Chancen: Ist gendersensible Suchtarbeit wirksam(er)? Schlüsselkriterien und Erfolgsfaktoren f 4. Mai 2011 Lisa Guggenbühl, lic.phil.i
Inhalt 1. Hintergrund der Ausführungen 2. Struktur- und Prozessmerkmale gendersensibler Suchtarbeit 3. Wirkungen und Erfolgsfaktoren gendersensibler Suchtarbeit 4. Fazit 2
Grundlage meiner Ausführungen Zwei Studien im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (Schweiz): Machbarkeitsstudie: Ist die Wirksamkeit gendersensibler Suchtarbeit messbar? (Ruflin/ Guggenbühl, 2009) Metaevaluation zur Wirksamkeit gendersensibler Suchtarbeit (Guggenbühl/ Bütler, 2010) 3
Entstehungskontext Langjähriges Engagement des Bundesamtes für gendersensible Suchtarbeit Ergebnis: Wenige Institutionen unternehmen viel viele Institutionen unternehmen wenig Idee: Nachweis erbringen, dass gendersensible Suchtarbeit wirksamer ist 4
Machbarkeitsstudie Leitfrage: Ist es möglich nachzuweisen, dass gendersensibles Arbeiten wirksamer ist? Teilfragen: 1) Welches sind die Merkmale gs Suchtarbeit? 2) Methodologische Machbarkeit Vorgehen (bez. Merkmalen): Literaturstudium und Experteninterviews Ergebnis: Struktur- und Prozessmerkmale gendersensibler Suchtarbeit in Theorie und Praxis 5
Metaevaluation Leitfragen: 1. (Anhand welcher Merkmale wird die Suchtarbeit als gendersensibel definiert?) 2. Von welchen Wirkungen wird in den Texten berichtet t und wie manifestieren sich diese? 3. Unter welchen Bedingungen g konnten diese Wirkungen festgestellt werden (Erfolgsfaktoren)? 6
Metaevaluation Gegenstand: Analyse empirischer Studien zu Wirkungen und Wirkungsbedingungen gendersensibler Suchtarbeit Datengrundlage: 1) Fragebogenerhebung bei allen Suchthilfe- institutionen der CH (633, Rücklauf 11.5 %) 2) Gezielte Recherchen (deutscher Sprachraum, EU) Auswertung: qualitative Inhaltsanalyse 7
Geltungsbereich Metaevaluation V.a. Schweiz Suchtarbeit i.s. substanzbezogener Suchtformen (illegale Drogen, Alkohol) Alle Bereiche der Suchthilfe, ohne Prävention Sozialarbeit/ Sozialpädagogik Dokumentarischer Charakter (beschrei- bend, kein Wirksamkeitsnachweis) k it i 8
Begriffe: Gendersensibilität Gendersensibel bedeutet im folgenden dem sozialen Geschlecht ht im professionellen Handeln ausreichend Beachtung zu schenken Gendersensibel, genderspezifisch, frauenspezifisch 9
Ergebnisse der beiden Studien 1. Strukturmerkmale gs Suchtarbeit 2. Prozessmerkmale gs Suchtarbeit 3. Wirkungen gs Suchtarbeit 4. Erfolgsfaktoren gs Suchtarbeit 10
Strukturmerkmale Existenz gendersensibler Angebote Gendersensible Infrastruktur Gendersensibles Bezugspersonensystem Gendersensible Organisationsstruktur Commitment t der Leitung zu gs Arbeitsweise i Genderrelevantes Reporting Sicherstellen von Genderkompetenz Genderspezifische Ressourcenallokation 11
Strukturmerkmale k Selbstdeklaration gemäss Metaevaluation: Gleichgeschlechtliches Beratungs- / Bezugspersonensystem (23 Institutionen) Männer und Frauen sind im Arbeitsteam ausgewogen vertreten (10) Geschlechtsspezifische Themen in der Beratung/ Therapie (10) Bauliche Massnahmen (getrennte Räume) (7) Männer- und Frauengruppen (8) Spezifische Bildungsangebote (6) 12
Prozessmerkmale Orientierung der Angebote an den Bedürfnissen der Klient/innen Einbezug der Klient/innen in die Entwicklung neuer und Anpassung bestehender Angebote Periodische Befragung der Klient/innen, ob die Angebote ihren Bedürfnissen entsprechen Einbezug neuer Erkenntnisse in die Angebotsgestaltung (Fachlichkeit) 13
Prozessmerkmale Genderspezifische thematische Ausrichtung: Berücksichtigung von Unterschieden in Ursachen, Suchtmustern und Ausstiegswegen Bearbeitung genderspezifischer Themen (z.b. gynäkologische Untersuchung, Vaterbilder, Opfer-Täterrolle) Einsatz gendergerechter Arbeitsmethoden und Settings Konsultation entsprechender Studien und Übersetzung in eigene Arbeitsansätze 14
Prozessmerkmale Genderkompetenz: laufende Reflexion der eigenen Arbeitsweise Sensibilisierung der Mitarbeitenden für die Kategorie des sozialen Geschlechtes Selbstreflexion der eigenen Arbeitsweise mit Bezug auf die Kategorie des sozialen Geschlechts 15
Wirkungen Die Metaevaluation hat jene Beobachtungen als Wirkungen aufgenommen, die in den analysierten Studien als solche beobachtet und bezeichnet wurden. 16
