaltsverzeichnis XI 6.3.2 Kräfteverhältnisse und Wirkungsgrad............ 538 6.3.3 Bemessungsgrundlagen.................... 539 6.4 Schneckengetriebe.......................... 541 6.4.1 Flankenformen der Zylinderschnecken........... 542 6.4.2 Verzahnungsgeometrie.................... 544 6.4.3 Kräfteverhältnisse und Wirkungsgrad............ 548 6.4.4 Empfehlungen für die Bemessung.............. 549 6.4.5 Lagerkräfte und Beanspruchungen der Schneckenwelle.. 551 6.4.6 Gestaltung........................... 553 6.5 Umlaufgetriebe............................ 555 6.5.1 Drehzahlen und Übersetzungen............... 555 6.5.2 Kräfte, Momente und Leistungen............... 567 6.5.3 Kegelrad-Umlaufgetriebe................... 573 6.6 Reibradgetriebe............................ 574 6.6.1 Werkstoffpaarungen und Berechnungsgrundlagen..... 574 6.6.2 Reibradgetriebe mit konstanter Übersetzung........ 579 6.6.3 Reibradgetriebe mit stufenlos verstellbarer Übersetzung.. 580 6.7 Formschlüssige Zugmitteltriebe................... 583 6.7.1 Kettentriebe........................... 583 6.7.2 Zahnriementriebe....................... 589 6.8 Kraftschlüssige Zugmitteltriebe (Riementrieb).......... 590 6.8.1 Theoretische Grundlagen................... 591 6.8.1.1 Bandkräfte und -spannungen............ 591 6.8.1.2 Einfluß der Fliehkraft................. 593 6.8.1.3 Biegespannung und Biegefrequenz.......... 594 6.8.1.4 Gesamtspannung und optimale Bandgeschwindigkeit................. 595 6.8.1.5 Folgerungen aus den theoretischen Betrachtungen. 596 6.8.2 Bauarten für konstante Übersetzungen............ 597 6.8.2.1 Flachriementriebe................... 599 6.8.2.2 Keilriementrieb.................... 602 6.8.3 Bauarten für stufenlos verstellbare Übersetzungen..... 613 Anhang.................................... 617 A1 Werkstoffkennwerte......................... 617 A2 Wälzlagerabmessungen....................... 623 A3 Flächen- und Widerstandsmomente................ 631 A4 SI-Einheiten.............................. 633 A5 Griechisches Alphabet........................ 634 Literaturverzeichnis............................ 635 Stichwortverzeichnis........................... 641
1 Grundlagen 1.1 Definition der Maschinenelemente Unter Maschinenelementen sollen Bauteile des allgemeinen Maschinenbaus verstanden werden, die bei verschiedenen Geräten jeweils gleiche oder ähnliche Funktionen erfüllen und daher immer wieder in gleicher oder ähnlicher Form vorkommen. Entsprechend den zu erfüllenden Funktionen kann es sich dabei um einzelne Bauteile wie Stifte, Bolzen, Wellen, Federn u. ä. handeln, aber auch um Bauteilgruppen, bei denen zwei oder mehrere Einzelteile funktionsmäßig zusammengehören und nach dem Zusammenbau eine Einheit bilden (Schraube-Mutter, Gelenke, Lager, Kupplungen, Getriebe, usw.). Viele Bauelemente weisen auf Grund jahrelanger Entwicklung nicht nur typische Ausführungsformen auf, sondern sind darüber hinaus vielfach bezüglich Anordnung und Abmessungen genormt. Da jedes technische System aus einzelnen Maschinenelementen besteht, sind umfassende Kenntnisse dieser Elemente für die Konstruktion von Maschinen unbedingt erforderlich. 1.2 Konstruieren 1.2.1 Definition des Begriffes Konstruieren Konstruieren ist eine schöpferisch-geistige Tätigkeit. In der VDI-Richtlinie 2223 ist der Begriff Konstruieren folgendermaßen definiert: Konstruieren ist das vorwiegend schöpferische, auf Wissen und Erfahrung gegründete und optimale Lösungen anstrebende Vorausdenken technischer Erzeugnisse, Ermitteln ihres funktionellen und strukturellen Aufbaus und Schaffen fertigungsreifer Unterlagen. Das Ziel des Konstruierens ist es also, für technische Probleme optimale Lösungen zu finden und dafür fertigungsreife Unterlagen zu erstellen. Optimal ist heute eine Lösung, wenn sie alle Anforderungen bezüglich Herstellung, Gebrauch und Entsorgung erfüllt und zudem wirtschaftlich, also kostengünstig ist (Abb. 1.1). Die optimale Herstellbarkeit eines Produktes ist dann gegeben, wenn alle Bauteile so gestaltet wurden, daß sie mit minimalem Kosten- und Zeitaufwand gefertigt und zu Baugruppen montiert werden können. Um eine kontinuier-
