Fachbeitrag von Dr. Harald Seehausen Die Zukunft Wettenberger Kindertagesstätten in Verbindung mit Grundschule - Gemeinsame Projekte und Aktivitäten - Anhand von zukunftsorientierten Beispielen aus unterschiedlichen Kinder- und Familienzentren Hessens werfen wir einen Blick in die Zukunft von Wettenberger Kindertageseinrichtungen in Verbindung mit Grundschule und stellen denkbare gemeinsame Projekte und Aktivitäten vor. Zukunftsorientierte Beispiele Erstes Beispiel Am Samstagvormittag besuchen die Großeltern mit ihren Enkelkindern das Familienzentrum. Die Seniorengruppe hat mit den Erzieherinnen das Oma-Opa-Enkel --Frühstück organisiert. Die Großeltern spielen mit ihren Enkelkindern die Spiele ihrer Kindheit. Mütter und Väter erholen sich vom Familienalltag, Hausarbeit ist verboten. : Die Generation der Neuen Alten verfügt über einen reichen Schatz an Lebenserfahrung und Know-how. Die Wirkungsforschung im Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser belegt, dass gemeinsame Aktivitäten die Generationen zusammenführt, das Verständnis füreinander fördert. Offene Treffs laden Jung und Alt ein und bilden ein wichtiges Herzstück von Familienzentren und bauen Hemmschwellen ab. Zweites Beispiel Die Grundschule stellt am späten Nachmittag in Kooperation mit dem Förderverein der Eltern und den Elternbeiräten Müttern und Vätern die Räume für elternbildende Veranstaltungen zur Verfügung. Mit der Familienbildungsstätte werden Diskussionen zu Alltagsthemen und Erziehungsfragen wie Taschengeld, Computerspiele, Zimmeraufräumen und Familien- und Kinderzeit durchgeführt. Parallel erfolgt eine Kinderbetreuung. Bildungs- und Beratungsangebote für Eltern erweitern die Beziehungs- und Erziehungskompetenz von Eltern. Die Neubestimmung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Eltern mit pädagogischen Fachkräften macht eine stärkere Einbindung der Angebote der Familienbildung an das Kinder und Familienzentrum/Grundschule notwendig. Die Erfahrung zeigt, dass Kursangebote eher Eltern aus der deutschen und Migranten Mittelschicht ansprechen, während sich in offenen Eltern-Kind-Gruppen die Eltern des Sozialraums stärker mischen. 1
Drittes Beispiel Zwei Väter befinden sich in Elternzeit. Sie möchten sich aktiv an der Entwicklung ihrer Kinder beteiligen und betreten damit Neuland. Auch im Familienzentrum. Mit Unterstützung der Familienbildungsstätte und den Erzieherinnen entwickelt sich eine Vater-Kind-Gruppe. Kinder und Väter treffen sich alle zwei Monate am Samstagvormittag im Familienzentrum zu einem gemeinsamen Frühstück spielen miteinander und verändern die Außenfläche zu einem Spielparadies. Die Frauen lassen die Hausarbeiten liegen, entspannen sich und genießen ihre Freizeit. Kinder- und Familienzentren haben das Ziel, die weibliche Orientierung durch eine männliche sichtbar zu ergänzen und den Kindern die Identifikation und Auseinandersetzung mit männlichen Bezugspersonen und ihren Angeboten zu ermöglichen. Die aktive Mitarbeit von Erziehern im Team, neue Zugänge zum aktiven Vaterengagement und soziales Engagement von männlichen Jugendlichen, Singles und Senioren spiegeln veränderte Wünsche und Erwartungen wider. Für Kinder werden neue Bildungsgelegenheiten geschaffen. Elternzeit Viertes Beispiel Eine engagierte Künstlerin stellt ehrenamtlich Zeit zu Verfügung: Unter dem Motto Ganz Wettenberg spielt malen die Kinder ihre Spielwünsche in der Stadt auf. Die Werke der Kinder werden in der benachbarten Bank ausgestellt. Die Verantwortlichen der Bank greifen die Idee des Familienzentrums auf, stellen eine Spende zur Verfügung und es gelingt ein großartiges Spielfest an einem Sonntag, an dem sich zahlreiche Sportvereine und Organisationen mit Gesundheitsberufen aktiv beteiligen. Die Kooperation zwischen den Einrichtungen am Ort verbunden mit zivilgesellschaftlichem Engagement schafft qualitativ neue Angebote im Interesse der Eltern und Kinder. Zur Konzeption von Kinder- und Familienzentren gehört, mit anderen Einrichtungen im Sozialraum zu kooperieren. Ziel ist es, die personellen, räumlichen und materiellen Ressourcen besser zu nutzen, um fehlende passgenaue Angebote für Familien zu entwickeln oder kreative Lösungen für infrastrukturelle Probleme zu finden. Durch Synergieeffekte und Kontinuität der Zusammenarbeit mehrerer Institutionen können nachhaltige Bildungs- und Fördermöglichkeiten für Kinder entwickelt werden. Fünftes Beispiel Eine arbeitslose und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, früher als Bürokauffrau tätig, interessiert sich über die Mitarbeit im Familienzentrum für pädagogische Fragen. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und Beschäftigungsgesellschaften begleitet das Familienzentrum Möglichkeiten der Mitarbeit. Die Frau beginnt später eine Teilzeitausbildung zur Erzieherin. Es entsteht ein neuer Lebensentwurf. Die Mutter- Kind-Beziehung stabilisiert sich. 2