Wirkungen Wirkungsarten gendersensibler Suchtarbeit: Wirkungen hinsichtlich Erreichen der Zielgruppen Wirkungen im Sinne besserer Bedingungen für Veränderungsprozesse Wirkungen im Sinne konkreter Verhaltensund Einstellungsänderungen g 17
Wirkungen: Erreichen der Zielgruppe Besseres Erreichen der Klientel in der aufsuchenden und niederschwelligen Suchtarbeit Wenn wir nicht gendersensibel arbeiten würden, ( ) würde dies den persönlichen Zugang zu unseren Klienten und Klientinnen massiv erschweren. ( ) Wenn überhaupt, findet nur ein Mann Zugang zur extrem tabuisierten Stricherszene. 18
Wirkungen: Erreichen der Zielgruppe Besseres Erreichen von Frauen in der ambulanten Alkoholrehabilitation Allein schon das frauenspezifische Angebot an sich steigert die Nachfrage durch Klientinnen. Es werden mehr Frauen mit belastenden Lebenslagen, mit Mehrfachabhängigkeiten, traumatischen Erfahrungen ( ) und Frauen mit suchtkranken Partnern erreicht. 19
Wirkungen: Bessere Bedingungen für Veränderungsprozesse Bessere Haltequote von Frauen in der gendersensiblen Alkoholrehabilitation Sensible Themen können besser angesprochen, persönliche Probleme besser bearbeitet werden Erhöhtes Vertrauen zwischen Klientel und Mitarbeitenden 20
Wirkungen: Bessere Bedingungen für Veränderungsprozesse Geschlechtsspezifische Erfahrungen können besser eingebracht werden Die geschlechtergetrennten Gesprächsgruppen bieten einen Schutzraum und ermöglichen es den Mitgliedern, ihre je eigenen geschlechts- spezifischen Erfahrungen einzubringen. 21
Wirkungen: Bessere Bedingungen für Veränderungsprozesse Stärken der Beziehungen und des Vertrauens zwischen den Klientinnen Für mich war das Beste, einfach die Beziehungen, die ich aufgebaut habe im Frauenhaus..., Ich hab dort gelernt, mit Frauen wirkliche Freundschaften aufzubauen 22
Wirkungen: Konkrete Verhaltens- und Einstellungsänderungen Höhere Erfolgsquote bez. Abnahme der Suchtproblematik in frauenspezifischen Einrichtungen Bessere soziale Eingliederung mit frauenspezifischen Einrichtungen Veränderung ggenderspezifischer Risikofaktoren/ Abbau von Geschlechterrollenstress 23
4. Erfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren sind Bedingungen, welche die erwünschte Wirkung einer Intervention begünstigen oder verstärken Hohe Redundanz d zwischen Prozessmerkmalen und Erfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren in den Bereichen - Bedürfnisorientierung/ Überlebenshilfe - Empowerment - Gendergerechte Gestaltung der Therapie 24
Bedürfnisorientierung/ Überlebenshilfe Grundbedürfnisse sicherstellen Orientierung an Bedürfnissen der Klientinnen Orientierung an Ressourcen der Klientinnen (z.b. Beschäftigungsangebote) Vernetzung mit für Frauen wichtigen Stellen Frauenspezifische Angebote auch dann anbieten, wenn diese nicht a priori einem Bedürfnis entsprechen 25
Empowerment Empowerment und akzeptierender Ansatz Das Anerkennen und Fördern der Frauen als Expertinnen ihrer Lebenssituation findet sich als wichtige methodische h Leitlinie i bei allen beteiligten Einrichtungen. Parteilichkeit und politische Bildung In der Arbeit mit den Klientinnen sollten soziale Benachteiligungen thematisiert und die Auseinandersetzung damit gefördert werden. 26
Gendergerechte Gestaltung der Therapie Geschützten Rahmen für Frauen Genderspezifische Therapieziele genderspezifischer Risiko- und Schutzfaktoren Gleichgeschlechtliche Bezugsperson für KlientInnen mit Gewalterfahrungen Balance zwischen Gender- und Suchtperspektive 27
Fazit 28
Wirkungsweise gs Suchtarbeit Gendersensibles Arbeiten begünstigt t das Erreichen der Zielgruppen, schafft bessere Bedingungen für Veränderungsprozesse und unterstützt dadurch Verhaltens- und Einstellungsveränderungen. Dies wird erreicht mittels konsequenter Orientierung an den Bedürfnissen der KlientInnen, einschliesslich Überlebenshilfe, gezieltem Empowerment sowie einer gendergerechten Gestaltung der therapeutischen Angebote. 29
Gültigkeit auch für die Glücksspielsucht?! Der Frauenanteil mag ein anderer sein. Die Lebenssituationen und Ressourcen mögen andere sein. Die Bedürfnisse mögen andere sein. Aber die Wirkungsweise gendersensibler Suchtarbeit bleibt dieselbe! 30
Genderesensibilität als Teil von Professionalität Gendersensibilität ist Teil professionellen Handelns Gendersensibilität erhöht h die Wirksamkeit k und Nachhaltigkeit von Suchtarbeit 31
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Lisa Guggenbühl Socialdesign, 3011 Bern www.socialdesign.ch 32