2 1 Grundlagen Abb. 1.1. Optimale Lösung liche Qualität bei größeren Serien sicherzustellen, muß auch die Prüfung von Maßen und Funktionen eindeutig und zuverlässig möglich sein. Eine optimale Funktionserfüllung liegt vor, wenn die erforderlichen Funktionen unter den gegebenen Bedingungen, wie z. B. Belastungen, Klima, Ergonomie usw., erfüllt werden. Immer größere Bedeutung während des Produktgebrauchs erlangt die Umweltverträglichkeit, d. h. minimaler Energieverbrauch oder geringe Luft- und Bodenbelastungen. Eine optimale Entsorgung wurde bisher in der Konstruktion selten berücksichtigt. Die sich zuspitzende Umweltproblematik wird jedoch in Zukunft zusätzliche Anforderungen an die Konstruktion neuer Produkte stellen. So können zum Beispiel große Mengen des immer teurer werdenden Mülls durch gezielte Rückführung von Altstoffen in den Produktionsprozeß (Recycling) vermieden werden. Unter fertigungsreifen Unterlagen oder Fertigungsunterlagen versteht man die zur Herstellung eines Produktes erforderlichen Zeichnungen, Stücklisten usw. Sie beinhalten unter anderem die Beschreibung der Produktgestalt, Oberflächenbeschaffenheit, Toleranzen und Montageanweisungen. 1.2.2 Konstruktionsprozeß Bei der herkömmlichen Arbeitsweise führte die auf der Erfahrung des Konstrukteurs beruhenden Intuition zu einer mehr oder weniger guten Lösung. Heutzutage ist man bemüht, durch systematisches Vorgehen eine optimale Lösung der Aufgabenstellung gezielt anzustreben. Der Konstruktionsablauf läßt sich dabei in unterschiedliche Phasen und Arbeitsschritte unterteilen. Grundlage dafür sind die VDI-Richtlinien 2210, 2221, 2222 und 2225. Danach besteht der Konstruktionsprozeß (Abb. 1.2) aus der Konzeptionsphase und der Gestaltungsphase. Konzeptionsphase. In der Konzeptionsphase wird, nachdem die Aufgabenstellung klar umrissen ist, der funktionelle Aufbau ermittelt. Das heißt, welche Funktionen müssen erfüllt werden und in welchem Zusammenhang stehen sie
1.2 Konstruieren 3 Abb. 1.2. Konstruktionsprozeß zueinander. Danach sind für diese Funktionen konstruktive Lösungen zu suchen und das Konzept festzulegen. Aufgabenstellung. Da der Konstrukteur eine der Aufgabenstellung entsprechende optimale Lösung erarbeiten soll, ist es wichtig, schon zu Beginn des Konstruktionsprozesses die Aufgabenstellung möglichst umfassend und vollständig zu analysieren. Das Ergebnis wird in Form eines Anforderungskataloges, z. B. als Pflichtenheft, niedergeschrieben. Dem Pflichtenheft und den darin enthaltenen Forderungen kommt deshalb eine große Bedeutung zu, weil das Ergebnis des Konstruierens nur nach dem Erfüllungsgrad der gestellten Forderungen beurteilt werden kann. Da sich die Forderungen häufig widersprechen, können sie nie alle vollkommen erfüllt werden. Deshalb sind die Produktanforderungen schon im Pflichtenheft soweit wie möglich zu gewichten (Festforderungen, Mindestforderungen, Wunschforderungen). Damit wird festgelegt, wie wichtig einzelne Anforderungen relativ zueinander sind. Funktionsstruktur. Aus der Aufgabenstellung (Pflichtenheft) geht hervor, welche Funktionen zu erfüllen sind. Mit Hilfe einer Funktionsstruktur (Abb. 1.3) können, analog zur Systemtechnik, komplexe Funktionen in einfache, überschaubare Teilfunktionen gegliedert und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten dargestellt werden. Der Vorteil einer Funktionstruktur ist, schwer überschaubare Problemstellungen in einfache, leicht lösbare Teilprobleme aufzuteilen. Den in der Regel bildhaft denkenden Konstrukteuren fällt das Arbeiten mit abstrakten Funktionsstrukturen jedoch erfahrungsgemäß sehr schwer.