An Kinder- und Familienzentren (early excellence centers) haben Mütter und Väter mit und ohne Migrationserfahrungen, Alleinerziehende, arbeitslose Jugendliche, Rentner, Frauen in Elternzeit und Hausfrauen durch das freiwillige Engagement neue Lebensentwürfe entwickelt und sich für eine berufliche Neuorientierung in der sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entschieden. Das schrittweise Hineinwachsen in neue soziale Aktivitäten wird fachlich begleitet. Sechstes Beispiel Erzieherinnen, Elternbeiräte und Trägervertreter planen gemeinsam eine Elternbefragung. Die Elternvertreter beteiligen sich weiterhin aktiv an der Durchführung und Auswertung der Bedarfsermittlung und es wird eine Rücklaufquote von 74 % erreicht. Bei einem gemütlichen Familien-Frühstück am Samstagvormittag werden die Ergebnisse der Elternbefragung bekanntgegeben. Mütter und Väter planen mit den Erzieherinnen interkulturelle Projekte. Die örtliche Presse ist anwesend und berichtet ausführlich über das Familienfest. Die aktive Beteiligung und Mitwirkung von Eltern ist eine tragende Säule in Kinder- und Familienzentren. Die Neubewertung früher Bildungsprozesse hat die aktive Elternbeteiligung stärker in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. Wenn Eltern an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten des Familienzentrums wie z.b. Öffnungszeiten, Konzeption und Personalfragen aktiv beteiligt werden, erhöht dies die Motivation, sich im Elternbeirat für die Bildungs- und Betreuungsinteressen von Familien zu engagieren. Elternvertreter vertreten Rechte und Interessen der Kinder und Familien und agieren als Vermittler bei Konflikten zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern bzw. Eltern untereinander. Der höhere Einfluss der Eltern auf die Gestaltung der pädagogischen Arbeit steigert nicht nur ihr Interesse, sondern auch die Zufriedenheit mit Bildungs- und Dienstleistungsangebot des Familienzentrums. Siebtes Beispiel Erzieherinnen und Elternbeiräte haben gemeinsam ein Konzept zum Übergang von der Familie in das Familienzentrum entwickelt. Der Übergang in eine Krippe, Kita oder in die Kindertagespflege für Kinder unter drei erfordert für Kinder, Eltern und Fachpersonal besondere Fähigkeiten. Zahlreiche Eltern zeigen Schwierigkeiten beim Abschiednehmen von einem Lebensabschnitt, in dem die Eltern-Kind-Beziehung besonders intensiv erlebt wurde. Mit den Lehrerinnen haben die Erzieherinnen jetzt gemeinsam mit den Elternbeiräten einen Kooperationskalender erarbeitet, der eine Vielfalt von wechselseitigen Hospitationen, Kommunikation und Austausch als gleichberechtigte Partner mit eigenem Bildungsauftrag beinhaltet. 3
Kinder und Familienzentren verfolgen kontinuierliche Bildungs- und Erziehungspartnerschaften. Sie vermeiden Beziehungsabbrüche, Diskontinuitäten in den Entwicklungsverläufen der Kinder und setzen sich für Anschlussbetreuungen ein. Eltern bringen deutlich zum Ausdruck, dass sie Angebote aus einer Hand bevorzugen und unter der sich wiederholenden anstrengenden und oft erfolglosen Suche nach Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten leiden. Achtes Beispiel Die Elternbefragung erforscht nicht nur die Bedarfe und Wünsche der Familien, sondern auch die Talente und Hobbies von Vätern, Müttern und größeren Geschwisterkindern. Und plötzlich entstehen neue Bildungs- und BetreuungsPartnerschaften im Familienzentrum und in der benachbarten Grundschule. Eine Mutter gibt Joga, ein Vater gibt Anregungen für naturwissenschaftliche Experimente, ein marokkanischer Vater kocht eine Spezialität seines Landes und lädt mit seiner Familie und mit den Erzieherinnen zu einem Sonntagsessen ein. Ein arbeitsloser Vater kickt mit den Hortkindern auf dem benachbarten Sportplatz. Das Neue an Kinder- und Familienzentren ist, dass sowohl die Kinder als auch die Eltern im Mittelpunkt der Arbeit und des Interesses stehen. Der neue Blick auf Eltern geht davon aus, dass allen Eltern grundsätzlich zugetraut wird, dass sie Experten für ihr Kind sind und sich als Verantwortliche viele Gedanken über die Entwicklung ihres Kindes und eine förderliche Erziehung machen. Kinder bewerten die Mischung professioneller und ehrenamtlicher Personen besonders positiv. Neuntes Beispiel Das Familien-Café in der Grundschule oder KiTa ist ein Ort der Begegnung, der Kommunikation und des Austausches über Bildungs- und Erziehungsfragen. Eltern aus unterschiedlichen Milieus mit verschiedener Herkunft bringen ihre Kinder mit. Eine Mitarbeiterin der Familienbildungsstätte ist mit einem Teil ihrer Arbeitszeit anwesend; Eltern aus dem Unterschichtmilieu fassen Zutrauen und berichten über ihre privaten Sorgen. Die Kinder- und Familienzentren werden zu beliebten Treffpunkten von Eltern, insbesondere Alleinerziehenden und Migrantinnen mit Kindern. Für viele Eltern sind Treffpunkte wie Elternfrühstück, Familienspiel-Nachmittage, Frauencafé, Vätertreffen mit Kindern, offene Eltern-Kind-Gruppen oder Treffen im Bistro, auch an Wochenenden, ein erster Schritt, ihre Isolation zu überwinden, andere Eltern und Kinder kennenzulernen und Anregungen im Umgang mit ihrem Kind zu bekommen. Aus den Treffen der Eltern können sich nachbarschaftliche soziale Netze entwickeln, die die zeitlichen Belastungen von Familien verringern. In diesem Zusammenhang sollte die Elternselbsthilfe einen hohen Stellenwert einnehmen. 4
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