4 1 Grundlagen Abb. 1.3. Funktionsstruktur eines Schaltgetriebes Konzept. Zu den in der Funktionsstruktur definierten Teilfunktionen müssen Lösungsprinzipien gefunden und später zu Prinzipkombinationen zusammengeführt werden. Ergeben sich aus der Kombination der einzelnen Lösungsprinzipien mehrere sinnvolle Konzeptvarianten, so ist durch ein geeignetes Auswahlverfahren, zum Beispiel das technisch-wirtschaftliche Bewerten nach VDI- Richtlinie 2225, das Konzept festzulegen, das der Aufgabenstellung entspricht. Gestaltungsphase. In der Gestaltungsphase erfolgt die stoffliche Verwirklichung der in der Konzeptionsphase erarbeiteten Lösungsprinzipien. Zuerst wird ein Entwurf erstellt, aus dem dann die Fertigungsunterlagen abgeleitet werden. Entwurf. Beim Entwerfen wird ein technisches Gebilde soweit gestaltet, daß ein nachfolgendes Detaillieren bis zur Fertigungsreife eindeutig möglich ist. Eine solche Gestaltung erfordert die Wahl von Werkstoffen und Fertigungsverfahren, die Festlegung der Hauptabmessungen und die Untersuchung der räumlichen Verträglichkeit. Meist sind mehrere Entwürfe oder Teilentwürfe notwendig, um ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Die Tätigkeit des Entwerfens enthält neben kreativen sehr viele korrektive Arbeitsschritte. Der Entwurfsvorgang ist sehr komplex, da viele Tätigkeiten zeitlich parallel ausgeführt werden (Gestalten, Berechnen), manche Arbeitsschritte mehrmals wiederholt werden müssen und Änderungen an einem Bauteil häufig schon gestaltete Zonen beeinflussen. Entwerfen ist demzufolge ein Optimierungsprozeß, bei dem die Bauteilgeometrien laufend verändert werden. Fertigungsunterlagen. Der zweite Teil der Gestaltungsphase beinhaltet das Detaillieren des Entwurfes und das Erarbeiten der Produktdokumentation. Das Detaillieren beschränkt sich nicht auf das einfache Herauszeichnen der Einzelteilzeichnungen aus dem Entwurf, sondern es sind gleichzeitig Detailoptimierungen hinsichtlich Form, Oberflächengüte und Genauigkeitsanforderungen (Toleranzen) vorzunehmen. Die Montage benötigt Informationen darüber, wie Einzelteile zueinander angeordnet werden müssen, mit welchem Drehmoment z.b. Schrauben ange-
1.2 Konstruieren 5 zogen und welche speziellen Anweisungen während der Montage eingehalten werden sollen. Diese Informationen werden in Form von Baugruppen- oder Zusammenstellzeichnungen dargestellt. Um ein Erzeugnis vollständig zu beschreiben, ist auch eine Stückliste notwendig, in der alle Einzelteile des Produktes enthalten sind. Die darin enthaltene Benennung der Einzelteile und Baugruppen richtet sich in der Regel nach der jeweiligen Bauform (Winkel, Rohr, Welle, Deckel usw.). Bezüglich der Gliederung unterscheidet man zwischen der Mengenstückliste, die eine numerische Auflistung aller Einzelteile enthält, und der Strukturstückliste, die hierarchisch nach dem Fertigungsablauf gegliedert ist. 1.2.3 Rechnerunterstütztes Konstruieren Neben Funktionalität und Qualität sind die Produktkosten als wesentlicher Wettbewerbsfaktor zu nennen. Ein Großteil der Produktkosten wird in der Konstruktion festgelegt, indem der Konstrukteur Gestalt, Werkstoff, Toleranzen und weitgehend auch die Fertigungsverfahren festlegt. Die hohe Kostenverantwortung, verbunden mit ständig steigenden Anforderungen an neue Produkte und immer kürzer werdenden Innovationszyklen führten dazu, daß in vielen Konstruktionsbüros bereits neue, rechnerunterstützte Hilfsmittel wie CAD und FEM im Einsatz sind. Hingegen CAD-Systeme direkt die Konstruktionstätigkeit unterstützen, dienen FEM-Systeme konstruktionsbegleitend der Optimierung von Bauteilen und Systemen bezüglich Festigkeit und dynamischem Verhalten. Heutige CAD-Systeme unterstützen hauptsächlich die zum Teil algorithmierbaren Tätigkeiten bei der Zeichnungserstellung. Erst durch die Verknüpfung mit Expertensystemen, die in der Lage sind Konstruktionswissen zur Verfügung zu stellen, können kreative Tätigkeiten, wie das Finden von Problemlösungen, unterstützt werden. Auch die modernen 3D-CAD-Systeme mit ihren parametrischen, featureorientierten Solid-Modelern, verbunden mit dem Produktdatenmodell-Ansatz, versprechen für die Zukunft noch ein erhebliches Rationalisierungspotential. Danach soll für ein Produkt nur noch ein CAD-Produktmodell (3D-Modell) erstellt werden, von dem alle Anwendungen wie Berechnungsmodelle, Fertigungsunterlagen usw. mehr oder weniger automatisch abgeleitet werden können. Zu beachten ist allerdings, daß durch neue Hilfsmittel wie z.b. CAD im Konstruktionsbüro auch höhere Kosten entstehen. Um diese Investitionen zu rechtfertigen sind ein wirtschaftlicher, rationeller Konstruktionsablauf und bessere Produkte (optimale Lösungen) erforderlich. Nach Abb. 1.4 kann unter einer optimalen Konstruktion eine wirtschaftliche Konstruktion, verbunden mit einer optimalen Lösung, verstanden werden. Mit Hilfe von CAD lassen sich heute Konstruktionszeiten verkürzen, indem z. B. Fertigungsunterlagen schneller erstellt werden. Rationalisierungseffekte werden dadurch erzielt, daß Geometrien aus Entwürfen für Einzelteil- und Baugruppenzeichnungen weiterverwendet, oder vorhandene Konstruktionselemente und -lösungen aus Bibliotheken abgerufen und direkt in Entwurfs- oder Fertigungsunterlagen eingebracht werden.
6 1 Grundlagen Abb. 1.4. Optimale Konstruktion Neben einer Zeiteinsparung kann aber auch die Fertigungssicherheit und die Produktqualität erhöht werden, indem auf vorhandene, erprobte und bewährte Lösungen zurückgegriffen wird. Belastungssimulationen (FEM), Bewegungssymulationen (Kinematik) und Prozeßsimulationen (Robotik, Rheologie, usw.) sind heute ebenfalls wichtige Hilfsmittel bei der Erarbeitung einer optimalen Lösung, da durch möglichst genaue Voraussagen das Risiko während Herstellung und Gebrauch wesentlich reduziert wird. Rechnergestützte Arbeitsmethoden in der Konstruktion beeinflussen heute direkt im wesentlichen den Konstruktionsablauf. Bei der Erarbeitung von optimalen Lösungen müssen CAD-Systeme noch stärker eingebunden werden. 1.3 Das Gestalten Das Gestalten von Elementen und Systemen ist ein mehrfach zu durchlaufender Optimierungsprozeß. Nach der Frage: Wie ist das Prinzip stofflich zu verwirklichen? ist in jedem Durchlauf zu überprüfen, in welchem Maße die vorgegebenen Anforderungen (Funktionen) erfüllt werden. Während zu Anfang eine Vordimensionierung und erste maßstäbliche Darstellungen zur Klärung der räumlichen Verträglichkeit im Vordergrund stehen, gewinnen mit zunehmender Konkretisierung des Entwurfes Gesichtspunkte wie Herstellung, Montage, Gebrauch, Wartung und Entsorgung zunehmend an Bedeutung. Den vielen speziellen Gestaltungsrichtlinien lassen sich übergreifende Grundforderungen an die Konstruktion voranstellen, die von PAHL/BEITZ [25] zusammengefaßt wurden in den drei Begriffen: Eindeutigkeit, Einfachheit, Sicherheit. Mit der Forderung nach Eindeutigkeit sollen Wirkung und Verhalten von Strukturen zuverlässig vorausgesagt werden können. Sie beinhaltet unter an-
1.3 Das Gestalten 7 derem die Vermeidung von Doppelpassungen, der Forderung nach statischer Bestimmtheit und vieles mehr. Die Einfachheit zielt auf eine wirtschaftliche Lösung, die im allgemeinen durch wenige, einfach herzustellende Bauteile und einfache Systemstrukturen zu verwirklichen ist. Daneben ist auch kritisch zu hinterfragen, ob alle Anforderungen sinnvoll und notwendig sind, da jede zusätzliche Funktion eine Kostensteigerung zur Folge hat. Die Forderung nach Sicherheit soll die Haltbarkeit Bauteilsicherheit, die Zuverlässigkeit Funktionssicherheit, die Unfallfreiheit Arbeitssicherheit und den Umweltschutz Umweltsicherheit gewährleisten. 1.3.1 Funktions- und anforderungsgerechtes Gestalten Ziel einer jeden Konstruktion ist die möglichst gute Erfüllung ihrer Funktion. Das heißt, die Erfüllung der gestellten Anforderungen, die sich aus der Anwendung (Gebrauch) ergeben. Diese Anforderungen sind, möglichst gewichtet, in einer Anforderungsliste (Pflichtenheft) zusammenzufassen. Sie sind, so gut es geht, quantitativ zu erfassen, da Kriterien wie geräuscharm oder geringes Gewicht subjektiv sind und sehr unterschiedlich interpretiert werden können. Die Anforderungen werden zwar zum größten Teil vom Kunden oder Anwender vorgegeben, der Konstrukteur muß sie jedoch auf Vollständigkeit und Technische Machbarkeit überprüfen. Unvollständige und nicht sinnvolle Angaben können den Konstruktionsablauf sehr negativ beeinflussen. Zur Erstellung einer Anforderungsliste kann eine Merkmalliste sehr hilfreich sein, in der alle wichtigen Anforderungen in Form einer Checkliste aufgeführt sind. Da die Anforderungen an Produkte sehr branchenspezifisch sind, ist es sinnvoll, produktbezogene Merkmallisten zu erstellen. In Tabelle 1.1 sind zum Beispiel die wichtigsten Anforderungen für eine Getriebekonstruktion zusammengestellt, die vor Konstruktionsbeginn möglichst quantitativ festgelegt werden müssen. Jeder Konstrukteur muß sich beim Erstellen der Anforderungsliste jedoch darüber im Klaren sein, daß jede zusätzliche Anforderung in der Regel mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Das bedeutet, daß bei Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit, eine Konstruktion nicht so kompliziert wie möglich sondern so einfach wie nötig ausgeführt werden sollte. 1.3.2 Beanspruchungsgerechtes Gestalten Neben dem Werkstoff hat die geometrische Gestalt einen sehr großen Einfluß auf die Tragfähigkeit (Lebensdauer) und die Verformung (Funktion) eines Bauteils. Die Gestalt besteht aus der Form und deren Abmessungen. Die qualitative
8 1 Grundlagen Tabelle 1.1. Merkmale für die Anforderungsliste eines Getriebes Hauptmerkmale Geometrie Technische Daten Stoff/Material Signal Sicherheit Ergonomie Fertigung Montage Gebrauch Instandhaltung zusätzl. Anforderungen Stückzahlen Kosten Termine Beispiel Abmessungen (Länge, Breite, Höhe); Wellenanordnung und -höhe (koaxial, DIN 747); Wellendurchmesser (DIN 748); Anschlußmaße (Flanschdurchmesser, Bohrungen,...) Leistung; Drehzahl; Drehmoment; äußere Kräfte und Momente; Gewicht; Drehrichtung; Schalthäufigkeit; Temperatur vorgeschriebene Werkstoffe; Schmierung Anzeige (Ölstand, Schaltstellung) Überlastsicherung; Arbeits- und Umweltsicherheit Bedienungsart (manuell, hydraulisch, elektrisch); Bedienungshöhe; Schaltkraft bevorzugte bzw. vorgegebene Fertigungsverfahren besondere Montagevorschriften; Band-, Baugruppen-, Baustellenmontage Geräusch; Anwendung; Einsatzort; Betriebsbedingungen; Lebensdauer Wartungsintervalle; Inspektion; Verschleißteile spezielle Kundenanforderungen Jahresproduktion; Gesamtproduktion Herstellkosten; Werkzeugkosten; Modell- und Formkosten Anfang und Ende der Konstruktion; Serienbeginn; Liefertermin Festlegung günstiger Geometrien wird als beanspruchungsgerechte Gestaltung definiert, die als Ziel eine optimale Tragfähigkeit und Verformung bei minimalem Werkstoffaufwand anstrebt. Die Gestalt als auch der Werkstoff müssen vom Konstrukteur festgelegt werden. Sie beeinflussen direkt die Tragfähigkeit und die Verformung eines Bauteils, die sich nach Abb. 1.5 aus der Formtragfähigkeit und der Stofftragfähigkeit zusammensetzt. Eine geringe Formtragfähigkeit bedingt einen hochwertigen Werkstoff und umgekehrt. Die Formtragfähigkeit wird wesentlich vom Querschnitt beeinflußt. Das bedeutet, daß eine nicht beanspruchungsgerechte Wahl der Querschnittsform sich ungünstig auf den Formeinfluß auswirkt und nur durch größere Bauteilabmessungen, also dem Größeneinfluß, kompensiert werden kann. Der Einfluß der Querschnittsform auf die Tragfähigkeit ist abhängig von der Beanspruchungsart. In der Praxis sind die vier Grundbeanspruchungsarten Längskraftbeanspruchung, Biegebeanspruchung, Schubbeanspruchung und Torisonsbeanspruchung entweder in reiner Form oder als Überlagerung vorhanden. Um den Einfluß der Querschnittsform aufzuzeigen, werden die jeweils relevanten Geometriegrößen für die entsprechenden Belastungsfälle herangezogen.
1.3 Das Gestalten 9 Abb. 1.5. Einflußgrößen auf die Tragfähigkeit eines Bauteils Längskraftbeanspruchung. Wird ein Bauteil mit einer Längskraft belastet, so kann dadurch, je nach Kraftrichtung, eine Zug- oder Druckbeanspruchung auftreten. Bei einer reinen Zugbeanspruchung ist die auftretende Normalspannung nur von der Größe, nicht aber von der Form des Querschnittes abhängig. Im Gegensatz dazu kommt bei einer Druckbeanspruchung der Querschnittsform eine große Bedeutung zu. Schlanke, auf Druck beanspruchte Bauteile können durch Knicken versagen. Für den elastischen Bereich gilt F K ~ I min. Mit F K = Knicklast (kleinste Kraft, die zum Ausknicken des Bauteils führt) und I min = kleinstes axiales Flächenmoment 2. Ordnung der Querschnittsfläche. Das heißt, je größer das Flächenträgheitsmoment I min ist, desto geringer ist die Knickgefahr. In Abb. 1.6 sind die Ergebnisse einer Untersuchung über ge- Abb. 1.6. Optimale Querschnittsformen knickgefährdeter Bauteile mit gleicher Fläche [31]